Stolpersteine in Augsburg

February 12, 2014

Die sog. “Stolpersteine” sind nun auch in Augsburg wieder zum Thema geworden.  Die einen wollen sie, um an Personen zu erinnern, die aus Augsburg entführt und meist anderswo umgebracht wurden, vor den Häusern wo sie lebten und wohnten. Auch weil ihnen in den meisten Fällen über den aufgezwungenen Tod auch ein Grabstein in der Heimat verwehrt geblieben ist.

Es gibt aber auch kategorische Gegner und die sind mitunter sehr einfallsreich in den Ausreden, um die “Stolpersteine” abzulehnen. Unter anderem zählt dazu die Sorge um das Andenken der Verstorbenen, das sinnbildlich “mit Füßen getreten” werde, freilich nur wenn man draufstampft, aber auch eine angebliche Omnipräsenz des “Themas” in der Öffentlichkeit. Tatsächlich ist es so, dass allein in der Augsburger  Innenstadt (besonders aber auch in Pfersee, Steppach oder Kriegshaber), zahlreiche der Stolpersteine denkbar wären.

Seitens des JHVA begrüßen wir die neuerliche Initiative zur Schaffung sog. Stolpersteine in Augsburg:

http://www.stolpersteine-augsburg.de

Nicht weil es in jedem Fall die beste aller Möglichkeiten wäre, um “der Vergangenheit” zu gedenken (das wäre es fast nie), auch nicht, weil wir der Meinung wären, das sog. “Gedenken” an ermorderte Juden zur “Kritik an der Politik des Staates Israel” berechtigen oder gar qualifizieren würde (mag manchem zwar jucken, aber: nein, weder noch), schließlich auch nicht, weil es sinnvoll wäre, eine weit über tausendjährige Geschichte von Juden in der Region auf ein paar Jahre drastischer Verfolgung und Ermordung zu reduzieren (auch das wäre Wunschdenken der übleren Sorte), sondern weil mit dem sonst überall praktizierten Komplettverschweigen rein nichts bewirkt wird und werden kann – wie man überall sieht, wenn man sehen will.

Es ist ja nun auch nicht so, dass es in Augsburg Stolpersteine nicht schon längst geben würde. Es gibt sie. Überall und in großer Zahl. Sie sind niemanden gewidmet, aber sie erinnern daran, dass die Vernachlässigung der nicht unmittelbar kommerziell verwertbaren Umgebung, allgemein verbreitet ist. Anders als jene Gedenktafeln, sind sie wirkliche Stolpersteine, ganz einfach weil Menschen drüber stolpern. Feine Damen mit teueren Schuhen, Rentner, Kinder, Radfahrer. Sie alle tun sich, wie man als Anwohner der Augsburger Innenstadt täglich beobachten kann, mitunter schwer mit den überall vorhandenen Augsburger Stolpersteinen:

Napoleon, so das bekannte Bonmot soll bei seinem Einmarsch in die Stadt im Herbst 1805 beim Anblick der maroden Augsburger Straßen gesagt haben, dass die Stadt eines Fürsten bedürfe, um der weiteren Vernachlässigung zu entgehen. Und das führte sodann auch zur Verschenkung der Augsburger an die Herzöge von Bayern, die nun sogleich Könige werden wollten … und wurden – und vermutlich deshalb warten Stadt und Straßenbau in Augsburg auch zwei Jahrhunderte später noch immer auf die entsprechenden fürstlichen Maßnahmen …

绊脚石

Stolpersteine Augsburg (3)Камни преткновения

Stolpersteine Augsburgשטולפרשטיין

Stolpersteine Augsburg (2)Stolpersteine in der Augsburger City, Februar 2014

Wie dem auch sei, ein paar Namen hier und da könnten die allgemeine Gleichgültigkeit durchbrechen und einen bewussten Umgang mit der eigenen Nachbarschaft, Stadt, Region, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sorgen.

Wir sind den Gedenksteinen an vielen Orten begegnet und haben nirgendwo eine negative Auswirkung registrieren können, ganz im Gegenteil befassten sich gerade durch diesen Anreiz sehr viele Leute mit der Häuser- und Straßengeschichte ihrer Nachbarschaft, während immer wieder Touristen zu beobachten waren, die deshalb einen anderen Fußweg auf ihrer Exkursionen nahmen.

