
Castle of Emersacker
Emersacker ist ein kleiner Ort etwa 25 km nordwestlich von Augsburg gelegene Gemeinde mit etwa 1400 Einwohnern. Mit dem Flüsschen Laugna, dem Johannesbach und dem Weiherbach gibt es drei Wasserläufe.
Das Zentrum des Ortes an dem auch drei Wege zusammenlaufen ist durch das Burgschloss geprägt, dessen Anfänge auf das 12. Jahrhundert datiert werden. Die Reste des ehemaligen Schlosses mit zwei kleinen Rundtürmen, werden von der Gemeinde als Rathaus genutzt und stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Nach ihren Bauherren wird es allgemein „Fuggerschloss“ genannt. Andere, teilweise weniger gut gepflegte Teile des nicht mehr geschlossenen Ensembles beherbergen die freiwillige Feuerwehr (FFW) und die offenbar einzige (zudem nur abends geöffnete) Dorfgaststätte „Jonnys Kneipe mit Pfiff – Night Rider“ deren äußerer Fensteraushang auch schon etwas vergilbt ist. Die Bank und Sparkasse, der Bäcker und ein kleines Lebensmittelgeschäft haben nur bis Mittag geöffnet, wenn Schülerlotsen in den fast verkehrsfreien Straßen die kleinen Kinder aus der wenige Meter entfernten Schule sicher über die autofreie Straße bringen. Ansonsten besteht der Ort hauptsächlich aus privaten Wohnhäusern, worunter sich einige Neubauten befinden, die eigentümlichen Kontrast zum Zerfall wertvoller alter Bausubstanz stehen.


Emersacker Castle from the outside: next to the pub is the volunteer fire department

Amtlichen Angaben gemäß sind neun von zehn Einwohnern Katholiken, es gibt einen Bürgerverein, der sich vor zehn Jahren gründete, um wegen der „Strahlengefährdung“ einen Sendemast für Mobiltelefone zu verhindern (wie man das heute sieht, wo jeder drei Smartphones und zwei Tablets hat?), einen Motorradclub der sich um die Restauration eines Feldkreuzes kümmerte und die besagte Musikkneipe, die der örtlichen Burschenschaft („Vereinszweck: Erhaltung und Förderung von Glaube und Sitte, Berufstüchtigkeit und Heimatliebe, Frohsinn und Scherz.“) die erforderlichen Trinkkrüge spendierte, während sich der örtliche Soldatenverein seit zwei Jahrzehnten für die Wiederbelebung der Emersacker Wallfahrt „Maria zum Blute“ stark macht.

Blick vom Kirchberg auf Schloss und Hauptstraße

fountain at Emersacker cemetery

St. Martin Kirche Emersacker

“Unseren Helden” War Memorial Emersacker

Schlossbau im Sumpfland
Kaum zu glauben, dass es auch mal eine jüdische Gemeinde in Emersacker gab, die seinerzeit mit etwa 25 Familien sicher die Mehrheit der Bewohner des Ortes ausmachte. Die Zuwanderer kamen auf Einladung der Augsburger Ortsherren Koch und Langenmantel vorallem aus Binswangen, aber auch sogar auch aus Fürth und Bamberg. Demnach ist es auch kein Wunder, dass den Emersacker Juden die alte Gebetsstube bald nicht mehr ausreichte und sie sich eine eigene Synagoge bauten. Sogar zu einem eigenen Friedhof brachten sie es in Emersacker, weshalb wir auch Dank des Dorfbachs das unbedingte Tauchbad (Mikwe)voraussetzen dürfen. Die jüdische Blüte währte jedoch nur 15 Jahre.

Sparkassengebäude im Bereich der ehemaligen jüdischen Siedlung in Emersacker, die um 1695 errichtete Synagoge?
Eine erste Ansiedlung in Emersacker soll bereits um 1580 bestanden haben, jedoch ist darüber sonst nichts bekannt und auch jüdischerseits gibt es dazu keine Quellen.
Die ersten Notizen über die Anwesenheit von Juden in Emersacker datieren in das Frühjahr 1685 als der Jude Moses Levi („Mauschi Leve“) Ende März ein Haus mit Grundstück kauft. Offenbar war er aber nicht der einzige Jude am Ort, denn bereits Mitte Mai, also kaum sechs Wochen später schließt die Gemeinde Emersacker mit der jüdischen Gemeinschaft einen Vertrag über Weiderechte, Wegegelder, Quartier, usw. was dem Ort immerhin jährliche zwanzig Gulden einbringt. Entweder war Moses Levi nicht der erste Jude der sich in jenen Wochen in Emersacker niederließ oder aber ihm folgten sehr rasch eine Reihe weiterer Familien. Im Januar wurde den Juden in Emersacker angetragen, dass sie die leer stehenden Gnadenhäuser übernehmen und ausbauen sollten. Als solche verstand man die von einer Ortsherrschaft für das arme Volk erbauten, meist eher dürftigen Hütten, deren Bewohner dementsprechend als „Gnadenhäusler“ bezeichnet wurde. Diese verdienten in der Regel als Tagelöhner ihr eher karges Brot oder waren auf bettelei angewiesen.

