Luthers Judenhass heute oder: Warum die meisten Antisemiten glauben keine Antisemiten zu sein

July 31, 2017

Am gestrigen Abend hielt Professor Gerhardt Stapelfeldt auf Einladung der DIG Hochschulgruppe Augsburg im historischen Annahof einen Vortrag der sich mit Fragen zum Judenhass des Reformators Martin Luther befasste.

Der 1947 in Hamburg geborene Stapelfeldt hatte Architektur, Soziologie, Philosophie, Politikwissenschaft und Psychologie studiert und promovierte 1978 über „Das Problem des Anfangs in der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx“. 1997 habilitierte er über die „Kritik der ökonomischen Rationalität“. Wenig verwunderlich war Stapelfeldts Interpretation des Hasses Luthers auf die Juden dann auch von wirtschaftlichen Kriterien bestimmt: Das Wirken Luthers zu Beginn des 16. Jahrhunderts war davon geprägt, dass Deutschland im Zuge der Entdeckung Amerikas geopolitisch ins Hintertreffen geriet und wirtschaftlich abgehängt wurde. Luthers Konsequenz daraus richtete das Christentum gegen den in die Irre führenden wirtschaftlichen Fortschritt, gegen weltliches, kapitalistisches Streben, gegen Zins und Wucher, ständiges Horten von Geld und Besitz. Für all dies standen nach Luthers Urteil insbesondere die Juden, deren Geschäftstüchtigkeit darauf beruhen sollte, durch Handel und Zwischenhandel zum eigenem Vorteil Waren zu verteuern und im Volk schimpfliche Bedürfnisse zu wecken. Gemäß Luther waren die Juden „das teuflische Volk schlechthin“, was er auch an ihrer Betonung der leiblichen Abstammung aufzeigen wollte. Diese entlarvte sie jedoch als „diesseitig“ und so standen sie im Gegensatz zu der von ihnen missachteten „Geistigkeit“ des einzig wahren christlichen Glaubens, der sich in idealer Weise von weltlichen Freuden und Besitz abwenden sollte. Der entstehende Handelskapitalismus sei mit Luthers Standpunkten nicht vereinbar gewesen.

Was nun aber den Antisemitismus als solchen betrifft, so erläuterte Professor Stapelfeldt seinen gut 30 Zuhörern, dieser sei „grundsätzlich irrational“ und nicht aus dem Judentum zu erklären („Das wäre dann wirklich antisemitisch“). Das sei schon daran zu erkennen, dass es Antisemitismus auch da gebe, wo es keine Juden gibt. Psychologisch gedeutet seien Antisemiten meist Sadomasochisten, die für die Selbstunterdrückung ihrer Leiden Juden unbewusst als Sündenböcke benutzten. So strebten sie dann auch gar nicht nach der Abschaffung der Unterdrückung, sondern nach deren Verallgemeinerung. Passend dazu sah Stapelfeldt dann aber Luthers Judenhass selbst nun auch im Kontext von dessen Abneigung gegenüber aufständischen Bauern oder den Türken.

Wie Luther hat sich auch der Dozent nicht wirklich, bzw. nur in der distanzierten Außenperspektive mit dem Judentum und seiner Geschichte in Deutschland befasst. So vertrat auch er die oft kolportierte und nichts desto trotz irrige Auffassung, mittelalterlichen Juden sei ausschließlich Geldhandel erlaubt gewesen. Dies lässt sich mit einem beliebigen Blick in vorhandene Steuerlisten wiederlegen, tradiert aber bis in unsere Tage ein liebgewonnenes Fehlurteil über „die Juden“. Doch wenn die Trugschlüsse gerade von jenen weiterverbreitet und bestätigt werden, die auftreten wollen, ihnen entgegenzuwirken, wähnt man Sisyphos am Werk.

