Vor 20 Jahren: Überfall auf jüdischen Friedhof in Augsburg – Hochfeld, Haunstetter Str.

May 4, 2011

Jüdischer Friedhof: 26 Gräber geschändet“

“Polizei nimmt sechs Jugendliche fest – Bestürzung bei der Israelitischen Kultusgemeinde”

Augsburger Allgemeine” report from early September 1991 report on the “desecration” of at least 26 grave markers at Hochfeld Jewish Cemetery at Haunstetter Str. in Augsburg, which according to the description took place  in the night from 25th to 26th of August (i.e. 16th of Elul) and once again 29th of August. Six German then adolescents age 15 ot 17 entered the cemetery in their first nightand damaged several grave markers along the northern part of the cemetery. Three days later three of them returned to the cemetery for a second chance to damage Jewish memorials. According to the accoutns this time they devoted their time and effort to the rather small children grave marker at the south site of the main entry at Haunstetter Str. Although the then juvenile grave desecrators obviously had to cope with some physical effort to climb over a seven feet high wall or to capsize grave markers of granite weighing 25o kg (550 lb) or more, they were excused by the local police. Their speaker explained the group of intruders had to much alcohol and in no way any political or even racist motifs. Senator Julius Spokojny (1923 – 1996) the then head of the Jewish community of Augsburg doubted the result of the investigation and asked for more severe punishments. 

Actually the position of the approach of the Augsburg police office Pfrogner was a little odd at least. As the article says the police identified the deliquents two days after their second intrusion into the cemetery what is five days after their first one. How the police investigators were able to approve that the grave desecrators actually were “under the influence of alcohol” two and five days later ..?  The wall of the cemetery is considerably high and everything but easy to climb over.  This of course needed coordination and organized acting. Three days later three of the inital group of six returned to continue the destruction.

Augsburger Allgemeine vom 6. September 1991:

Bestürzung bei der der Israelitischen Kultusgemeinde: Nur wenige Tage vor dem jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana wurden in dem Friedhof an der Haunstetter Straße insgesamt 26 Gräber geschändet. Die Täter sind laut Polizei sechs Jugendliche. „Die Beschädigungen und Verwüstungen“, so die Polizei „haben keinen politischen Hintergrund“. Julius Spokojny, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde bezweifelt das.

 

Ein Besucher entdeckte die Grabschändungen am Dienstag: Grabsteine waren zerbrochen, aus ihren Verankerungen getreten oder vom Sockel gerissen worden, Verzierungen waren abgeschlagen worden. Kaputte Bierflaschen, leere Plastiktüten und Konservendosen lagen herum.

Die Verwüstungen deren Spuren zum Teil schon wieder beseitigt sind, ziehen sich an der Nordseite durch die ganze Länge des Friedhofs. Ein besonders beklemmendes Bild bietet sich dem Besucher gleich links hinter dem Haupteingang an der Haunstetter Straße: Dort wurden mehrere kleine Steine von Kindergräbern umgetreten.

Die Ermittlungen der Kripo führten nach zwei Tagen zum Erfolg. Nach Angaben der Polizei kletterten sechs Jugendlich im Alter von 15 bis 17 Jahren „nach Genuß von reichlich Alkohol“ in der Nacht zum Montag vergangener Woche in den Friedhof ein und warfen dort willkürlich Grabsteine von Gräbern um. Zwei Tage später seien nochmals drei der Burschen über die Mauer eingestiegen. Ein 17jähriger habe dabei teils mit der Hand, teils mit dem Fuß nochmals sechs Grabsteine umgestoßen.

Wie Polizeidirektor Karl Pfrogner gestern gegenüber der AZ sagte, kamen die jungen Burschen aus der Schrebergartenanlage, die im Norden an den Friedhof grenzt. Zum Motiv heißt es im Bericht der Polizei: „Jugendliche Unvernunft und Übermut, verbunden mit dem übermäßigen Genuß von Alkohol, führten zu unüberlegten und verwerflichen Handlungen.“ Die Täter seien alle geständig, „bereuen zutiefst ihr Verhalten“ und wollen den entstandenen Schaden, soweit es ihnen möglich sei, selbst wieder in Ordnung bringen.

Die jungen Leute müssen mit einer Strafanzeige wegen Störung der Totenruhe, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch rechnen. Ihre Eltern sollen Schadensersatz leisten. Pfrogner betonte auf Anfrage: „Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt oder Hinweis auf einen politischen oder gar rassistischen Hintergrund.“

Senator Julius Spokojny zweifelt an dieser Aussage. Die Jugendlichen hätten gewußt, daß es der jüdische Friedhof sei. „Wer weiß was dahinter steckt“, sagte er gestern. Die Version der Polizei sei ihm „zu glatt“, die Behandlung der Täter „zu lasch“. In keinem Staat würden so viele Friedhöfe geschändet wie in der Bundesrepublik. „Man sollte keine milden Strafen walten lassen und solchen Schandtaten Einhalt gebieten“ forderte Spokojny. Die Mitglieder der Kultusgemeinde sind bestürzt. (- Uli Bachmeier)

die nördliche Außenmauer des jüdischen Friedhofs an der Haunstetter Str. mit erwachsenen Personen

