Gedenken Synagoge Schopfloch

July 20, 2016

Gedenktafel zur Erinnerung an die Synagoge im mittelfränkischen Schopfloch:

schopfloch-memorial-plate-gedenktafel-synagogueMemorial plate Schopfloch synagogue


Rolf Hofmann – Max Koppel & Söhne, jüdisches Steinmetz-Unternehmen in Nördlingen

December 30, 2013

Neu erschienen im Kokavim – Verlag:

Rolf Hofmann - Max Koppel und Söhne and Sons Kokavim

ROLF HOFMANN – MAX KOPPEL & SÖHNEJüdisches Steinmetzunternehmen in Nördlingen

mit englischer Fassung: Max Koppel & Sons, Jewish Stonemasons in Nördlingen (Bavaria)

KOKAVIM VERLAG, Dezember 2013,

60 Seiten, 12.50 Euro

ISBN 9783944092102

ab sofort erhältlich

bei amazon, weltbild & Co., sowie im Buchhandel

oder direkt bei info@sol-service.de in Schrobenhausen

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Bedeutende jüdische Persönlichkeiten von einst sind heute oftmals vergessen. Dies gilt auch für Max Koppel und seine Söhne, die um 1900 mit ihrem Steinmetzbetrieb in Nördlingen einer der größten Arbeitgeber vor Ort waren. Neben Natursteinarbeiten aller Art fertigten sie auch formschöne Grabsteine die heute noch auf jüdischen Friedhöfen im süddeutschen Raum zu finden sind. Ein besonderes Kennzeichen für Koppel waren schwarze Grabsteine aus Syenit mit aufwendiger  Goldschrift.

Die Maschinen zur Steinbearbeitung stammten von Emil Offenbacher in Marktrewitz, seinerzeit europaweit bekannt für konkurrenzlos erstklassige Qualität. So waren die Koppel‘schen Fabrikanlagen auch überregional von großer Bedeutung. Abgesehen davon war dies wohl einer der wenigen Betriebe dieser Art mit jüdischen Geschäftsinhabern, vielleicht sogar der einzige.“

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Die hochwertigen Grabsteine der “Granit-, Syenit- und Marmorwerke Koppel” aus Nördlingen sind nicht nur auf den Friedhöfen der näheren Umgebung (Wallerstein, Oettingen, Pflaumloch, Schopfloch, etc.) heute noch zu bewundern, sondern in großer Zahl auch in München, Nürnberg und vorallem in Augsburg, wo sich aktuell am Friedhof im Statteil Hochfeld noch 135 namentlich gekennzeichnete Koppel-Grabsteine zählen lassen. Sie alle sind erhaltene Zeugen vom Können einer auch ansonsten geschätzten “Bildhauerei, Syenit- und Marmor-Industrie” der mit königlich-bayrischen und königlich sächsischen Staatspreisen ausgezeichneten jüdisch-schwäbischen Handwerks- und Industriellen-Familie des ursprünglich aus Kleinerdlingen bei Nördlingen stammenden Max Koppel und seiner Söhne David und Emil Koppel.

Die Geschichte des einzigartigen jüdischen Unternehmens in Bayern wurde gründlich recherchiert und geradlinig erzählt vom renommierten Stuttgarter Genealogen und Heimatforscher Rolf Hofmann, mit zahlreichen historischen Abbildungen, nebst englischer Fassung von Yehuda Shenef.

Rolf Hofmann, der sich schon seit Jahren mit Koppel und seinen Werken befasst hat, ist es gelungen, mit seiner Forschung, das beachtliche Wirken der jüdischen Unternehmer vor der Vergessenheit zu bewahren und zugleich Einblicke in die industriellgeschichtlich bedeutsame Entwicklung der Naturstein verarbeitenden Industrie und Handwerk zu bieten.


Angelika Brosig

February 25, 2013

On sunday evening, February 24, 2013, 15 of Adar 5773 our good friend and colleague Angelika Brosig זכרונה לברכה from Schopfloch passed away at her home age 56.

Margit Angelika Brosig Yehuda Ulm February 2013

היה כבוד להיות חבר שלך

תודה רבה

Die Geschichte der Juden in Emersacker

January 11, 2013

Emersacker Schloss

Castle of Emersacker

Emersacker ist ein kleiner Ort etwa 25 km nordwestlich von Augsburg gelegene Gemeinde mit etwa 1400 Einwohnern. Mit dem Flüsschen Laugna, dem Johannesbach und dem Weiherbach gibt es drei Wasserläufe.

Das Zentrum des Ortes an dem auch drei Wege zusammenlaufen ist durch das Burgschloss geprägt, dessen Anfänge auf das 12. Jahrhundert datiert werden.  Die Reste des ehemaligen Schlosses mit zwei kleinen Rundtürmen, werden von der Gemeinde als Rathaus genutzt  und stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Nach ihren Bauherren wird es allgemein „Fuggerschloss“ genannt. Andere, teilweise weniger gut gepflegte Teile des nicht mehr geschlossenen Ensembles beherbergen die freiwillige Feuerwehr (FFW) und die offenbar einzige (zudem nur abends geöffnete) Dorfgaststätte „Jonnys Kneipe mit Pfiff – Night Rider“ deren äußerer Fensteraushang auch schon etwas vergilbt ist. Die Bank und Sparkasse, der Bäcker und ein kleines Lebensmittelgeschäft haben nur bis Mittag geöffnet, wenn Schülerlotsen in den fast verkehrsfreien Straßen die kleinen Kinder aus der wenige Meter entfernten Schule sicher über die autofreie Straße bringen. Ansonsten besteht der Ort hauptsächlich aus privaten Wohnhäusern, worunter sich einige Neubauten befinden, die eigentümlichen Kontrast zum Zerfall wertvoller alter Bausubstanz stehen.

Emersacker Jonny's Kneipe mit Pfiff Night Rider

Emersacker Schloss Feuerwehr

Emersacker Castle from the outside: next to the pub is the volunteer fire department

Emersacker Rathaus im Schloss

Amtlichen Angaben gemäß sind neun von zehn Einwohnern Katholiken, es gibt einen Bürgerverein, der sich vor zehn Jahren gründete, um wegen der „Strahlengefährdung“ einen Sendemast für Mobiltelefone zu verhindern (wie man das heute sieht, wo jeder drei Smartphones und zwei Tablets hat?), einen Motorradclub der sich um die Restauration eines Feldkreuzes kümmerte und die besagte Musikkneipe, die der örtlichen Burschenschaft („Vereinszweck: Erhaltung und Förderung von Glaube und Sitte, Berufstüchtigkeit und Heimatliebe, Frohsinn und Scherz.“) die erforderlichen Trinkkrüge spendierte, während sich der örtliche Soldatenverein seit zwei Jahrzehnten für die Wiederbelebung der Emersacker WallfahrtMaria zum Blute“ stark macht.

Emersacker Kirchberg Schloss Bank

Blick vom Kirchberg auf Schloss und Hauptstraße

Emersacker Brunnen

fountain at Emersacker cemetery

Emersacker Kirche

St. Martin Kirche Emersacker

Emersacker Kriegsdenkmal Schloss

“Unseren Helden” War Memorial Emersacker

Schloss Emersacker

Schlossbau im Sumpfland

Kaum zu glauben, dass es auch mal eine jüdische Gemeinde in Emersacker gab, die seinerzeit mit etwa 25 Familien sicher die Mehrheit der Bewohner des Ortes ausmachte. Die Zuwanderer kamen auf Einladung der Augsburger Ortsherren Koch und Langenmantel vorallem aus Binswangen, aber auch sogar auch aus Fürth und Bamberg. Demnach ist es auch kein Wunder, dass den Emersacker Juden die alte Gebetsstube bald nicht mehr ausreichte und sie sich eine eigene  Synagoge bauten. Sogar zu einem eigenen Friedhof brachten sie es in Emersacker, weshalb wir auch Dank des Dorfbachs das unbedingte Tauchbad (Mikwe)voraussetzen dürfen. Die jüdische Blüte währte jedoch nur 15 Jahre.

