
Seit Ende 1993 gibt es in Nürnberg die „Straße der Menschenrechte“, die ihren eigentlichen Namen Kartäusergasse offiziell freilich noch immer behalten hat und vom Kornmarkt zur Frauentormauer verläuft. Entlang des „Germanischen Nationalmuseums“ (als solches ab den 1850ern um ein ehemaliges Kloster herum errichtet) sind 27 hochaufragende Säulen aneinandergereiht die je einen Artikel (in der Regel jedoch nur Auszüge des Wortlauts) der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (UN-Doc. 217/A-(III) zitieren, zunächst immer auf Deutsch, dann jeweils übersetzt in eine andere Sprache, … von Armenisch bis Zulu.

Betritt man die Straße vom Kornmarkt Richtung Süden, passiert man zunächst ein weißes Tor in welchem Rahmen das (punktierte) hebräische Zitat „לא תרצח“, „töte nicht (morde nicht)“, im christlichen Jargon auch als „du sollst nicht töten“ (thou shalt not kill“) bekannt. Das Zitat stammt nicht aus der Erklärung der „United Nations“, sondern aus der Tora, dem Gesetzbuch des Judentums.
Die erste Säule zitiert auf deutscher Sprache den Beginn des ersten Artikel der Menschenrechtserklärung „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ und als erste zugeordnete Übersetzung wählte man Jiddisch:
אלע מענטשן זענען געבוירן פריי און גלייך אין רעכט און אין כבוד
Human Rights article 1 in Yiddish language
Für Artikel 15 „Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit“ (Everyone has the right to a nationality)
Ist wiedergegeben: … לכל אדם הזכות לבית
heißen sollte es aber eigentlich wohl כל אדם זכאי לאזרחות

Ob die Zuordnungen einen auf die jeweiligen Länder oder Sprachen-Sprecher gemünzten Hintersinn hat, kann man nur vermuten. Ist es eine Besonderheit gerade auf Hebräisch das Recht auf eine Staatsangehörigkeit zu betonen? Vielleicht, wenn man sieht, dass auch heute gewisse Menschen nicht müde werden, die Legitimation des jüdischen Staates in Abrede zu stellen. Dem steht auf Arabisch gefasst das Recht auf Eigentum gegenüber, das in zahlreichen arabischsprachigen Ländern der Welt freilich gibt, wenn auch eher für wenige Herrschende. Zum Ausgleich dafür haben 45 muslimische Staaten 1990 mit der Kairo-Erklärung (إعلان القاهرة حول حقوق الإنسان في الإسلام) eine eigene Variante der Menschenrechte verfasst, die nicht “universell” ist aber sich strikt nach den Maximen der sog. “Scharia” hält. Gleich ob körperliche Unversehrtheit, Frauenrechte, Meinungsfreiheit, etc. alles ist unter dem Blickwinkel der Scharia gesehen, die zugleich auch die einzige legitime Quelle ist, um die einzelnen Bestimmungen zu beurteilen. Im Prinzip nichts verstanden.
Das Recht auf Versammlungsfreiheit, übersetzte man in Nürnberg tibetisch, den Schutz vor Vertreibung in der Sprache der Roma. Das aktuell gerade in allen Medien diskutierte Asylrecht hingegen begegnet einem in der Straße der Menschenrechte in Nürnberg freilich auf Armenisch.
