Zwar ist davon auszugehen, dass bereits die mittelalterlichen Juden in Ingolstadt neben einer Synagoge auch eine ortsnahe Begräbnisstädte hatten (wozu damals das rund 85 km entfernte Regensburg sicher nicht zu zählen ist). Freilich ist nichts über einen mittelalterlichen Judenfriedhof in Ingolstadt bekannt. Wenn es einen gab – und wer kann dies sicher ausschließen – dann müsste er sich in relativer Nähe zur damaligen Altstadt befunden haben.
Der heute noch bestehende jüdische („israelitische“), freilich seit Jahrzehnten nicht mehr benutzte Friedhof wurde 1890 von der Gemeinde abseits des städtischen Friedhofs erworben, ist von diesem inzwischen aber „nahtlos“ umgeben. Er befindet sich nunmehr etwa am südlichen Ende des Mittelteils des Westfriedhofs, unweit des äußeren Mühlweg.
Bei unserer Besichtigung wurden gerade Gerüste für die anstehende Restaurierung des ehemaligen Tahara-Hauses angeliefert und aufgebaut. Am Restaurationsbedarf des offenbar schon lange leer stehenden Hauses indes besteht kein Zweifel, ist doch teilweise die Decke eingebrochen, während von außen Pflanzen durch beschädigte Fenster alte Gardinen durchdringen. Unter den vielen leeren Flaschen befanden sich auch recht alte Exemplare, die auf die vielleicht letzte Party im Haus schließen lassen, so etwa ein „1967er Weißherbst“ …
Am Friedhof befinden sich neben einem in Nähe der Nordmauer stehenden Ehrenmal exakt 51 Grabsteine, gegliedert in drei Reihen und einer weiteren mit einem Stein begonnenen, nicht mehr weitergeführten vierten Reihe. In unserem Plan sind die Reihen der Übersichtlichkeit halber mit Buchstaben versehen und die Gräber von rechts nach links, bzw. von Nord nach Süd nummeriert. Die dünne Säule „a 1“ im Plan in der nordwestlichen Ecke kennzeichnet freilich auch tatsächlich das älteste Grab am Friedhof und gehört zu Elsa Schuelein (1888 – 1891). Diese erste Reihe wurde offensichtlich sodann für Kinder reserviert. Neben ihr, also „a 2“ liegt Otto Gutmann (1873 – 1884, insofern richtig gelesen). Als drittes folgte mit Adele (1895 – 1898) offenbar ein weiteres Kind von Moritz und Rosa Suess Schuelein. Als viertes folgt Martin Hess, der nur vom 20. Januar 1904 bis zum 8. Januar 1905 lebte und der hebräischen Inschrift gemäß Meir bar Jona hieß und aus Pfaffenhofen stammte. Neben ihm ruht Lilly Halberstadt (1898 – 1906), die ebenfalls nur acht Jahre alt wurde. Und trauriger weise am Tag vor dem Laubhüttenfest verstarb. Als sechstes in der Reihe folgt gemäß der herausgelösten, verschmutzten und kaum lesbaren Platte Ludwig Kuhn, vermutlich verstorben am 27. 2. 1906, dann der „Sohn des Herrn Maier Schloss“: Albrecht (bar Meir) Schloss, geb. 21. Juni 1921, gest. 26. April 1929 (?). Als achter Stein folgte in der Reihe die völlig mit Moos überwachsene Grabplatte des Ernst Lauchheimer, die erst freigerubbelt werden mussten – wofür der Autor dieser Zeilen bereitwillig die Kuppen seiner Mittelfinger aufs Spiel setzte – woraus sich ergab, dass Ernst wohl im August 1926 geboren bereits im März 1938 verstarb, demnach also ohne Bar Mitzwa zu werden. Auf dem Grabstein befindet sich auch eine Widmung „Zum Gedenken an Gertrud Lauchheimer“ die nach externen Informationen am 21. Mai 1920 geboren wurde und in Auschwitz umkam. Vermutlich war sie die Schwester von Ernst. Ein letzte neunter Stein in dieser ersten Reihe hat eine ausschließlich hebräische Inschrift, die zwar gut erhalten ist, aber leider etwas gegen die Mittagssonne fotografiert wurde und folglich erst mittels Fotosoftware lesbarer gemacht werden muss.