Sparkasse Emersacker

Sparkassengebäude im Bereich der ehemaligen jüdischen Siedlung in Emersacker,  die um 1695 errichtete Synagoge?

Eine erste Ansiedlung in Emersacker soll bereits um 1580 bestanden haben, jedoch ist darüber sonst nichts bekannt und auch jüdischerseits gibt es dazu keine Quellen.

Die ersten Notizen über die Anwesenheit von Juden in Emersacker datieren in das Frühjahr 1685 als der Jude Moses Levi („Mauschi Leve“) Ende März ein Haus mit Grundstück kauft. Offenbar war er aber nicht der einzige Jude am Ort, denn bereits Mitte Mai, also kaum sechs Wochen später schließt die Gemeinde Emersacker mit der jüdischen Gemeinschaft einen Vertrag über Weiderechte, Wegegelder, Quartier, usw. was dem Ort immerhin jährliche zwanzig Gulden einbringt. Entweder war Moses Levi nicht der erste Jude der sich in jenen Wochen in Emersacker niederließ oder aber ihm folgten sehr rasch eine Reihe weiterer Familien. Im Januar wurde den Juden in Emersacker angetragen, dass sie die leer stehenden Gnadenhäuser übernehmen und ausbauen sollten. Als solche verstand man die von einer Ortsherrschaft für das arme Volk erbauten, meist eher dürftigen Hütten, deren Bewohner dementsprechend als „Gnadenhäusler“ bezeichnet wurde. Diese verdienten in der Regel als Tagelöhner ihr eher karges Brot oder waren auf bettelei angewiesen.

Emersacker Bachgasse

Schon 1658 war Emersacker in den Besitz der Fugger gelangt. Vierzehn Jahre später erwarb der böhmische Adelige Heinrich von Schaumburg durch seine Ehe mit einer Fugger den Ort. Er ließ aus seiner Heimat Klatovy (Klattau) eine Kopie eines Marienbildes fertigen, die sodann in der Kirche in Emersacker aufgehängt wurde. Die Landwirtschaft in Emersacker brachte wegen zahlreicher Überschwemmungen nicht viel ein, zudem war der Winter 1684/5 sehr hart und frostig. Während die Bausubstanz des Schlosses wohl unter Frostschäden litt, kostete die Versorgung der Bettler und Tagelöhner der Herrschaft viel Geld. Schaumburg kam deshalb auf die naheliegende Idee, aus dem nur knapp zehn Kilometer entfernten Binswangen Juden anzuwerben und ihnen gegen Gebühren und Abgaben die Gnadenhäuser unterhalb des Schlossbergs entlang der Hauptstraße und der Bachgasse (bei der heutigen Kreissparkasse) und Weiderecht bis zur Laugna käuflich zu überlassen, wo sie nun ihre Schafe und Rinder halten konnten und als Metzger und Händler den Ort belebten. Die unmittelbare Nähe zum Bach ermöglichte problemlos die Einrichtung einer zwingend erforderlichen Mikwe für die kleine Gemeinde. Der Auf- und Ausbau des jüdischen Emersacker verlief offenbar ganz gut. 1688 jedoch starb der Ortsherr von Schaumburg. Seine Witwe, die als gebürtige Fugger sicher ein besseres Leben gewohnt war, verkaufte den Ort desillusioniert an den Augsburger Patrizier Matthias Koch. Als Lutheraner ließ er Schaumburgs Marienbild, für das auch seine Witwe nichts übrig hatte, aus der Kirche entfernen und vor einem Baum aufhängen, wo es bald zum Anlaufpunkt der Katholiken und zum Gegenstand der Anbetung wurde. Dieses sollte sich nun steigern, weshalb man eine Kapelle für das Bild bauen wollte. Die Marienverehrung war zweifellos auch als Waffe gegen den protestantischen Ortsherren gedacht, vielleicht auch als Instrument gegen die Juden. Um das Jahr 1700 wurde nun für das Bild eine Kapelle gebaut und diese später zur Kirche erweitert. Der Umstand, dass das Bild scheinbar der Witterung trotzte und unbeschädigt blieb (was sollte bei täglicher Pflege durch fromme Pilger aber auch schon passieren?), wurde nun als „Wunder“ erkannt und zur Wallfahrt aufgerufen. Damit sollten nun Pilger angelockt werden, was dem Vernehmen nach aber nur mäßigen Erfolg brachte. Irgendwann schien die „Wallfahrt” auch schon einmal in Vergessenheit geraten zu sein, ehe man sie bereits um 1880 mal wieder aufleben ließ.

Emersacker Bach an der hauptstraße

In einem amtlichen Protokoll vom Mai 1688 sind nun bereits zwölf jüdische Haushaltsvorstände aufgeführt: Samuel, Jakob Levi, Schimmele (Samuel), Abraham, Hitzig (Isaak) mit einem Sohn, Natan Levi, Arele (Ariel) Levi, Schimmeles Sohn Natan, Jakob Sohn des Altmann, Matthes Schechter und Isaak Levi. Wir können davon ausgehen, dass sich bei jeden dieser Steuerzahler eine Familie mit Frau und Kindern, ggf. auch Geschwister und Gehilfen befand, weshalb man üblicherweise von acht bis zehn Personen pro Haushalt ausgehen kann. Die Menschen waren es damals gewohnt beengt zu wohnen, was in der Regel wenig anderes bedeutete, als in der knappen arbeits- oder schlaffreien Zeit in der Stube zu sitzen und sich aufzuwärmen. Trotzdem bedurfte jede Familie gewiss eines eigenen Hauses nebst Stallungen für das Vieh, Gerätschaften, aber auch Kutschen und Wägen mit welchen man in andere Orte zum Handeln fuhr.

Emersacker Pfarrer VerzeichnisAus dem Januar 1689 ist die Beschwerde des Pfarrers von Emersacker über den Christen Hans Kehrer erwähnt, der sich offenbar wohl mit jüdischen Kollegen ordentlich betrunken hatte und anschließend für Radau sorgte. Im Juni veräußert Moses Levi seinen Besitz an seine Söhne Jakob und Isaak Levi, während Natan ein Pferd verkauft. Am 15. Tamus des Jahres 5449 (bzw. Montag 23. Juni 1689) kommt es in Emersacker zur Hochzeit von Abraham Levi, dem Sohn des Ariel Levi mit „Schefe“ der Tochter von Matthes Schechter. Die Jungvermählten wohnten bereits in Emersacker.

Emersacker Kirche

Im August siedelt auch  David Levi aus dem fränkischen Schopfloch mit seiner Familie nach Emersacker. Ihm gleich tut es Moses Polak, der vorgibt, aus Binswangen zu stammen. Da dies aber offenbar nicht stimmt, wird er drei Jahre später, als es aufkommt, des Ortes verwiesen. Am 19. Mai des Jahres 1690 erhalten nach Vorsprache von Moses Polak und Moses Levi beim Ortsherren die Emersacker Juden nun sogar die Erlaubnis am Flurstück „an der kalten Ecke“ (an der Ecke Schmiedgasse und Bachgasse) einen eigenen Begräbnisplatz mit der Fläche eines Viertel Tagwerks (ca. 20 auf 40 m =800 m²). Der Friedhof sollte den Juden auch dann noch zustehen, wenn sie dereinst mal nicht mehr am Ort leben sollten. Ob er überhaupt benutzt wurde ist unklar, aber zumindest für die Zeit von 1690 bis 1696 recht plausibel. Für das Jahr 1690 nämlich finden sich in den Aufzeichnungen des Jakob Blumenstengel, seines Zeichens Vogt zu Biburg, unter den 24 gestorbenen Juden, deren Transport zum jüdischen Friedhof von Pfersee und Kriegshaber er aus steuerlichen Gründen protokollierte – für jeden Leichenzug musste Wegzoll gezahlt werden – auch auswärtige Juden notiert. Sie stammten aus Fischach, „Bünßwangen“, Siegertshofen und Emersacker. Entsprechende Notizen sind erst wieder für das Jahr 1695 erwähnt. Selbiges triff auch auf das 1696 als unter 27 registrierten auswärtigen Juden auch wieder welche aus Emersacker sind, bzw. auf Jahr 1698, als für neun tote Juden aus Kriegshaber, Emersacker und Binswangen Wegzoll entrichtet und protokolliert wird. Falls es sich bei diesen nicht um Fälle handelt, in welchen Familienangehörige zusammengelegt wurden, können wir doch davon ausgehen, dass der Friedhof der den Juden in Emersacker eingeräumt wurde, auch entsprechen genutzt wurde. Spuren finden sich davon heute freilich keine mehr.

