Juden im mittelalterlichen Freising

November 13, 2015

Unter den im mittelalterlichen Augsburg genannten Juden sind auch welche „von Freising“ erwähnt, einem etwa 70 km (Luftlinie) östlich gelegenen, von seinem Klostersitz beherrschten Ort, dessen Geschichte wenig oder meist gar nicht mit Juden in Verbindung gebracht wird.

In den Augsburger Steuerlisten ist 1380 und 1384 ist „Jakob Freysingen“ notiert, 1382 wohl derselbe als „Smoes Tochtermann aus Freisingen“, im selben Jahr auch ein eigens zu versteuerndes „domus Jacob Freisingen“, 1404 finden wir seine als „Jacobin Freysing“ genannte Witwe. Aus anderen Quellen ergibt sich, dass Jakob aus Freising mit Mara, der Tochter von Samuel aus Donauwörth („Samuel Werd“, bzw. Schmuel oder Smoe) verheiratet war. Samuel Werd findet sich von 1376 bis 1384 in den Steuerlisten, dürfte aber bereits vor 1382 verstorben sein, da seine Frau dann als „Samuelin Werd, Wirtin“ auftaucht. Jakob aus Freising hat also die Tochter des alten, kranken, dann verstorbenen Wirts geheiratet und mit seiner Frau und der Schwiegermutter das Leuthaus, d.h. die Schenke in der Judengasse betrieben, die sich dort „im Hof vor der Apothek“ befand, nach heutigem Verständnis also in etwa da wo sich das Kino Mephisto befindet. Es handelte sich um eine Schenke, bei der selbstgebrautes Bier geboten wurde, aber auch Backwaren. Eine Mischung wie man sie auch heute noch antreffen kann. 1404 registriert das Steuerbuch „Jacobin Freysing“, woraus wir schließen können, dass Maras Mann im Vorjahr verstorben war. 1420 tritt Eysik (= Isaak) Freisinger in Erscheinung, bei dem es sich wahrscheinlich um den Sohn der „Jacobin“ handelte. Denkbar wäre auch, dass es sich um einen Schwager handelte, also einen männlichen Verwandten ihres Mannes, der aus Freising zur Übernahme des Besitzes in die Stadt kam, da Frauen nicht rechts-und geschäftsfähig waren und im ungünstigen Fall nur das väterliche Erbe verwalten durften, bis der Sohn 13 Jahre alt wurde oder ein anderer männlicher Verwandter gefunden wurde. Gab es diesem nicht, konnte der Besitz von der Stadt als „verwaist“ in Anspruch genommen werden. Fest steht jedenfalls, dass Isaak Freising das Leuthaus weiterführte und mit seiner Frau drei namentlich bekannte Söhne hatte: Mauschi (Moses), Jos (wohl Josef oder Josua) und Sender, der “Herdmann” (wohl der Koch oder Bäcker). Letzterer führte das Leuthaus in der nächsten Generation. Nach 1440 verlieren sich die Spuren der Freisinger Familie. Da sich wenigstens vier Männer mit dem Namen Moses finden, die aus Augsburg in anderer Orte abwanderten, aber man kann allenfalls nur spekulieren, ob der jener aus der Familie Freisinger stammenden in Ulm, Lauingen, Nördlingen oder Donauwörth landete. Letzter Ort hätte eine gewisse Plausibilität, da der Vater von Moses Großmutter aus Donauwörth stammte, aber einen Beleg dafür haben wir nicht.

Ausgburg Judengasse mit Welserhauslinks: Welserhaus (frühere Apotheke) vor der Augsburger Judengasse

Wie dem auch immer sei, ist mit der Geschichte der Freisinger Familie im mittelalterlichen Augsburg noch nichts über Juden in Freising selbst gesagt, für deren Existenz keine eigenen Belege überliefert worden sind. Selbst ein namentlich genanntes ehemaliges Judentor, andernorts ein sicheres Indiz für die Existenz von Juden im Ort, wird so interpretiert, dass vor dem Tor wahrscheinlich irgendwann Juden lebten … jedoch ist eine solche Deutung wohl ebenso einzigartig wie albern.

Freising Bahnhofstr Mauer Münchner TorBahnhofstr. in Freising where once was the “Münchner Tor” (Munich Gate)

Aus zeitgenössischen hebräischen Quellen ergeben sich, was durchaus zeittypisch in der Region wäre, Hinweise auf zwei verschiede jüdische Ansiedlungen im mittelalterlichen Freising. Die erste befand sich im Süden der Stadt, in einem Eruw (Häuser mit verbundenen Innenhöfen), knapp hinter dem Münchner Tor (heute der Häuserblock um Bahnhofstraße / Am Wörth). Sie bestand bis etwa 1350, was also auf die berüchtigten “Pestjahre” und die Überfälle auf als “Verursacher” der Epidemie verdächtigte Juden Bezug nimmt. An Ort und Stelle gab es auch die erwartbare Infrastruktur (Bethaus, Gemeindehaus, Tauchbad). Ein für Mikwen erforderlicher Bachlauf ist heute noch unmittelbar vorhanden, die Überlieferung insofern plausibel. Von einem jüdischen Friedhof oder Begräbnisfeld ist freilich nirgendwo und zu keiner Zeit etwas überliefert, ein fast sicheres Indiz, dass es womöglich nie einen gab.