Ganz ohne Zweifel sind die folgenden Beispiele auch optisch ansprechender als die auch auch zwei Jahren reger Bautätigkeit in der Augsburger Innenstadt überreichlich vorhandenen Stolpersteine:

Stolperstein Nördlingen Max Mayer Elsa Mayer Rosa BredigStolpersteine in Nördlingen

Henriette Arnold 1861 Berlin 1944 TheresienstadtStolperstein in Berlin

Stoplersteine Bamberg KohnStolpersteine in Bamberg

Stolpersteine Regensburg Ehrlich NussbaumStolpersteine in Regensburg

stolpersteine dinkelsbuehlvor der ehemaligen Synagoge in Dinkelsbühl

Der Initiator  der “Stolpersteine” Gunter Demnig wurde für seine damals schon bemerkenswerte Engagement bereits im Januar 2005 in seiner Geburtsstadt Berlin mit dem “German Jewish History Award” der Obermayer Foundation ausgezeichnet:

http://www.obermayer.us/award/awardees.htm

Obwohl der Vorsitzende der Stiftung Arthur Obermayer viele und enge Beziehungen nach Augsburg und zu seinen Institutionen hat (seine väterlichen Vorfahren stammen aus Kriegshaber und Pfersee), hat die von ihm ausgezeichnete Initiative in Augsburg bislang keinen Anklang finden können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine (deutsch)

http://en.wikipedia.org/wiki/Stolperstein (englisch)

http://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig

Nachahmende Variationen finden sich übrigens ebenfalls an vielen Orten. In Kaufbeuren z.B. können die Gedenksteine weit größer ausfallen als das eher bescheidene Pflastersteinformat, und in manchen Fällen muss man noch nicht mal tot sein, um auf diese Weise in die Erinnerung gerufen zu werden:

Stolperstein Kaufbeuren

Memoire nomade Namen und Steine Erfurt Domplatz am Dom-Platz von Erfurt reicht es sogar wenn man Angelika, Rock Hudson oder Freddy Mercury heißt


HAP Grieshaber

February 5, 2014

Der als HAP Grieshaber bekannt gewordene Künstler und Grafiker wurde 1909 im oberschwäbischen Rot an der Rot im Landkreis Biberach (heute Baden-Württemberg) geboren. Wie der Name schon sagt, stammen seine väterlichen Vorfahren aus Kriegshaber, das bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auch deutsch häufig als “Grieshaber” geschrieben wurde. Die gängige hebräische Schreibweise des österreichischen “Judendorfes” lautete ohnehin גריסהבר was sich auch in der Abkürzung des Drei-Gemeinden-Bundes פג”ש wiederfindet.

2009 wurde Helmut Andreas Paul Grieshaber seitens der Deutschen Post mit einer Briefmarke geehrt, die seinen berühmten “Feuervogel” zeigte:

HAP Grieshaber Feuervogel 1909 - 1981 Postmarke 2009

Zu HAP Grieshaber:

http://de.wikipedia.org/wiki/HAP_Grieshaber

http://www.freundeskreis-hap-grieshaber.de/

The family name of German artist HAP Grieshaber derives from the older spelling of the name which comes from Gries = Grieß = semolina, the coarse middlings from other varieties of grains, such as wheat, rice, etc. – not from Krieg = war. Haber derives from Hafer = avena, better known as oats – not from old “haber” = “holder”, one who has (haben). Nearby there are a lot of similar names which refer to grains, etc.: Gerst-Hofen / Gerste = barley; Dinkelsbühl and Dinkelscherben / Dinkel = spelt; Emersacker / Emer = emmer wheat; etc.


ehemalige Schwäbische Synagogen

April 4, 2013

Some snap shots of former synagogue buildings in Bavarian part Swabia:

ehemalige Synagoge Oettingen Ries Schwabenformer synagogue of Oettingen

Synagogue Hainsfarth inscriptionHebrew inscription above the entrance doors of former Hainsfarth synagogue

Dinkelsbühl synagogeAt the former synagogue of Dinkelsbuehl

Harburg Synagogeformer synagogue of Harburg (Ries)

Restauration Kriegshaber synagoguerestoration works at former synagogue of Kriegshaber

Judenhof Kleinerdlingen NördlingenAt “Judenhof” in Kleinerdlingen (s. 1972 part of Noerdlingen)