Es ist offensichtlich, dass die Polizei den Vorfall vor knapp 20 Jahren nicht sonderlich ernst nahm. Die keineswegs niedrige Mauer des Friedhofs zwischen Haunstetter Str und alten Postweg, zwischen den besagten Schrebergärten und der Berufsschule ist nicht ohne weiteres zu überwinden und schon gar nicht, wenn man stark alkoholisiert sein will. Merkwürdig ist, dass die ermittelnde Polizei den “geständigen Tätern” attestiert, betrunken gewesen zu sein, obwohl sie die Delinquenten erst zwei, bzw, fünf Tage nach dem ersten und zweiten Eindringen in den Friedhof ermitteln konnte. Gab es damals rückwirkende Alkoholtests, die Bierkonsum nach fünf Tagen nachweisen konnten? 26 mitunter sehr schwere Granitsteine aus ihren Fundamentenund Sockeln auszuhebeln erforderte zweifellos eine gewaltige Anstrengung und war nicht nebenbei, versehentlich umhertorkelnd umzustoßen wie die berühmte Porzellanvase in Slapstick-Filmen. Es bedurfte roher Gewalt und krimineller Energie und der Gruppendynamik. Die im Artikel erwähnten Bierflaschen nebst anderen Mühl, müssen übringes in keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Tat stehen. Das Bier kann auch nach dem Umwerfen der Steine getrunken worden sein. Straßenbahnhaltestellen auf beiden Seiten, Passanten wie auch die anliegende Berufsschule sorgen für eine gewisse Refrequentierung und somit auch für den einen oder anderen Müll, der eingeworfen wird. Das ist im ganzen Stadtgebiet zu beobachten. Die Beschwichtigung durch Sprecher der Polizei war absurd, was im Umkehrschluss nicht bedeuten muss, “drakonische Strafen” fordern zu müssen. Es ist jedoch klar ersichtlich, dass die Grabschänder es gezielt auf den jüdischen Friedhof abgesehen hatten, da sie einzweites mal zu ihm zurückkehrten und wären sie nicht ermittelt worden womöglich noch öfter. Ihr Eindringen erforderte einen erheblichen körperlichen Aufwand, ebenso wie ihr Zerstörungsweg. Mit einem Streich dummer und alkoholisierter Jungendlicher hatte dies nichts zu tun. Dumm ist es eher die offensichtliche Absicht zu verschweigen und zu bagatelisieren.


Das Kinderdenkmal am jüdischen Friedhof Augsburg Hochfeld an der Haunstetter Str.

December 12, 2010

Nach langer und ausführlicher Planung konnte im herbstlichen Spätsommer und im winterlichen Spätherbst am jüdischen Friedhof Hochfeld zwischen Haunstetter Straße und Altem südlich der Augsburger Altstadt ein Monument für die am Friedhof bestatteten Kinder aufgestellt und eingeweiht werden, deren Grabsteine in der Zeit der Naziherrschaft und danach zerstört wurden.

Das schlichte Denkmal ist etwa 2 Meter 20 hoch und 1 Meter 20 breit und wurde entlang des Fußwegs aufgestellt. 14 schwarze Tafeln (20 x 30 cm) beinhalten in weißer Schrift 82 Namen jüdischer Kinder und ihre Todesdaten, die 2007 bei Recherchen zur Dokumentation des Friedhofs in Archiven und privaten Unterlagen ermittelt werden konnten. Eine fünfzehnte Tafel (40 x 30 cm), in der Mitte oben, enthält unterhalb eines weißen Davidsterns eine hebräische Widmungsinschrift

אל־דמעתי אל־תחרש

Was zwar mit „schweig nicht zu meinen Tränen“ etwa sinngemäß richtig übersetzt wird, in Klammern aber als Zitat, aus Psalm 56.9 ausgewiesen ist, was falsch ist. Tatsächlich stammt das Zitat aus Psalm 39.13 תהילים und lautet vollständig:

שמעה־תפלתי יי ושועתי האזינה אל־דמעתי אל־תחרש כי גר אנכי עמך תושב ככל־אבותי

(„Höre mein Gebet, HaSchem, erhöre meinen Hilferuf, betäube* nicht meine Tränen, denn ein Gast bin ich bei dir verweilend wie all meine Väter“ das Verb חרש bedeutet taub sein, verstummen, beruhigen, … zunächst aber eingravieren, schnitzen, schreiben, vom wohl ursprünglicheren pflügen, beackern.)

darunter ist noch zu lesen:

„Hier ruhen 82 Kinder in unmarkierten Gräbern. Gott kennt ihren Platz; Sie ruhen sanft im Lichte seiner Herrlichkeit.“

Und schließlich die allgeläufige Formel  תנצבה – ihre Seelen seien eingebunden im Bund des Lebens.

Im Sinne eines anderen Tehilim-Verses („כרחם אב על־בנים רחם יי על־יראיו׃“) bedanken wir uns bei der Israelitischen Kultusgemeinde in Augsburg, dem Vorstand und Dr. Henry Brandt – insbesondere bei Herrn Leonid Zamskoy, dem bis dato zuständigen Betreuer des Friedhofs – für die Konzeption, Organisation und Verwirklichung des schlichten und würdevollen Monuments, welches den Kindern der jüdischen Vorkriegsgemeinde „Denkmal und Name“ (yad vashem) zurückgibt und ihnen eine möglichst bleibende Erinnerung in künftigen Generationen ermöglicht.   

 

A new memorial at the Jewish Cemetery of Augsburg – Hochfeld (between Haunstetter Str. and Alter Posterweg),erected end of October and inaugurated early December 2010, commemorates Jewish children from Augsburgs pre-war Jewish community whose grave marker had been destroyed during the Nazi era and the following decades of neglect. The monument is 2.5 yard high and four feet wide and has the names and  dates of death of 82 Jewish children on 14 plates. An additional plate in the top of the middle has a quotation from the Biblical book of Psalms on it, what usually is translated as “do not be silent at my tears”. Although the inscription says it is a quote of Ps. 56.9, however it actually is Psalm 39.13  

Many thanks to the Jewish community of Augsburg, especially Mr. Leonid Zamskoy for the realization of the meaningful and exemplary project. 

