
Medienberichten zu Folge ist der Hofer Rabbiner und Mohel David Goldberg im Zusammenhang mit dem kontroversen Kölner Beschneidungsurteil angezeigt worden. Erstattet wurde die Anzeige von einem „Arzt aus Hessen“, angeblich auch Mitunterzeichner eines offenen Briefes an die deutsche Bundeskanzlerin, in welchem zu einem Verbot der Beschneidung von Kindern aufgerufen werden soll.
In Berlin weilt hingegen Yona Metzger, Oberrabbiner der Aschkenasen in Israel, der zum Thema beiträgt, dass er sich vorstellen könne, Beschneider in Deutschland eine medizinische Fortbildung zu ermöglichen. Er sprach sich jedoch dagegen aus, Beschneidungen künftig nur noch von Ärzten durchführen zu lassen. Das brächte auch nichts, wenn sie nicht zugleich auch Beschneider wären.
Noch immer steckt also gewissermaßen die Vorhaut der „Beschneidungsgegner“ im engen Sommerloch fest. Eine Art verbale Phimose. Die Argumente drehen sich vor allem noch immer um Mutmaßungen aus dem reichen „Spektrum der Medizin“. Raw Metzger zeigt sich als Chochem, denn er weiß natürlich, dass in Deutschland nach wie vor besonders medizinische Kriterien gelten – auch wenn diese sich im Laufe des letzten Jahrhunderts öfter einschneidend geändert haben. Was der Onkel Doktor sagt, ist sicher und gut, so wie früher das Amen des Dorfpfarrers ausschlaggebend war. Und tatsächlich: Außer Eigeninteressen verfügen Mediziner in der Regel über keine eigenen Interessen.
Metzger sagte auch, dass er sich darüber freut, dass man in Deutschland nun über die Beschneidung diskutiert. Das wäre insofern erfreulich, wenn die Diskussionen etwas mit den Fakten zu tun hätte. Das nun aber ist eher selten der Phall, äh … Fall.
Die vielerorts zu hörende „Lösung“ etwa, Beschneidungen von Ärzten unter Betäubung vornehmen zu lassen, war die eigentliche Grundlage des Falles der die Debatte(n) auslöste: Ausschlaggebend für das in sich mehrfach widersprüchliche Urteil von Köln war nämlich eine Anfang November 2010 an einem vierjährigen Muslim durchgeführte Beschneidung. Diese wurde von einem (muslimischen) Arzt und unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Zwei Tage nach der Beschneidung wurde der Knabe von seiner Mutter wegen Nachblutungen in einer Kölner Klinik nachbehandelt. Da solche Nachblutungen in der Regel nicht vorkommen, schon gar nicht zwei Tage nach der Bescheidung müsste man annehmen, dass die Arbeitsweise des Arztes zu beanstanden wäre. So kam es dann auch und der Arzt wurde wegen Körperverletzung angezeigt – und freigesprochen. Das am 7. Mai ergangene Urteil der ersten kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln war die Berufungsverhandlung zu diesem Freispruch. Obwohl der muslimische Arzt das Kind zwar betäubt hatte, bedurfte seine Arbeit der medizinischen Nachbesserung in einer Klinik. Nun müsste man annehmen, dass die Beschneidung dieses einen Jungen zu Komplikationen führte, die eine Anklage und Verurteilung des Arztes rechtfertigen würden. Das Kölner Gericht kam jedoch eigenartiger Weise zu einem ganz anderen, überraschenden Befund: “Aufgrund des von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachtens steht fest, dass der Angeklagte fachlich einwandfrei gearbeitet hat. Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor.“ Andererseits sah das Gericht jedoch den Tatbestand nach Strafgesetzbuch 223 (1) als erfüllt an. Dort heißt: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Zusammengefasst hatte der Kölner Arzt, der den kleinen Muslim beschnitten hatte, also zwar so gearbeitet, dass der Junge Tage später in einer Klinik nachbehandelt werden musste. Trotzdem sah das Gericht keinen Behandlungsfehler und attestierte dem Arzt, dass er „einwandfrei“ gearbeitet hatte und weil dem so war, lag nun der Straftatbestand der Körperverletzung vor. Logisch ..?