Lage Münchner Tor Freising Bayernposition of the former Munich Gate in the south of the medieval city

Münchner Tor Erinnerung Freising

Die zweite, spätere Niederlassung, die wohl nach der Wiederansiedlung nach 1350 zustande kam und wohl spätestens bis in die Zeit um 1470 bestand, geht mit dem namentlich überlieferten „Judentor“ im Nordosten der Altstadt am Ostende des Unteren Grabens einher. Anders als für das Münchner Tor, gibt es für das frühere “Judentor” in Freising keine Erinnerungstafel.

Abbildung Judentor in Freising 1642 Stadtplan 1810שער יהודים בימי הביניים בעיירה הבווארית פרייזינג

Freising Judentor Unterer Grabenalso the Judentor in Freising was removed

Eine Anzahl auch anderswo als Juden „von Freising“ registrierter Personen ist nun aber doch ein Indiz für die zumindest zeitweilige Existenz einer jüdischen Gemeinschaft. Oft zitiert wurde, dass 1464 Kaiser Friedrich Vertreter jüdischer Gemeinden aus der Region (Mergentheim, Laupheim, usw.) nach Freising lud, u.a., um von ihnen Auskunft über gegen sie erhobene Vorwürfe wegen „übermäßigen Wuchers“ zu erörtern. Abgesehen davon, dass Friedrich die Gunst der Stunden nutzte, um sich bei den befragten Juden selbst Geld zu leihen, war die Zusammenkunft wohl nicht sehr ergiebig, da die Vorwürfe wohl (womöglich auch gerade auf diese Weise) entkräftet wurden. Im historischen Halbwissen haften geblieben ist bei manchen Autoren der Neuzeit der sonst selbst lokalgeschichtlich allenfalls begrenzt bedeutsame Vorfall aber als “auch in Freising warf man den Juden Wucher vor“.

Bürgerturm Freisingsomewhat similar nearby Bürgerturm at Unterer Graben

Aussagekräftiger ist dagegen wohl der Umstand, dass sich im Freisinger Stadtbuch, das im (aus heutiger bayerischer Sicht womöglich etwas überraschend) auf dem Vorgaben des Schwabenspiegels basiert, dann eben doch eine Anzahl von Bestimmungen aufweist, die sich auf Juden beziehen, was ohne die Anwesenheit von Juden in der Stadt keinen Sinn ergeben kann. Das „Freisinger Rechtbuch“ genannte Kompendium einem gewissen “Ruprecht von Freising” zugeschrieben und auf das Jahr 1328 datiert, obwohl die erhaltenen Handschriften weder Jahreszahlen noch Autoren nennen („es fehlt durchaus jeder Grund dieses zu bezweifeln…“), stattdessen jedoch sowohl in der Anordnung als sogar auch im Vokabular der einzelnen Sätze sich mitunter eindeutig unterscheiden. Die mit dem Jahr 1473 jüngste datierte, von insgesamt fünf archivierten Handschriften (1408, 1436, 1441) ist jedenfalls bereits nach dem Treffen des Kaisers mit den schwäbischen Juden entstanden und steht somit im zeitlichen Kontext dazu.

In der oberflächlichen, bloß auf wenige Gegensätze abzielenden Betrachtung wird gewöhnlich übersehen, dass Juden und Christen im mittelalterlichen Rechtssystem mehr oder minder gleichgestellt waren. Die wenigen Ausnahmen rührten daher, dass Juden per se den rechtlichen Status von Geistlichen des Christentums eingeräumt wurde.

Im Freisinger Rechtbuch (in der standardisierten Endfassung von 1473) kommt dies in Artikel 168 zum Ausdruck

Freisinger Rechtbuch Cap. 168 von Pfaffen und Juden(Quelle: Stadt- und Landrechtbuch, Ruprecht von Freysing, nach fünf Münchner Handschriften, ein Beitrag zur Geschichte des Schwabenspiegels, von Ludwig v. Maurer, 1839, Cotta, Stuttgart & Tübingen)

Von pfaffenn vnnd von judnn: Pfaffenn dye nicht beschorrn sein vnnd nicht pfäflich gewanntt an tragenn vnd fürnntt sy messer oder swert oder annder waffen oder vinndet man sy in dem fraunhaus oder in ainem leuthaus dy sol man richtnn als ainen anndernn layenn und was man jn tuet in solicher weis da chumt nyemandtz in den pan vnnd als ich gered hab von pfaffenn alzo sprich ich von den judenn.”