большое спасибо


Friedhof Haunstetter Straße

October 19, 2007

menorabrunnen-haunstetter-str-augsburg.jpglandauer-grabmal-haunstetter-str-augsburg.jpg gedenkinschrift-augsburg-haunstetter-str.jpgfriedhof-haunstetter-str-augsburg.jpgjudisches-kriegsdenkmal-haunstetter-str-augsburg.jpg


Jüdischer Friedhof Haunstetter Straße

July 18, 2007

Insgesamt haben wir nach aktuellem Stand (15. Juli 2007) 968 ausgewiesene Gräber (Grabstein oder zumindest noch Sockel ist erhalten) erfasst, wobei sich speziell im Eingangsbereich der Ostseite eine Reihe verwaister ehemaliger Gräber befinden, deren Steine offensichtlich zerstört wurden. Hierbei handelt es sich mutmaßlich vor allem um Kindergräber. Sie wurden nicht mitberechnet. 

 

Die Anlage misst in genauer Ost-West-Ausrichtung auf der südlichen Seite 218 m und auf der nördlichen 215 m. Die Ostseite misst 48m, das noch nicht belegte Westende mit Zugang zum „Alten Postweg“ 36 m. Der Friedhof ist durch einen durchgehenden Weg von Ost nach West in zwei Hälften unterteilt. In etwa der Mitte des Durchgangswegs befindet sich die Aussegnungshalle, im hinteren Teil am Westende ein großer siebenarmiger Leuchter aus Stein, der zugleich auch Wasserspender ist.  

 

An der Südseite, die jenseits der Mauer an die Berufsschule angrenzt, befinden sich an deren Wesende neuere Gräber jüdischer Frauen, meist russsicher Herkunft. Ihnen gegenüber finden sich Begräbnisstätten russischer männlicher Juden. Diese strikte Trennung wird freilich nur im neueren westlichen Teil des Friedhofs eingehalten, wenngleich auch nicht strikt. In den älteren Teilen finden sich Männer und Frauen gemischt, häufiger auch in gemeinsamen Gräbern von Ehepaaren, manches auch mit deren Kindern. 

 

Für die Aufschlüsselung der nicht immer parallel verlaufenden Reihen in der Süd- und Nordhälfte werten wir die Reihen einzeln als S = Süd und N = Nord. Die Südhälfte verfügt über 62 Grabsteinreihen, die Nordhälfte über 58 Reihen. Jede Reihe verfügt zwischen 2 und maximal 15 Grabsteine, im Durchschnitt also etwa 8. Zusätzlich befindet sich etwa in der Mitte an der südlichen Mauerseite ein Ehrenmahl der früheren Gemeinde für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Hier wird mit drei eingelassenen Tafeln insgesamt 24 Soldaten gedacht. Zu Füßen der Gedenktafeln befinden sich zusätzlich noch sechs kleine Grabsteine, für weitere gefalle, offenbar tatsächlich vor Ort bestattete Soldaten, deren Anzahl nicht ermitteln lassen, da größere Teile der Inschriften von Moos überwuchert und somit unleserlich sind. Im Südteil nun befinden sich insgesamt 504, im gegenüberliegenden Nordteil 464 Gräber. 

 

Stilistisch unterscheiden sich die Grabsteine sehr auffällig. Während im älteren Ostteil (meist um 1900 – 1920), vor allem teilweise erheblich verwitterte aber auch mutwillig zerstörte Kalksteine finden wird der moderne Westen (etwa ab 1990) von neuen hochglänzenden Marmor dominiert. Im Mittelteil findet man freilich den größeren Variantenreichtum, vor allem aus der Zeit zwischen 1910 – 1930, mit zahlreichen individuellen Monumenten, teilweise aus Marmor, die auch Gestalt von Obelisken annehmen können. Abgebrochene Säulen etwa symbolisieren, dass die Verstorbenen zu früh in einem noch recht jungen Alter aus dem Leben schieden. 

 

 Die Inschriften erfolgten fast überwiegend in deutscher Sprache, meist begleitet von gängigen hebräischen Kürzeln wie פנ für po nikbar (hier ist begraben) oder תנצבה für tehi nischmato zrura bizror hachajim was eine Wendung aus dem ersten Buch Samuel wiedergibt und in etwa bedeutet: „seine Seele sei umhüllt im Bund des Lebens“. Öfter sind Kannen auf Gräbern zu finden, was eine levitische Abkunft des Toten bezeugt, seltener hingegen finden sich segnende Hände als Hinweis auf einen Kohen.  

 

Bestattet ist hier auch eine Reihe prominenter Personen, wie etwa Dr. Richard Grünfeld (1863 – 1931), (Grab S 31.3) Rabbiner in Augsburg von 1910-1929 und sein Vorgänger (Grab S 27.1) Dr. Heinrich Gross (1835 – 1910), beide mit ihren Frauen, die berühmte Kaufmannsfamilie Landauer, diverse Bankiers und sogar ein US-amerikanischer Konsul aus der Zeit vor den beiden Weltkriegen. 