Erinnerung an Jüdische Gemeinden in Bayerisch-Franken

February 28, 2011

Im 1992 eingeweihten „Tal der Gemeinden“ der Jerusalemer Forschungs- und Gedänkstätte „Jad WaSchem“ (Denkmal und Name, engl. Lautung Yad Vashem) wird mit über hunderttausend hebräischen und lateinischen Buchstaben auf 107 Steinwänden den weit über 5000 jüdischen Gemeinden gedacht, die in den Jahren der Nazi-Barbarei zerstört wurden. Jede der Tafeln erwähnt eine Reihe benachbarter, regional gegliederter originaler Ortsnamen in der jeweiligen Landessprache zusammen mit der hebräischen Schreibweise, die freilich, wie beispielsweise im Fall von Fürth (פירדא) nicht immer mit der jahrhundertelang tradierten hebräischen Schreibweise übereinstimmt, und deshalb für weiterführende Studien manchmal nicht hilfreich sein wird.

 

בקעת הקהילות

http://www1.yadvashem.org/exhibitions/valley/home_valley.html 

Adelsdorf (אדלסדורף), Bamberg (באמברג), Burghaslach (בורגהאסלאך), Uehlfeld (אילפלד), Hof (הוף), Scheinfeld (שיינפלד), Uffenheim (אופנהיים), Neustadt a.d. Aisch (נוישטאט),Windsheim (וינדסהיים), Fürth (פירט). Erlangen (ארלאנגן), Dinkelsbühl (דינקלסביל), Nürnberg (נירנברג), Gunzenhausen (גונצנהאוזן), Markt-Berolzheim (מארקט-ברולצהיים), Ansbach (אנסבאך), Treuchtlingen (טרויכטלינגן), Weiden (ויידן) und Cham (קאם).


Die Herkunft der mittelalterlichen Augsburger Juden

August 30, 2010

Über die Bedeutung der jüdischen Gemeinde im mittelalterlichen Augsburg geben nicht zuletzt auch die Orte ab, aus denen Juden in die Reichsstadt zogen. Auch die städtischen Steuerlisten ab dem 14. Jahrhundert geben darüber Zeugnis, dass nicht nur Juden aus den benachbarten Regionen, sondern auch aus fernerliegenden bekannten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit nach Augsburg kamen, um mittels Heirat, als Rabbiner oder als Schüler Bestandteil der schwäbischen Gemeinde zu werden.

Im Einzugsgebiet werden dabei Orte genannt, die heute nicht unbedingt immer auf Anhieb mit mittelalterlichen jüdischen Gemeinden in Verbindung gebracht werden: Dinkelsbühl, Nördlingen, Oettingen, Pappenheim, Regensburg, Harburg, Donauwörth, Neuburg, Ingolstadt, Lauingen, Dillingen, Höchstädt, Wertingen, Schrobenhausen, Aichach, Freising, München, Friedberg, Zusmarshausen, Burgau, Ulm, Biberach, Mindelheim, Memmingen, Landsberg und Mühldorf am Inn.

Aber auch aus Orten und Städten in größerer Entfernung kamen Juden nach Augsburg: Köln, Mainz, Worms, Speyer, Straßburg und das benachbarte elsässische Bischoffsheim, Rothenburg ob der Tauber, Zürich, Nürnberg und das kärntische Millstatt (Muelrestat) .

Freilich ist es nicht im sicher, einzelne Orte sicher zu identifizieren. Beispielsweise gibt es nicht weniger als drei schwäbische Orte mit dem Namen Biberach, einige Neuburgs und da die meisten Schreibweisen noch variabel waren könnte ein Rothenburg auch als Rottenburg gelesen werden und der Ort Werd, den wir nicht zu Unrecht wir als Werd an der Donau deuten, sprich als Donauwörth, könnte aber auch der heute noch so heißende kleine Ort Wörth sein, gleichfalls an der Donau, unweit von Regensburg, aber, da Angaben zum Fluss fehlen vielleicht auch Wörth an der Isar, Wörth am Rhein, Wörth am Main und warum nicht auch Wörth an der Sauer im Elsaß ..? Sicher behaupten lässt sich das ebenso wenig wie die Annahme alle genannten Juden -insofern keine Verwandtschaft plausibel ist – kämen aus einem einzigen Werd.

