Inschriften am Tahara Haus in Oettingen

October 27, 2010

Am Oettinger Friedhof in Siegenhofen befindet sich auch eine frühere Tahara, an welchem eine Reihe unterschiedlich motivierter Inschriften angebracht sind.

Widmungsinschrift der Stadt Oettingen, welche eine deutsche Übersetzung von Psalm 71 Vers 20 zitiert: “ Der du mich hast schauen lassen viel Not und Leiden Du wirst wiederum mich beleben und aus den Tiefen der Erde mich wiederum erheben (Ps. 71.20)“

Danach heißt es:

Ihren jüdischen deutschen Mitbürgern zur Sühne und Ehre – Stadt Oettingen in Bayern

Der Terminus Sühne wird bei wikipedia als ein Akt erklärt, “durch den ein Mensch der schuldig geworden ist, diese Schuld durch eine Ausgleichsleistung aufhebt oder mindert“. Was immer den Oettinger Juden nun also geschehen ist, es könnte mit der Anbringung dieser Tafel am ehemaligen Tahara-Haus abgegolten oder wenigstens ausreichend deutlich gemindert worden sein, um eine solche Tafel zurechtfertigen – man kann von ihnen ja nicht hunderte in jedem Dorf aufhängen … Zweifelhaft ist freilich die Wirkung der Tafel an einem Haus, das nicht an der Straße liegt, sondern im Grundstück. Nur wer auf dem Friedhof ist, kann die Tafel lesen. Die Oettinger Juden, denen die Tafel gewidmet ist, sind aber tot. Datiert ist die Inschrift nicht, freilich kann man sich den zeitlichen Kontext ihrer Entstehung gut vorstellen.

Eine weitere, nur hebräische (aber punktierte) Inschrift gibt eine Bracha wieder die Juden sprechen, wenn sie jüdischen Gräbern begegnen. Die Bracha basiert auf der entsprechenden Formulierung des Amida. Die hier wiedergegebene westliche Variante verzichtet anders als die sefardische העולם הבא zu erwähnen:

ברוך אתה יי אלהינו מלך העולם אשר-יצר אתכם בדין וזן וכלכל אתכם בדין והמית אתכם בדין ויודע מםפר כלכם בדין ועתיד להחזיר להחיותכם בדין – ברוך אתה מחיה המתים

(übersetzt in etwa: Gesegnet bist Du HaSchem, unser Gott, König der Welt, der euch geformt hat im Gericht, und euch ernährte und versorgte im Gericht, und euch tötete im Gericht, und die Zahl von euch allen kennt im Gericht, und euch künftig wieder ins Leben zurückholen wird im Gericht. Gesegnet bist Du HaSchem, Beleber der Toten.)  

* * *

Eine weitere Inschrift auf der Rückseite des gerade restaurierten Gebäudes nimmt auf das Baujahr Bezug:

“Erbauet im Jahre d. H. (des Herrn) 5611”

darunter steht Hebräisch:

יראת הי תוסיף ימים

was ein Zitat aus 10.27 משלי ist und besagt: “Gottesfurcht mehrt die Tage”. Im Spruch ginge es noch weiter mit “die Jahre der Bösen werden verkürzt”, aber das betraf niemanden am Oettinger Friedhof.

Nochmals darunter steht die Jahreszahl 1850. Die hebräische Jahreszahl 5611 korrespondiert auch mit dem Zahlenwert dem deshalb entsprechend punktierten Wort יראת  welches den Wert 611 ergibt.

יראת הי תוסיף ימים

 

Eine vierte Inschrifttafel ist noch am Haus erhalten. Sie zitiert einen hebräischen und einen deutschen Text und hat in der Mitte eine Öffnung, in welche bereitwillige Spender wohl für den Unterhalt des Friedhofs Geld einwerfen konnten. Passanten auf der Straße ahnen von dieser Möglichkeit auf der Rückseite des Hauses wohl auch nicht. Angesichts der zahlreichen dahinbröckelnden, kaum noch lesbaren oder längst zerstörten hebräischen Inschriften der Grabsteine wäre das sicher auch heute noch sehr angebracht, freilich ist hat die Tafel an der Wand angehängt keine entsprechende Funktion mehr, weshalb wir es bei einem symbolischen 50 Cent – Stück als “Spende” beließen.

זרעו לכם לצדקה קצרו לפי חסד

Säet Wohltun und Ihr werdet Liebe ernten

– Hoschea 10.12

 

אטינגן בית קברות

At the former Tahara house at the Jewish Cemetery of Oettingen there are four inscriptions. One has a prayer for the death, another one asks for support for the upkeep of the cemetery and a third one mentions the date of the establishment of the Tahara and the cemetery. A fourth one obviously ist from the time after the Nazi regime and is dedicated by the City of Oettingen to the German Jewish “Mitbuerger” (fellow citizens) of Oettingen – but there are no more jews in Oettingen and the inscription is not visible from the outside.


Der jüdische Friedhof von Oettingen

October 25, 2010

Trotz der langen Geschichte der Oettinger Juden bekamen sie erst um 1850 einen eigenen Friedhof, der sich jedoch außerhalb des historischen Ortskerns neben dem heute eingemeindeten Siegenhofen befindet heute noch davon verkehrstechnisch getrennt (Muehlstr. 44). Vom Friedhofsgelände aus hat man Richtung Osten einen Blick ins benachbarte Hainsfarth. Die Synagoge der damaligen Kultusgemeinde befand sich am Südende Oettingen in der Nähe des Königtors, weshalb von den wahrscheinlich anliegenden Häusern der Weg bis zum Friedhof etwa 1.3 Kilometer oder im Trauerzug ca. 20 bis 30 min. betrug. Nur etwa 40 % des heute ummauerten Friedhofsgeländes sind als Grabfläche ausgewiesen, den weit größeren Teil nimmt das (bewohnte?) ehemalige Tahara-Haus und eine größere, durch Drahtzaun abgetrennte Grasfläche ein, auf der sich auch Garten- und Geräteschuppen befinden. Auf dem Friedhof befinden sich etwa 320 Grabsteine in recht unterschiedlichen Erhaltungszustand. In nicht wenigen Fällen ist die deutsche Inschrift besser erhalten, während zahlreiche hebräische spurlos zerbröckeln. Dokumentation: siehe Links unten

Grüne Umrandung entspricht dem Mauerverlauf, die rote zeigt die Fläche die mit Grabsteinen belegt ist. The greenish border follows the cemetery wall, the red one however displayes the much smaller area with remaining grave markers .