 

Viele der älteren Grabsteine befinden sich freilich in einen kläglichen Zustand und bedürften dringend der Sanierung und Dokumentation, sollen sie auch weiterhin Zeugnis ablegen können über rund ein Jahrhundert jüdischen Lebens in Augsburg. Dies wird umso dringlicher, als der Friedhof in absehbarer Zeit seine Kapazitäten ausgeschöpft haben wird.

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Gedenktage Augsburger Juden: 1. bis 10. September

September 5, 2023

am 1. September:

1985 Wiedereinweihung der Synagoge „Tiferet Jisrael“ in der Halderstraße, Eröffnung des jüdischen Museums unter Leitung von Senator Julius Spokojny mit einem feierlichen Festakt im Rahmen des 2000-Jahre-Stadtjubiläums der Stadt Augsburg;

 

am 2. September:

1663 Tod von Mina Ginzburg, aus Pfersee;

 

am 3. September:

1826 Geburt von Max Goodman in Oberdorf, ursprünglich Gutmann, lebte einige Jahre in Ohio, kam aber wieder zurück nach Augsburg, gest. 1909;

 

am 4. September:

1894 Geburt von Alfred Sänger in Augsburg, Teilhaber der Hoch- und Tiefbau-Firma Kleofass & Knapp in der Haunstetter Straße, 1942 in Kaunas ermordet;

 

am 5. September:

1914 Tod von Fritz Bissinger, gefallen im Weltkrieg, geb. 1890;

 

am 6. September:

1919 Geburt von Leo Semel, gest. 1986;

 

am 7. September:

1938 Tod von Siegfried Samuel Weil, Diplom-Ingenieur. Inhaber einer Motoren- und Maschinenfabrik in Pfersee, wohnte mit Frau in Kindern in der Schaezlerstraße, zuletzt am Klinkerberg.

 

am 8. September:

1735 Tod von Josef Menachem, Steppach;

 

am 9. September:

1799 Tod von Fradl Mendle, 1733 in Kriegshaber geboren;

 

am 10. September:

1705 Tod von R. Juda Leib (Löb) Henoch Sundel, 1660 geboren, aus Oettingen;

1749 Tod von Itzig Heumann, 59 Jahre, aus Schlipsheim;

 

 

3000 weitere Daten:

YORZAIT

Gedenk-Kalender zur Geschichte der Juden in Augsburg,

mit Fotos und Kurzbiografien

ISBN: 978 3755 733 690

Ringbuch, 220 Seiten, DIN A4

 


Der jüdische Friedhof in Augsburg Hochfeld

May 13, 2019

Yehuda Shenef: “Die Liebe ist der Dichtung Stern – Der jüdische Friedhof von Augsburg Hochfeld, Geschichte, Inschriften, Grabregister, Biographien, Photos

  • Gebundene Ausgabe: 220 Seiten (Format A 4)
  • ISBN: 978-3752856569
  • 35 Euro

Archäologische Funde legen nahe, dass die Geschichte der Juden in Augsburg wenigstens bis ins dritte Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung zurückreicht, als der Ort Distrikthauptstadt der römischen Provinz Rätien war. Im 9. Jahrhundert gibt es erste Berichte über eine Synagoge direkt neben dem Sitz des kaiserlichen Vogts. Eine städtische Urkunde aus dem Jahr 1298 berichtet vom Ausbau der Bischofsstadt, zu welchem die Augsburger Judenschaft sich verpflichtete, einen etwa 450m langen Abschnitt der Stadtmauer zu errichten, binnen vier Jahren aus eigenen Mitteln, der sogleich auch den bereits existierenden jüdischen Friedhof miteinschließen sollte. In den Jahrhunderten nach der Ausweisung der Juden aus Augsburg in den 1440er Jahren, wurde der Judenkirchhof geplündert und seine wuchtigen Steine als Baumaterial missbraucht, insbesondere auch zum Ausbau des alten und des neuen steinernen Rathauses.

Erst im Jahre 1867, drei Jahre nach der vom bayerischen König Ludwig II. formell anerkannten Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), kaufte der Vorsitzende der Augsburger Juden ein schmales Stück Land in dem Hochfeld genannten Landstrich südlich der Augsburger Altstadt, um endlich einen eigenen Friedhof für die Juden von Augsburg zu besitzen. Über 60 Jahre nach ihrer festen Wiederansiedlung in Augsburg, hatten sie bis dahin ihre Toten am Friedhof von Pfersee/Kriegshaber begraben müssen.

Nun 150 Jahre später, ist der Friedhof zwischen Haunstetter Straße und Altem Postweg ohne Möglichkeit der Erweiterung fast vollständig belegt. Der Friedhof legt Zeugnis ab über die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde, die sich vom noch souveränen Königreich Bayern und der Gründerzeit über die beiden Weltkriege, das mörderische Nazi-Regime und der desolaten Nachkriegszeit erstreckt, bis zur modernen Gemeinde, die ganz wesentlich dominiert wird von jüdischen Auswanderern aus der post-sowjetischen Ukraine und Russland.
Das Buch bietet ein aktualisiertes Grabregister mit vielen genealogischen Anmerkungen. Es beschreibt anhand zahlreichen Materialen die Geschichte des Friedhofs. Beleuchtet werden auch die am Friedhof tätigen Friedhofswärter und Steinmetze, ebenso wie Stile und Moden der sehr wechselvollen Begräbniskultur in eineinhalb Jahrhunderten.

Abgerundet wird das Werk mit rund sechzig Kurzportraits mit Fotos von Personen, die am Friedhof begraben sind, einem alphabetischen Register, einer Namensliste der im Holocaust ermordeten Augsburger Juden.