The origin of the medieval Jews of Augsburg

The significance of the Jewish community in medieval Augsburg, also is explained by the places from which Jews moved to the Imperial City. Also the municipal tax records from 14 Century on provide evidence that Jews not only from the neighboring regions but also from more distant known centers of Jewish scholarship moved to Augsburg to get member of the Swabian Jewish community by marriage as a rabbi or student.

In the catchment area of the Imperial City there are many places, which today are not necessarily always instantly connect to the medieval Jewish communitiest: Dinkelsbuehl, Noerdlingen, Oettingen, Pappenheim, Regensburg (Ratisbon), Harburg, Donauwoerth, Neuburg, Ingolstadt, Lauingen, Dillingen, Hoechstaedt, Wertingen, Schrobenhausen , Aichach, Freising, Munich, Friedberg, Zusmarshausen, Burgau, Ulm, Biberach, Mindelheim, Memmingen, Landsberg and Muehldorf am Inn.

However, even from in towns and cities further away Jews came to Augsburg: Cologne, Mainz (Mayence), Worms, Speyer, Strasbourg and the neighboring Alsatian Bischoffsheim, Rothenburg ob der Tauber, Zurich, Nuremberg and the Carinthian Millstatt (Muelrestat). Of course it is not always safe to identify individual toponyms. For example, there are no fewer than three Swabian places called Biberach, some Neuburgs (new castle) and since most writing still is variable Rothenburg eventually also could be read as Rottenburg and place Werd, which we identify not without reason as Werd at the Danube = Donauwoerth, actually also may be quite another Woerth on the Danube, near Regensburg, but perhaps also Worth on the Isar, Worth on the Rhine, Worth on the Main, and why not Worth on the Sauer in Alsace .. ? We do not know in all cases for sure and there also is no guaranty that all entries actually refer only to one single one of them.


Die Geschichte der Juden in Dinkelsbühl

August 26, 2010

Dinkelsbühl Stadtwappen

Nikolaus Prunslein, bekannt als Nikolaus von Dinkelsbühl (1360 – 1433) war ein katholischer Gelehrter und Prediger und Schüler des Heinrich von Langenstein, dem er nach Wien folgte und dessen Predigten gegen die Juden offensichtlich enormen Eindruck auf ihn machten. Langenstein hatte zunächst angeregt, dass Christen mit Juden nur noch dann Kontakt pflegen sollten, so diese als deren Diener arbeiteten. Andere Beziehungen in denen Christen nicht sichtbar Herren seien, wären hingegen als schädlich abzulehnen. In der Realität kam freilich aber auch das genaue Gegenteil davon vor und Christen waren als Bedienstete von Juden angestellt. Zwar hatte Papst Alexander III im Frühjahr 1179 auf dem dritten Laterankonzil verbieten lassen, dass Juden christliche Knechte haben durften, aber wie das oft zitierte vermeintliche „Zinsverbot“ machte auch dieses Verbot offenbar auf niemanden wirklich Eindruck. Noch hundert Jahre später führte das Stadtbuch der Reichsstadt Augsburg im Jahr 1276 eben dieses Recht selbstverständlich auf und noch um einiges später gestatten weitere Beschlüsse der städtischen Räte den christlichen Knechten der Augsburger Juden straffrei in jüdischen Bädern baden zu dürfen. Dass der Beschluss des Konzils allenfalls halbherzig und oft gar nicht beachtet wurde, war vielen Predigern natürlich ein „Dorn im Auge“ und Anlass weiterer Polemiken.

“Dinkelsbuehl” auf einem Grabstein am Friedhof in Schopfloch

Nikolaus, von seinen Glaubensgenossen damals als „Licht der Schwaben“ verehrt, war zeitweilig Gesandter im Vatikan und Rektor der Universität in Wien. Als Erzieher, Berater und schließlich auch Beichtvater von Albrecht von Habsburg, der im Alter von sieben Jahren bereits Herzog von Österreich wurde, übte er auf den späteren Kaiser Albrecht II. erheblichen Einfluss aus. Dies wirkte sich insbesondere im Verlauf der sog. Wiener Gesira (גזירת וינה ) aus, als auf Befehl des Herzogs die alte jüdische Gemeinde Wiens zerstört wurde. Häuser und sämtlicher Besitz der anderen Juden wurden konfisziert und unter Folter und Misshandlung fand sich zudem noch manches, das „versteckt“ geblieben war.  Auf selbe Weise raubte man den Eltern nun auch alle Kinder unter 15 Jahre, um sie unter Zwang zu taufen. Dies führte zu Protesten bei Papst Martin V. zu dessen Wahlkollegium 1417 auch Nikolaus von Dinkelsbühl gehört hatte. Der Papst verbot daraufhin in seiner Bulle Licet Iudaeorum omnium die weitere Praktik und bedrohte die taufenden Priester mit der Exkommunikation, ohne jedoch die bisherigen Taufen aufzuheben. Dieser sollten sich nun auch die Erwachsenen unterziehen, sicher um als „gute Christen“ andernorts von ihrer Behandlung im Herzogtum nur Gutes zu berichten. Die Appelle an die Juden sich taufen zu lassen, blieben aber meist unerhört, und so zogen alle jene die nicht rechtzeitig fliehen konnten, den Tod dem Christentum vor.