The Jewish cemetery of Oettingen (Siegenhofen) was established only in 1850. Far less of the half of the walled in area is accounted as grave site. There some 320 grave markers left in quite different conditions. Most of the headstones have a Hebrew inscription and a German on the reverse. Tendentially the German inscriptions are in a better state. However there is a comprehensive documentation of the cemetery as it was in 2005 by Rolf Hofmann http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-GRAVELIST.pdf with name index http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-INDEX.pdf and map correspondence http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-MAP.pdf   

Blick vom Jüdischen Friedhof Oettingen nach Hainsfarth


Über die Juden von Oettingen

October 24, 2010

Der erste in Augsburg als Steuerzahler verzeichnet bekannte Jude (Jüdin) aus Oettingen, die ist die  Frau des Isaak (genannt als „Ysackin von Oettingen“), die in den Jahren 1408 bis 1415 registriert ist. Da ihr Mann Isaak zuvor nicht erscheint mit dem Ortsnamenszusatz erscheint, kann man annahmen, dass er zuvor verstorben war und seine Frau als Witwe wieder nach Augsburg zurückkehrte, von wo sie wohl stammte. Andernfalls wäre kaum zu erklären, wie sie „aus dem Nichts“ in der Reichsstadt steuerpflichtige Hausbesitzerin hätte werden können. In den Jahren 1416 bis 1417 ist sie – falls identisch – als Saerlin (Serlin), also als Sara, bzw Saerlin von Oettingen verzeichnet insofern es sich dabei nicht um ihre Tochter oder jemand anderen handelte. Danach verliert sich ihre Spur. Sie ist entweder verstorben oder weggezogen oder hat geheiratet.

townhall of Oettingen with Kings Gate

Über die Oettinger Gemeinde ist aus dieser Zeit wenig bekannt, abgesehen davon, dass auch ihr die Verfolgungsjahre 1298 und 1348 zugeschrieben werden. Schon die räumliche Nähe zur nur 15 km betont die lokale Bindung der sicher nur wenigen Juden in Oettingen. 1434 sind nur drei Steuerzahler in dem kleinen Ort verzeichnet. Da 1457 aber bereits die Judengasse erwähnt ist, dürfte es nach der Verlust der Gemeinde in Augsburg 1439 ggf. auch zu Zuzügen aus Augsburg gekommen sein (eine Reihe von Augsburger Auswanderern in die Region nach Ulm, Nördlingen, Lauingen, Burgau, Donauwörth, etc. lassen sich nachvollziehen), freilich wurde die Oettinger Gemeinde, die nun aus sechs Familien bestanden haben soll im Jahre 1488 gleichfalls aufgelöst, unter ihnen ein „Schulklopfer“, was die Existenz einer Synagoge nahelegt. Die Schwierigkeit in der Rekonstruktion der zeitlichen Abfolgen  von mutmaßlichen Vertreibungen und Wiederansiedlungen besteht nicht zuletzt auch darin, dass vorhandene Einträge oder aber auch Lücken in Steuerbüchern oft einzige Anhaltspunkte dafür sind. Freilich kann es für das Fehlen solcher Einträge auch andere Gründe geben. Urkunden können verloren gegangen sein. Die Steuer wurde aus diesem oder jenem Grund nicht erhoben oder anderswo verzeichnet, an einen Dritten abgetreten, usw. Im Jahre 1467 soll sich aber in Oettingen ein Blutwunder zugetragen haben. Im Jahr 1467 schnitt eine Magd Brotstücke für eine Suppe, und aus dem Brot quoll den Berichten gemäß Blut. Da das Geschehen am 20. Januar stattfand und seitens der Kirche dieser Tag dem heiligen Sebastian geweiht war, schlussfolgerte man, dass es sich um „Sebastiansblut“ handelte und errichtete später an Ort und Stelle eine dem Heiligen geweihte und offenbar auch sehr einträgliche Wallfahrtskirche. Wie auch immer, zur Mitte des 16. Jahrhundert sind in Oettingen auf dieser Basis wieder Juden nachweisbar. Freilich war der kleine Ort in der Folgezeit zwischen den auch religiös zerstrittenen Oettinger Herrschaftslinien (Oettingen, Spielberg, Wallerstein) aufgeteilt, was auch die Juden am Ort betraf – jedoch hatten sie gemeinsame Rabbiner (darunter Henoch Sundel und Pinchas Katzenellenbogen) – die am Ort vielleicht die Funktion eines Konflikt- und Familientherapeuten vorwegnahm.  

Um 1760 findet sich die Oettinger Synagoge mit Rabbinerwohnung in der Schaefflersgasse, direkt an der alten Stadtmauer.  Das Gebäude wurde zwar 1853 renoviert, aber bereits vier Jahre später wurde das Rabbinat von Oettingen aufgelöst  und dem in Wallerstein unterstellt. Lebten zeitweilig bis zu vierhundert Juden in Oettingen, so sorgten die  komplizierten Verhältnisse des katholisch und protestantisch geteilten Gebiets und ihrer jeweiligen Herrscher wohl auch dafür, dass Juden in andere Gebiete abwanderten. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts lebten noch etwa 100 Juden am seit 1806 bayerischen Ort. 1933 waren noch 66 Juden in Oettingen. Fünf Jahre später wurde die Synagoge demoliert und die Gemeinde aufgelöst. Das Gebäude existiert heute noch und ist ein privates Wohnhaus mit Arztpraxen. Erhalten ist noch ein großes rundes Fenster mit David-Stern an der Ostwand des Hauses. An der Wand des Hauseingangs befindet sich seit November 2005 ein Memorial in Form zweier drehbarer Walzen mit den Namen von 78 Juden, die bis 1942 in Oettingen lebten. Eine neue jüdische Gemeinde gibt es auch in Oettingen nicht mehr.