Im Spätsommer des Jahres 1690 erwirbt der Pferdehändler Abraham Fromm ein weiteres ehemaliges Gnadenhaus und 300 Mauersteine aus welchen er einen Backofen baut und seiner Frau fortan das Gewerbe der Bäckerin ermöglicht. Am selben Tag an dem Abraham Fromm sein Haus erwirbt kommt es zu einem unerfreulichen Zwischenfall, da Matthias Schächter vom Dorfschmied beleidigt und tätlich angegriffen wird. Die Ursache des Streits ist unbekannt, jedoch wird der Schmied auf die Anzeige Schechters hin mit einer Geldbuße bestraft. Einige Monate später, im Mai 1691 wird Matthes Schechter selbst wegen Körperverletzung („Schlaghandel“) angezeigt, sein Opfer ist Natan Simon (der 1688 als Natan Schimeles Sohn aufgeführt wird). Im November des Jahres wird Schmuel Levi wegen Diebstahls angezeigt. Er hatte offenbar seinen Vetter Jakob Levi bestohlen.

Am 10. Dezember 1691, am vierten Tag des Chanucka-Festes bittet der bereits erwähnte Abraham Fromm mit seinem Bruder Jako Fromm aus Binswangen für dessen Aufenthaltsrecht in Emersacker. Da Jakob Fromm sich aber bereits seit 14 Tagen in Emersacker aufhielt ohne, dass er dafür eine Genehmigung erhalten hatte, musste zunächst eine recht saftige Strafgebühr von einem halben Gulden bezahlt werden.

Urkunde 1692 Emersacker Wertingen Juden Friedhof

Datiert auf den 4. Oktober 1692 betrifft das Schreiben “die Juden-Sepultur” in Binswangen, in welchen dort bestattete Juden auch aus Emersacker erwähnt werden. (“So viel die dem Inhaber Wertingen zu Nachstand aufgesteckte Juden-Sepultur anbelangt, weilen nit allein die Juden sich zu keinem Grund-Zins einverstehen, sondern als so gar von Emersacker all dahin geführter Juden halben gegen einen löblichen Burgauischen Oberamt geklagt worden, eine hönische Antwort erfolgt: Als ist des Herren Barons von Pappenheim verlangen, dass die Juden-Sepultur abgetan, und die Sach in alten Stand integrè gesetzt werden solle“).

Emersacker alte SchuppenReste eines alten Hofes in Emersacker

Im Februar 1692 erhielt Benjamin Levi aus Höchstädt, Bruder des Natan Levi das Aufenthaltsrecht in Emersacker. Im Frühsommer geriet Moses Polak in Streit mit dem Christen Hans Schmied wegen ausstehender Pfandrückzahlungen. Bei der Vorsprache beim Ortsherren Matthias Koch ergibt es sich, dass Polak bezüglich seiner Herkunft gelogen hatte und er nicht aus Binswangen stammte, wie er bei seiner Niederlassung angegeben hatte. Er wurde wie bereits gesagt, des Ortes verwiesen. Ob er wenigstens jetzt nach Binswangen ging, ist leider nicht bekannt.  Etwa zur selben Zeit langte der Emersacker Schmied wieder zu und wird dafür, dass er dem Pferdehändler Samuel Levi beleidigt und an der Gurgel gepackt und geschlagen haben soll, seitens der Ortsherrschaft bestraft. Man darf wohl vermuten, dass es bei einem handgreiflichen Streit zwischen einem Schmied und einem Pferdehändler um die Qualität und den Wert der geleisteten Arbeit ging.

Laugna bei Emersacker

 Bach Laugna bei Emersacker

Am 18. Juli 1692 gibt Abraham Fromm bekannt, dass das Kind seines Bruders in seiner Obhut gestorben ist und dass er bereit ist das „Todfallgeld“ zu bezahlen. Dieses war sicherlich die örtliche Gebühr, die von den Juden verlangt wurde, um ihre Toten auf ihrem örtlichen Friedhof beisetzen zu dürfen. Zweifellos war dies auch der Grund, warum den Juden der Begräbnisplatz gestattet wurde: er war für den Ortsherren eine weitere Einnahmequelle. Eine Woche nach dem Trauertag des 9. Aw war der Tod des Kindes für die Familie Fromm sicherlich ein sehr trauriges Datum. Da für das Jahr 1692 wie bereits gesagt Einträge für Überführungen von Emersacker nach Pfersee und Kriegshaber fehlen, können wir recht sicher davon ausgehen, dass der jüdische Friedhof von Emersacker tatsächlich benutzt wurde. In der Woche darauf gibt Simon Schlang zu Protokoll, dass er seine Tochter „Melam“ mit Maram Weyl aus Steinhart bei Oettingen verheiratete und dass der Bräutigam sich mit seiner verwitweten Mutter ebenfalls in Emersacker niederlassen möchte. Im Oktober erwarb Benjamin Levi nun ein eigenes Haus in Emersacker. Er war im Februar aus Höchstädt zu seinem Bruder gezogen. Maram Weyl hingegen kaufte das Gnadenhaus des Natan Simon, während Simon Schemel eine Sölde erwarb, also ein kleines Stück Wiese, wahrscheinlich für seine Schafe. Natan Levi und Abraham Fromm treten in Wertingen und Modelshausen aus Händler n Erscheinung und verkaufen dort Ochsen und Pferde. Ihnen behilflich sind Jakob Levi und Levi Salomon.

Im Februar 1693 wird das Haus des ausgewiesenen Moses Polak „vergantet“, das zwangsvollstreckt, bzw. versteigert. Im Mai wird dem vorhin genannten Levi Salomon der Zuzug nach Emersacker bewilligt, er stammte aus Fürth. Wenige Tage später starb Aaron Levi, der ebenfalls nicht nach Kriegshaber überführt wird, sondern wohl in Emersacker bestattet wird. Simon Schlang begleicht seine Schuld unter der Anwesenheit von Natan Simon als zeugen, bei der Witwe des Verstorbenen, die damit wohl die Begräbnisgebühr für ihren verstorbenen Gatten bezahlen kann. Im Oktober erwirbt sich der zugezogene Levi Salomon ein Haus. Im Januar 1694 überträgt Simon Schlang seinen Besitz auf seinen Sohn Jakob, der beim Ortsherren eigenartiger Weise geloben muss, zu gehen, so er dazu aufgefordert werden sollte. Im März 1694 kommt es wieder zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Salomon Levi verklagt seinen Vetter Benjamin wegen eines tätlichen Angriffs. Benjamin wird zu einer Strafe verurteilt, Salomon Levi wiederum soll seine Schuld von 12 Gulden bezahlen. Dies war offenbar der Anlass des Streits. Im April zieht nun auch Josef Max aus dem fränkischen Bamberg nach Emersacker, wo seit einigen Monaten auch Elias Epstein lebt. Im September folgt Josef Merk, dessen Herkunftsort nicht genannt wird.

Emersacker altes HausRemnants of Rural Architecture in former Austrian Swabia

Am 11. November bitten die Vorstände der Juden zu Emersacker, unter ihnen sind auch der Schächter Natan Schimon und Schmuel, darum auf dem am Vortag bewilligten Gnadenplatz ein neues „Judenhaus“ errichten zu dürfen, da das jetzt genutzte Haus „elend“ sei und man dort die nötigen „Ceremonien“ nicht mehr passend verrichten könne. Die jüdische Gemeinde von Emersacker erreicht nun ihren geschichtlichen Höhepunkt. Dies ruft auch sofort den Pfarrer auf den Plan, der sich jedoch mit den Juden über die Höhe der Stolgebühren einigen kann. Die jüdische Gemeinde verpflichtet sich dazu für nunmehr 22 Familien in Emersacker jährlich sechs Gulden zu zahlen und diesen Betrag zu erhöhen, falls die Gemeinde weiter wachsen sollte. Das neue Gebetshaus wird rasch gebaut und mit Jakob Levi aus Höchstädt und seiner Familie gibt es im März weiteren Zuwachs.