Im Frühjahr des Jahres 1421 wurden auf der „Gänseweide“ etwa 200 jüdische Kinder, Frauen und Männer verbrannt. Auf der zerstörten Synagoge erbauten die Christen ein Gebäude ihrer theologischen Fakultät (die vorherigen Bauten wurden nur mit Mitteln jüdischer Geldgeber errichtet). Die monströse Tat und die damit verbundenen weiteren Hasspredigten der christlichen Geistlichen wirkten weit über Wien hinaus und vergifteten auch die Lage für die Juden in Süddeutschland und in Folge dessen auch in Augsburg, wo im Laufe der folgenden Jahre sämtliche Eigenrechte der alteingesessenen jüdischen Gemeinde annulliert wurden, ehe die Juden 1434 verpflichtet wurden, übergroße gelbe Ringe an ihren Gewändern zu tragen. 1438 wurde der zum Judenhasser erzogene Herzog nun Kaiser und die Augsburger Juden erhielten nur wenige Monate später einen Beschluss des Stadtrates bis 1440 ihre Jahrhunderte alte Heimat zu verlassen. Kaiser Albrecht, der nie gekrönt wurde, starb bereits 1439 an einer bakteriellen Entzündung (Dysenterie), beim Versuch die Türken in Ungarn zu bekämpfen.

Das Ende der mittelalterlichen Judengemeinde ist deshalb in gewisser Weise mit Nikolaus von Dinkelsbühl verbunden.  Seine Heimatstadt würdigt ihn heute mit einer Gedenktafel am Marktplatz.

Im Gegensatz dazu gibt es keine Hinweise in der früheren Reichsstadt darüber, wo die bereits wenigstens ab 1250 bezeugten Juden im damals „dinkepole“ (1236) bezeichneten Ort lebten. Die innere Altstadt entstand etwa hundert Jahre vorher. Von den heute etwa 12.000 Einwohnern der Stadt wohnt nur etwa ein Viertel im Bereich der Altstadt, deren jetzige Ummauerung auf das späte 14. Jahrhundert zurückgeht. Wie zahlreiche andere Orte ist auch Dinkelsbühl als ein Schauplatz genannt, an welchem die jüdische Bevölkerung im Jahre 1298 der berüchtigten Rintfleisch – Verfolgung zum Opfer fiel, freilich auch hier ohne nähere Angaben. Danach müsste es aber wieder Juden in Dinkelsbühl gegeben haben, da 1325 in Augsburg ein Salman von dort erwähnt ist. Während der „Pestjahre“ 1348 / 1349 wurde die neue jüdische Gemeinde dann bereits wieder zerstört, aber auch hier fehlen Details.  Da es stehende Begriffe (!) sind, hält auch kaum jemand eine Prüfung für unerlässlich. 1372 soll es dann wieder Juden am Ort gegeben haben (1389 findet sich ein Koppelin als Gastgeber einer Verhandlung zu der Rabbi Mendel aus Rothenburg anreiste, was darauf hin deutet, dass es damals ggf. auch ein Bet Din in Dinkelsbühl gab) , ehe sich um 1400 die Nachweise für eine feste jüdische Besiedelung verlieren. Wo die Dinkelsbühler Juden in wenigstens 150 Jahren zuvor wohnten und beteten ist dem Vernehmen nach nicht bekannt. Die ursprüngliche Altstadt dürfte sich aber etwa im Bereich der erst 1499 fertiggestellten St. Georgs – Kirche (Vorgängerbauten werden in die Zeit um 1230 datiert) befunden haben. Man vermutet, dass Nikolaus um 1385 hier lehrte, bevor er nach Wien ging. Es wäre vorstellbar, dass sich die Synagoge und die Mikwe in Gewässernähe etwa im Bereich der Spitalgasse befunden haben. Falls es einen jüdischen Friedhof gegeben haben sollte, was möglich ist, käme das Gebiet um das „Kirchhöflein“ in Betracht. Aber das ist zugegeben eine bloße Spekulation, die jedoch die Fragestellung an sich nicht erübrigt.