  • Gebundene Ausgabe: 220 Seiten (Format A 4)
  • ISBN: 978-3752856569
  • 35 Euro
  • Buch bestellen

Messerangriff am jüdischen Friedhof in Augsburg

July 17, 2015

Wie die IKG, Presse und Polizei mitteilen, gab es am jüdischen Friedhof im Augsburger Stadtteil Hochfeld zwischen alten Postweg und der Haunstetter Straße einen blutigen Zwischenfall. Ein 60 Jahre alter Mann wurde dabei mit einem Messer verletzt. Täter war ein 66-jähriger. Vorausgegangen sei ein Streit zwischen beiden Männern, die sich kannten und beide Mitglieder der IKG seien, wie mitgeteilt wurde.

Obwohl sich damit die Tat nicht anders darstellt, sind alle erleichtert, dass ein sog. “anti-semitischer Tathintergrund” offenbar entfällt. Der Überfallene ist ärztlich versorgt und fürs erste außer Gefahr, der Täter der (nun?) als “psychisch auffällig” gegolten haben soll, ist in Haft und wird auf seine “Schuldfähigkeit” geprüft. Für die Tat selbst reicht der Begriff der “Schande” nicht aus.

Messerattacke jüdischer Friedhof Augsburg Augsburger Allgemeine

Ausführlicher Bericht: http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Messerattacke-auf-Juedischem-Friedhof-Schueler-sehen-die-Tat-id34811582.html

STABBING AT AUGSBURG JEWISH CEMETERY: A 66 year old member of the Augsburg Jewish community attacked another 60 year old member with a knife at the Jewish Cemetery of Augsburg (Hochfeld). The vivtim was hurt but is in good condition, the stabber who was described as “pschologically suspicious” is in custody and will be examined whether he is criminally liable or needs psychological treatment, however hopefully inside a secure institution.

нож нападение на еврейском кладбище в Аугсбурге

התקפת סכין בבית העלמין יהודי באוגסבורג


“Der Augsburger Judenkirchhof”

January 18, 2013

Ab sofort erhältlich bei info@sol-service.de

Tel: 08252/ 88 14 80                 /               Fax: 08252 / 88 14 829

und im Buchhandel

Augsburger Judenkirchhof Buch Yehuda Shenef

Kokavim-Verlag, 2013, 176 Seiten

ISBN: 978-3-944092-01-0

Preis: 29.50 €

Band 1 der Buchserie zur Geschichte der jüdischen Friedhöfe in Augsburg und Schwaben:

Yehuda Shenef:   Der Augsburger Judenkirchhof  – Zur Geschichte und zu den Überresten des mittelalterlichen jüdischen Friedhofs in der Reichsstadt Augsburg

 

Zum Inhalt: Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Augsburg war in ihrer Zeit eine der bedeutendsten in Europa. Aus eigenen Mitteln baute sie einen Teil der Stadtmauer. Die Augsburger Juden besaßen eine herausragende Rechtsstellung, die Vorbild für viele andere Städte und Gemeinden war. In ihren Schulen lehrten wohlbekannte und einflussreiche Gelehrte. Kaiser Ludwig verpfändete seine Stadt München an jüdische Kaufleute in Augsburg und nicht zuletzt wurden eine Reihe der frühesten hebräischen Drucke in Augsburg gefertigt.

Vom mittelalterlichen Friedhof, dem „Judenkirchhof“ gibt es trotz der Größe und Bedeutung der Gemeinde nur wenige Aufzeichnungen und Überreste. Dennoch sind einige Grabsteine und Inschriften aus der Zeit von 1230 bis 1445 überliefert und teilweise erhalten. Fünf davon wurden erst in den letzten Jahren entdeckt.

Das Buch zeichnet anhand von mittelhochdeutschen, lateinischen, hebräischen und jüdisch-taitschen Schriftquellen die Geschichte des in der Öffentlichkeit kaum bekannten Friedhofs und den damit verbundenen Abschnitt der Stadtgeschichte nach und trägt erstmals alle bislang bekannten Daten und Erkenntnisse zusammen. Neben zahlreichen, meist farbigen Fotos und Plänen werden alle bekannten Inschriften präsentiert, übersetzt und kommentiert. Ein Verzeichnis aller bekannt gewordenen Juden des mittelalterlichen Augsburg und Stammbäume von Familien, deren Nachkommen später wieder in der Umgebung Augsburgs siedelten, runden den ersten Band ab, woran der zweite, der sich mit dem Friedhof der Gemeinden Pfersee, Kriegshaber und Steppach befasst, anschließt.

 

Zu den bekannten Herkunftsorten der mittelalterlichen Augsburger Juden gehören: Aichach, Friedberg, Ingolstadt, Schrobenhausen, Basel, Zürich, Trier, Köln, Wien, Worms, Speyer, Mainz, Ulm, Rothenburg ob der Tauber, Sonthofen, Esslingen, Schaffhausen, Koblenz, Nürnberg, Dinkelsbühl, Oettingen, Stuttgart, Nördlingen, Harburg, Pappenheim, Regensburg, Neuburg, Höchstädt, Dillingen, Lauingen/Donau, Frankfurt am Main, Landau, Wertingen, Landsberg am Lech, Zusmarshausen, Mühldorf am Inn, Mindelheim, Memmingen, München, Donauwörth (Werth), Freising, Bischoffsheim, Strassburg, Günzburg, Heidelberg und Burgau.

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Anmerkung zur Seite 9: Xanten ist nicht in der Schweiz, gemeint war natürlich die Sonsbecker Schweiz.