Schon 1658 war Emersacker in den Besitz der Fugger gelangt. Vierzehn Jahre später erwarb der böhmische Adelige Heinrich von Schaumburg durch seine Ehe mit einer Fugger den Ort. Er ließ aus seiner Heimat Klatovy (Klattau) eine Kopie eines Marienbildes fertigen, die sodann in der Kirche in Emersacker aufgehängt wurde. Die Landwirtschaft in Emersacker brachte wegen zahlreicher Überschwemmungen nicht viel ein, zudem war der Winter 1684/5 sehr hart und frostig. Während die Bausubstanz des Schlosses wohl unter Frostschäden litt, kostete die Versorgung der Bettler und Tagelöhner der Herrschaft viel Geld. Schaumburg kam deshalb auf die naheliegende Idee, aus dem nur knapp zehn Kilometer entfernten Binswangen Juden anzuwerben und ihnen gegen Gebühren und Abgaben die Gnadenhäuser unterhalb des Schlossbergs entlang der Hauptstraße und der Bachgasse (bei der heutigen Kreissparkasse) und Weiderecht bis zur Laugna käuflich zu überlassen, wo sie nun ihre Schafe und Rinder halten konnten und als Metzger und Händler den Ort belebten. Die unmittelbare Nähe zum Bach ermöglichte problemlos die Einrichtung einer zwingend erforderlichen Mikwe für die kleine Gemeinde. Der Auf- und Ausbau des jüdischen Emersacker verlief offenbar ganz gut. 1688 jedoch starb der Ortsherr von Schaumburg. Seine Witwe, die als gebürtige Fugger sicher ein besseres Leben gewohnt war, verkaufte den Ort desillusioniert an den Augsburger Patrizier Matthias Koch. Als Lutheraner ließ er Schaumburgs Marienbild, für das auch seine Witwe nichts übrig hatte, aus der Kirche entfernen und vor einem Baum aufhängen, wo es bald zum Anlaufpunkt der Katholiken und zum Gegenstand der Anbetung wurde. Dieses sollte sich nun steigern, weshalb man eine Kapelle für das Bild bauen wollte. Die Marienverehrung war zweifellos auch als Waffe gegen den protestantischen Ortsherren gedacht, vielleicht auch als Instrument gegen die Juden. Um das Jahr 1700 wurde nun für das Bild eine Kapelle gebaut und diese später zur Kirche erweitert. Der Umstand, dass das Bild scheinbar der Witterung trotzte und unbeschädigt blieb (was sollte bei täglicher Pflege durch fromme Pilger aber auch schon passieren?), wurde nun als „Wunder“ erkannt und zur Wallfahrt aufgerufen. Damit sollten nun Pilger angelockt werden, was dem Vernehmen nach aber nur mäßigen Erfolg brachte. Irgendwann schien die „Wallfahrt” auch schon einmal in Vergessenheit geraten zu sein, ehe man sie bereits um 1880 mal wieder aufleben ließ.

In einem amtlichen Protokoll vom Mai 1688 sind nun bereits zwölf jüdische Haushaltsvorstände aufgeführt: Samuel, Jakob Levi, Schimmele (Samuel), Abraham, Hitzig (Isaak) mit einem Sohn, Natan Levi, Arele (Ariel) Levi, Schimmeles Sohn Natan, Jakob Sohn des Altmann, Matthes Schechter und Isaak Levi. Wir können davon ausgehen, dass sich bei jeden dieser Steuerzahler eine Familie mit Frau und Kindern, ggf. auch Geschwister und Gehilfen befand, weshalb man üblicherweise von acht bis zehn Personen pro Haushalt ausgehen kann. Die Menschen waren es damals gewohnt beengt zu wohnen, was in der Regel wenig anderes bedeutete, als in der knappen arbeits- oder schlaffreien Zeit in der Stube zu sitzen und sich aufzuwärmen. Trotzdem bedurfte jede Familie gewiss eines eigenen Hauses nebst Stallungen für das Vieh, Gerätschaften, aber auch Kutschen und Wägen mit welchen man in andere Orte zum Handeln fuhr.
Aus dem Januar 1689 ist die Beschwerde des Pfarrers von Emersacker über den Christen Hans Kehrer erwähnt, der sich offenbar wohl mit jüdischen Kollegen ordentlich betrunken hatte und anschließend für Radau sorgte. Im Juni veräußert Moses Levi seinen Besitz an seine Söhne Jakob und Isaak Levi, während Natan ein Pferd verkauft. Am 15. Tamus des Jahres 5449 (bzw. Montag 23. Juni 1689) kommt es in Emersacker zur Hochzeit von Abraham Levi, dem Sohn des Ariel Levi mit „Schefe“ der Tochter von Matthes Schechter. Die Jungvermählten wohnten bereits in Emersacker.