Heißt: Unrasierte, nicht an ihrer Kleidung erkenntliche Pfaffen, die mit Messern, Schwertern oder sonst wie bewaffnet sind, in Hurenhäusern oder Wirtshäusern anzutreffen sind, darf man wie gewöhnliche Leute behandeln und wer so verfährt, hat keinen Bann zu befürchten. Selbiges trifft auch zu, wenn ungekennzeichnete Juden in selber Weise anzutreffen sind. Der Passus ist nur dann verständlich, wenn man andererseits zur Kenntnis nimmt, dass ordentliche Pfaffen (und Juden) quasi über dem (allgemeinem) Gesetz stehen, weil sie unter kaiserlichen oder bischöflichen Schutz stehend, weitgehend Immunität genießen und für sie in bestimmten Belangen eigene Gesetze existieren, vgl. mit Diplomaten in heutiger Zeit.

In Cap. 173 heißt es u.a.: Vom Leben der Juden: Die Juden soll niemand zwingen zu christlichen Glauben. Mang man sie mit guten Worten dazu bringen, soll man das tun, wird aber ein Jud Christ und danach von Glauben (ab)stehen, so soll in geistliches und weltliches Gericht zwingen dass er darin bleibt. Will er das nicht tun, soll man ihn (ver)brennen wie einen Ketzer.”

Wer erstmal den Fehler beging, zum Christentum überzutreten, konnte demnach mit damit rechnen, wieder zur angestammten Weisheit zurückzukehren.

Wenig freundlich freilich waren die Umgangsbestimmungen von Christen gegenüber Juden vorgesehen:

Den Christen ist verboten mit den Juden essen und niemand soll sie (in) einer Wirtschaft (ein)laden. Kein Christ soll mit einem Juden baden. ”

* * *

Although there are a number of Jews recorded in medieval Augsburg and elsewhere as as Jews from Freising, as well as discription of two different Jewish settlements in medieval Freising, a Jews Gate (Judentor) which until 19th century was recorded in the city maps of Fresing as well as a number of regulations in the medieval town book regarding Jews, their legal status, rights and duties, and the like … most historians asume that until 1870 there were no Jews in Freising, an old medieval city, famous for its cloister and the neighborhood to Munichs international airport.


Stolpersteine im bayerischen Freising

November 10, 2015

Während sie in Augsburg und im benachbarten München noch immer verhindert werden, gibt es die sog. “Stolpersteine“ auch in Freising. Ob wir alle entdeckten, die es dort vor Ort bereits gibt oder geben sollte?

In der Bahnhofstraße beim Haus unten wird an die früheren Bewohner Emma, Siegfried und Alfred Neuburger erinnert, die im Alter von 50 – 60 Jahren von den Nazis nach Litauen verschleppt wurden. Alle drei wurden am 25.11.1941 in Kaunas (Kowno) erschossen.

Freising BahnhofstrEmma Neuburger, 1891, deportiert 1941 Riga erschossen 25.11.1941 Kowno
Siegfried Neuburger, 1883, deportiert Kowno erschossen 25.11.1941
Alfred Neuburger, 1882, deportiert Kowno erschossen 25.11.1941
Neuburger Freising Stolpersteine Bahnhofstr. Emma Siegfried Albert

Gegenüber liegend in der Bahnhofstraße wird an Max Schülein gedacht, der 1877 in Ingolstadt geboren wurde und 1942 deportiert wurde. Er wurde wohl in Piaski, Lublin ermordet.

Bahnhofstr Freising Max SchüleinMax Schülein Stolperstein Freising 1877 1942 Piaski Lublin

Vor dem Bekleidungsgeschäft in der Oberen Hauptstraße finden sich eine Anzahl weiterer Stolpersteine die gleich an 8 ermordete Mitglieder der Familie Holzer erinnern wollen:

8 Stolpersteine Obere Hauptstr Freising

Freising Obere Hauptstr Stolpersteine Familie HolzerBernhard Holzer, Oskar Holzer, Henriette Holzer (Neumeier), Hanna Holzer (Neumeier), Hedda Holzer (von Marck), Irma Holzer, Siegfried Holzer und Ilse Holzer, die in Auschwitz, Terezin, Piaski oder auf der Flucht ermordet wurden.