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Band 2 zur Geschichte des jüdischen Friedhofs in Kriegshaber / Pfersee erscheint im Frühjahr 2013

Band 3 zur Geschichte des jüdischen Friedhofs Hochfeld (Haunstetter Straße/ Alter Postweg) erscheint im Frühsommer 2013

Band 4 zur Geschichte des jüdischen Friedhofs Binswangen erscheint im Sommer 2013

http://kokavim.wordpress.com/

 


Jüdischer Friedhof Kriegshaber: Nicht die Zeit heilt Wunden, sondern Pflege

August 2, 2012

Babette Obermayer / Wertheimer (1794-1850) wurde in Kriegshaber gegenüber der ehemaligen Synagoge geboren. Sie war die Tochter des Kriegshaber und Augsburger Bankiers Jakob Obermayer (1755-1828) und der Ida Oppenheimer (1765-1845) aus Pfersee und die jüngere Schwester des Bankiers und Eisenbahn-Pioniers Isidor Obermayer (1783-1862), der in Augsburg das heutige Augsburger Standesamt an der Maximilianstraße/Heilig Grab Gasse als Wohnhaus der Familie erworben hatte.

Durch ihre Heirat mit dem aus Regensburg stammenden Siegfried (Isaak) Wertheimer (1777-1836) wurde sie zur innig geliebten Stiefmutter von Ferdinand Wertheimer (1817-1883), des späteren oberösterreichischen Landtagsabgeordneten, Agrarökonom, Gutsbesitzer, Eisenbahnbauer und Ehrenbürger von Braunau, Ried und Ranshofen. Da Ferdinand Wertheimer Ehrenbürger Braunaus war und Adolf Hitler in der Kapelle auf dem Gutshof der Wertheimer getauft wurde, lag die Vermutung nahe, dass die Schändung seine Grabes und das seiner Stiefmutter, die öfter für seine leibliche Mutter gehalten wurde, in diesem Zusammenhang veranlasst worden sein konnte. Das Grabmal – eine Gruft – der am 14. April 1850 in Wien verstorbenen und eine Woche später am jüdischen Friedhof von Kriegshaber / Pfersee beigesetzten Babette Wertheimer, war über Jahrzehnte offen und es kostete in den letzten Jahren stetige Mühe die unakzeptable Schande immer wieder aufs neue zu thematisieren.

Umso erfreuter und erleichterter waren wir nun, dass es nun endlich gelang, alle Verantwortlichen so weit zu bringen, die Verantwortung zu übernehmen, um die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen (unachtsame Besucher, darunter auch über die Mauer kletternde Kinder konnten ggf. in die offene Gruft hinein sinken, die mit allerlei Zivilisationsmüll übersät war …) vorzunehmen und das offene Grab endlich zu schließen. Unser ausdrücklicher Dank gilt hierbei dem neuen Friedhofsdezernent des Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Herrn Martin David Kurz, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Augsburg Schwaben Herrn Alexander Mazo und dem zuständigen Friedhofsbeauftragten Herrn Alexander Baron, und dem ausführenden Steinmetz Herbert Böllner.

Unser Dank gilt allen Genannten in gleicher Weise auch in Bezug auf die Beseitigung einer weiteren Schande, nämlich, das gleich in der Nähe befindliche Grabmal des Carl von Obermayer (1811-1889), des Sohnes des oben genannten Isidor Obermayer, dem ersten formellen Vorsitzenden der neuzeitlichen Augsburger jüdischen Gemeinde unter dessen Leitung ein Wohnhaus in der Wintergasse zur Synagoge umgebaut und der Grabplatz für den eigenen jüdischen Friedhof im Augsburger Stadtteil Hochfeld zwischen Altem Postweg und Haunstetter Straße erworben wurde. Er war zudem Oberst der Landwehr alter Ordnung in Augsburg und damit ranghöchster jüdischer Offizier in Bayern, darüber hinaus ein bedeutender Militärstratege, Mäzen, Opernliebhaber und schließlich auch lange Zeit Konsul der Vereinigten Staaten von Amerika in Bayern. Unsere Bemühungen, ihn im Jahre 2011 anlässlich seines 20o. Geburtstag seitens der Stadt Augsburg würdigen zu lassen, waren trotz lokaler und internationaler Unterstützung leider vergeblich. Nun jedoch wurde nach langen Jahren vergeblicher Bemühungen, zu denen wir selbst auch den (moralischen) Beistand eines Bundeswehrgenerals erhielten, gelang es nun doch, seine seit Jahren zerschlagene endlich zu wiederherzustellen und eine weitere schändliche Wunde am Kriegshaber Friedhof zu heilen.

Nichtsdesto trotz wurden eine Menge noch bestehender, aber auch neuer Probleme ofenbar, die keine weiteren Jahre oder gar jahrzehnte sich hinschleppende Querelen ertragen können. Es zeigt sich nämlich im Bereich des alle kümmernden Denkmalschutzes im Sinne der Halacha, dass die Zeit keine Wunden heilt, sondern nur Taten und kontinuierliche Pflege. Es ist ein Mitzwa und ein Gebot des Anstands, alle Kräfte zu bündeln, um das Andenken and die Menschen aufrechtzuerhalten.