Im September 1695 werden die Schutzgelder für Isaak Levi und Matthes Schechter neu ausgehandelt, da der eine erblindet ist und keinem Gewerbe mehr nachgehen kann, während Schechter in der fertig gestellten und zu Suckot eingeweihten Synagoge nun die Funktion des Rabbiners und Schulmeisters einnimmt. Zwei Monate später stirbt Mosche Levi, der 1685 wahrscheinlich als erster nach Emersacker gekommen war. Mit seinem Tod geht womöglich auch die „gute Zeit“ in Emersacker zu Ende. Natan Levi übernimmt die Vormundschaft für die Waisenkinder. Da für das Jahr 1695 wieder eine Beisetzung aus Emersacker in Kriegshaber verzeichnet wird, kann es sein, dass dies Moses Levi betraf.

emersacker 1550Historical depiction of Emersacker about 1690

Im Januar 1696 bittet Matthes Schechter um Hilfe beim Emersacker Ortsherren, um von dem christlichen Händler Friedrich Rampf aus Binswangen die offenstehende Kreditsumme von 14 Gulden zurückzubekommen. Offenbar von der Forderungssumme eindruckt verlangt Matthias Koch nun eine höhere Abgabe von den Juden in Emersacker. Er teilt ihrem Rabbiner Matthes Schechter und dem Gemeindevorstand Samuel Levi mit, dass die jährliche Abgaben der Gemeinde nunmehr 25 Gulden betragen soll. Samuel Levi entschließt sich offenbar spontan den Ort zu verlassen und geht nach Steppach, weshalb schon wenige Tage danach sein Haus versteigert wird. Von dort kommt jedoch Abraham Eppstein nach Emersacker, der das Haus des Benjamin Levi erwirbt. Im Dezember 1697 verlassen auch Abraham Fromm und Benjamin Levi den Ort. Letzterer bittet ein Jahr später um seine erneute Aufnahme.

jüdische Figuren in Emersacker Kirche

Jewish shepherds as depicted in Emersacker Church St. Martin

Da seine finanziellen Vorstellungen offenbar nicht realisiert werden, verkauft Koch nun seinen Besitz wieder an die Fugger. Im Sommer 1700 mehren sich deshalb bereits die Verkäufe von Sölden und Häuser durch die Juden von Emersacker. Unter den Verkäufern sind Simon Schlang, David Levi, Jakob Levi, der Sohn des verstorbenen Moses Levi, Jakob Levi Höchstätter, Natan Levi, Natan Simon, Abraham Eppstein und Schmuel Levi. Im Jahr darauf ist nur noch Abraham Levi erwähnt, der in Emersacker Handel treibt. Als seinen Herkunftsort nennt man nun Schlipsheim. 1705 verkauft Juda Polak aus Steppach ein Haus, das ihm in Emersacker gehörte. Dieses hatte er offenbar ohne in Emersacker gewesen sein von Schmuel gekauft, der inzwischen nach Buttenwiesen übergesiedelt war. Im Jahr 1710 kommt Benjamin Levi wieder für ein Geschäft nach Emersacker, auch er wohnt inzwischen in Schlipsheim. Ähnlich verhält es sich mit Ber Levi und Isaak Levi, die 1712 gleichfalls zur Abwicklung von Geschäften aus Schlipsheim nach Emersacker kommen. Mit ihnen vor Ort sind auch Mayerle Levi und Feist Bacharach aus Binswangen sowie Lazarus Günzburger aus Kriegshaber (dem Besitzer des dortigen Zollhauses) und Chaim Abraham aus Buttenwiesen.

alte Segmühle am Bach in Emersackerthe old lumber brook mill of Emersacker

In den folgenden Jahrzehnten finden sich nur sporadische Hinweise von jüdischen Händlern in Emersacker, meist stammen sie aus Binswangen oder Buttenwiesen, sehr wahrscheinlich mit abnehmenden Bezug zu Emersacker. Nach dem Abzug der Juden aus Emersacker blieb dieses für zweihundert Jahre in der weiteren Entwicklung stecken, weshalb sich die demographischen Daten der Jahre 1700 und 1900 kaum unterscheiden.

Emersacker beSefer Shaar haChasak

Auszug aus dem hebräischen Buch HaSchaar haChasak (mit kleinen Setzfehlern) , etwa um 1750 in Lublin gedruckt, mit einer kurzen Beschreibung der landwirtschaftlichen Bedingungen von Emersacker und einer Würdigung des Rabbiners:

כפר הקטן בשואבין נקרא עמרסאקר בשם כי יש חיטה טובה אנשים קראים אמר או עמר

בסתיו ואביביש שיטפנות רבים כל ההשנה ותמיד הרס את היובל

חיטה טובה אבל האדמה היא ביצה

זכרונות מורה והראש קהילת ר מתיס שייכטער ב’ר אנשל נולד בעיר פירדא ומת בק’ק שטפאך ליד פרשא

( “… das kleine Dorf in Schwaben genannt Emersacker mit Namen, weil es dort guten Weizen gibt den die Leute Amer oder Emer nennen. Im Herbst und im Frühling gibt es jedes Jahr viele Überschwemmungen, welche immer die Ernten zerstören. Zwar wäre der Weizen gut, doch die Erde ist ein Sumpf.

Gedenken an den Lehrer und Haupt der Gemeinde Rabbi Matis Sohn des Rabbi Anschel, geboren in der Stadt Fürth, gestorben in der heiligen Gemeinde Steppach bei Pfersee.”)

Wie man sich vergewissern kann, ähneln die örtlichen Bedingungen in Emersacker denen in Schlipsheim doch einigermaßen, abgesehen davon, dass es von dort nicht weit zu den FaGaSch-Gemeinden war.

https://jhva.wordpress.com/2011/11/17/uber-die-juden-im-schwabischen-schlipsheim/  

Bocksberg (Laugna) Emersacker Schafe

From about 1685 until 1700 there was a vital Jewish community in Emersacker with an own synagogue and cemetery, although today the Jews of Emersacker are almost forgotten. Almost …

Quellen: Adel: Fugger-Laugna, Lit. 20-22 (Emersacker Amtsprotokolle) in: http://digbib.bibliothek.uni-augsburg.de/1174/1.1_Archivfuehrer.pdf (dort auch Einträge zu Bocksberg, Laugna, Leitersbrunn, etc.)

ספר השער החזק

Koutná-Karg, Emersacker im späten 17. Jahrhundert. Bemerkungen zu der jüdischen Gemeinde, in: JHVD 93 (1991)

www.emersacker.de

www.statistik.bayern.de


Impressions from Schopfloch

April 1, 2012

Former Jewish School of Schopfloch. Since the current owner has rejected to allow the assembly of the information board at his premisses the people of Schopfloch established the plate with the inscription” Judenschule” next to it.

ramdom pictures:

al pictures by Margit, March 20, 2012


Die Geschichte der Juden in Dinkelsbühl

August 26, 2010

Dinkelsbühl Stadtwappen

Nikolaus Prunslein, bekannt als Nikolaus von Dinkelsbühl (1360 – 1433) war ein katholischer Gelehrter und Prediger und Schüler des Heinrich von Langenstein, dem er nach Wien folgte und dessen Predigten gegen die Juden offensichtlich enormen Eindruck auf ihn machten. Langenstein hatte zunächst angeregt, dass Christen mit Juden nur noch dann Kontakt pflegen sollten, so diese als deren Diener arbeiteten. Andere Beziehungen in denen Christen nicht sichtbar Herren seien, wären hingegen als schädlich abzulehnen. In der Realität kam freilich aber auch das genaue Gegenteil davon vor und Christen waren als Bedienstete von Juden angestellt. Zwar hatte Papst Alexander III im Frühjahr 1179 auf dem dritten Laterankonzil verbieten lassen, dass Juden christliche Knechte haben durften, aber wie das oft zitierte vermeintliche „Zinsverbot“ machte auch dieses Verbot offenbar auf niemanden wirklich Eindruck. Noch hundert Jahre später führte das Stadtbuch der Reichsstadt Augsburg im Jahr 1276 eben dieses Recht selbstverständlich auf und noch um einiges später gestatten weitere Beschlüsse der städtischen Räte den christlichen Knechten der Augsburger Juden straffrei in jüdischen Bädern baden zu dürfen. Dass der Beschluss des Konzils allenfalls halbherzig und oft gar nicht beachtet wurde, war vielen Predigern natürlich ein „Dorn im Auge“ und Anlass weiterer Polemiken.