Familie Holzer Stolpersteine  Freising Obere Hauptstr

Obere Haupstr Freising


Auf der Suche nach der Freisinger Judensau

October 23, 2015

Freising Dom

קתדרלה של פרייזינג

In Kirchen von über vierzig deutschsprachige Städte finden sich seit dem Mittelalter sog. „Judensäue“, die Juden mit Säuen oder Schweinen darstellen. Nach allgemeiner Ansicht sollte dies dazu dienen, Juden zu diffamieren, wozu die außergewöhnliche Beliebtheit von Schweinefleisch oder Schweinen als Glückssymbol bei deutschen Christen nicht so recht passen will. Für Tora-treue Juden ist das Schwein hingegen keine sonderliche Herausforderung, sondern schlicht eines von vielen Tieren, dass nicht gegessen werden darf. In die selbe Kategorie zählen freilich auch Löwen, Adler, Bären, … Schlangen oder Bienen. Mit der sehr ausgeprägten Schweine-Phobie des Islam hat das traditionelle Judentum eigentlich nichts am …Hut.

Während die Schweine in den Darstellungen als mehr oder minder (wohl abhängig vom Können des Steinmetzes oder Holzschnitzers, denn einige sehen bestenfalls eher wie Schafe oder Hunde aus) als solche feststellbar sind, werden „die Juden“ erst durch spitze „Judenhüte“ als solche (klischeehaft) „verständlich“, freilich auch nur so, als wollte man allen Deutschen eine „typische“ Pickelhaube aufsetzen. Diese „Juden“ nun wurden meist nur so hoch wie die Schweinchen dargestellt, was entweder an jüdische Kinder oder zumindest 1.75 c, hohe Superzuchtsäue denken lässt. Die Juden reiten mal auf ihnen, oder liegen unter ihn, um an den Zitzen der Sau zu saugen oder sie schlecken dem Tier am Hintern.

Eher seltsam ist übrigens auch, dass die Mehrzahl der  „Judensäue“ eher versteckt an den Kirchen angebracht wurden. Sie stehen nicht etwa auf dem Haupt- oder einem Nebenaltar, sondern entweder versteckt in einem unzugänglichem, finsteren Chorgestühl, wie in Erfurt, mehrere Meter hoch an einer Seitenmauer, wie in Regensburg oder in luftigen Höhen und von der Straße aus nicht mehr zu erkennen.

Freising Judensau

Auch im bayerischen Freising, über dessen mittelalterliche Juden kaum etwas bekannt geworden ist (demnächst aber mehr dazu), soll es eine Judensau am Dom gegeben haben. Zumindest besagt dies “die Überlieferung”. Die sagt nichts über das Aussehen der Darstellung, etwa ob es sich um eine Skulptur handelte oder um ein Relief, aus Stein oder Holz, usw. sondern zitiert nur den einen (ab einem bestimmten Zeitpunkt, zuvor vielleicht unbekannten) oft zitierten Spruch „So wahr die Maus die Katz nit frisst, wird der Jud ein wahrer Christ“. Für einen Juden ist das so beleidingend wie für eine Frau, der man nachsagt, dass sie nie ein rechter  Mann werden könnte, oder umgekehrt. Da die angebliche Inschrift überliefert oder besser gesagt kolportiert wird, ist sich die Frage, wo eigentlich die Freisinger Darstellung befunden haben soll und wo sie abgeblieben wäre, eine (kaum gestellte) offene Frage. Es gibt sogar auch nur Schätzungen, wann die Freisinger Judensau zuletzt gesehen worden sein soll. Etwa 1921 etwa oder vielleicht im 19. Jahrhundert, während andere schon auch die Frage stellen „Gab es in Freising eine Judensau?“

Freisinger Judensau

Wie dem auch sei, begegnet einem als Besucher in Freising gleich in der Bahnhofstraße eine Darstellung, die den historischen Judensäuen ein wenig ähnelt, sitzt doch ein Mensch auf einem etwa gleich hohem Schwein, nun bewaffnet mit einem Schwert oder Messer und mit einer Soja-Wurst im Rück. Ob es sich um die vermisste Darstellung der Freisinger Judensau handelte, war nicht zu ermitteln.

  • as in many other German cities also in Bavarian town Freising (next to Munich International airport) there probaby was a so called “Juden-Sau” (Jews sow/pig), a depiction of Jews (recognizeable by the “typical” Jews hat) sitting on pigs of equal height (either children or sort of giant hog) or lying down to suckle the tits, lick the butt, etc. The Freisig Judensau only is known by its narrated inscription “as a mouse never eats the cat, the Jew never gets a true Christian”. Nothing is known what exactly was depicted as Jews sow in Freising, were it was at the Cathedral or when it was removed. Sort of rumours say it last was seen in early 1920s, at a time when each and everything of slightest interest was photographed mny times already.
  • At Bahnhofstrasse on the way from Freising train station to the old city however, on the right there is a shop with a quite similar depiction of a small figure sitting on a hog, maybe the missing pi(n)g.