One moth earlier it looked liked this:

* * *

Decades and years after the willful destruction of the grave markers of Ferdinand Wertheimer and his alleged mother (actually she was his step mother) Babette Wertheimer as well as the memorial of Carl von Obermayer, it finally was possible to prevail on the owners and responsible people to recover the peace and honor of the deceased and to remove two major eyesores and stain on the reputation of the Cemetery, community and region, hardly any took notice for decades, although the buried during their lifetime were well known personalities of high international renown. The “open grave” (actually a small vault) of Babette Wertheimer (nee Obermayer), probably desecrated by the Nazi now was stabilized and covered. Also the grave marker of Carl von Obermayer who was Consul of the United States of America (appointed by US President James Knox Polk (1795 – 1849)himself, which was smashed for many years now was stabilized and the honor of the buried now was restored.

Many thanks to the stone masons for their tremendous work and to the bodies of the Jewish Community of Augsburg and the Assosiation of Jewish Communities in Bavaria as legal owner, resp. and customer of the long overdue works in order to protect the unique munuments.

Lets hope that the vigor may be maintained, since there are a number of open problems as well as newly created ones who need immediate and responsible action and no further delay or neglect for years or maybe decades. Once again it turned out that regarding monument protection times does not heal wounds of the past, but constantly taking care: to walk the talk.

 


Rabbiner von Augsburg: Jakob Heinrich Hirschfeld (1819-1902)

May 22, 2011

Als ersten neuzeitlichen Rabbiner in Augsburg nennt die Fachliteratur für die 1860er Jahre meist schlicht „Dr. Hirschfeld“.  Diese Interpretation übersieht freilich, dass spätestens seit 1803 zumindest auch die Kriegshaber Distriktrabbiner Pinchas Skutsch (gest. 1819) und dessen Schwiegersohn Aharon b Josef Guggenheimer (1820-1856) in Augsburg präsent waren. Die gemütliche Droschkenfahrt von Kriegshaber dauerte etwa eine halbe Stunde. Trotzdem verbindet sich mit Rabbiner Hirschfeld untrennbar die Nutzung der Synagoge in der Wintergasse wie auch die Einweihung des jüdischen Friedhofs zwischen Haunstetter Straße und Altem Postweg im Stadtteil Hochfeld, den der Gemeindevorsitzende Carl Obermayer kurz vor seinem Amtsrücktritt 1867 für rund 1500 Gulden erwarb.

Jakob Heinrich Hirschfeld wurde am 20. Januar 1819 im slowakisch/ungarischen Sasvar /Sassin geboren. Er starb am 6. Oktober 1902 in Wien. Hirschfeld erwarb neben einer rabbinischen und musikalischen Ausbildung auch den akademischen Grad eines Dr. phil. und war zudem öfter als Journalist und Musiklehrer tätig. Mitte der 1850er Jahre finden wir ihn als Rabbiner von Szenitz (Österreich-Ungarn, heute Slowakei), wo er Pauline Ausch heiratete. In Szenitz wurde am 4. Januar 1858 auch der älteste Sohn Viktor geboren, von dem noch die Rede sein wird. Bald darauf jedoch zog die Familie nach Fünfkirchen (Pécs), wo Jakob Hirschfeld eine weitere Anstellung erhielt und auch das Oberrabbinat des Bezirks Baranya (deutsch: Branau, jedoch nicht zu verwechseln mit Braunau) leitete.

Ende 1863 kamen die Hirschfelds nach Augsburg, wo erst wenige Jahre vorher erst der Weg der Wintergasse gepflastert wurde und man nun bei Regen oder Schnee nicht mehr im Morast versinken musste. Dort gab es zwar bereits eine seit Jahrzehnten stets anwachsende jüdische Gemeinde mit inzwischen weit mehr Mitgliedern als in den ehemals österreichischen westlichen Randorten der früheren Reichsstadt. Trotzdem kurz zuvor auch die formelle Gründung als durch den König anerkannte „Israelitische Kultusgemeinde“ erfolgte, waren die nun großstädtischen, eher auf die Wiener Oper als in den Talmud schauenden Augsburger Juden weiter auf Lehrer und Rabbiner aus Kriegshaber, Pfersee und Steppach angewiesen. Das sollte sich nun ändern und so befand die Gemeindeführung um den bayerischen US-Konsul Carl von Obermayer (1811-1889), dass Augsburg nicht nur ein eigenständiges Synagogen- und Gemeindezentrum, sondern für sein von auswärtigen Morim abhängiges Lehrhaus auch einen eigenen Rabbiner benötigte. Dieser sollte jedoch nicht wie der 1856 ins mährische Aussee abgewanderte Guggenheimer gegen Händler opponieren, die am Schabbes etwa an der Augsburger Dult verkaufen wollten, andererseits aber auch nicht zu „reformerisch“ sein.

Im „Israelit“ dem Zentralorgan des damaligen „orthodoxen“ Judentums vom 10. Februar 1864 bewarben die Neu-Augsburger deshalb auch Dienste und Nebenverdienste:

Eltern, die ihre Töchter an trefflichen Lehranstalten eine höhere Ausbildung angedeihen zu lassen und Augsburg wegen seines gesunden Klimas vorzuziehen geneigt sein dürften, erbietet sich eine Dame von höherem Stande und höherer Bildung Mädchen nach zurückgelegtem 7. Lebensjahre in ihrem Hause unter annehmbaren Bedingungen aufzunehmen. Nebst häuslichen Komfort und der Beaufsichtigung und Leitung der in Arbeiten der Institutions-Aufgaben von Seiten der Dame wird auf wahre Herzens- und Geistesbildung hingestrebt werden. Der Religionsunterricht wird so wie die öffentlichen Religionsschulen des Distrikts unter Überwachung des Distriktrabbiners Dr. Hirschfeld stehen; auch kann gegen besondere Vergütung Klavier- und Singunterricht erteilt werden.