Im August siedelt auch David Levi aus dem fränkischen Schopfloch mit seiner Familie nach Emersacker. Ihm gleich tut es Moses Polak, der vorgibt, aus Binswangen zu stammen. Da dies aber offenbar nicht stimmt, wird er drei Jahre später, als es aufkommt, des Ortes verwiesen. Am 19. Mai des Jahres 1690 erhalten nach Vorsprache von Moses Polak und Moses Levi beim Ortsherren die Emersacker Juden nun sogar die Erlaubnis am Flurstück „an der kalten Ecke“ (an der Ecke Schmiedgasse und Bachgasse) einen eigenen Begräbnisplatz mit der Fläche eines Viertel Tagwerks (ca. 20 auf 40 m =800 m²). Der Friedhof sollte den Juden auch dann noch zustehen, wenn sie dereinst mal nicht mehr am Ort leben sollten. Ob er überhaupt benutzt wurde ist unklar, aber zumindest für die Zeit von 1690 bis 1696 recht plausibel. Für das Jahr 1690 nämlich finden sich in den Aufzeichnungen des Jakob Blumenstengel, seines Zeichens Vogt zu Biburg, unter den 24 gestorbenen Juden, deren Transport zum jüdischen Friedhof von Pfersee und Kriegshaber er aus steuerlichen Gründen protokollierte – für jeden Leichenzug musste Wegzoll gezahlt werden – auch auswärtige Juden notiert. Sie stammten aus Fischach, „Bünßwangen“, Siegertshofen und Emersacker. Entsprechende Notizen sind erst wieder für das Jahr 1695 erwähnt. Selbiges triff auch auf das 1696 als unter 27 registrierten auswärtigen Juden auch wieder welche aus Emersacker sind, bzw. auf Jahr 1698, als für neun tote Juden aus Kriegshaber, Emersacker und Binswangen Wegzoll entrichtet und protokolliert wird. Falls es sich bei diesen nicht um Fälle handelt, in welchen Familienangehörige zusammengelegt wurden, können wir doch davon ausgehen, dass der Friedhof der den Juden in Emersacker eingeräumt wurde, auch entsprechen genutzt wurde. Spuren finden sich davon heute freilich keine mehr.
Im Spätsommer des Jahres 1690 erwirbt der Pferdehändler Abraham Fromm ein weiteres ehemaliges Gnadenhaus und 300 Mauersteine aus welchen er einen Backofen baut und seiner Frau fortan das Gewerbe der Bäckerin ermöglicht. Am selben Tag an dem Abraham Fromm sein Haus erwirbt kommt es zu einem unerfreulichen Zwischenfall, da Matthias Schächter vom Dorfschmied beleidigt und tätlich angegriffen wird. Die Ursache des Streits ist unbekannt, jedoch wird der Schmied auf die Anzeige Schechters hin mit einer Geldbuße bestraft. Einige Monate später, im Mai 1691 wird Matthes Schechter selbst wegen Körperverletzung („Schlaghandel“) angezeigt, sein Opfer ist Natan Simon (der 1688 als Natan Schimeles Sohn aufgeführt wird). Im November des Jahres wird Schmuel Levi wegen Diebstahls angezeigt. Er hatte offenbar seinen Vetter Jakob Levi bestohlen.
Am 10. Dezember 1691, am vierten Tag des Chanucka-Festes bittet der bereits erwähnte Abraham Fromm mit seinem Bruder Jako Fromm aus Binswangen für dessen Aufenthaltsrecht in Emersacker. Da Jakob Fromm sich aber bereits seit 14 Tagen in Emersacker aufhielt ohne, dass er dafür eine Genehmigung erhalten hatte, musste zunächst eine recht saftige Strafgebühr von einem halben Gulden bezahlt werden.

Datiert auf den 4. Oktober 1692 betrifft das Schreiben “die Juden-Sepultur” in Binswangen, in welchen dort bestattete Juden auch aus Emersacker erwähnt werden. (“So viel die dem Inhaber Wertingen zu Nachstand aufgesteckte Juden-Sepultur anbelangt, weilen nit allein die Juden sich zu keinem Grund-Zins einverstehen, sondern als so gar von Emersacker all dahin geführter Juden halben gegen einen löblichen Burgauischen Oberamt geklagt worden, eine hönische Antwort erfolgt: Als ist des Herren Barons von Pappenheim verlangen, dass die Juden-Sepultur abgetan, und die Sach in alten Stand integrè gesetzt werden solle“).
Reste eines alten Hofes in Emersacker
Im Februar 1692 erhielt Benjamin Levi aus Höchstädt, Bruder des Natan Levi das Aufenthaltsrecht in Emersacker. Im Frühsommer geriet Moses Polak in Streit mit dem Christen Hans Schmied wegen ausstehender Pfandrückzahlungen. Bei der Vorsprache beim Ortsherren Matthias Koch ergibt es sich, dass Polak bezüglich seiner Herkunft gelogen hatte und er nicht aus Binswangen stammte, wie er bei seiner Niederlassung angegeben hatte. Er wurde wie bereits gesagt, des Ortes verwiesen. Ob er wenigstens jetzt nach Binswangen ging, ist leider nicht bekannt. Etwa zur selben Zeit langte der Emersacker Schmied wieder zu und wird dafür, dass er dem Pferdehändler Samuel Levi beleidigt und an der Gurgel gepackt und geschlagen haben soll, seitens der Ortsherrschaft bestraft. Man darf wohl vermuten, dass es bei einem handgreiflichen Streit zwischen einem Schmied und einem Pferdehändler um die Qualität und den Wert der geleisteten Arbeit ging.