The first known Jew from Oettingen recorded in Augsburg as taxpayers is Sara the wife of Isaac of Oettingen in the years from 1408 to 1415 (or 1417). The medieval  history of the Jews of Oettingen however is not much known. In later times the Jews were influenced by the conflict territorial and religious dispute of the rulers of Oettingen who were divided into rivaling branches of Catholics and Lutherans, what also divided the small village of Oettingen, until in 1806 the whole territory became part of the new Bavarian kingdom.   

Also this memorial from 2005 is toying with the idea of replacing the Torah scrolls by the (revolvable) names of Holocaust vistims, as we have seen it another way inside the restored former Synagogue of Hainsfarth, in this case however within the scope or limits of artistic freedom and design.

siebenarmige Menora in Oettingen Kirche mit römischen Ziffern für die “zehn Gebote”.


At the foot of the Jewish mountain

October 24, 2010

 

At the foot of the Mountain

We are sitting and we are drinking

At a small table

Here outside in front of

The Mexican Restaurant

We are sitting and we are drinking

In the Old City of Augsburg

In the south of Germany

We are sitting and we are drinking

At the foot of the Jewish Mountain

The young waitress

Understands no Spanish

She is no Mexican

But a bleached German  

Also the coffee in our cups

Does not taste like coffee

Rather like vinegar

Maybe it is the black milk

Celan once talked of

We are sitting and we are drinking

 The opposite house

Has large shop windows

Showing Italian fashion

For new, for other masters

There are some bargain

Here at the foot of the Jewish mountain

The snack bar further up the hill

Offers “Shwarma” for three Euros

Now following a Turkish recipe

Going by the name “doener”

We are sitting and we are drinking

And we are pondering

Where the other Jews are

Maybe inside the hill

Borrowed and buried

In the past

They are sitting and they are drinking

And they have a conversation

About the events of the day

With real Mexican

Inside the mountain

And they are drinking real coffee

Which flavors of coffee

 

 

(Translation of the poem „bamargalot hahar“ from Summer 2002, German translation: https://jhva.wordpress.com/2007/08/22/am-fuse-des-berges/ Judenberg Augsburg)


Gli ebrei nella regione di Steinhart (Svevia Bavarese)

October 13, 2010

In Steinhart vi è un rudere medievale di un castello, vicino al cimitero ebraico.

Steinhart è un piccolo paese di ca. 200 abitanti nella parte settentrionale di Svevia bavarese, nei pressi dell’ex città imperiale Noerdlingen, tra Norimberga e Augusta. Steinhart è incorporato al Hainsfarth e Oettingen. Oettingen cosi era stata sede famiglia comitale e poi principesca, entro la fine della guerra, quando nel 1805 tutto il territorio divenne parte del Ducato di Baviera. Nei villaggi della regione (divisa tra i rami rivali della famiglie di Oettingen), ci sono state alcune comunità ebraiche. Gli ebrei in questi villaggi (con nomi come Hainsfarth, Steinhart, Oettingen) avevano le loro sinagoghe proprie, bagni privati, le scuole private e dei loro cimiteri. Ma gli ebrei dovevano pagare tutti i costumi, perché i territori dei conti sono stati smembrati. Fino alla metà del 19° secolo, quasi metà della popolazione nei villaggi era ebreo, ma successivamente la percentuale è scesa rapidamente.

A causa della cattiva politica nel Regno di Baviera, molti ebrei emigra negli Stati Uniti in grandi città come Augusta, Monaco di Baviera, Vienna, Berlino, Londra o Parigi – in alcuni anni, quasi tre quarti dei tedeschi emigrati negli Stati Uniti erano ebrei tedeschi.

In molti vecchi cosiddetti “villaggi ebraici” della regione, giudaismo quindi già scomparso alla fine del 19 ° Secolo, molto pochi ebrei restano nei villaggi, la maggior parte di loro erano contadini o commercianti. Gli ultimo resti di più di otto cento anni di vita ebraica sono stati eliminati dalla tedesca anti-semiti . Gli ebrei furono espulsi, deportati e uccisi. La loro struttura è stata rubata, vestiti, mobili, libri, giocattoli, ecc sono stati distribuiti ai vicini di casa esistente. Le case sono state espropriate, “arianizzate” le magazzini e le fabbriche. Le sinagoghe sono stati dissacrati, distrutti o utilizzati come stalla. Nella maggior parte dei casi, ci sono voluti circa 40 anni o più, come la gente cominciò a pensare. Il resultato delle loro deliberazioni è stato il restauro di alcune delle sinagoghe distrutte – ovviamente solo in villaggi senza ebrei (ad esempio Binswangen, Hainsfarth, Ichenhausen, …). Sono utilizzati nei villaggi ormai classico, letture di poesie, concerti, feste di Natale, … gli antichi cimiteri ebraici rimangono in cattive condizioni. Molte lapidi sono state distrutte, non pochi sono stati rubati. La maggior parte delle pietre tombali, ancora oggi esistenti, sono fatiscenti o di essere attaccato da muffe. La maggior parte delle iscrizioni sono appena leggibili e nel migliore dei casi, i nomi tedeschi sono documentati, mentre le iscrizioni in ebraico dimenticati. Questo non è diversa in Steinhart o Oettingen o Hainsfarth o Wallerstein o Ichenhausen o Schopfloch o Kriegshaber …

Il rabbino Mosè ben Menachem Steinhart (1700-1770) è nato nel piccolo villagio. Rabbino Steinhart era stato capo della corte ebraica in Fuerth vicino a Norimberga e fu autore del “Zichron Yosef”.