Da der muslimische Arzt angeblich „einwandfrei“ arbeitete, konnte das Kölner Gericht im Folgenden auch nicht sagen, worin nun die sich auf Paragraph 223 berufende Diagnose der „Misshandlung“ oder gar der „Schädigung der Gesundheit“ bestanden haben soll. Der Freispruch des Arztes machte deshalb Sinn, weil die Richter nicht den konkreten – offenbar etwas misslungenen – Fall im Visier hatten, sondern Beschneidungen von Kindern als solche, die offenbar auch bei Muslimen in aller Regel ohne Komplikationen verlaufen, selbst dann wenn sie wie in Köln von Ärzten und unter Betäubung vorgenommen werden.
Die kleine Strafkammer des Landgerichts urteilte, dass „der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert“ (werde). Nun, insofern Vorhäute anders als Haare oder Fingernägel offenkundig nicht nachwachsen, ist zumindest das anklingende Argument der Irreversibilität korrekt. Die Strafkämmler verwenden jedoch nicht den Begriff der Reversibilität, sondern sprechen stattdessen von „irreparabel“, d.h. das Abschneiden der Vorhaut (oder sollte man angepasst von „Demontage“ sprechen?) ließe sich nicht reparieren. Da auch www.duden.de bei „Reparatur“ zuerst an Autos denkt, geht es wohl nicht nur mir so. Der zugrunde liegende lateinische Begriff „reparo, reparare“, der sich von „paro, parare“ (= erwerben, kaufen) ableitet, bedeutet wörtlich eigentlich „wieder (re) erwerben, beschaffen“, etc. im Sinne von Ersatz beschaffen. Und genau so bringt man als Konsument auch das kaputte Elektrogerät oder Auto zum Kundendienst und lässt die defekten Teile in der Regel austauschen. Wie nun auch immer, mutmaßen die Kölner Richter, die sich auf allerlei Fachgutachten stützen also, dass eine einmal entfernte Vorhaut nicht ersetzt werden könnte. Das denken sie so, stimmt aber nicht. Da dieses „Argument“ trotzdem überall zu hören und zu lesen ist, ist es wohl nützlich, diesbezüglich etwas ausführlicher zu werden. Und Hobby-Historikern macht das ja auch durchaus etwas Spaß:
Schon vor etwa 2200 Jahren zur Zeit der seleukidischen Herrschaft kannte man im besetzten Judäa verschiedene Verfahren der Vorhautrestauration, insbesondere durch das Dehnen der verbliebenen Schafthaut. Juden, die an den damals völlig nackt ausgeführten sportlichen Übungen der griechischen Besatzer teilnehmen wollten, hatten in der Regel das Problem, dass sie durch die fehlende Vorhaut (πόσθη) als Juden erkennbar waren, was offenbar zu ihrem Ausschluss an den Wettbewerben führte. Um zum griechischen Establishment gehören zu können, mussten sie nun langwierige Dehnübungen auf sich nehmen, andere als Sportler sonst auf sich zu nehmen gewohnt sind. Das angewandte Verfahren nannte sich επι-σπασμος, wörtlich “Überziehen” (oder „Hinziehen“) und erklärt sich ein wenig von selbst. Wer nun an Krämpfe denkt, liegt nicht ganz falsch, da σπασμος nicht nur “Ziehen, Dehnen” heißt, sondern auch „Zucken“. Der moderne Begriff der Spasmen stammt von da. Im ersten Buch der Makkabäer (um 165 v.a.Z.) ist von üblen Gesellen die Rede, welche das Volk überreden wollten, es dazu zu verführen, die heidnischen Bräuche und ihren Götzendienst anzunehmen: „Sie gründeten in Jerusalem ein Gymnasium (γυμνάσιον) und machten sich Vorhäute (ἀκροβυστίας). Sie fielen ab vom heiligen Bund (διαθήκης ἁγίας) und benahmen sich wie die Völker (ἔθνεσι) und gaben sich jeder Schande und allen Lastern hin.“ (1. Makk. 1.15)
Es ist offensichtlich , dass ein „Episkopatikos“ (επι-σπαστικος), „Überzieher“ (man könnte ebenso wörtlich auch „Hin-Zucker“ übersetzen) sich ausdrücklich gegen seine jüdische Sozialisation stellte und dass die Negierung der Beschneidung genau diese Absicht hatte. Bei den Römern nannte man denjenigen der seine Beschneidung „reparierte“ einen recutitio (von Lateinisch cutis = Haut, Hülle) , also in etwa einen „Wiederbehüllten“.