“Dinkelsbuehl” auf einem Grabstein am Friedhof in Schopfloch

Nikolaus, von seinen Glaubensgenossen damals als „Licht der Schwaben“ verehrt, war zeitweilig Gesandter im Vatikan und Rektor der Universität in Wien. Als Erzieher, Berater und schließlich auch Beichtvater von Albrecht von Habsburg, der im Alter von sieben Jahren bereits Herzog von Österreich wurde, übte er auf den späteren Kaiser Albrecht II. erheblichen Einfluss aus. Dies wirkte sich insbesondere im Verlauf der sog. Wiener Gesira (גזירת וינה ) aus, als auf Befehl des Herzogs die alte jüdische Gemeinde Wiens zerstört wurde. Häuser und sämtlicher Besitz der anderen Juden wurden konfisziert und unter Folter und Misshandlung fand sich zudem noch manches, das „versteckt“ geblieben war.  Auf selbe Weise raubte man den Eltern nun auch alle Kinder unter 15 Jahre, um sie unter Zwang zu taufen. Dies führte zu Protesten bei Papst Martin V. zu dessen Wahlkollegium 1417 auch Nikolaus von Dinkelsbühl gehört hatte. Der Papst verbot daraufhin in seiner Bulle Licet Iudaeorum omnium die weitere Praktik und bedrohte die taufenden Priester mit der Exkommunikation, ohne jedoch die bisherigen Taufen aufzuheben. Dieser sollten sich nun auch die Erwachsenen unterziehen, sicher um als „gute Christen“ andernorts von ihrer Behandlung im Herzogtum nur Gutes zu berichten. Die Appelle an die Juden sich taufen zu lassen, blieben aber meist unerhört, und so zogen alle jene die nicht rechtzeitig fliehen konnten, den Tod dem Christentum vor.

Im Frühjahr des Jahres 1421 wurden auf der „Gänseweide“ etwa 200 jüdische Kinder, Frauen und Männer verbrannt. Auf der zerstörten Synagoge erbauten die Christen ein Gebäude ihrer theologischen Fakultät (die vorherigen Bauten wurden nur mit Mitteln jüdischer Geldgeber errichtet). Die monströse Tat und die damit verbundenen weiteren Hasspredigten der christlichen Geistlichen wirkten weit über Wien hinaus und vergifteten auch die Lage für die Juden in Süddeutschland und in Folge dessen auch in Augsburg, wo im Laufe der folgenden Jahre sämtliche Eigenrechte der alteingesessenen jüdischen Gemeinde annulliert wurden, ehe die Juden 1434 verpflichtet wurden, übergroße gelbe Ringe an ihren Gewändern zu tragen. 1438 wurde der zum Judenhasser erzogene Herzog nun Kaiser und die Augsburger Juden erhielten nur wenige Monate später einen Beschluss des Stadtrates bis 1440 ihre Jahrhunderte alte Heimat zu verlassen. Kaiser Albrecht, der nie gekrönt wurde, starb bereits 1439 an einer bakteriellen Entzündung (Dysenterie), beim Versuch die Türken in Ungarn zu bekämpfen.

Das Ende der mittelalterlichen Judengemeinde ist deshalb in gewisser Weise mit Nikolaus von Dinkelsbühl verbunden.  Seine Heimatstadt würdigt ihn heute mit einer Gedenktafel am Marktplatz.

Im Gegensatz dazu gibt es keine Hinweise in der früheren Reichsstadt darüber, wo die bereits wenigstens ab 1250 bezeugten Juden im damals „dinkepole“ (1236) bezeichneten Ort lebten. Die innere Altstadt entstand etwa hundert Jahre vorher. Von den heute etwa 12.000 Einwohnern der Stadt wohnt nur etwa ein Viertel im Bereich der Altstadt, deren jetzige Ummauerung auf das späte 14. Jahrhundert zurückgeht. Wie zahlreiche andere Orte ist auch Dinkelsbühl als ein Schauplatz genannt, an welchem die jüdische Bevölkerung im Jahre 1298 der berüchtigten Rintfleisch – Verfolgung zum Opfer fiel, freilich auch hier ohne nähere Angaben. Danach müsste es aber wieder Juden in Dinkelsbühl gegeben haben, da 1325 in Augsburg ein Salman von dort erwähnt ist. Während der „Pestjahre“ 1348 / 1349 wurde die neue jüdische Gemeinde dann bereits wieder zerstört, aber auch hier fehlen Details.  Da es stehende Begriffe (!) sind, hält auch kaum jemand eine Prüfung für unerlässlich. 1372 soll es dann wieder Juden am Ort gegeben haben (1389 findet sich ein Koppelin als Gastgeber einer Verhandlung zu der Rabbi Mendel aus Rothenburg anreiste, was darauf hin deutet, dass es damals ggf. auch ein Bet Din in Dinkelsbühl gab) , ehe sich um 1400 die Nachweise für eine feste jüdische Besiedelung verlieren. Wo die Dinkelsbühler Juden in wenigstens 150 Jahren zuvor wohnten und beteten ist dem Vernehmen nach nicht bekannt. Die ursprüngliche Altstadt dürfte sich aber etwa im Bereich der erst 1499 fertiggestellten St. Georgs – Kirche (Vorgängerbauten werden in die Zeit um 1230 datiert) befunden haben. Man vermutet, dass Nikolaus um 1385 hier lehrte, bevor er nach Wien ging. Es wäre vorstellbar, dass sich die Synagoge und die Mikwe in Gewässernähe etwa im Bereich der Spitalgasse befunden haben. Falls es einen jüdischen Friedhof gegeben haben sollte, was möglich ist, käme das Gebiet um das „Kirchhöflein“ in Betracht. Aber das ist zugegeben eine bloße Spekulation, die jedoch die Fragestellung an sich nicht erübrigt.

Zur Zeit des 30jährigen Krieges fanden 1636 zugleich sechs jüdische Familien gegen viel Geld Aufnahme in der Wörnitzstadt, während sie zwischenzeitlich nur als Händler (von wo kommend?) Zugang hatten. Daraus hatte sich wohl eine neue Gemeinde entwickelt, da eine Synagoge und eine Mikwe erwähnt werden. Die „Freizügigkeit“ wurde nach dem Ende des Krieges aber bereits wieder beschnitten und so bleiben bis 1712 (Familie Frommele) nur wenige Juden am Ort.

fun at woernitz river

Erst ab 1861 konnte wie der eine neue jüdische Gemeinde in Dinkelbühl entstehen, die als Ableger der Gemeinde in Schopfloch verstanden wurde und dem Rabbinat Ansbach unterstand. Die erst 1929 selbstständig gewordene Gemeinde hatte sodann auch nur eine kurze Existenz.  Zudem lebten kaum mehr als 50 bis 60 Juden in Dinkelsbühl in den Jahrzehnten bis zum Beginn der Nazi-Tyrannei, als die Kleinstadt ohne Eingemeindungen auch nur rund 5000 Einwohner hatte. Einen eigenen Synagogenbau rechtfertigte dies offenbar nicht, da es sich dem Vernehmen nach jedoch um eine eher traditionell ausgerichtete Landgemeinde handelte, genügte ein Betraum im Wohnhaus des Gemeindevorsitzenden Adolf Hamburger in der Klostergasse 5, die in früheren Zeiten noch Brüdergasse hieß. Dort verdichten sich heute die sichtbar gemachten Erinnerungen an die Juden in Dinkelsbühl. Zum einem gibt es am Eingang des Wohnhauses ein offenbar handbemaltes Hinweisschild, das dort freilich erst im Jahre 2007 auf Initiative von Angelika Brosig aus Schopfloch angebracht wurde.