An anderer Stelle beanstandete der Soziologieprofessor Luthers grundsätzliche Art zum Beweis der Richtigkeit eigener Standpunkte immer wieder die Bibel als Quelle anzuführen, etwas heute natürlich „nicht mehr üblich“ sei. Damit sollte wohl auch an die zeitliche Distanz von 500 Jahren angespielt sein und an veränderte Ansichten. Zugleich ignoriert der Professor damit jedoch die für jegliches Verständnis des Judentums entscheidende Tatsache, dass es die Berufung auf Gottes Wort wesentlich ausgeprägter und konsequenter als im Christentum befolgt. Am umfassenden Anspruch des Judentums jegliche Argumentation aus Tora und Talmud zu begründen hat sich auch bis heute nichts geändert. Doch so wie Antisemitismus angeblich keine Juden benötige – wenn dem so wäre, gäbe es ihn auch in Ländern wie China, Indien oder vielleicht auch im untergegangenen Atlantis – benötigen virtuelle Fragen nach dem rechten Umgang mit Juden noch nicht mal oberflächliche Grundlagenkenntnis. Es reichen Klischees und tradierte Fehlurteile. Die kann man zitieren und widerlegen und schon hat man das erbauliche Gefühl aufgeklärter als die eigenen Vorfahren zu sein. Immerhin: Zufriedenstellende empirische Untersuchungen des Antisemitismus, existieren nach Auffassung des Gelehrten ebenso wenig wie eine verlässliche Größenordnung dieses „konstituierenden Elements der Moderne“.

Nach dem Vortrag hatten die Besucher Gelegenheit dem Redner Fragen zu seinem Vortragsthema zu stellen, was sich aber erwartbar nicht ergab. Stattdessen betonte schon die erste Zuhörerin, dass sie gar nicht verstehen könne, was mit Antisemitismus eigentlich gemeint sei, sei er ihr, die viele jüdische Freunde habe, ja noch nie im Leben begegnet, weder in ihrer rumänischen Heimat noch hier in Deutschland. Das passt vielleicht zu der Feststellung des Professors wonach die meisten Antisemiten sich selbst nicht als solche erkennen. Ganze 26.000 Personen gäbe es in diesem Land, die frank und frei zu gäben Juden zu hassen. Diese „viel zu niedrige Zahl“ habe eine Studie ermittelt. Die Zusatzfrage lautete, ob es denn Antisemitismus sei, wenn man die Politiker des Staates Israel kritisiere – der Klassiker des man wird doch wohl noch sagen dürfen. Nein, das sei natürlich kein Antisemitismus. Gut, man hätte auch antworten können, dass die letzten sieben Jahre bis letzten Mai mit Manib Younab der Vorsitzende des Lutherischen Weltbundes ein Palästinenser war, der wie Luther die Juden zum Teufel wünscht, aber was außer ernüchternder Gewissheit über eine gewisse Kontinuität wäre dabei gewonnen?

Ein weiterer Fragesteller, sah darin Parallelen zu einer anderen, ganz aktuell veröffentlichten Studie, die ergeben haben soll, dass auch beim Themenfeld “Populismus” kaum jemand davon ausginge, selbst dafür anfällig zu sein. Vielleicht liegt es an der schon zitierten Einsicht, dass Antisemiten eben nicht danach streben Unterdrückung abzuschaffen, sondern sie zu verallgemeinern. Zur letzten Wortmeldung jedenfalls würde es gut passen. Ein älterer Herr wollte am Ende von zweieinhalb Stunden Beschäftigung mit Fragen um Luthers Judenhass herum nun wissen, dass wenn „der Antisemitismus im Wesentlichen unbewusst sei, warum er dann strafbar sein sollte.“

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Fotos: Jakob Samoylowitsch


Video: 100 Jahr-Feier Synagoge Augsburg am 28. Juni 2017

July 27, 2017

Foto-Video der IKG Augsburg


Die vermännlichte Kriegsbraut

July 19, 2017

Rund 100 Jahre vor der “Ehe für alle”:

Die vermännlichte Kriegsbraut

Der Standesbeamte: „Entschuldigen Sie, meine Herren – wer von Ihnen ist nun die Braut?“

