Die jüdische Geschichte von Kriegshaber, einem vor knapp 90 Jahren (1916) eingemeindeten Stadtteil im Norden von Augsburg umfasst ein halbes Jahrtausend. Erhaltene Belege datieren die Ansiedlung von Juden entlang der Handelsstraße von Augsburg nach Ulm in die Mitte des 16. Jahrhunderts, wobei die tatsächliche Präsenz freilich in die Zeit der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde zurückreicht, die nach 1450 aufgelöst wurde.
Tora parochet from Kriegshaber (1723) at Israel Museum in Jerusalem, Israel
Die jüdische Gemeinde entablierte sich entlang der Hauptstraße des Straßendorfes Kriegshaber, das seinen Wohlstand der Entwicklung der jüdischen Viehbauern, Pferdezüchter und landwirtschaftlichen Produktion verdankte. Bis in das frühe 19. Jahrhundert war die Mehrheit der Bevölkerung jüdisch geprägt, weshalb sich erst in den 1860er Jahren eine christliche Kirchengemeinde bildete.
ehem. jüdisches Haus an der Gieseckestraße
Zu den berühmten Familien vor Ort zählten Nachkommen und Nebenlinien des Ulmo-Günzburg-Clans der Zweige Ullmann, Mendle, Obermayer, Untermayer, Oberdorfer, Günzburger, Dick, Mayer, sowie der mit dem berühmten Physiker (über die gemeinsame Herkunft aus Buchau) verwandten Einsteins, die im wesentlichen Vieh- und Pferdezüchter oder Metzger waren, von denen einige zu fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Hoflieferanten aufstiegen.
former Kriegshaber synagogue at Ulmerstr. (in May 2005)
Die frühere Hauptstraße heißt heute Ulmerstraße und war zwischen Marstaller Hof und dem Zeughaus in früheren Zeiten komplett jüdisch. Heute erinnert daran allenfalls die Seit Jahrzehnten unbenutzte verfallende ehemalige Synagoge und der gleichfalls vernachlässigte, durch üppigen Wildwuchs dem Verfall überlassenen alten Friedhof an der Hooverstr. (früher: Hummelstraße), der zusammen mit den den Gemeinden von Pfersee und Steppach in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges gegründet wurde.
Widmungstafel am Kriegshaber Friedhof (Dezember 2004)
Nachdem Kriegshaber wie auch Augsburg nach 1805 bayerisch wurden, zogen viele Kriegshaber Juden nach Augsburg. Anders als die Gemeinden von Steppach, Schlipsheim und Pfersee, die sich in den 1870er Jahren auflösten, konnte sich die Kriegshaber Gemeinde, die bis 1875 den Vorsitz im schwäbischen Distrikt hatte, bis zur Nazi-Zeit als “orthodoxe” Gemeinde behaupten.
In der Nachkriegszeit wurde die Synagoge bis etwa 1951 von amerikanischen Soldaten und KZ-Überlebenden als Gebetshaus benutzt. Auch am Friedhof wurden bis in die frühen 1950er Jahre Überlebende des “Holocausts” bestattet.
Die Zukunft der ehemaligen Synagoge ist derzeit so ungewiss wie die des Friedhofs. Der JHVA will sich in der Zukunft jedoch ausdrücklich für den Erhalt und für die weitere Nutzung beider Einrichtungen einsetzen, im ursprünglichen Sinne, wie sich von selbst versteht.