Vor dem Haus befinden sich seit 2009 nun auch vier der sogenannten „Stolpersteine“, von denen es seit den 1990er Jahren über 20.000 in ganz Europa gibt. Es handelt sich dabei um keine Steine im Wortsinne, sondern um beschriftete Messingplatten auf kleinen Betonwürfeln (Pflaster), die in den Boden eingelassen, nicht herausragen und somit auch keine physische Möglichkeit des Stolperns bieten, von einer etwaigen Rutschgefahr bei Nässe vielleicht mal abgesehen. Die Konzeption geht auf den deutschen Künstler Gunter Demnig zurück, der zuvor bereits „Duftmarken“ und „Blutspuren“ von Kassel nach Paris oder London thematisierte, ehe er mittels der „Stolpersteine“ in ganz Europa den sechs Millionen ermordeter Juden möglichst an ihren Wohnorten gedenken wollte.  2005 wurde er für dieses Projekt in Berlin mit dem „German Jewish History Award“ der Obermayer Foundation ausgezeichnet.  Für viele Angehörige, so ist in der Laudatio zu lesen, sei dies der einzige Ort, um ihren Vorfahren zu gedenken, aber auch Schulen und Hausgemeinschaften beteiligen sich an den zahlreichen regionalen Einzelprojekten in vielen, meist deutschen Städten. Die Herstellung der einzelnen „Steine“ für die man als Pate 95 Euro bezahlen soll, übernimmt der Künstler selbst. Kritiker bemängeln, dass die „Stolpersteine“ geradezu selbstredend dazu herausforderten auf den Namen der ermordeten Juden “herumzutreten”. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch, selbst Tochter einer Konvertitin (und noch bis November im Amt) bezeichnete dies als „unerträglich“, während viele Städte es seitdem etwas leichter haben, sich mit ihrer Ablehnung hinter Knobloch zu verstecken, wenngleich ihre Haltung nicht repräsentativ für den Zentralrat ist.

Abgesehen davon, dass es für jeden Menschen einen Erinnerungsort gibt, der sowohl fest als auch beweglich ist – das Gehirn nämlich – so verfügt unsere Tradition neben Friedhöfen über eine Reihe von Einrichtungen wie die Jahrzeit (Yorzeit, Yahrzeit) am Todestag (יאָרצײַט – אזכרה) mit dem ehrenvollen gemeinsamen Kaddisch eines Minjan für den Verstorbenen, seit geraumer Zeit auch gerne opernhaft vorgetragene El Male Rachamim – Gesänge und dergleichen mehr. Es ist natürlich auch gar nicht verkehrt, die Namen der Menschen in Erinnerung zu behalten, jedoch was nutzen Stolpersteine über die man dann noch nicht mal wirklich stolpern kann?  Wie wäre es im Sinne des Warhol‘schen Bedürfnis, möglichst jedem Menschen ein Denkmal zu setzen und ihn zum Star zu machen, wenn man der betreffenden Person, bzw. seine auf Namen und Daten reduzierte, vielleicht noch mit dem Deportationsort garnierten “Identität”, zumindest auf Augenhöhe begegnen könnte. Das würde einen anderen Blick ermöglichen, denn wer Angst hat zu stolpern, verkrampft oder hält sich fest.

Die Dinkelsbühler Stolpersteine nun sind Moritz, Adolf, Martha und Klaire Hamburger gewidmet. Dass Adolf Hamburger nicht nur Opfer der Nazis sondern Vorsitzender der Gemeinde war, ist nicht erwähnt, da es offenbar genügt, sich daran zu erinnern, dass er nach Gurs deportiert und im Lager ermordet wurde.

There is an old history of Jews in the former Imperial City of Dinkelsbuehl in the Franconian district of Ansbach (Bavaria). Time and again Jews at least from 1250 settled a few years or decades until they were expelled or murdered. The last time so far it occured in 1938 and ever since that time there is no new Jewish community in Dinkelsbuehl, hometown of Nikolaus of Dinkelsbuehl the Christian preacher, father confessor and tutor of Emperor Albrecht Habsburg whose anti-Jewish sermons encouraged to wipe out the medieval Vienna Community in 1421 and paved the way to the expulsion of the Jews from Augsburg in 1438 / 1440.

Since 2009 there are “stumbling blocks”, small paving stones covered with a brass (or German: “messing” …) plate with name and data of murdered Jews in the Nazi time, while there is no memory of the much longer medieval history of the Jews.


Lachoudisch – Reste jüdischer Sprache aus Schopfloch

August 24, 2010

Im fränkischen Schopfloch, so heißt es, hat sich eine jüdische “Geheimsprache” namens “Lachoudisch” im mittelfränkischen Dialekt der nunmehr seit über 70 Jahren „judenfreien“ Dorfbevölkerung gehalten. Die Nachrichten darüber erregten in den letzten Jahrzehnten auch internationales Aufsehen.

did they know lachoudish ..?

Die Bezeichnung „Lachodisch“ (לכודיש) (schon die isch-Endung suggeriert eine Sprache) geht auf eine korrumpierte Form des Hebräischen „laschon kodesch“ zurück, was im Hebräischen wörtlich „heilige Sprache“ bedeutet und die hebräische Sprache – als Sprache der Bibel – selbst bezeichnet. Das häufiger als „Schopflocher Geheimsprache“  bezeichnete Lachodisch (in der Regel „Lachoudisch“ geschrieben, was aber die Aussprache freilich nicht vereinfacht, wenn man nicht (mehr) weiß, dass es einen Laut zwischen einem dumpfen o und einem au – Diphthong anzeigen soll) zieht die beiden Worte zu „la(schon) kodesch“ zusammen, das sich in der Region dann wohl nach „lasch’n kaudesch“ angehört haben dürfte. Der westjüdische Jargon ist ein süddeutscher Akzent der jüdisch – deutschen Sprache, jener Sprache, die von den spätmittelalterlichen Juden der Region im 14. – 17. Jahrhundert selbst noch als „taitsch“ also „deutsch“ bezeichnet wurde. „Taitsch“ nannte man die Sprache gelegentlich in Abgrenzung zur Sprache der Aschkenasen, was im 16. Jahrhundert noch die Bezeichnung für nichtjüdische Deutsche war, während man heute damit „deutsche“ Juden meint – nun in Abgrenzung zu den Sefarden, den „spanischen“ Juden. Das jüdische Taitsch hingegen wird heute allgemein nach amerikanischen Vorbild als Jiddisch (Yiddish) bezeichnet (weil Juden in Amerika zunächst mehrheitlich deutschsprachig und Yiden waren, bevor sie Jewish wurden …), wobei es mehr oder minder noch immer strittig ist, ob man dieses „Yiddish“ nun als eigenständige germanische Sprache ansieht wie etwa Englisch, Deutsch, Holländisch oder Schwedisch, oder als bloßes Kauderwelsch, Jargon oder Dialekt der deutschen Sprache. Eine Besonderheit des jüdischen Taitsch, der es von den in Frage kommenden anderen germanischen Sprachen abgrenzt ist der Umstand, dass sie in hebräischen Buchstaben geschrieben wird. Zudem ist der Wortschatz mit recht vielen hebräischen und aramäischen Lehnwörtern und Wendungen angefüllt, die freilich in aller Regel ganz anders als in den Herkunftssprachen ausgesprochen werden, während ihr nicht jüdisches Gegenstück „Deutsch“ – in früheren Fassungen ebenfalls Taitsch genannt sozusagen mit lateinischen und griechischen Vokabular durchsetzt ist. Mit einer gewissen Berechtigung könnte man deshalb von jüdischen und christlichen Deutsch als Parallelsprachen sprechen, die auf ihre Weise nicht nur begrifflich Zeugnis ablegen von der etwas komplizierten wechselseitigen Beziehung. Chassiden etwa im „orthodoxen“ Jerusalemer Stadtviertel Mea Schearim würden unter „laschon kodesch“ sicher nichts anderes als Hebräisch bezeichnen und keinesfalls ihre als Jiddisch bezeichnete Sprache, die öfter auch mame-loschen (wörtlich Mutter-Sprache) genannt wird …  (*אבער פרוממע בכל אופן ווולן זוגן *לשון קוידעש).