Reihe / Nummer | Name | Geburtsdatum | Todesdatum |
A 1 | Elsa Schülein |
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1890 |
A 2 | Otto Gutmann |
1873 |
1884 |
A 3 | Adele Schülein |
1895 |
1896 |
A 4 | Martin HessMeir bar Jona Pfaffenhofen |
1904 |
1905 |
A 5 | Lilly Halberstadt |
1898 |
1906 |
A 6 | Ludwig Kuhn |
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A 7 | Albrecht (bar Meir) SchlossKind d Maier Schloss |
1928 |
1930 |
A 8 | Ernst LauchheimerZum Gedenken an
Getrud Lauchheimer |
1926
1920 |
1938
194. |
A 9 | ? |
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Reihe / Nummer | Name | Geburtsdatum | Todesdatum |
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B 1 | Naftali (bar Ascher Zwi) Tag |
20.04.1850 |
17.04.1892 |
B 2 | Daniel Steinharter |
21.11.1839 |
04.09.1892 |
B 3 | Fanny Mannheimer, geb. Gift |
19.11.1844 |
16.06.1897 |
B 4 | Ferdinand Schweizer
(Natan ben Gerschom) |
12.02.1847 |
07.01.1897 |
B 5 | Johanna Dannheißer,
geb. Ettlinger |
20.04.1860 |
20.01.1903 |
B 6 | Eugenie Kochaus Offenbach |
10.10.1876 |
03.05.1905 |
B 7 |
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1898 (?) |
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B 8 | Mina Oppenheimer, geb. Hirschfelder
aus Bettens … / Hohenzollern |
1837 |
25.02.1914 |
B 9 | „Halberstadt“ |
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B 10 | ? |
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B 11aB 11b | Rosa Prölsdörfer, geb. Kohn
Simon Prölsdörfer (Schimon ben Henoch) Fräulein Berta Prölsdörfer |
13.01.1862 10.07.1859
03.02.1890 |
22.09.1916 16.09.1926
Konzentrationslager |
B 12 | … Heil (?) |
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B 13 | Beer Rosenberg Krieger |
1884 |
1917 |
B 14 | Julius Gutmann |
21.05.1859 |
31.08.1917 |
B 15 | Helene Kohn, geb. Sternglanz |
20.03.1870 |
09.11.1917 |
B 16 |
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B 17 |
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B 18 |
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B 19 |
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B 20 |
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B 21 |
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Reihe / Nummer | Name | Geburtsdatum | Todesdatum |
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C 1 |
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C 2 | Rosa Rietschel, geb. Binder |
07.07.1882 |
12.08.1949 |
C 3 | Jenny Schloss, g. Wollenreich
aus Windsheim (Schela bat Schlomo) (eschet Mair Schloss) |
01.05.1899 |
09.07.1921 |
C 4 |
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C 5 |
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C 6 |
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C 7 | Markus Mollerich |
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1925 |
C 8 |
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C 9 | Arno Friedmann |
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1934 |
C 10 | Jakob Holzer |
19.10.1838 |
05.07.1925 |
C 11 | … Hammelbach |
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C 12 |
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C 13 | Willy Schimmel (?) |
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C 14 | Marie Weinmann,
geb. Mohr (Mirjam bat Jehuda) |
28.04.1888 |
02.07.1935 |
C 15 | Nathan Gutmann
Zum Gedächtnis an Julie Gutmann-Gunz Meta Leiter-Gutmann Jakob Leiter Hans Leiter die den Tod in Konzentrationslagern fanden |
10.06.1858
1865 1888 1893 1923 |
25.09.1930
1943 1944 1944 1943
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C 16 | „Die dankbare Kultusgemeinde ihren i Weltkriege Gefallenen
Adolf Kuhn Ernst Halberstadt gewidmet“ |
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C 17 | Frieda Kuhn |
04.09.1872 |
27.03.1935 |
C 18 | Alfred Kuhn
(Aharon ben Ascher Ha-Kohen) |
25.09.1860 |
14.03.1930 |
C 19 | (Frau) … Leopold |
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C 20 | Bernhard Samuel
(Ischschachar ben …) Peppi (?) Samuel |
1868 (?) |
1917 |
C 21 | ? |
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Eine Reihe etwas älterer kleiner Sandsteine sind von Schimmel befallen und teilweise mit Efeu überwachsen und deshalb nicht ohne weiteres identifizierbar. Hinzu kommen einige Grabsteine, die wegen des Gegenlichts der Mittagssonne nicht besser abzulichten waren.
Insgesamt dauerte unser Aufenthalt auf dem Friedhof auch nur ca. 50 Minuten, vielleicht waren es auch 52 …
Möglicherweise existiert in Ingolstadt oder anderswo eine ältere Grabliste, mittels welcher die noch fehlenden Information erschlossen werden können.
Grabstein des Jakob Holzer. Das Schofar-Horn könnte darauf hinweisen, dass er Lehrer und/oder Vorbeter war.
Еврейское кладбище в Ингольштадте.
Register of grave markers at Ingolstadt Jewish Cemetery, established in 1890. It is now a walled-in part of the “Westfriedhof” of (Christian) Ingolstadt, in the southern middle part near outside street Muehlweg. In order to visit it, you usually should ask at the administration. The cemetery has 51 grave markers and two additional memorial plates for two Jewish World War One soldiers and the Ingolstadt Jews killed during the Nazi rule. The old Tahara house which obviously was unused quite a while, right now is going to be restored. Inside the house there was an empty wine bottle dating 1967.
בית הקברות היהודי של אינגולשטדט. בבית הקברות יש מצבות 51 ו 2 צלחות זיכרון
Cimetière juif d’Ingolstadt avec 51 pierres tombales et 2 plaques commémoratives.
Sehr geehrte Damen und Herren,
hätten Sie vielleicht ein Foto vom Grab von Daniel Steinharter (B2)? Und haben Sie vielleicht Spuren von einem Siegfried Steinharter gefunden, der am 19. Januar 1881 mit nur elf Monaten starb?
Renate Regnet
Sehr geehrte Herren:
Sehr Interesant und Ausführlich der Artikel über der Tahara des Jüdischen Friedhofes Ingolstadt. Es fehlen aber die Daten meines Grossvaters Markus Möllerich liegt dort auf C7 und zwar diese waren :
Geb. 29.Febr.1860
gest.18.Jan. 1925
Ich weis diese Daten weil ich zur Einweihung der Photo Ausstellung Ingolstädter Gesichter im Jahre 2000 vom Bürgermeister Peter Schnell, eingeladen wurde.
Viele Grüsse
Enrique Bertoldo KAHN
Und wieder diese seltsame Mischung liebevoller Zerstörungspflege durch romantische (Efeu)Pflanzenwahl!