Reflektionen belieben sich zu wenden an Seine Hochwürden Herrn Distrikts-Rabbiner Dr. Hirschfeld in Augsburg

Die damals gebrauchte Anrede „Seine Hochwürden“ für einen schwäbischen Rabbiner ist ebenso anachrostisch wie die weitverbreitete Ansicht, Rabbiner Hirschfeld, dessen Namen und Rahmendaten meist noch nicht mal gekannt werden, sei im Sommer 1871 im Zuge der Rabbiner-Synode von Augsburg wegen einer „zu orthodoxen“ Haltung seitens der inzwischen reformerisch orientierten Gemeinde entlassen worden.  Zwar entwickelte sich die Gemeinde von Augsburg bald genau in diese Richtung, doch zu jener Zeit war das Gegenteil der Fall und Jakob Hirschfeld musste in Augsburg gehen, weil er inzwischen zu den Reformern übergelaufen war und als Augsburger Rabbiner an der Synode gegen den Willen der Gemeinde verbleiben wollte, als die Führung, dem Druck der Basis folgend, ihre Haltung ändern musste. Immerhin sechs von  sechs seiner schwäbischen Amtskollegen unterschrieben den Bann gegen alle weiterhin teilnehmenden Rabbiner der Synode.  So kam es zu einer Reihe peinlicher  Umstände und Vorfälle, die die jüdischen Publikationen aller Strömungen bereitwillig ausschlachteten. Augsburg als Gastgeber der Rabbiner-Konferenz, die seitens der Stadtgemeinde sogar auch den Goldenen Saal zur Verfügung gestellt bekam, hatte folglich selbst keinen Rabbiner. Hirschfeld nahm zwar an der Versammlung weiterhin teil, jedoch nicht mehr als Vertreter der heimischen jüdischen Gemeinde. Er war deshalb ein willkommener Grund für die große Mehrheit der Augsburger Juden, an den Veranstaltungen der Synode nicht teilzunehmen. Im Gegenzug speisten die aus ganz Deutschland angereisten Rabbiner im Nobelhotel „Drei Mohren“ und eben nicht koscher im Zentrum der Augsburger Gemeinde in der ganz nahe gelegenen Wintergasse. Auch das wurde seitens der Presse freilich entsprechend verspottet. Mit dem Ende der Synode, deren Verlauf, Inhalt und Wirkung wir noch an anderer Stelle reflektieren werden, hat Hirschfeld offenbar auch Augsburg den Rücken gekehrt.

Die Familie zog von Augsburg nach München und 1876 finden wir Jakob Heinrich Hirschfeld wieder in Wien, nun als religiöser Hilfslehrer. Die Vertreter der jüdischen Orthodoxie hatten ihn und andere Teilnehmer der Augsburger Rabbiner-Konferenz vom Juli 1871in landesweiten Zeitungsaufrufen öffentliche gebannt und wahrscheinlich deshalb fand er auch keine weitere Anstellung als Rabbiner, sondern arbeitete als Journalist und erteilte mit seiner Frau Paula Klavierunterricht. Am 26. Januar 1897 starb Pauline gemäß der Todesanzeige um neun Uhr vormittags „nach kurzem Leiden“. Als Unterzeichner finden sich ihr Ehemann J.H. Hirschfeld mit zwei Söhnen zwei Töchtern, einen Schwiegersohn, einer Schwiegertochter und einer Enkelin. Sie sind der Nachwelt freilich weit besser in Erinnerung geblieben.

Weit berühmter sind Jakobs und Paulas Kinder, die freilich selten mit dem „Augsburger Rabbiner“ in Verbindung gebracht werden. Dies gilt insbesondere für seinen am 4. Januar 1858 in Szenitz bei Pressburg geborener Sohn Viktor, der nach seinem Studium ab 1877 mit dem Pseudonym Viktor Leon auftrat. Als Texter schrieb er unter anderem die Libretti für mehr als 70 Opern, darunter Welterfolge wie „Wiener Blut“ von Johann Strauß Jun. (Uraufführung 1899) oder „Die lustige Witwe“ von Franz Lehar (Uraufführung 1905). Er war mit Ottilie Popper verheiratet. 1907 heiratete seine Tochter Elisabeth den Schauspieler und Opernsänger Hubert Marischka (1882-1959), der u.a. durch Filme mit Hans Moser bekannt wurde. Bei der Geburt des Sohnes Franz im Jahre 1918 starb die Mutter. Franz Marischka wurde in Österreich ein bekannter Filmregisseur.

“Wiener Blut”

Viktor wurde bei einer Reihe von Arbeiten von Leon Feld unterstützt. Unter diesem Pseudonym verbarg sich sein am 14. Februar 1869 in Augsburg Bruder Leopold, der hauptsächlich aber als Übersetzer tätig war, u.a. für Werke von Charles Dickens. Leon Feld starb 1924 in Lorenz.

Ihre Schwester Clara Eugenie Hirschfeld (1869 – 1940) wurde als Pädagogin und Sozialreformerin bekannt und lebte in Pötzleinsdorf, wo sie als Mentorin viele Nachwuchsautoren wie Leonhardt Adelt, Felix Braun, Victor Fleischer und versammelte, die bei ihr erstmals den Mut fanden vor Kollegen etwas vorzutragen, usw. Adele Hirschfeld heiratete den 1870 in Augsburg geborenen Pianisten und Komponisten August Schmidt.