Bach Laugna bei Emersacker
Am 18. Juli 1692 gibt Abraham Fromm bekannt, dass das Kind seines Bruders in seiner Obhut gestorben ist und dass er bereit ist das „Todfallgeld“ zu bezahlen. Dieses war sicherlich die örtliche Gebühr, die von den Juden verlangt wurde, um ihre Toten auf ihrem örtlichen Friedhof beisetzen zu dürfen. Zweifellos war dies auch der Grund, warum den Juden der Begräbnisplatz gestattet wurde: er war für den Ortsherren eine weitere Einnahmequelle. Eine Woche nach dem Trauertag des 9. Aw war der Tod des Kindes für die Familie Fromm sicherlich ein sehr trauriges Datum. Da für das Jahr 1692 wie bereits gesagt Einträge für Überführungen von Emersacker nach Pfersee und Kriegshaber fehlen, können wir recht sicher davon ausgehen, dass der jüdische Friedhof von Emersacker tatsächlich benutzt wurde. In der Woche darauf gibt Simon Schlang zu Protokoll, dass er seine Tochter „Melam“ mit Maram Weyl aus Steinhart bei Oettingen verheiratete und dass der Bräutigam sich mit seiner verwitweten Mutter ebenfalls in Emersacker niederlassen möchte. Im Oktober erwarb Benjamin Levi nun ein eigenes Haus in Emersacker. Er war im Februar aus Höchstädt zu seinem Bruder gezogen. Maram Weyl hingegen kaufte das Gnadenhaus des Natan Simon, während Simon Schemel eine Sölde erwarb, also ein kleines Stück Wiese, wahrscheinlich für seine Schafe. Natan Levi und Abraham Fromm treten in Wertingen und Modelshausen aus Händler n Erscheinung und verkaufen dort Ochsen und Pferde. Ihnen behilflich sind Jakob Levi und Levi Salomon.
Im Februar 1693 wird das Haus des ausgewiesenen Moses Polak „vergantet“, das zwangsvollstreckt, bzw. versteigert. Im Mai wird dem vorhin genannten Levi Salomon der Zuzug nach Emersacker bewilligt, er stammte aus Fürth. Wenige Tage später starb Aaron Levi, der ebenfalls nicht nach Kriegshaber überführt wird, sondern wohl in Emersacker bestattet wird. Simon Schlang begleicht seine Schuld unter der Anwesenheit von Natan Simon als zeugen, bei der Witwe des Verstorbenen, die damit wohl die Begräbnisgebühr für ihren verstorbenen Gatten bezahlen kann. Im Oktober erwirbt sich der zugezogene Levi Salomon ein Haus. Im Januar 1694 überträgt Simon Schlang seinen Besitz auf seinen Sohn Jakob, der beim Ortsherren eigenartiger Weise geloben muss, zu gehen, so er dazu aufgefordert werden sollte. Im März 1694 kommt es wieder zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Salomon Levi verklagt seinen Vetter Benjamin wegen eines tätlichen Angriffs. Benjamin wird zu einer Strafe verurteilt, Salomon Levi wiederum soll seine Schuld von 12 Gulden bezahlen. Dies war offenbar der Anlass des Streits. Im April zieht nun auch Josef Max aus dem fränkischen Bamberg nach Emersacker, wo seit einigen Monaten auch Elias Epstein lebt. Im September folgt Josef Merk, dessen Herkunftsort nicht genannt wird.
Remnants of Rural Architecture in former Austrian Swabia
Am 11. November bitten die Vorstände der Juden zu Emersacker, unter ihnen sind auch der Schächter Natan Schimon und Schmuel, darum auf dem am Vortag bewilligten Gnadenplatz ein neues „Judenhaus“ errichten zu dürfen, da das jetzt genutzte Haus „elend“ sei und man dort die nötigen „Ceremonien“ nicht mehr passend verrichten könne. Die jüdische Gemeinde von Emersacker erreicht nun ihren geschichtlichen Höhepunkt. Dies ruft auch sofort den Pfarrer auf den Plan, der sich jedoch mit den Juden über die Höhe der Stolgebühren einigen kann. Die jüdische Gemeinde verpflichtet sich dazu für nunmehr 22 Familien in Emersacker jährlich sechs Gulden zu zahlen und diesen Betrag zu erhöhen, falls die Gemeinde weiter wachsen sollte. Das neue Gebetshaus wird rasch gebaut und mit Jakob Levi aus Höchstädt und seiner Familie gibt es im März weiteren Zuwachs.
Im September 1695 werden die Schutzgelder für Isaak Levi und Matthes Schechter neu ausgehandelt, da der eine erblindet ist und keinem Gewerbe mehr nachgehen kann, während Schechter in der fertig gestellten und zu Suckot eingeweihten Synagoge nun die Funktion des Rabbiners und Schulmeisters einnimmt. Zwei Monate später stirbt Mosche Levi, der 1685 wahrscheinlich als erster nach Emersacker gekommen war. Mit seinem Tod geht womöglich auch die „gute Zeit“ in Emersacker zu Ende. Natan Levi übernimmt die Vormundschaft für die Waisenkinder. Da für das Jahr 1695 wieder eine Beisetzung aus Emersacker in Kriegshaber verzeichnet wird, kann es sein, dass dies Moses Levi betraf.
Historical depiction of Emersacker about 1690
Im Januar 1696 bittet Matthes Schechter um Hilfe beim Emersacker Ortsherren, um von dem christlichen Händler Friedrich Rampf aus Binswangen die offenstehende Kreditsumme von 14 Gulden zurückzubekommen. Offenbar von der Forderungssumme eindruckt verlangt Matthias Koch nun eine höhere Abgabe von den Juden in Emersacker. Er teilt ihrem Rabbiner Matthes Schechter und dem Gemeindevorstand Samuel Levi mit, dass die jährliche Abgaben der Gemeinde nunmehr 25 Gulden betragen soll. Samuel Levi entschließt sich offenbar spontan den Ort zu verlassen und geht nach Steppach, weshalb schon wenige Tage danach sein Haus versteigert wird. Von dort kommt jedoch Abraham Eppstein nach Emersacker, der das Haus des Benjamin Levi erwirbt. Im Dezember 1697 verlassen auch Abraham Fromm und Benjamin Levi den Ort. Letzterer bittet ein Jahr später um seine erneute Aufnahme.

