JUDEN in AICHACH

July 3, 2022

Es sprich viel dafür, dass es in Aichach im 14. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde gab. Zwei oder drei Personen sind namentlich bekannt, nach ihnen ist davon die Rede, dass in einem Jahr 5 Aichacher Juden nach Augsburg gebracht wurden, um dort am „Judenkirchhof“ vergraben zu werden. Die logischen Zusammenhänge ergeben wenigstens einen Zeitraum von 50 Jahren, in welchem es eine wie auch immer geartete jüdische Gemeinschaft in Aichach gegeben haben wird.

Spielstein mit Bar Kochba- Stern im Aichacher Stadt-Museum

 

Aichach gehört, obwohl östlich des Lechs, seit rund 40 Jahren zu Bayerisch-Schwaben. Im Mittelalter war Aichach (der Name bedeutet wörtlich „Eichenbach“ und hat daher eine Eiche im Wappen) bayerisch. Aus seiner Umgebung entstand das Herrscherhaus Wittelsbach, als die Grafen von Scheyern Anfang des 12. Jahrhunderts das Wittelsbacher Schloss gründeten. Auf der Anhöhe von Oberwittelsbach, das heute ebenso wie Unterwittelsbach zur Stadt Aichach gehört, finden sich spärliche Reste einer älteren Burg, die allerdings etwas jünger sein dürften.

Zu den bedeutenden Wittelsbacher Herrschern, die Bayern bis 1918 regierten, gehörte „Ludwig der Bayer“, der bis 1348 römischer Kaiser war. Kaiser Ludwig hatte bekanntlich viele Kontakte zur jüdischen Gemeinde im benachbarten Augsburg. Immer wieder benötigte er Geld für Feldzüge oder zur Finanzierung des Hofstaates und lieh sich daher beträchtliche Geldsummen von den Vertretern des Augsburger Judentums. Zu diesem Zweck gab der Wittelsbacher Kaiser München sogar seine Residenz als Pfand.

Mittelalterliche Augsburger Aufzeichnungen nennen Isaak von Aichach, der 136 bis 1369 als Steuerzahler vermerkt ist, einige Jahre später nennt dieselbe Quelle Moses von Aichach im Zeitrahmen 1377 – 1382. Die beiden können verwandt sein, müssen es aber nicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass andere in Augsburg erwähnte Juden nicht auch aus Aichach stammten konnten, und es bedeutet auch nicht, dass alle Juden aus Aichach in Steuerakten oder Gemeindeurkunden genannt wurden. Allerdings deutet darauf hin, dass zumindest in dieser Zeit Juden aus Aichach in Augsburg lebten. Das Wittelsbacher Schloss wurde angeblich bereits 1209 zerstört – archäologische Forschungen haben keine Beweise – Aichach war jedoch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis 1384 auch Sitz des Deutschordens. Der offizielle Name lautet „Orden der Brüder des Deutschen Hauses St. Marien in Jerusalem“ (lat.: Ordo domus Sanctæ Mariæ Theutonicorum Hierosolymitanorum), was natürlich die Kreuzzugsgeschichte des Ordens unterstreicht. Offensichtlich waren die Juden in Aichach in gewisser Weise mit dem Orden verbunden. Vielleicht erklärten sie ihnen den Weg nach Jerusalem oder wie man einen Seder hält. Wir wissen nicht.

Etwa zur selben Zeit, um 138 ist in Ulm der Nürnberger Bürger Isak von Aichach notiert, dessen Tochter Henlin (wohl von Hanna/Chana) in Ulm mit Viflin, dem Sohn des Säcklin (von Zacharias/Secharja) verheiratet war. Der Brautvater Isak von Aichach wird nur im Zusammenhang mit einem (einzigen?) Geldgeschäft überliefert.

Kühbacher Bier

Intermezzo: Dem Verfasser dieser Zeilen wird damit klar, dass er, als er im Jahr 2003 einen rasch getilgten Kredit aufnahm, sich als Jude wohl sogleich auch seinen Platz in den lokalen Geschichtsbüchern gesichert haben dürfte. Das wesentliche ist damit ja nun wohl gesagt, der Rest nur bloße Zierrat.

Wie dem auch sei, kann es wohl sein, dass der Nürnberger Isaak von Aichach mit dem Augsburger Isaak von Aichach übereinstimmt. Wissen tun wir es nicht. Das trifft auch für die Vermutung zu, dass Moses von Aichach der Sohn des Isaak von Aichach gewesen sein könnte, Henlin in Ulm war vielleicht seine Schwester. Die Namensgleichheit spricht dafür, ansonsten nichts, aber auch weiter nichts dagegen. Isaak der in Augsburg bis 1369 registriert ist, könnte dann nach Nürnberg übergesiedelt sein, und nach 1877 heiratet dann Henlein, die Tochter des Isaak aus Aichach in Nürnberg ihren Viflin.

Was wir wissen, ist, dass beide Aichacher Juden, Isaak und Moses die insgesamt zwischen 1363 bis 1382 in Augsburg aktenkundig sind, mit Getreidehandel zu tun hatten. Das könnte dann auch mit Bierbrauen zu tun haben, einer Kunst, die talmudische Juden nach Mitteleuropa brachten.

Auch wenn nun nur 2 Juden in Aichach namentlich überliefert sind (oder: 3, falls es etwa zeitgleich 2 Männer namens Isaak aus Aichach gab), ist es doch offensichtlich, dass es eine jüdische Ansiedlung in Aichach gegeben haben muss.

Für das Jahr 1389 nämlich sind immerhin 5 Juden aus Aichach notiert, für die ein Wegzoll nach Augsburg beglichen werden musste, damit sie auf dem mittelalterlichen Augsburger Friedhof bestattet werden konnten, der damals „Judenkirchhof“ genannt wurde. Wenn es nicht gerade ein Massaker oder eine lokale Seuche war, spricht das unter normalen Umständen schon dafür, dass es eine beachtliche Gemeinde gegeben haben wird.

In Augsburg, wo heute etwa 1700 Juden leben sterben pro Jahr etwa 15 – 25 Personen. Das lässt sich sicher nicht übertragen auf Umstände im 14. Jahrhundert, wo wir (wenigstens: phasenweise) mit einer deutlich höheren Sterberate rechnen können, aber es zeigt doch eine gewisse erwartbare Größenordnung an, denn bei 50 Personen am Ort wären 5 Tote ja schon sehr gravierend.

Ilse Koch – Wikipedia (wikipedia)

Heute ist Aichach in der Region vor allem durch das Kennzeichenkürzel „AIC“ und durch das einzige Frauengefängnis Bayerns mit rund 440 Insassen bekannt, das 1908 eingerichtet wurde. Unter den Insassen des Gefängnisses war auch Ilse Koch, geb. 1906-1967) Ehefrau von Karl Koch, der nach seiner Einführung des KZ-Systems, im besetzten Norwegen Kommandant der Konzentrationslager Buchenwald und Majdanek (1941-43) … Ihr Mann wurde wegen seiner Verbrechen zum Tode verurteilt. Ilse Koch „die Bestie von Buchenwald“ beging 1967 im Aichacher Frauengefängnis (1909 das erste seiner Art in Bayern) Suizid.