Zur Zeit des 30jährigen Krieges fanden 1636 zugleich sechs jüdische Familien gegen viel Geld Aufnahme in der Wörnitzstadt, während sie zwischenzeitlich nur als Händler (von wo kommend?) Zugang hatten. Daraus hatte sich wohl eine neue Gemeinde entwickelt, da eine Synagoge und eine Mikwe erwähnt werden. Die „Freizügigkeit“ wurde nach dem Ende des Krieges aber bereits wieder beschnitten und so bleiben bis 1712 (Familie Frommele) nur wenige Juden am Ort.

fun at woernitz river

Erst ab 1861 konnte wie der eine neue jüdische Gemeinde in Dinkelbühl entstehen, die als Ableger der Gemeinde in Schopfloch verstanden wurde und dem Rabbinat Ansbach unterstand. Die erst 1929 selbstständig gewordene Gemeinde hatte sodann auch nur eine kurze Existenz.  Zudem lebten kaum mehr als 50 bis 60 Juden in Dinkelsbühl in den Jahrzehnten bis zum Beginn der Nazi-Tyrannei, als die Kleinstadt ohne Eingemeindungen auch nur rund 5000 Einwohner hatte. Einen eigenen Synagogenbau rechtfertigte dies offenbar nicht, da es sich dem Vernehmen nach jedoch um eine eher traditionell ausgerichtete Landgemeinde handelte, genügte ein Betraum im Wohnhaus des Gemeindevorsitzenden Adolf Hamburger in der Klostergasse 5, die in früheren Zeiten noch Brüdergasse hieß. Dort verdichten sich heute die sichtbar gemachten Erinnerungen an die Juden in Dinkelsbühl. Zum einem gibt es am Eingang des Wohnhauses ein offenbar handbemaltes Hinweisschild, das dort freilich erst im Jahre 2007 auf Initiative von Angelika Brosig aus Schopfloch angebracht wurde.

Vor dem Haus befinden sich seit 2009 nun auch vier der sogenannten „Stolpersteine“, von denen es seit den 1990er Jahren über 20.000 in ganz Europa gibt. Es handelt sich dabei um keine Steine im Wortsinne, sondern um beschriftete Messingplatten auf kleinen Betonwürfeln (Pflaster), die in den Boden eingelassen, nicht herausragen und somit auch keine physische Möglichkeit des Stolperns bieten, von einer etwaigen Rutschgefahr bei Nässe vielleicht mal abgesehen. Die Konzeption geht auf den deutschen Künstler Gunter Demnig zurück, der zuvor bereits „Duftmarken“ und „Blutspuren“ von Kassel nach Paris oder London thematisierte, ehe er mittels der „Stolpersteine“ in ganz Europa den sechs Millionen ermordeter Juden möglichst an ihren Wohnorten gedenken wollte.  2005 wurde er für dieses Projekt in Berlin mit dem „German Jewish History Award“ der Obermayer Foundation ausgezeichnet.  Für viele Angehörige, so ist in der Laudatio zu lesen, sei dies der einzige Ort, um ihren Vorfahren zu gedenken, aber auch Schulen und Hausgemeinschaften beteiligen sich an den zahlreichen regionalen Einzelprojekten in vielen, meist deutschen Städten. Die Herstellung der einzelnen „Steine“ für die man als Pate 95 Euro bezahlen soll, übernimmt der Künstler selbst. Kritiker bemängeln, dass die „Stolpersteine“ geradezu selbstredend dazu herausforderten auf den Namen der ermordeten Juden “herumzutreten”. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch, selbst Tochter einer Konvertitin (und noch bis November im Amt) bezeichnete dies als „unerträglich“, während viele Städte es seitdem etwas leichter haben, sich mit ihrer Ablehnung hinter Knobloch zu verstecken, wenngleich ihre Haltung nicht repräsentativ für den Zentralrat ist.