Jewish shepherds as depicted in Emersacker Church St. Martin
Da seine finanziellen Vorstellungen offenbar nicht realisiert werden, verkauft Koch nun seinen Besitz wieder an die Fugger. Im Sommer 1700 mehren sich deshalb bereits die Verkäufe von Sölden und Häuser durch die Juden von Emersacker. Unter den Verkäufern sind Simon Schlang, David Levi, Jakob Levi, der Sohn des verstorbenen Moses Levi, Jakob Levi Höchstätter, Natan Levi, Natan Simon, Abraham Eppstein und Schmuel Levi. Im Jahr darauf ist nur noch Abraham Levi erwähnt, der in Emersacker Handel treibt. Als seinen Herkunftsort nennt man nun Schlipsheim. 1705 verkauft Juda Polak aus Steppach ein Haus, das ihm in Emersacker gehörte. Dieses hatte er offenbar ohne in Emersacker gewesen sein von Schmuel gekauft, der inzwischen nach Buttenwiesen übergesiedelt war. Im Jahr 1710 kommt Benjamin Levi wieder für ein Geschäft nach Emersacker, auch er wohnt inzwischen in Schlipsheim. Ähnlich verhält es sich mit Ber Levi und Isaak Levi, die 1712 gleichfalls zur Abwicklung von Geschäften aus Schlipsheim nach Emersacker kommen. Mit ihnen vor Ort sind auch Mayerle Levi und Feist Bacharach aus Binswangen sowie Lazarus Günzburger aus Kriegshaber (dem Besitzer des dortigen Zollhauses) und Chaim Abraham aus Buttenwiesen.
the old lumber brook mill of Emersacker
In den folgenden Jahrzehnten finden sich nur sporadische Hinweise von jüdischen Händlern in Emersacker, meist stammen sie aus Binswangen oder Buttenwiesen, sehr wahrscheinlich mit abnehmenden Bezug zu Emersacker. Nach dem Abzug der Juden aus Emersacker blieb dieses für zweihundert Jahre in der weiteren Entwicklung stecken, weshalb sich die demographischen Daten der Jahre 1700 und 1900 kaum unterscheiden.

Auszug aus dem hebräischen Buch HaSchaar haChasak (mit kleinen Setzfehlern) , etwa um 1750 in Lublin gedruckt, mit einer kurzen Beschreibung der landwirtschaftlichen Bedingungen von Emersacker und einer Würdigung des Rabbiners:
כפר הקטן בשואבין נקרא עמרסאקר בשם כי יש חיטה טובה אנשים קראים אמר או עמר
בסתיו ואביביש שיטפנות רבים כל ההשנה ותמיד הרס את היובל
חיטה טובה אבל האדמה היא ביצה
זכרונות מורה והראש קהילת ר מתיס שייכטער ב’ר אנשל נולד בעיר פירדא ומת בק’ק שטפאך ליד פרשא
( “… das kleine Dorf in Schwaben genannt Emersacker mit Namen, weil es dort guten Weizen gibt den die Leute Amer oder Emer nennen. Im Herbst und im Frühling gibt es jedes Jahr viele Überschwemmungen, welche immer die Ernten zerstören. Zwar wäre der Weizen gut, doch die Erde ist ein Sumpf.
Gedenken an den Lehrer und Haupt der Gemeinde Rabbi Matis Sohn des Rabbi Anschel, geboren in der Stadt Fürth, gestorben in der heiligen Gemeinde Steppach bei Pfersee.”)
Wie man sich vergewissern kann, ähneln die örtlichen Bedingungen in Emersacker denen in Schlipsheim doch einigermaßen, abgesehen davon, dass es von dort nicht weit zu den FaGaSch-Gemeinden war.
https://jhva.wordpress.com/2011/11/17/uber-die-juden-im-schwabischen-schlipsheim/