Der von Kaiser Nero in den Selbstmord getriebene römische Satiriker Titus Petronius (14-66), auch bekannt als „Arbiter“ (nein, da fehlt kein „e“) und Autor des “Satyricon” erwähnt im freilich erst 1645 wiederentdeckten „Trimalchios Gastmahl“ (Cena Trimalchionis) einen Sklaven, der, hätte er nicht zwei Nachteile, unbezahlbar wäre: „wiederbehüllt“ zu sein und zu schnarchen (recutitus est et stertit).
Was bei Petronius eher ein Scherz ist, fand beim römischen Arzt Aulus Cornelius Celsus (gest. 50 n.a.Z.) in seinem Werk „De medicina libro octo“ ausführliche Beachtung. Celsus, der als erster über Tumore schrieb, schilderte gleich zwei chirurgische Verfahren um die Beschneidung rückgängig („decircumcison“) zu machen. Beim ersten Verfahren, dass er meist bei Kindern und Männern mit einer auf natürliche Weise zu kurz geratenen Vorhaut empfahl, wurde die Haut an der Wurzel eingeschnitten und über die Eichel gestülpt. Das Abbinden an der Spitze verhinderte einen Schwund der Haut in den früheren Zustand. Auf diese Weise wurde nun eine zweilagige Vorhaut rekonstruiert. Die durch den Aufschnitt entstandene untere Beschädigung der Haut verheilte im Zuge des Heilungsprozesses und wurde überwachsen. Die zweite Methode war ähnlich. Übrigens empfahl Celsus zur Vermeidung einer Erektion während des Heilungsprozesses eine spezielle Diät. Etwa neugierig geworden?
Da ich nicht noch weiter vom Thema abkommen will, hier nur der Hinweis auf den Text in Latein/ bzw. in der Englischen Loeb Edition: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Celsus/home.html. Galen (130-210) zitiert die Praxis der Vorhauterneuerung in der Beschreibung von Celsus, weshalb man annehmen kann, dass sie in seiner Zeit ebenfalls gebräuchlich waren.
Zur Zeit Schimon ben Kosba, den als „Bar Kochba“ bekannten letzten antiken König Israels, gestorben vor etwa 1875 Jahren, war es unter manchen Juden in der Diaspora oder unter griechisch- römischen Einfluss noch immer gebräuchlich, dass sie mittels Dehnübungen oder durch die beschriebenen chirurgischen Eingriffe ihre frühkindliche Beschneidung revidierten. Da Bar Kochba jedoch als Messias ausgerufen und anerkannt wurde, legte er logischerweise Wert auf die Einhaltung der Gebote der jüdischen Bibel, andernfalls hätte er auch seinen Job verfehlt. Entsprechend gibt es Berichte dazu, dass er Wert darauf legte, dass seine jüdischen Anhänger aus der griechischen Diaspora ihre verlängerten Vorhäute erneut beschneiden ließen, ehe sie sich ihm als verehrten „Christos“ im Kampf gegen die römischen Besatzer anschließen durften. Wenn schon, denn schon.