Abgesehen davon, dass es für jeden Menschen einen Erinnerungsort gibt, der sowohl fest als auch beweglich ist – das Gehirn nämlich – so verfügt unsere Tradition neben Friedhöfen über eine Reihe von Einrichtungen wie die Jahrzeit (Yorzeit, Yahrzeit) am Todestag (יאָרצײַט – אזכרה) mit dem ehrenvollen gemeinsamen Kaddisch eines Minjan für den Verstorbenen, seit geraumer Zeit auch gerne opernhaft vorgetragene El Male Rachamim – Gesänge und dergleichen mehr. Es ist natürlich auch gar nicht verkehrt, die Namen der Menschen in Erinnerung zu behalten, jedoch was nutzen Stolpersteine über die man dann noch nicht mal wirklich stolpern kann?  Wie wäre es im Sinne des Warhol‘schen Bedürfnis, möglichst jedem Menschen ein Denkmal zu setzen und ihn zum Star zu machen, wenn man der betreffenden Person, bzw. seine auf Namen und Daten reduzierte, vielleicht noch mit dem Deportationsort garnierten “Identität”, zumindest auf Augenhöhe begegnen könnte. Das würde einen anderen Blick ermöglichen, denn wer Angst hat zu stolpern, verkrampft oder hält sich fest.

Die Dinkelsbühler Stolpersteine nun sind Moritz, Adolf, Martha und Klaire Hamburger gewidmet. Dass Adolf Hamburger nicht nur Opfer der Nazis sondern Vorsitzender der Gemeinde war, ist nicht erwähnt, da es offenbar genügt, sich daran zu erinnern, dass er nach Gurs deportiert und im Lager ermordet wurde.

There is an old history of Jews in the former Imperial City of Dinkelsbuehl in the Franconian district of Ansbach (Bavaria). Time and again Jews at least from 1250 settled a few years or decades until they were expelled or murdered. The last time so far it occured in 1938 and ever since that time there is no new Jewish community in Dinkelsbuehl, hometown of Nikolaus of Dinkelsbuehl the Christian preacher, father confessor and tutor of Emperor Albrecht Habsburg whose anti-Jewish sermons encouraged to wipe out the medieval Vienna Community in 1421 and paved the way to the expulsion of the Jews from Augsburg in 1438 / 1440.

Since 2009 there are “stumbling blocks”, small paving stones covered with a brass (or German: “messing” …) plate with name and data of murdered Jews in the Nazi time, while there is no memory of the much longer medieval history of the Jews.


At the Jewish cemetery of Schopfloch

August 23, 2010

Judenfriedhof 1612 schopfloch Jewish cemetery

Older grave marker at the Jewish cemetery of Schopfloch in the Franconian Ansbach district. In the foreground is the Hebrew memorial for Meir bar Abraham dating 1698, one of the oldest tombstones we took notice of at our much too short visit at the cemetery.

In front the head stone of Josef the son of Shlomo (Salomon) Michlbach or Michelbach, who died in 1793

Head stone of Shendl the daughter of the martyr (hakadosh) Izchak. She died during passover in 1715.

Alte hebräische Grabsteine am jüdischen Friedhof in Schopfloch im Distrikt Ansbach.


Der jüdische Friedhof von Schopfloch

August 22, 2010

Juedischer Friedhof Schopfloch

Der mittelfränkische Markt Schopfloch bei Ansbach ist auch heute noch ein recht kleiner Ort mit rund 2900 Einwohnern,  der an der Romantischen Straße zwischen Feuchtwangen und Dinkelsbühl liegt. Die dokumentierte Geschichte des Ortes reicht zwar bis ins Jahr 1260 zurück, die der Juden nur wenig später ins 14. Jahrhundert. Andere Quellen nennen den Beginn des 16. Jahrhunderts und den Wegzug der Juden aus Nördlingen. Da der Ort später zwischen den regionalen Herrschaften geteilt war, gab es lange zwei jüdische Gemeinden, eine im Bereich des Markgrafen von Ansbach, die andere gehörte in das Gebiet von Oettingen-Wallerstein.  Wegen dieser Teilung hielt sich wohl auch vielleicht der „Lachudisch“ (Lachoudisch) genannte Jargon als Variation der jüdischen Sprache, von den einen westjiddisch, von den anderen „Schopflocher Geheimsprache“ genannt.