Was heute (seit etwa 1969) noch als „Lachodisch“ überliefert ist, ist mangels Juden in der Region wohl nur eine Anzahl von Überresten einer nur noch mündlich tradierten Weitergabe eines früheren westjüdischen Dialekts, der freilich regionale Spracheigenheiten in sich aufgenommen hat. Da der allgemein gesprochene Dialekt in der Region erhalten blieb, ist es natürlich so, dass vor allem jene Sprachelemente als „lachodisch“ aufgefasst werden, die ihre jüdische Abkunft aus dem hebräischen ableiten, was die ursprüngliche Sprache der Juden natürlich erheblich verkürzt. Umgekehrt könnte man verfahren, wenn man nur jene Begriffe als „typisch“ für die regionalen Christen gelten ließe, die eine eindeutig lateinische Herkunft aufweisen.  Vorausgesetzt ist dabei natürlich, dass es sich in einem wie im anderen Fall nicht um Lehnwörter handelt die völlig im deutschen Allgemeinwortschatz aufgegangen  sind und von ihrer lateinischen (z.B. Pfeil von „pilum“) oder hebräischen (z.B. Pferd von „pered“) Herkunft nicht mehr erkenntlich sind.

Der unter diesen Vorzeichen nun als „Lachodisch“ geltende Wortschatz – angeblich sind noch rund 200 dieser Begriffe in der Dorfsprache erhalten, 1994 freilich nur unter 12 Personen ermittelt – beinhaltet eine ganze Reihe von Lehnwörtern aus dem Hebräischen, die sich in der regionalen Lautung auch für hebräisch sprechende Zeitgenossen selten auf Anhieb verstehen lassen– aber welcher Nichtbayer erkennt „minga“ auf Anhieb als „München“  oder ein bayrisches „lem“ als Leben“ ..? Etwas leichter tut man sich, wenn man das heute als Jiddisch bezeichnete versteht, das allerdings in der Regel seit langem keine aus Deutschland stammenden Muttersprachler mehr kennt.

Dem Vernehmen nach sei Lachoudisch als Sprache von Viehhändlern und wird von vielen gerne auch als deren „Geheimsprache“ aufgefasst. Dazu passt natürlich das offenbar gerne geglaubte Klischee, jüdische Händler „mauschelten“ untereinander, um mit ihrem vermeintlichen „Kauderwelsch“  nicht jüdische Kunden auszutricksen und zu täuschen, förmlich über den Tisch zu ziehen, weil diese ja nicht im Stande seien, deren Sprache zu verstehen.  Eine solche Sicht ist freilich völlig realitätsfremd und fern jeder Praxis. Zum einen war der Viehhandel in der Region zu keinem Zeitpunkt ein jüdisches Monopol, zum anderen waren die jüdischen wie auch andere Viehhändler darauf angewiesen mit den Bauern und Schlachtern mit denen sie handelten ein gutes Auskommen zu haben. In kleinen dörflichen Strukturen kann man sich kaum erlauben, wenige feste Kunden zu verprellen, da alle mehr oder minder aufeinander angewiesen sind. Gegen die Einschätzung des lachodischen Idioms als berufliche Geheimsprache jüdischer Viehhändler spricht aber auch der überlieferte Wortschatz, der nur wenig mit Viehhandel zu tun hat und nicht zuletzt auch der Umstand, dass eine Anzahl von Begriffen dem Vernehmen nach ja nun Bestandteil der Dorfsprache der christlichen Schopflocher geworden sein soll. In vielen Orten in denen auch in Süddeutschland im Laufe des 16. bis 19. Jahrhundert kleine Dörfer von einer größeren jüdischen Bevölkerung mitgeprägt wurden und in der sie oft ein Drittel, die Hälfte oder manchmal auch die große Mehrheit der Einwohner stellten, gab es immer wieder die drei Zentren des Dorfgeschehens, die die Trennung wie auch die Verbundenheit der christlichen und jüdischen Nachbarn manifestieren, die Kirche, die Synagoge und als Ort der Gemeinsamkeit die Dorfkneipe. Letztere lebte später im ausgehenden 19. Und frühen 20. Jahrhundert in gesellschaftlich gehobenen Kreisen dann noch etwa als Wiener Caféhaus – Kultur weiter. Die Dorfkneipe aber war die Begegnungsstätte für Juden und Christen in den Dörfern und hier dürfte auch beim gemeinsamen Bier die gemeinsame Sprache der Nachbarn und Geschäftsleute gepflegt worden sein – zweifellos nicht im immer in der Art und Weise wie es auch dem Pfarrer und Rabbiner gefallen hätte.

Wenig verwunderlich taucht unter den Begriffen „acheln“ oder „achlen“ (אכלען) auf, das „essen“  bedeutet und sich vom hebräischen „ochel“ (אוכל) herleitet. Passend erscheint auch soref als Schnapps (שנאפס), was sich offensichtlich von hebr. שורף ableitet und wohl auf das Brennen anspielt, wie es ja auch der Branntwein oder weniger offensichtlich der englische Brandy tut, der vom holländischen brandewijn herrührt. Da überraschen eher „kaserem“, was nicht auf Anhieb erkennbar, den hebräischen Plural chasir-im (חזירים) von Schwein wiedergibt. Eine ganze Reihe der an vielen Stellen zitierten Begriffe sind keineswegs ungewöhnlich, manche wie Massel (Glück), malochen (arbeiten), koscher (tauglich, rein), schachern (handeln), meschugge (verrückt) sind allgemein geläufig. Andere wie schuk (שוק -Markt), bais von bait (בית) = Haus, majem = Wasser von hebr. (מים – majim), jajem = Wein von hebr. jajin (יין -jajin), kufes als Plural von über jidd. chuwes von hebr. chowot (חובות) = Schulden, usw. Mit dem Wort juschbes oder gar juschpes soll nun die Kneipe, das Wirtshaus bezeichnet worden sein, jedoch ist die Herkunft schwer zu ermitteln, da allenfalls bes am Wortende noch auf das bereits erwähnte Haus (בית – bet, bait) deutet. Das Schwäbische kennt in diesem Zusammenhang übrigens das vom Hebräischen herkommende „boiz“ oder „boitz“ für die Kneipe. Wofür nun das vorangestellte „jusch“ nun stehen soll, ist schwer zu sagen, aber vielleicht kann uns einer unserer Leser weiterhelfen ..?

Mit dem Begriff „schofet“ (שופט) bezeichnete man den Bürgermeister, was relativ ungewöhnlich ist, da man einen solchen sonst als ראש bezeichnen würde. Schofet hingegen bezeichnet eigentlich einen (nichtreligiösen) Richter – im Gegensatz zum dajan (דין) des bet din (בית דין) – jedoch kann dies unter besonderen lokalen Umständen Aufschluss geben über die richterliche Gewalt der früheren Ortsvorsteher als Vertreter ihrer marktgräflichen oder fürstlichen Herren von Ansbach oder Oettingen.