From about 1685 until 1700 there was a vital Jewish community in Emersacker with an own synagogue and cemetery, although today the Jews of Emersacker are almost forgotten. Almost …
Quellen: Adel: Fugger-Laugna, Lit. 20-22 (Emersacker Amtsprotokolle) in: http://digbib.bibliothek.uni-augsburg.de/1174/1.1_Archivfuehrer.pdf (dort auch Einträge zu Bocksberg, Laugna, Leitersbrunn, etc.)
ספר השער החזק
Koutná-Karg, Emersacker im späten 17. Jahrhundert. Bemerkungen zu der jüdischen Gemeinde, in: JHVD 93 (1991)
www.emersacker.de
www.statistik.bayern.de
Jüdischer Humor
January 15, 2013Über jüdischen Humor lässt sich viel sagen und ganz im Sinne von Karl Valentin, wurde auch schon alles drüber gesagt, nur noch nicht von allen. Ob Karl Valentin Jude war? Wäre er denn als Jude noch nicht mal drei Jahre nach dem Krieg krank und verarmt in München gestorben? Oder nicht doch eher ein paar Jahre vorher, vielleicht in Theresienstadt oder Landsberg? Womit wir schon eine Reihe von Kriterien angesprochen hätten, die jüdischen Witz bekannt und beliebt machen. Er bedient – so er nicht sowieso aus dem TV kommt als Seinfeld, Woody Allen & Co. (wir wollen uns hier aber mit der Lage in Deutschland befassen) – eine ganzen Reihe von Klischees und vermittelt sie in einer Sprache, die zum einem vor allem Nichtjuden verständlich, zum anderen aber dennoch „restjüdisch“ genug sein muss, um überhaupt als jüdisch und als typisch zu gelten.
(wikipedia)
Ein typisches Merkmal jüdischen Humors und seiner Witze, so liest man oft in Erklärungen, sei es, dass man dabei nicht über andere, sondern vor allem über sich selbst lacht. Demnach müssten von Ostfriesen erzählte Ostfriesenwitze irgendwie wohl „jüdisch“ wirken. Nun gut, sich Juden vorzustellen, als Leute, die sich selbst durch den Kakao ziehen und lächerlich machen, sozusagen als „Witzableiter“ mag für manche durchaus eine heitere Vorstellung sein, in dieser Weise pauschalisiert ist es aber reines Wunschdenken, ebenso wie die Annahme er sei „die Waffe der Wehrlosen“. Dabei müsste man doch meinen, dass die israelische Armee wenigstens diesen Mythos bereits zerstört haben sollte. Eher zweifelhaft ist auch die Annahme, jüdischer Humor sei in Büchern über jüdischen Humor zu finden. Dort findet man allenfalls plattgetretene Geschichten, die schon bei flüchtigen Hinsehen oder –hören konstruiert sind und zwar wackelig. Meist sind es noch nicht mal Geschichten, sondern frei erfundene Kurz-Dialoge, die nur „wirken“, wenn sie vor schematischen Kulissen aufgesagt werden. Diese passen dann in den Wilden Westen, ins antike Rom, an den Hof des Pharao oder eben nach Przemyśl.
Damit allein ist es aber noch nicht getan, denn auch die Witzfigur heißt nun besser Jankele als Hans-Jürgen oder Kevin und besser Morgenstern als Riester oder Rürup und wenn während der Erzählung gerade ein Zug unterwegs sein sollte, dann am besten Richtung Galizien und nicht etwa nach Castrop-Rauxel oder Schelesnodoroschnaja. Wo letzteres ist, wissen wohl nur Leute die schon mal dort waren, darunter bekanntlich auch einige Juden. Am einfachsten ist es wohl von einem, von dem Schtedl zu reden. Man sollte „meschugge“ sagen statt „verrückt“, nicht aber „tipes“ anstelle von „dumm“. Den Eindruck des „Vertrauten“ hat man andernfalls recht schnell ruiniert. Recht viele meinen doch, jene Art lustig „verjüdeltes“ Deutsch so gut zu kennen, dass sie davon „fast jedes“ Wort verstehen. Schließlich lernt es sich mit Humor eben gleich noch mal so gut.
Geschätzt wird dieser „jüdische Humor“ insbesondere von gebildeten „Feinschmeckern“ und „Schöngeistern“, die auch ansonsten fähig sind, feine Ironie und versteckten „Hintersinn“ in einer mitunter auch tragischen Geschichte zu erkennen. Doch wenn dem tatsächlich so wäre, warum benötigt diese Art von „Witz“ stereotype Verpackungen, die wie Fertiggerichte mit ihrer Inhaltsangabe bedruckt sind und wo auf dem Butterstück steht, dass es fetthaltig ist oder dass der Dosenfisch ggf. auch Spuren von Erdnüssen enthalten kann? Merkt man das denn nicht sowieso ..? Oder trotzdem nicht? Rein methodisch erinnert dies dann auch an das furchtbar lustige „canned laughter“, jene „Lacher von Band“ US-amerikanischer sit-com-shows (nicht zu verwechseln mit dem angeblich ernsten Unterton jüdischer Witze). Die Macher dieser immer noch erfolgreicheren Endlosserien sind übrigens gar nicht selten auch Juden, obwohl ihr „Humor“ auf dem professionellen Wortwitz von „Gag-Schreibern“ und „stand-up-comedians“ basiert (deren Konfession wir freilich in der Regel nicht erfahren). Ihre Berufsgruppen ist verwandt mit den Redenschreibern von Politikern, manchmal auch in Personalunion.
Sigmund Freud schrieb, wie bei Wikipedia (im Artikel „Jüdischer Witz“) zitiert ist: „Die Witze, die von Fremden über Juden gemacht werden, sind zu allermeist brutale Schwänke, in denen der Witz durch die Tatsache erspart wird, dass der Jude den Fremden als komische Figur gilt. Auch die Judenwitze, die von Juden herrühren, geben dies zu, aber sie kennen ihre wirklichen Fehler wie deren Zusammenhang mit ihren Vorzügen, und der Anteil der eigenen Person an dem zu Tadelnden schafft die sonst schwierig herzustellende subjektive Bedingung der Witzarbeit.“ Natürlich soll sich der beliebte jüdische Humor schon unterscheiden von herabsetzenden Witzen über Juden. Aber wann ist ein Witz von Juden, und wann ist einer über Juden? Dann wenn ein Jude den Witz erzählt? Warum schätzen dann aber sog. „Nichtjuden“ „den“ jüdischen Witz? Wenn nun aber selbst ein Analytiker wie Sigmund Freud Begriffe wie „Witzarbeit“ (womit er nicht die eigene meinte!) benötigte, kann der Pfad zwischen antisemitischen Stereotypen und jenem jüdischen Humor dann so breit wohl auch nicht sein.