Wie auch immer betrug um 1810 der jüdische Anteil der rund tausendköpfigen vereinten Bevölkerung Schopflochs etwas mehr als ein Viertel , nahm aber im Laufe des 19. Jahrhunderts deutlich ab. 1910 leben noch etwa 70 Juden im Ort, die sich 1925 mit den Juden von Dinkelsbühl zu einer gemeinsamen Gemeinde verbinden. Im Jahre 1938 endet die jüdische Geschichte auch an diesem Ort mit der Verfolgung der Einwohner durch die örtlichen Nazis.

Der jüdische Friedhof von Schopfloch wird zumindest auf das Jahr 1612 datiert. Er erstreckt sich nach mehrfachen Erweiterungen im Nordosten von Schopfloch auf halben Weg ins heute eingemeindete Deuenbach und hat eine Fläche von rund 1.3 Hektar. Der Friedhof diente in der Vergangenheit auch Juden aus benachbarten Gemeinden als Begräbnisort: Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Mönchsroth, Crailsheim, … Auf dem Friedhof befinden sich noch etwa 1200 Grabsteine, wovon jedoch nur etwa ein Viertel der Steine aus der Zeit von etwa 1850 bis 1937 erfasst wurden, so diese teilweise oder gänzlich deutsche Inschriften haben. Von den meist älteren, ausschließlich hebräischen Grabsteinen sind hingegen offenbar nur ganz wenige erfasst worden, was sehr bedauerlich ist, da nicht wenige von ihnen sich in einem desolaten Zustand befinden, abbröckeln, verwittern oder schimmeln, und weitere Informationen zur Orts- und Regionalgeschichte so nun unwiederbringlich verloren gehen, während eine Reihe weiterer Steine am nordwestlichen Abhang durch die sich aufstauende Feuchtigkeit förmlich versumpfen.

Im Gegensatz dazu gibt es seit geraumer Zeit am Schopflocher Friedhof Frau Angelika Brosig, die sich dem Verfall entgegenstellt und ein vorbildliches Patenschaftprojekt ins Leben gerufen hat, das sich dafür einsetzt, durch die Gelder einzelner Sponsoren und privater Spender für relativ wenig Geld, einige der Grabsteine im neueren Teil des Friedhof restaurieren zu lassen. Eine Aufgabe, die in früheren Zeiten zu den heiligen Pflichten einer jeden jüdischen Gemeinde gehörte. Eine solche gibt es in Schopfloch freilich nicht mehr. Dies heißt jedoch nicht, dass das bemerkenswerte Engagement unbemerkt und ohne die verdiente Anerkennung geblieben wäre. Der von der Obermayer Foundation alljährlich verliehene „German Jewish History Award“ für  nichtjüdische Deutsche, die sich um den Erhalt jüdischen Erbes in Deutschland verdient machten würdigte im Januar 2010 deshalb auch die aus Ansbach stammende Angelika Brosig für ihr Projekt: „ … hat dafür gesorgt, dass die jüdische Vergangenheit dieses Teils von Deutschland weder bei den Einwohnern der Region noch bei den noch lebenden Nachfahren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Vergessenheit gerät.“

Schön restaurieter Grabstein der Berta (Bela) Schlossberger, Frau des Secharja aus Dinkelsbuehl.

Ausführlich beschrieben ist das Patenschaftsprojekt auch mit Abbildungen restaurierter Grabsteine (vorher / nachher) auf der Webseite: www.juden-in-schopfloch.de

Die Liste der jüngeren Gräber am westlichen Haupteingang findet sich hier: http://www.alemannia-judaica.de/images/Schopfloch%20CEM/SCHOPFLOCH-CEMETERY-GRAVELIST.pdf

Schopfloch is a small town of less than 3000 inhabitants in the Middle Franconian district of Ansbach (30 km south of Rothenburg and only 6 km north of Dinkelsbuehl), Schopfloch has a long Jewish past and an old Jewish cemetery with some 1200 left grave markers. Many of the older grave markers are in quite poor condition, with crumbling inscriptions or threatened by the damming moisture running off from an uneven compound, so that several head stones at the Jewish cemetery literally become marshy, since there is no drain. Angelika Brosig a Schopfloch resident from Ansbach for many years is engaged to rescue and restore as many grave markers as possible and initiated a sponsorship campaign.

With surprisingly few money grave markers may be restored in order to fulfill the commitment of remembrance.  Usually that will be the obligation to the relatives and the local community, but in Schopfloch there is no Jewish community since 1938.