Spiacenti, l’italiano in questo testo è certamente lungi dall’essere perfetto, ma come si dice: “Chi fa falla, e chi non fa sfarfalla”.


Die Juden von Steinhart bei Hainsfarth / Oettingen

October 12, 2010

Detail of the grave marker of Mina Schulheimer at the Steinhart Jewish Cemetery

Steinhart liegt etwa 3.5 km östlich von Hainsfarth, welches wiederum  einen knappen Kilometer von Oettingen entfernt ist. Die Distanz der einzelnen jüdischen Friedhöfe in Oettingen, Hainsfarth und Steinhart ist nicht wesentlich größer.

Heute gilt Steinhart als Ortsteil von Hainsfarth und hat etwa 200 Einwohner. Neben den Schafen am sehenswertesten ist die Ruine einer angeblich bereits in das 12. Jahrhundert zurückreichende Burg im Westen des Ortes. Die Herren der Burg sollen sich die „Späten von Steinhart“ genannt haben, wie die Webseite des Ortes verrät, freilich haben sich diese offenbar recht früh von Ort und Stelle (Richtung Lauingen) und schließlich ganz aus der Geschichte verabschiedet. Als die Burg dann auch von den nachfolgenden Grafen von Oettingen nicht mehr genutzt wurde, verfiel sie und ein Teil davon soll demnach als jüdischer Friedhof genutzt worden sein. Daran erinnert eigentlich nicht viel mehr außer einem steil ansteigenden Gelände, dessen Umgebung sodann im Umkehrschluss als Graben gedeutet wird. Freilich ist das Friedhofsgelände anders als der Boden der Burgruine keineswegs flach und eben sondern von einer tiefen Mulde gezeichnet, weshalb die höchsten Punkte des Friedhofs jeweils die äußeren Ränder sind und die gesamte Anlage eher an einen Krater erinnert.

Von einer „Kraterkultur“ spricht man sodann auch im nur 3 km südlicher gelegenen Mengesheim http://kraterkultur.homepage.t-online.de/ welches kulturelle Veranstaltungen in der „Kraterregion“ (der Name bezieht sich natürlich auf das Ries) aller Art bieten, etwa auch Konzerte in der restaurierten Nicht-Synagoge, aber weit bemerkenswerter sogar ein jährliches Rockfestival „der Krater bebt“ in Hainsfarth, das im Sommer bereits zum 22. Mal stattfand und mitunter recht schräge Bands wie Tito & Tarantula (allenfalls bekannt vielleicht aus Tarantinos „From Dusk til Dawn“ mit einem verführerischen Schlangentanz von Selma Hayek zu den Klängen von „After Dark“ der besagten Band).

Der Friedhof ist von einem relativ modernen Holzzaun umgeben, der wohl nach der letzten bekannten Angriff aus dem Jahre 1994 gefertigt wurde.  An diesem Zaun sind im Gelände ganze Reihen von Grabsteinen willkürlich aufgestellt, so als wollte man mit einen eine neue Mauer andeuten. Das erinnert an das Stonehenge – ähnliche Arrangement von Binswangen, wo die Überreste des von den örtlichen Nazi zerstörten Friedhofs nach gestalterischer Willkür ohne jeden Zusammenhang und in alle Himmelsrichtungen zeigend aufgestellt wurden.

Juden in Steinhart sind für die Mitte des 16. Jahrhunderts belegt. Teilweise lebten bis zu 150 Juden in dem kleinen Ort. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts schwand die Zahl der Juden in Steinhart rapide dahin, was binnen weniger Jahre zur Auflösung des Gemeinde im Jahre 1883 führte.

Eine gewisse Bekanntheit erlangte der in Steinhart geborene Rabbiner Josef ben Menachem Steinhart (יוסף בן מנחם שטיינהארט,1700-1770), der u.a. Rabbiner und Vorsitzender des Gerichts in Fürth und Mitkämpfer des Pferseer Rabbiners Etthausen war.  Wie dieser sammelte auch Steinhart seine Antwortschreiben in der typischen rabbinischen Literaturgattung der  שות (schu“t – abgekürzt von שאלות ותשובות, sche’elot u’tschuwot, „Fragen und Antworten“; was man heute überall im Internet „Q & A“ nennt, wird gerne auch christlich-latein als „Responsen“ bezeichnet), die 1773 drei Jahre nach seinem Tod in Fürth (damals noch als פיורדא fiurda geschrieben) unter dem Titel זכרון יוסף  veröffentlicht wurden, jedoch nur in einer einzigen Auflage. Diese ist aber zum Glück erhalten und auch öffentlich zugänglich (sehr hilfreich ist das Register) und zum Download erhältlich:

 http://www.hebrewbooks.org/560

Ebenfalls aus Steinhart stammt Jakob Obermeyer (1845-1938), nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bankier Jakob Obermayer aus Kriegshaber und Augsburg (gest. 1825), wenngleich eine Verwandtschaft der hebräisch und manchmal auch deutsch gleich geschriebenen Familien in relativer nachbarschaft nicht ausgeschlossen ist.  Obermeyer lernte angesehenen traditionellen Rabbinern wie Jakob Ettlinger (1798-1871) und Jitzchak Dov Bamberger (1808-1878) und bereiste Anfang Zwanzig bereits Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, ganz Israel und Teile Syriens, ehe er 1869 in Bagdad für die erst wenige Jahre zuvor in Paris gegründete Alliance Israélite Universelle (AIU, bzw.  כל ישראל חברים) für drei Jahre als Lehrer tätig wurde. Von 1872 bis 1876 verbrachte er u.a. als Tutor in den Diensten persischer Prinzen. Dabei lernte er vor Ort zahlreiche Schauplätze antiker bis frühmittelalterlicher jüdischer Geschichte vom „babylonischen Exil „ bis hin zu den autonomen Zentren des talmudischen Babylon. 1884 erhielt er eine Anstellung als Lehrer für die persische und arabische Sprache und Literatur in Wien, eine Position die er bis 1915 beibehielt. Obermeyer veröffentlichte zahlreiche grundlegende Aufsätze und Bücher, insbesondere zur orientalischen Geschichte des Judentums: „Modernes Judentum im Morgen- und Abendland“ (1907) oderDie Landschaft Babylonien im Zeitalter des Talmuds und des Gaonats: Geographie und Geschichte nach talmudischen, arabischen und andern Quellen(1929). Gerade letzteres Werk hatte einen enormen Einfluss auf die folgende Talmudforschung, da sie anders als viele vorherigen „Trockenschwimmer“ nicht nur die Originalsprachen sondern auch die Schauplätze mit einbezog. Darüber hinaus übte Obermeyer auch einigen Einfluss auf arabische Historiker und Geographen aus.

Einen ganz anderen Einfluss übte jedoch Jakob Obermeyers Enkel Meir Max Bineth (מאיר מקס בינט)(1917-1954) aus, der bis 1935 in Kolk lebte. Er war ein israelischer Geheimdienstagent in Ägypten und erschütterte als ein als deutscher Geschäftsmann getarnter aktiver Terrorist die politische Szene nicht nur im Nahen Osten. Nach der Machtergreifung Nassers in Ägypten versuchten israelische Agenten mit Anschlägen auf US-Ziele in Ägypten das ägyptisch-amerikanische Verhältnis zu verschlechtern. Beim Platzieren einer solchen Bombe und in weiterer Folge wurden einige Agenten verhaftet – unter ihnen auch Meir Bineth, der Ende 1954 in ägyptischer Haft Selbstmord beging, als ein Todesurteil gegen ihn schon feststand. Im Zuge der damit verbundenen Lavon-Affäre, international so benannt nach dem damaligen israelischen Verteidigungsminister Pinchas Lavon, trat Premierminister Moshe Sharet zurück, während das politische Verhältnis Israels und der USA für eine Weile abkühlte. Erst 2005 rang sich Israel durch die damaligen Agenten offiziell zu ehren.

Infos zu Meir Max Bineth: http://www.meirmaxbineth.org  

Grabstein des Meir Obermeyer aus dem Jahre 1871

Etwa hundert Grabsteine sind am Friedhof noch in unterschiedlichem Zustand erhalten. Ihre Aufstellung hat offenkundig nichts mit den Gräbern zu tun, weshalb es nicht möglich ist, bestimmten Toten zu gedenken.

steil aufsteigendes Gelände des Friedhofs von außen


Juden in Wallerstein

October 8, 2010

Wallerstein ist ein ca. 3.5 km nördlich der ehemaligen Freien Reichstadt Nördlingen gelegener Ort mit heute etwa 3500 Einwohnern, dessen früheste erhaltene urkundliche Erwähnung in das Jahr 1238 zurückreicht und im Besitz des Hauses Oettingen und schließlich Sitz des Fürstentums Oettingen-Wallerstein war, ehe Wallerstein 1806 zu Bayern kam. Das Siegel Ludwigs Graf von Oettingen aus dem Jahr 1339 ist markanter weise von einem sechszackigen David-Stern umgeben.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Oettinge-Siegel.png&filetimestamp=20080201211554

Ab etwa der selben Zeit sind Juden in Wallerstein nachweisbar. Zu den älteren Belegen zählen auch hier die nicht näher spezifizierten Verfolgungen der Jahren 1298 und 1348. Da es sich aber insgesamt um einen nur kleine Siedlung handelte, können auch in besseren Zeiten entsprechend auch nicht viele Juden dort gelebt haben.

Im 16. Jahrhundert freilich wirkte hier Mosche ben Abraham Ha-Levi Heller  (1520-1580) משה הלוי הלר – der Rabbiner und Richter und zeitweilig auch Reichsrabbiner war. Sein in Lublin geborener Sohn Abraham ben Mosche Ha-Levi Fraenkel Wallerstein war mit Rachel Loeb der Tochter von Jehuda Bezalel Loeb, dem Maharal von Prag verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn und Enkel von Mosche Heller war Rabbi Jom Tow Lipman Heller (יום-טוב ליפמן הלר) 1579 in Wallerstein geboren, bekannt für seinen ebenso umfang- wie geistreichen, ca. um 1615 vollendeten Kommentar zur Mischna „התוספות יום-טוב“ : http://hebrewbooks.org/14284.

Jom Tow gilt zurecht als einer der großen Talmudisten seiner Zeit und war unter anderem Oberrabbiner in Wien und Prag. 1629 wurde er unter dem Vorwurf, das Christentum beleidigt zu haben, verhaftet. Unter der Bedingung, dass er von seinem Amt in Prag zurücktrat und gegen die Zahlung eines erheblichen Lösegeldes in Höhe von 12.000 Gulden wurde er jedoch freigelassen.

Jom Tow Lipmans Darstellung des Jerusalemer Heiligtums nach der “Vision” des Profeten Jecheskiel (http://www.loc.gov/)

Im 17. Und 18. Jahrhundert lebten rund 200 bis 300 Juden (20 bis 40 Familien) in Wallerstein im später abgebrochenen Bereich „Judenhof“. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte das Königlich-Bayerische Bezirksrabbinat Wallerstein noch regionale Bedeutung, während die Anzahl der Juden auch hier kontinuierlich zurückging von ca. 300 zu Beginn auf knappe 30 zu Ende des 19. Jahrhunderts. Zu den einflussreichen Gelehrten Wallersteins zählen auch Pinchas bar Moses ha-Kohen Katzenellenbogen und Zwi Hirsch ben Baruch Kahana Rappaport. Unklar freilich ist, ob es in Wallerstein auch eine Jeschiwa gab, was freilich angesichts der prominenten Namen unter den Rabbinern des kleinen Ortes zu vermuten ist.