Nur wenig aus dem aufgezeigten Vokabular bezieht sich auf den eigentlichen Viehhandel etwa bauker für boker (בקר – Rind) oder bore für Kuh von hebräisch para (פרה -Kuh) oder par (פר – Ochse) die andererseits aber wieder weit weniger „geheimnisvoll“ als Farren und Färse auch in der deutschen Allgemeinsprache Eingang gefunden haben und so zumindest im Viehhandel noch gängige Bezeichnungen sind. Dies erleichtert es nicht gerade den überlieferten Wortschatz in seinem Kontext zu beurteilen, zumal Fachbegriffe für den Viehhandel fehlen. Schließlich stellt sich auch die Frage, warum nun gerade diese Begriffe sich im Schopflocher Dialekt erhalten haben sollen, während andere, die in den Verhältnissen einer kleinen keineswegs begüterten Landgemeinde  durchaus zu erwartende Begriffe es nicht in den „Schopflocher Kanon“ schafften. Dieser wurde dem ursprünglichen Anspruch etwas widersprechend vom ehemaligen Bürgermeister Schopflochs Hans Rainer Hofmann, der auch Autor eines Buches zu Thema ist, unter anderem auch in Kursen an der Volkshochschule verbreitet.

In einem Artikel des Evangelischen Presseverbands Bayern (EPV- “Medien mit christlichen Inhalten“) vom Oktober 2006 (http://www.epv.de/node/2695) heißt es “Schoufet Oswald Czechsteht auf der Bürotasse im Schopflocher Rathaus“ und ein Schild mit der Aufschrift “Kouhne quere!” beim Kindergarten warne Autofahrer vor Kindern die auf die Fahrbahn springen könnten. Bei unserem auch hier wieder viel zu kurzen Aufenthalt in Schopfloch sind uns solche „Besonderheiten“, die offenbar eine Verschriftlichung und allgemeine Präsenz des „Lachoudisch“ am Ort suggerieren wollen nicht aufgefallen und den Schopflocher Kleinkindern ist aus Gründen der Sicherheit zu wünschen, dass es sich hier nur um eine Finte handelt. Die Erwartung, dass (eventuell auch auswärtige?) Autofahrer mit der Aufschrift etwas anfangen könnten, wäre gelinde gesagt eigenartig.  Da der Begriff „kouhne“ auf Anhieb auch nicht einzuordnen ist, hoffen wir, dass es sich (insgesamt) um einen Marketing-Gag handelt.


At the Jewish cemetery of Schopfloch

August 23, 2010

Judenfriedhof 1612 schopfloch Jewish cemetery

Older grave marker at the Jewish cemetery of Schopfloch in the Franconian Ansbach district. In the foreground is the Hebrew memorial for Meir bar Abraham dating 1698, one of the oldest tombstones we took notice of at our much too short visit at the cemetery.

In front the head stone of Josef the son of Shlomo (Salomon) Michlbach or Michelbach, who died in 1793

Head stone of Shendl the daughter of the martyr (hakadosh) Izchak. She died during passover in 1715.

Alte hebräische Grabsteine am jüdischen Friedhof in Schopfloch im Distrikt Ansbach.


Der jüdische Friedhof von Schopfloch

August 22, 2010

Juedischer Friedhof Schopfloch

Der mittelfränkische Markt Schopfloch bei Ansbach ist auch heute noch ein recht kleiner Ort mit rund 2900 Einwohnern,  der an der Romantischen Straße zwischen Feuchtwangen und Dinkelsbühl liegt. Die dokumentierte Geschichte des Ortes reicht zwar bis ins Jahr 1260 zurück, die der Juden nur wenig später ins 14. Jahrhundert. Andere Quellen nennen den Beginn des 16. Jahrhunderts und den Wegzug der Juden aus Nördlingen. Da der Ort später zwischen den regionalen Herrschaften geteilt war, gab es lange zwei jüdische Gemeinden, eine im Bereich des Markgrafen von Ansbach, die andere gehörte in das Gebiet von Oettingen-Wallerstein.  Wegen dieser Teilung hielt sich wohl auch vielleicht der „Lachudisch“ (Lachoudisch) genannte Jargon als Variation der jüdischen Sprache, von den einen westjiddisch, von den anderen „Schopflocher Geheimsprache“ genannt.

Wie auch immer betrug um 1810 der jüdische Anteil der rund tausendköpfigen vereinten Bevölkerung Schopflochs etwas mehr als ein Viertel , nahm aber im Laufe des 19. Jahrhunderts deutlich ab. 1910 leben noch etwa 70 Juden im Ort, die sich 1925 mit den Juden von Dinkelsbühl zu einer gemeinsamen Gemeinde verbinden. Im Jahre 1938 endet die jüdische Geschichte auch an diesem Ort mit der Verfolgung der Einwohner durch die örtlichen Nazis.

Der jüdische Friedhof von Schopfloch wird zumindest auf das Jahr 1612 datiert. Er erstreckt sich nach mehrfachen Erweiterungen im Nordosten von Schopfloch auf halben Weg ins heute eingemeindete Deuenbach und hat eine Fläche von rund 1.3 Hektar. Der Friedhof diente in der Vergangenheit auch Juden aus benachbarten Gemeinden als Begräbnisort: Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Mönchsroth, Crailsheim, … Auf dem Friedhof befinden sich noch etwa 1200 Grabsteine, wovon jedoch nur etwa ein Viertel der Steine aus der Zeit von etwa 1850 bis 1937 erfasst wurden, so diese teilweise oder gänzlich deutsche Inschriften haben. Von den meist älteren, ausschließlich hebräischen Grabsteinen sind hingegen offenbar nur ganz wenige erfasst worden, was sehr bedauerlich ist, da nicht wenige von ihnen sich in einem desolaten Zustand befinden, abbröckeln, verwittern oder schimmeln, und weitere Informationen zur Orts- und Regionalgeschichte so nun unwiederbringlich verloren gehen, während eine Reihe weiterer Steine am nordwestlichen Abhang durch die sich aufstauende Feuchtigkeit förmlich versumpfen.

Im Gegensatz dazu gibt es seit geraumer Zeit am Schopflocher Friedhof Frau Angelika Brosig, die sich dem Verfall entgegenstellt und ein vorbildliches Patenschaftprojekt ins Leben gerufen hat, das sich dafür einsetzt, durch die Gelder einzelner Sponsoren und privater Spender für relativ wenig Geld, einige der Grabsteine im neueren Teil des Friedhof restaurieren zu lassen. Eine Aufgabe, die in früheren Zeiten zu den heiligen Pflichten einer jeden jüdischen Gemeinde gehörte. Eine solche gibt es in Schopfloch freilich nicht mehr. Dies heißt jedoch nicht, dass das bemerkenswerte Engagement unbemerkt und ohne die verdiente Anerkennung geblieben wäre. Der von der Obermayer Foundation alljährlich verliehene „German Jewish History Award“ für  nichtjüdische Deutsche, die sich um den Erhalt jüdischen Erbes in Deutschland verdient machten würdigte im Januar 2010 deshalb auch die aus Ansbach stammende Angelika Brosig für ihr Projekt: „ … hat dafür gesorgt, dass die jüdische Vergangenheit dieses Teils von Deutschland weder bei den Einwohnern der Region noch bei den noch lebenden Nachfahren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Vergessenheit gerät.“

Schön restaurieter Grabstein der Berta (Bela) Schlossberger, Frau des Secharja aus Dinkelsbuehl.

Ausführlich beschrieben ist das Patenschaftsprojekt auch mit Abbildungen restaurierter Grabsteine (vorher / nachher) auf der Webseite: www.juden-in-schopfloch.de

Die Liste der jüngeren Gräber am westlichen Haupteingang findet sich hier: http://www.alemannia-judaica.de/images/Schopfloch%20CEM/SCHOPFLOCH-CEMETERY-GRAVELIST.pdf

Schopfloch is a small town of less than 3000 inhabitants in the Middle Franconian district of Ansbach (30 km south of Rothenburg and only 6 km north of Dinkelsbuehl), Schopfloch has a long Jewish past and an old Jewish cemetery with some 1200 left grave markers. Many of the older grave markers are in quite poor condition, with crumbling inscriptions or threatened by the damming moisture running off from an uneven compound, so that several head stones at the Jewish cemetery literally become marshy, since there is no drain. Angelika Brosig a Schopfloch resident from Ansbach for many years is engaged to rescue and restore as many grave markers as possible and initiated a sponsorship campaign.

With surprisingly few money grave markers may be restored in order to fulfill the commitment of remembrance.  Usually that will be the obligation to the relatives and the local community, but in Schopfloch there is no Jewish community since 1938.