Ein Jude und ein Offizier sitzen in einem Zug*; der Jude isst einen Hering. „Sag, Jud, warum seid ihr Juden so schlau?“ „Ganz einfach, Herr Offizier, wenn wir Heringe essen, essen wir auch die Gräten mit.“ Der Offizier kauft dem Juden daraufhin die Gräten ab und würgt sie herunter. Nach einer Weile sagt er: „Jud, Du hast mich beschissen. Für das Geld hätte ich mir einen ganzen Hering kaufen können!“ „Seht ihr, Herr Offizier, es wirkt schon!“
(* wahrscheinlich in Galizien)
Jüdische Zuwanderer aus Russland und anderen inzwischen selbständigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion finden Witze dieser Art oft recht komisch und die demonstrierte Eigenschaft der „Raffinesse“ die es ermöglicht, mittels „Witz“ einen anderen hereinzulegen als eher positiv, vielleicht mitunter sogar als eine Art „Ideal“. Aber auch sonst (bei Juden anderer Herkunft und jenen die sich aus freien Stücken als „Nichtjuden“ bezeichnen) unterstreicht die Pointe die Erwartungshaltung, dass der Jude „schlau“ und „gewitzt“ daherkommt. Eben nicht nur lustig, sondern auch … listig, andernfalls wär’s ja wohl nicht „jüdisch“.
Eine Variante wäre etwa folgende Geschichte:
Ein Rabbiner fährt mit seinem Auto auf der Landstraße entlang. Plötzlich stößt er bei einer Kurve mit einem anderen Wagen zusammen. Er steigt aus und stellt erfreut fest, dass weder er noch der Fahrer des anderen Wagens verletzt ist, wohl aber ist einiger Sachschaden entstanden. Der Fahrer des anderen Wagen erweist sich als katholischer Priester. Der Rabbi freut sich über diese göttliche Fügung und schlägt vor, dass sie darauf ein Glas Wein trinken sollten. Der Priester willigt ein und der Rabbi holt eine Flasche aus einem Auto und gießt zwei Becher voll. Der Priester trinkt seinen Becher leer, doch der Rabbi wartet. Als der Priester fragt, warum der Rabbi nun doch nicht trinken will, antwortet dieser: „Ich warte wohl besser, bis die Polizei da war!“
Obwohl es die eingangs formulierte Eigenart des jüdischen Witzes, eher über sich selbst, als über andere zu lachen, genaugenommen widerlegt, ist da sehr gern die Rede von der „Chuzpe“, die – was frech genug ist – mitunter auch schon mal als „schutz-pä“ ausgesprochen wird. Sie gilt, seitdem es Witzbücher gibt (und wir datieren sie zumindest auf Feitel Itzig Stern zurück, dessen Werk zumindest die Bundeszentrale für Politische Bildung „bpb“ noch für „authentisch“ hält) als sehr typisch „jüdisch“, sie projiziert geradezu die klare Erwartungshaltung. Und klar scheint auch, dass bei so viel vorausgesetzter „Raffinesse“ es wohl eigentlich kaum möglich sein kann, dass ein Witz tatsächlich auf Kosten des „gewieften“, „hinterlistigen“ Juden ausgehen kann. Wie gut, dass es ersatzweise wenigstens jene variantenreich existierende Kategorie an Witzen gibt, aus welche hervorgeht, dass „der Jude“ zumindest „sein“ Judentum auch nicht ernst nimmt. Dessen Gebote werden vor allem auch von Außenstehenden oft als „streng“ empfunden oder zumindest doch entsprechend vermutet. Da mag es schon erheitern, wenn man darüber lachen kann, wie jüdische Witzfiguren das alles doch nicht „so ernst“ nehmen, sondern ihre „Gerissenheit“ nun dafür einsetzen, um ihre eigenen Gebote und Gebräuche zu relativieren.
Mendels ältester Sohn ist zum Christentum konvertiert. Der fromme jüdische Vater ist verzweifelt und weiß nicht, was er tun soll. Da spricht nun Gott selbst mit ihm: „Was weinst Du, Mendel?“ – „Soll ich etwa nicht weinen, mein Sohn hat sich taufen lassen!“ – „Aber Mendel, meiner doch auch!“ – „Und was hast Du gemacht?“ – „Ein neues Testament!“
Ein jüdischer Witz, der augenzwinkernd bekräftigt, dass „Gott“ (wenigstens als „Witzfigur“) ein „Neues Testament“ machte, hat sicher eine gewisse Komik für Leute, die Witze über „Gott“ für zulässig halten, aber ist dies wirklich „typisch jüdisch“? Wäre es nicht auch komisch, wenn „Gott“ auf Mendels Frage danach, was „er“ getan hatte, antwortete: „Ich habe ihn kreuzigen lassen!“
Beliebt ist dabei auch der berühmte „Schinken-Witz“:
Ein Jude kommt zum Metzger, zeigt auf einen Schinken und sagt: “Ein Kilo von diesem Fisch, bitte!“ „Das ist Schinken!“ – „Es ist mir egal, wie der Fisch heißt!“
Wäre der Witz auch komisch, wenn ein Katholik sich am Tag vor Karfreitag entsprechend verhalten würde oder hielte „man“ seine „Raffinesse“ (?) eher für verwunderlich denn als typisch? Oder wie wäre es mit einem vegetarisch lebenden Buddhisten, der seinen Döner als Blumenkohl bestellt? Lustig? Im beliebten „jüdischen“ Witz jedenfalls relativiert schon die Furcht vor familiären Auseinandersetzungen (= der Streit des Juden mit jenen anderen Juden die ihn am besten kennen sollten) sogar auch die messianische Hoffnung:
„Jankel, der Rebbe meint, der Messias wird bald kommen!” – „”Gott behüte! Was wenn dann meine ganze Mischpoche seit der Erschaffung der Welt aufersteht ..!“
Ein anderer Witz erklärt schließlich auch die „Weisheit“ des Talmuds:
Chaim der früher eine Talmudschule besucht hatte und nun Medizin studiert, wird gefragt, warum er kein Millionär werden will. Seine Antwort lautet, dass er lieber Krebs bekommen wolle. „Warum denn das!?“ – „Nun, ganz einfach: alle Millionäre sterben, an Krebs nur 40 %!“
Ob die „Pointe“ auch funktioniert, wenn man den „Chaim“ und den „Talmud“ durch „Günther“ und „Zeichen“ ersetzt?
Wo über Gott, die Gebote der Tora, den Talmud und die Hoffnung auf das Kommen des Messias gespottet wird, da kann man auch nicht erwarten, dass wenigstens der weltliche Zionismus besser abschneidet:
Ein alter, sterbenskranker New Yorker Jude erklärt seinen Verwandten, dass er in Israel sterben möchte und dort im Land seiner Väter begraben zu werden. Man erfüllt ihm seinen Wunsch und fliegt mit ihm nach Tel Aviv, wo ihm aber zumindest das Klima gut bekommt. Nun aber möchte er wieder zurück nach New York! „Aber warum?“ – „Nun, in Israel sterben wäre in Ordnung, aber hier leben ..??“
Da wir nun wesentliche Merkmale des „jüdischen Witzes“ behandelt (eine Salbe wäre gut!) haben, müsste eigentlich die Gegenprobe klappen:
Warum kommen Möwen soweit nach Israel hinein? Weil es da so schön nach Fisch stinkt.
Warum darf man einen Juden nicht in eine Kanone stecken? Weil Dumm-Dumm-Geschosse völkerrechtlich verboten sind.
Wären diese Witze – die zweifellos niemand anderen als Juden aufs Korn nehmen – witziger, wenn man sie über Ostfriesen erzählen würde (was manche wohl tun…)?
Warum kippt ein Jude Wasser auf seinen Computer? Weil er im Internet surfen will.
Wird das auch dann nicht komischer, wenn man sich ein blonde Jüdin dabei vorstellt, … oder doch?
Schwer zu sagen, denn zumindest gibt es ja auch in dieser Art von Scherzen den als typisch erachteten Wortwitz, d.h. den eher unerwarteten Wechsel einer Begriffsbedeutung. Ein solches Wortspiel wäre etwa hier:
“Was soll man von einem Goi halten? – Abstand!“
Als „goi“ bezeichnet man einen sog. „Nichtjuden“, benutzt jedoch vor allem von „Nichtjuden“. Man könnte nun aber auch formulieren “Was soll man einem Juden halten? – Abstand!“ Aber das ginge schon wieder in eine ganz andere (?) Richtung und wäre wohl auch nicht in gleicher Weise *komisch* aufgefasst. Der Witz stammt aber eigentlich aus einer Sammlung sogenannter Ostfriesen-Witze: “Was soll man einem Ostfriesen halten? – Abstand!“ Welche Variante klingt nun typischer? Lustiger? Das Original oder die Kopie?
„Warum müssen die Ostfriesen so lange auf ihre Fotos warten? – Weil sie ihre Filme immer in die Entwicklungsländer schicken.“
Spielt es nun wirklich eine Rolle, ob von Juden, Arabern, Österreichern oder Belgiern die Rede ist? Kaum, anders ist es aber vielleicht, wenn Israelis – bekanntlich seit Jahrzehnten in gleichbleibend großer Mehrheit jüdisch – Witze erzählen.
Ein verbreiteter, jedoch wenig feiner israelischer Witz fragt: „Wie nennen Charedim (der „Goi“ würde „Ultra-Orthodoxe“ sagen ) einen Vibrator? – Antwort: Mesusa“. Komisch? Beleidigend? Oder doch ironisch, da Mesusa zwar die meist etwa fingergroße Kapsel bezeichnet, die man, nach biblischem Gebot, zur Befestigung von handgeschriebenen kleinen Röllchen mit Texten der Tora an einen Türpfosten benutzt, wortwörtlich aber der „Türpfosten“ selbst ist, an dem die Kapsel eben befestigt wird. Man müsste eigentlich nur wissen, welche „Mesusa“ im Witz gemeint ist. Aber Witze zu erklären ist an sich nicht witzig. Sinn und Herkunft von Worten auch nur gelegentlich. Gerne in entsprechenden Witzen taucht der Begriff der „Schickse“ auf. Als solche wird, ableitet vom französischen „chic“ eine eher „leichtes“, übermäßig „schick“ aufgemacht empfundenes Mädchen bezeichnet. In den letzten Jahren häuften sich Erklärungen, den Begriff „jiddisch“ zu deuten als Bezeichnung für ein „nichtjüdisches“ Mädchen. Ins Klischee passend war die ge- oder besser erfundene Ableitung vom hebräischen Begriff שקץ scheketz – welches bereits in der Tora unter den Speisegesetzen Gewürm, Insekten, Ekel, etc. bezeichnet. Abgesehen davon, dass hebräische Wörter auch im Jiddischen ihrer Wortwurzel beibehalten und das „tz“ in Schickse gar nicht vorkommt, fehlt da nun eigentlich jeder humoristische Einschlag, ganz abgesehen davon, dass kein frommer Jude auf die Idee käme, einen anderen Menschen als „reptil“ sprich „kriechend“ zu bezeichnen. Die Nichtjüdin nannte nennt man analog zum Goi, dem Nichtjuden, sodann auch Goja, Goije oder Goite. Inzwischen ist aber die propagierte Annahme, Schickse sei ein verbreitetes jiddisches Wort zur selbsterfüllenden Prophezeiung geworden und wird auch in modernen populären Wörterbüchern zitiert, obwohl es dafür keine Belege gibt und es vom linguistischen Standpunkt unmöglich ist. Aber so ernst muss man es nicht nehmen. Zum Witz gehört es offenbar, dass man ihn sich selbst basteln darf und man Spracheigenheiten und Traditionen übergehen kann. Freilich wird so gesehen aber der jüdische Witz dann doch wieder zum Witz über Juden. Das ist nun mal so und muss von jenen, denen etwas zugeschrieben wird, auch weder gewusst noch verstanden werden. Als Deutscher muss und kann wohl auch nicht nachvollziehen, was für viele Israelis daran so komisch ist, wenn man auf die Frage, wie man auf Deutsch ein Kondom nennt (?..איך אומרים קונדום בגרמנית) mit „oger schpich“ (אוגרשפיך) antwortet.
„Was ist Jiddisch?“ – „Deutsch mit Humor und Wodka.“ (מה זה אידיש? גרמנית בהומור וקצת וודקה)
Aber wer sowieso (s)einen Zugang hat zum jüdischen Humor, wird damit auch so keine Probleme haben oder aber damit leben müssen, dass jüdischer Humor nicht immer zwangsläufig deutschsprachig ist. Vielleicht ist das auch gut so, wie manches sich gerne richtig fügt: Heil Hitler, Heil Kräuter! Denn auch wenn man die Pointen nicht immer versteht: Humor ist’s wenn man trotzdem lacht und mit Karl Valentin lässt sich abschließend sagen: „Früher war ja auch die Zukunft noch besser!“ Prosit und LeChaim.
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Literatur: Friedrich Torberg – „Wai geschrien“ – oder Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz: Anmerkungen zu einem beunruhigenden Bestseller, 1961