1933 lebten nur noch etwa ein Dutzend Juden in Wallerstein, das bereits über keine eigene Gemeinde mehr verfügte und seit 1928 Nördlingen angegliedert war. Wenig später freilich verschwanden auch noch diese wenigen Juden aus dem Ort, in dem heute nur noch wenig an die ebenso beachtliche wie lange jüdische Geschichte erinnert und in dem es leider keine Juden – aber auch keine restaurierte Synagoge – gibt, die an die alte Tradition anknüpfen könnte.

Der jüdische Friedhof von Wallerstein soll auf das Jahr 1510 zurückgehen – was sicher im Zusammenhang mit den Juden in Nördlingen stehen wird, die zu Beginn des Jahres 1507 die Reichsstadt als festen Wohnort aufgeben mussten.  Der etwa 700 m vom östlichen Ortsrand entfernte Friedhof liegt abseits inmitten von landwirtschaftlich bearbeiteten Feldern und war im dichten Morgennebel nur mit Hilfe von ortskundigen Traktorfahrern und einem vorauseilenden Wallersteiner Feldhasen zu finden.

Von den einst 900 Grabsteinen des Friedhofs sind heute noch etwa 300 mehr oder weniger gut erhalten. Die tatsächliche Anzahl von Gräbern muss bei der langen Geschichte aber wohl beträchtlich höher gewesen sein, jedoch sind fast nur Grabsteine ab dem 19. Jahrhundert erhalten. Am meisten beachtet sind die stattlichen sog. „Rabbiner-Gräber“, eine Gruppe von fünf hohen Grabsteinen, von denen zwei den Rabbinern David Weisskopf und Marx Kohn, die drei anderen jedoch ihren  Witwen und einer Tochter Kohns gewidmet sind.

Ebenfalls hier bestattet ist der in Hainsfarth geborene unter dem Toponym Ries geborene Michael ben Menachem Reese, der in den USA ausgewandert mit Immobiliengeschäften zu Ansehen und Reichtum kam und insbesondere durch das 1880 aus Mitteln seines Nachlass (Reese starb 1877 bei einem Besuch in der alten Rieser Heimat am Friedhof) finanziert wurde. Einige Jahre zuvor, 1871 war das Hospital der Hebrew Relief Association in Chicago bei einem Großbrand zerstört worden. Das nun geschaffene neue Krankenhaus stand allen Konfessionen und Nationalitäten. Das Hospital erwarb sich in der Folgezeit einigen Ruf, u.a. verfügte es als erstes über eine Inkubator Station für Frühgeborene.

Weitere Informationen zur Geschichte des Hospitals: http://forgottenchicago.com/features/chicago-architecture/michael-reese-hospital/

Vergleichsweise monumental fiel auch das Grabmal für Reese am Friedhof von Wallerstein aus. Den Vorstellungen des bescheiden lebenden und sehr wohltätigen Verstorbenen dürfte dies aber nicht entsprochen haben.

Weitere Infos, Biographien, Namens- und Grablisten finden sich im „Harburg Project“ von Rolf Hofmann: http://www.alemannia-judaica.de/harburgproject.htm

The Jewish history of Wallerstein is rich and has the names of such considerable scholars as  Moshe ben Abraham Ha-Levi Heller  and his grandson Yom Tov, famous author of the Tosafot Yom Tov commentary on Mishna. At the Jewish cemetery of Wallerstein, established about 1510 and half a mile east of the village on farmland and under foggy conditions best locatable with the help of farmers or brown hare, there still are some 300 headstones left, most remarkable the grave markers of two 19th century Rabbis along with three of their female relatives, commonly regarded as “Rabbinergraeber”. There also is the big monument of Michael Reese from San Francisco (born in Hainsfarth) whose name once was famous for the Michael Reese Hospital in Chicago, Illinois, which was build in 1880 and knocked down in order to establish the Olympic village for Chicago’s 2016 bid – the host however will be Rio de Janeiro – with a now uncertain future.


impressions de hainsfarth juive

October 7, 2010

porte d'entrée avec l'inscription

Hainsfarth est un petit village à côté de Oettingen petite ville dans le district de Souabe bavaroise (80 km de la capitale Érigé: Augsburg). Dans le 18e et 19e siècle dans le village près de la moitié de la population du village était juif. Depuis les nazis il n’y a pas une communauté juive, mais il ya une synagogue restaurée qui est utilisé par la population chrétienne pour les concerts classiques ou des conférences. Il ya aussi un cimetière juif en Hainsfarth avec environ 300 monuments funéraires de la période de 1850 à 1938. La plupart des pierres tombales ont inscription sur les deux faces, l’une en hébreu, l’autre en langue allemande. Malheureusement, beaucoup de pierres tombales sont en ruine ou attaqués par des moisissures.

Il ya une différence remarquable entre l’état actuel du cimetière juif et la synagogue restaurée, qui maintenant est une salle de concert.

Une petite partie de l’argent utilisé pour la restauration de l’ancienne synagogue aurait assez pour préserver les pierres tombales du cimetière.

1.7 km à l’ouest de Hainsfarth il ya Oettingen avec un autre cimetière juif et dans Steinhart, 3,5 km à l’est de Hainsfarth est un cimetière juif à côté de la ruine d’un petit château vieux.


Der jüdische Friedhof von Hainsfarth

October 6, 2010

Auf dem jüdischen Friedhof der Dorfgemeinde Hainsfarth bei Oettingen wurden dem Vernehmen nach von 1850 bis 1938 291 Personen bestattet. 272 der in aller Regel beidseitig beschriebenen (hebräisch / deutsch) Grabsteine sind in mehr oder minder guten, eher desolaten Zustand erhalten, wobei eine größere Anzahl mit gelben Schimmel überzogen ist (was mit entsprechender Pflege vermieden werden konnte) oder gänzlich zerbröckelt.