In der Neuzeit dauerte es bis zur Wende des 19. Jahrhunderts, ehe sich die moderne medizinische Literatur wieder mit dem Thema der Vorhautrekonstruierung beschäftigte. Aus der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Europa stammen einige Berichte über Männer, die sich mittels Vorhautverlängerungen ihr Leben retteten. Trotzdem ist das Thema jedoch bis heute nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Schade eigentlich, da die Betroffenen den eifrigen Richtern in Köln sicher einige Aufschlüsse geben könnten.
Heute spricht man aus verschiedenen Anlässen, wozu auch Phimosen (nicht Mimosen) gehören von „Operationen am Präputium“, man zumindest als Facharzt schon mal gehört haben sollte, bzw. von Frenulum- oder Präputiumsplastiken. Der aufmerksame Leser ahnt, oder mag selbst weiter recherchieren.
Man sieht also, dass es eine weit über 2000 Jahre alte Praxis gibt, Beschneidungen auch auf chirurgische Weise zu „reparieren“, weshalb das Argument des schlecht beratenen Kölner Gerichts, der Körper des Kindes werde „irreparabel“ verändert unzutreffend ist.
Weiter behauptet das Urteil: „Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider.“ Abgesehen davon, dass dieses „Interesse“ auf der bloßen Annahme basiert, dass bei Muslimen (und Juden) Familientradition, Abstammung und kulturelle Gebräuche dem selben geringen Stellenwert hätten wie im Umfeld der Richter, mangelt es auch hier an Logik. Selbstverständlich können auch Beschnittene ihre Religion wechseln oder sogar auch Atheisten werden. Beschneidung hin oder her. Beispiele dafür gibt es überall. Und da selbst Jesus von Nazareth beschnitten war (siehe das Evangelion von Lukas 2.21), dürfen Beschnittene wohl sogar auch getauft werden. Auch dafür gibt es genug Beispiele, auch wenn es aus jüdischer Sicht eher traurige wären. Nur zur SS konnte man als Beschnittener nicht. Aber darum brauchen sich die Richter wohl keine Sorgen machen.
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Beschneidungsmesser als Symbol am Grabsteinrest eines Mohel, Kriegshaber / Pfersee, jüdischer Friedhof
One arguement in Germany’s ongoing debate over circumcision of male children is the untenable assertion of the Cologne district court circumcision was “irreparable” (as they put it). However, almost 2200 ago there were widely known methods of prepuce reconstruction, accurately described by physicians like Celsus or Galen, mentioned in Mishna as well as in the Makkabean books.
Auf dem Weg zur Synagoge in Augsburg
August 26, 2012Zwar heißt es im Talmud, dass man immer in der Nähe einer Synagoge wohnen soll, so dass man diese bequem und shcnell zu Fuß erreichen kann, doch da die Augsburger Innenstadt auch in diesem Sommer von Baustellen beherrscht wird, ist auch das bei sich täglich ändernden Verkehrsverhältnissen auch für Fußgänger aus der direkten Nachbarschaft nicht unbedingt einfach zu erreichen. Zuletzt waren es Baumaßnahmen im Zusmamenhang mit den eigentlich erst ab Ende des Monats startenden zusätzlichen Baumaßnahmen am Bahnhof, wo in der Halderstr ein Tunnel entstehen soll (nun doch einer, jedoch für Straßenbahnen, nicht für Autos). Umso schwieriger ist es für auswärtige Gäste, denen weder Stadtpläne (frisch erworben vom Touristenbüro), Navagationsgeräte noch achselzuckende Passanten oder Bauarbeiter mit Lärmschutzkopfhörern helfen können. Kein Wunder, dass auch das jüdische Museum derzeit kaum Besucher hat…
Although the Talmud recommends to live close to the synagogue it is currently everything but easy to get into the building because also this summer the city center of Augsburg suffers from many raod construction works which every day create a new situation for neighbours as well as visitors and tourists. The later are rather helpless because neither acquired maps from the tourist information office, nor any navigator or passerby may give them any useful instructions, while the construction workers use heavy noise protection head phones or neuither understand English … or German. Also the Jewish Museum which is placed in west wing of the Synagogue building therefore has hardly any visitors.
To avoid construction sites however allows to find less good known backyard perspectives of the synagogue.