Zeichnung von Emil Huldmann in „Lustige Blätter“, 1918


Augsburg – Die Gegenwart

July 17, 2017

Mitmach-Installation am Augsburger Königsplatz:

wohl nicht als Hommage an das alte Gögginger Tor gedacht

Augsburg: mit der Gegenwart verbunden

القضايا العربية

מוזר, ערבית ולא עברית


Augsburg – mei Vaterschtadt

July 16, 2017

Augsburg mei Vaterschadt

Wie hab i di, mei Augschburg gera!

Dir gilt mei schöanster Gruaß,

weil ma di net nur muaß verehra,

weil ma di liaba muaß!

Zählst du au scho zwoitaused Jährla,

du bleibscht doch schöa und jung

und bischt trotz deine weiße Härla

no voller Kraft und Schwung.

 

Du hosch no Maura, Wäll und Gräba

und Tor und Plätz’ gar weit

und alte Höf mit Schpinnawebe

aus längscht vergangener Zeit.

Und hoahe, schöane Giebelhaiser

tun kund von alter Pracht:

drum hont sogar die früh‘re Kaiser

oft bei Dir Eikehr gmacht.

 

 Doch bischt du mit d’r Zeit au ganga;

denn Stillschtand isch dir fern.

Ma sieht im neista G’wand di pranga,

gar nobel und modern.

Mit Prachtpaläscht und broite Stroßa

bischt du jatzt guat beschtellt;

Mei Augschburg ka si seha lossa

voll Stolz der ganza Welt.

 

Und mag ma mi au “Datschi” nenna

i ärger mi net dra:

Da Datschi muaß ma nor erst kenna

no beißt a jeder a …!

Mei Augschburg, dir nur will i leba

 in Freid und au im Leid!

Gott mög dir Glück und Sega geba

 jatzt und für alle Zeit!

 

 (Adam Rauh, „Augsburger Heimatbüchlein für Schule und Haus“, 1920)


Sunrise over Perlach

July 14, 2017

וזרח השמש ובא השמש ואל־מקומו שואף זורח הוא שם

The sun rises and the sun sets, and hurries back to where it rises

Ecclesiastes 1.5 קהלת

זריחה מעל המגדל פערלאך באוגסבורג

Sonnenaufgang über dem Perlachturm in Augsburg

 


If I can dream …

July 6, 2017

IF I CAN DREAM SONGTEXT

There must be lights burning brighter somewhere
Got to be birds flying higher in a sky more blue
If I can dream of a better land
Where all my brothers walk hand in hand
Tell me why, oh why, oh why can’t my dream come true
Oh, why

There must be peace and understanding sometime
Strong winds of promise that will blow away the doubt and fear
If I can dream of a warmer sun
Where hope keeps shining on everyone
Tell me why, oh why, oh why won’t that sun appear

We’re lost in a cloud with too much rain

We’re trapped in a world that’s troubled with pain
But as long as a man has the strength to dream
He can redeem his soul and fly

Deep in my heart there’s a trembling question
Still I am sure that the answer, answer’s gonna come somehow
Out there in the dark, there’s a beckoning candle, yeah
And while I can think, while I can talk
While I can stand, while I can walk
While I can dream, please let my dream come true, oh
Right now, let it come true right now
Oh yeah


100 Jahre Synagoge Augsburg: Nachkommen kamen zum Jubiläum

July 3, 2017

offspring of Augsburg’s former Jewish Community members were in Augsburg to celebrate the 100 anniversary of the new Synagogue at Halderstr. in the center of Augsburg

(130)

מאה שנה בית הכנסת אוגסבורג

Сто лет синагоги в Аугсбурге

איין הונדערט יאר שול

مائة سنة كنيس في أوغسبورغ

Cent ans synagogue à Augsbourg

アウクスブルクの百のシナゴーグ

एक सौ साल ऑग्सबर्ग में आराधनालय