Das ursprüngliche Friedhofsgelände mit Tahara wurde in der Folgezeit abgeteilt und die freie Fläche privat vermietet.

Um das Jahr 2000 wurden die Grabsteine in ihrem damals offenbar noch weit besseren Erhaltungszustand ausführlich dokumentiert, Veröffentlicht worden sind freilich nur die deutschen Inschriften: http://www.alemannia-judaica.de/Hainsfarth/web/index.htm

Grabstein der Mina Selz aus dem Jahr 1881

Von Herbert Immenkötter dazu erschienen ist auch das informative Buch „Die israelitische Kultusgemeinde in Hainsfarth (Landkreis Donau-Ries) im 19. und 20. Jahrhundert. Studien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 30“ zur äußeren Geschichte der Gemeinde.

http://www.amazon.de/israelitische-Kultusgemeinde-Hainsfarth-Jahrhundert-Bayerischen/dp/3896393324/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1286363452&sr=8-1

Headstone of Simon Bier from 1911, depending on the reading of the family name in German or English, there is a difference in the meaning

the now somewhat typical xanthous mold covering of the “yellowstone” cemetery of Swabian Hainsfarth

single Hebrew grave marker at the Hainsfarth cemetery lying apart at the cemetery wall, marking something else


Die ehemalige Synagoge in Hainsfarth

October 5, 2010

Hainsfarth ist ein kleines Städtchen mit ca. 1450 Einwohnern und Teil der Verwaltungsgemeinschaft Oettingen, nahe der bayerischen Grenze zu Württemberg. Der Ort wurde in einer um das Jahr 800 datierten Schenkung erstmals urkundlich erwähnt und litt in der Folgezeit unter der Aufteilung durch mehrere, mitunter wechselnde Herrschaften, wie dem Domkapitel Eichstätt, dem Deutschen Orden, den Häusern Oettingen und Spielberg aus dem benachbarten Oettingen oder der Markgrafschaft Brandenburg. Dies erklärt womöglich auch, warum sich in einem relativ engen Gebiet untypischerweise gleich drei jüdische Friedhöfe befinden, in Oettingen, in Hainsfarth und in Steinhart.

Als erster ermittelter Jude in Hainsfarth gilt ein 1434 in Nördlingen begrabener Jude aus Hainsfarth. Weitere Quellen registrieren und analysieren üblicher Weise die Anwesenheit von Juden im Sinne von Steuerleistungen oder Prozentsätzen. 1810 beispielsweise waren etwa vier von zehn Einwohnern etwa 450 von 1150) im Dorf Juden. Gegen Ende des 19. Jahrhundert als die gesamte Einwohnerzahl des Ortes sank, nahm der jüdische Anteil noch deutlicher ab und betrug nur noch ein Zehntel der Bevölkerung (90 von 1000 um das Jahr 1910). Hatten sich die Fürsten in den Jahrhunderten zuvor schon nicht so recht um die Entwicklung ihrer Orte gekümmert, so fielen die Dörfer nach ihrer Einverleibung ins bayerische Königreich nun noch weiter zurück.

Hainsfarth hatte in der Neuzeit keinen Rabbiner napoleonischer Facon, gehörte aber bereits 1743 zum Rabbinat Oettingen-Spielberg, später dann zum Rabbinat in Schwabach. Freilich ist dies nicht weiter aufschlussreich, wenn man bedenkt, dass etwa bereits im noch nicht mal 1.5 km entfernten Oettingen Rabbiner für alle Gelegenheiten vorhanden waren, die einen Rabbiner erforderten.

Wann eine erste Synagoge in Hainsfarth bestanden hat, ist unbekannt. Der heute existierende Bau geht auf einen 1722 erwähnten älteren Bau zurück. Dieser galt 1855 als instabil  und musste aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Für eine bereits schrumpfende Gemeinde, die nur wenige Jahr zuvor 1850 ihren eigenen Friedhof mit Tahara erwarb keine leicht zu bewältigende Aufgabe. Am Freitag 6. Elul 5620 (24. August 1860) wurde die von der Gemeindemitgliedern finanzierte neue neo-maurische Synagoge unter der Führung des Rabbiners von Wallerstein David Weisskopf und des Hainsfarther More Wolf Obermeier am Tag vor Schabbes Schoftim eingeweiht.  Offensichtlich war der Bau mit über 200 Plätzen für die schrumpfende Gemeinde aber zu groß geworden, weshalb sich finanzielle Probleme am offenbar allgemein verschuldeten Ort häuften. 1938 ermittelte eine Zählung in Hainsfarth 830 Einwohner, wovon 23 Juden waren. Bald darauf wurden am 10. November auch in Hainsfarth Juden, die Synagoge und auch der jüdische Friedhof angegriffen. Prof. Herbert Immenkötter (Hainsfarth, 2002, S. 144) bezweifelt sicherlich zurecht in seinem Buch über die Geschichte der jüdischen Gemeinde die beharrliche Leugnung der Hainsfarther, an irgendwelchen Ausschreitungen vor Ort aktiv beteiligt gewesen zu sein. Wie anderswo auch dürfte auch hier der bewegliche Besitz der ortsansässigen Juden (Möbel, Geschirr, Kleidung, Fahrräder, Bücher, Spielzeug, …) ebenso wie Häuser in freudige Hände übergegangen sein. Freilich wurde offenbar die entsprechende Gemeinderegistratur zerstört.

Auch die weitere Geschichte verlief in Hainsfarth trotz eigener Protagonisten doch zeittypisch. Der gestohlene jüdische Grundbesitz wurde formell abgewickelt und „verkauft“. Die umgestürzten und beschädigten Grabsteine am Friedhof, so wurde versichert, kamen „ohne Einwirkung von Personen“ zustande (S. 180). Die Synagoge in der ehemaligen Judengasse (Jurastr.) wurde seitens der JRSO an die Gemeinde in Hainsfarth verkauft. Die Gemeindeverwaltung war daran interessiert das Gebäude als Turnhalle zu benutzen. In den sechziger Jahren erwog eine christliche Gemeinde das Gebäude für ihre Zwecke zu konvertieren, schließlich erwarb der Ort das Gebäude zurück. In den 1990er Jahren wurde die ehemalige Synagoge in jahrelange Arbeit im wesentlichen wohl auf Staatskosten renoviert.

In der neuerlichen Einweihung nach „18 jähriger Planungs- und Bauzeit“ im Jahre 1996 bedurfte es weder Thorarollen noch Juden. Der Thoraschrein wurde „bewusst als Wunde“ so belassen, um nicht den Eindruck zu erwecken, als sei nichts passiert. Freilich entschied man sich dafür an der Stelle des Thoraschreins eine Gedenktafel für 20 Hainsfarther Juden anzubringen, die der Inschrift gemäß in den Jahren 1942 bis 1945 in Theresienstadt dem „Vernichtungswahn“ der Nazis „zu Opfer fielen“. Es ist sehr eigentümlich das Gebäude unter dem Namen „Synagoge“ zu restaurieren, zugleich aber den Stellenwert der Thora des Judentums durch eine makabere Gedenktafel zu ersetzen, so als würde der „Holocaust“ sinnbildlich die jüdische Religion, Kultur und Geschichte verdrängen. Gab es zu diesem Platz innerhalb und außerhalb der Synagoge tatsächliche keine Alternative oder war nicht doch eine Art Schlussstein hinter die Geschichte des Judentums in Hainsfarth gewollt? 

Welche Zukunftsperspektive kann sodann aber dieser verewigte „Endsieg“ über das Judentum vor Ort entfalten? Warum etwa nutzt man den Zuzug von Juden aus Osteuropa nicht, um wieder eine jüdische Gemeinde in Hainsfarth aufzubauen? Fragen die sich uns immer wieder, in jedem der Dörfer stellen, die wir als Orte früherer jüdischer Gemeinden besuchen, nicht zuletzt auch wegen der allseits beschworenen „Normalität“, die das Verhältnis zwischen Juden und anderen in Deutschland kenn- oder gar auszeichnen soll. Ernüchternd sind freilich die Antworten auf solch ungehörige Fragen: Der jeweilige Ort ist in jedem Fall viel zu klein und zudem gebe es keine Arbeit. Die Einheimischen müssten ja schon größtenteils außerhalb in die Stadt zum Arbeiten fahren (das könnten Juden freilich auch, oder nicht?). Öfter zu hören ist freilich auch die so und so nuancierte Auffassung, dass man die Vergangenheit ruhen lassen sollte, da es nicht Gutes hervorbringen würde, so man den Frieden stört. Das allerdings klingt im Kontext der Geschichte schon weniger günstig, ist nicht so sehr überzeugt von einer Normalisierung und einem Lernprozess, ein wenig finster und je nach Auffassung vielleicht ja auch fast wie eine Art Drohung.

Dann jedoch besteht eine arrangierte Wirklichkeit in der echte Juden eventuell nur stören können. Aber vielleicht hatten die Initiatoren des Baus von 1859 ja bereits eine Ahnung, als sie über den Eingangstoren auf Hebräisch einen Satz aus Psalm 100.4 schrieben:

באו שעריו בתודה חצרתיו בתהלה הודו־לו ברכו שמו

(Kommt in seine Tore mit Dank in seine Höfe mit Lob, dankt ihm und segnet seinen Namen)

Die Datierung nennt das „Jahr 5619 seit Erschaffung der Welt“, während die Schlusszeile sagt „errichtet und restauriert (im) Jahr 5756“:

שנת התריט לב”ע

מוקם ושופץ שנת התשנו

Der an sich schöne Bau ist ansonsten in ansprechender Weise restauriert und zweifellos das Schmuckstück des ansonsten eher kargen Ortes. Wie in vergleichbaren anderen ehemaligen Synagogen gibt es auch hier übers Jahr eine Anzahl von Veranstaltungen, etwa Lesungen, Filmvorführungen, Musikstücke von Bach oder Kantorengesang zur Kristallnacht.

Im bestuhlten Synagogenraum befindet sich neben einem Klavier interessanter Weise auch ein Modell des Gebäudes selbst, was konzeptionell ein wenig an матрёшки erinnert.

Das ehemalige jüdische Schulhaus (“Judenschule”) neben der ehemaligen Synagoge, das in die bisherige Konzeption einbezogen werden soll. In einem Artikel der “Augsburger Allgemeinen” vom 12.03.2010 wurden dazu folgende Varianten vorgedacht: ‘Es gibt die Idee, dort ein mobiles Klassenzimmer einzurichten zum Thema Judenverfolgung im Nationalsozialismus beispielsweise. Aber auch für die Künstler, die in der Synagoge auftreten, könnte man dort eine Art Umkleideraum einrichten.’ Daneben wäre beispielsweise eine Nutzung durch die Vereine denkbar – vor allem ‘wenn einmal die Gastwirtschaft schließen sollte’. Dabei ist natürlich auch an einen Parkplatz gedacht. Voraussetzung für diese Art von Plänen ist freilich weitere staatliche Unterstützung, insbesondere für den Erwerb des Hauses. Eine alternative Finanzierungsmöglichkeit bietet aber dann vielleicht auch die Werbetafel die unter anderem nach Zahngold fragt, was ansonsten vor der Synagoge keinen so rechten Sinn ergeben mag.

advertising poster for the acquisition of dental gold right in front of the former synagogue of Hainsfarth: “old gold is cash”