
Babenhausen, Kreis Unterallgäu
Das schwäbische Örtchen Babenhausen befindet sich c. 20 km nördlich von Memmingen. Nach Ulm sind es 40 und nach Augsburg schon 65 km. Mit letzterem verbindet Babenhausen die Familie der Fugger, die hier lange Zeit ihren Sitz hatten. Kaum bekannt ist, dass es sich in unmittelbarer Nähe zu Schloss, Marktplatz und Rathaus auch eine jüdische Ansiedlung gab, wovon der heute noch erhaltene Name „Judengasse“ zeugt. Über diese ist freilich vor Ort so wenig bekannt, dass allgemein gerätselt wird, wie es zur Namensgebung gekommen sein mag. Eine gängige Erklärung die unter den Einwohnern des 5000-Seelen Ortes kursiert, lautet dann auch so, dass es Juden zeitweilig erlaubt wurde, in den Ort zu kommen und dort Handel zu treiben, wobei sie „natürlich viele Privilegien gehabt” hätten. Wann das gewesen sein soll? „Sicher vor 1933“. Vor ein paar Jahren habe da mal “jemand” für den Heimatverein was drüber geschrieben. Da sich nichts anderes dazu im Internet findet, könnte das Dieter Spindler gewesen sein:
“Warum gibt es in Babenhausen eine Judengasse, Versuch einer Erklärung“, in: Heimat-Magazin Krumbach, 1997/3, S. 10-12
Zwei Seiten also als Erklärungsversuch, der freilich nirgendwo zitiert wird und auch nicht zugänglich war, da die Bücherei im ehemaligen Mesnerhaus beim Fugger-Schloss auch Dienstags geschlossen hat.

Don’t confuse Hessian Babenhausen with Swabian Babenhausen or nearby Bebenhausen
Abgesehen davon, dass es knapp 3 km nördlich von Babenhausen bereits ein Örtchen namens Bebenhausen (heute ein Teil von Kettershausen) gibt, existiert auch noch ein weiteres Babenhausen in Hessen, 15 km westlichen von Aschaffenburg, über dessen jüdische Vergangenheit ungleich mehr bekannt ist und weniger spekuliert werden muss. Dass in Aschaffenburg bereits im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts genannte Juden „von Babenhausen“ sich auf den benachbarten Ort beziehen und nicht auf den schwäbischen, ist zwar plausibel. Einen Zusammenhang mit dem Ort bei Memmingen schließt es nicht trotzdem nicht kategorisch aus, finden sich in selber Zeit ja auch Juden aus Orten die weiter als 300 km entfernt lagen, beispielswiese Juden aus Köln oder Zürich im mittelalterlichen Augsburg. Die jüdische Gemeinde im hessischen Babenhausen existierte noch bis in die 1930er Jahre hinein. Noch 1997 gab es einen Brandanschlag auf einen einzelnen in Babenhausen wohnenden Juden. Da es nun aber in beiden Orten eine Judengasse gab, ist es schwierig Referenzen auf „Juden in Babenhausen“ zu finden, die sich zweifelsfrei auf den schwäbischen Ort באבנהאוזן beziehen. Antworten findet man aber bekanntlich nur, wo man Fragen stellt. Als Kurzbesucher kann man auch kaum mehr als das tun, aber immerhin.

Blick von der Judengasse in Babenhausen zum Fugger-Schloss

Blick vom Fugger-Schloss Babenhausen in die Judengasse
Ausschließen können wir freilich, dass die Gasse am Fuße des mächtigen Fugger-Schlosses nach den Juden bei Aschaffenburg benannt wurde. Dass die Gasse tatsächlich so benannt wurde, weil hier nur zeitweilig Juden als Händler auftraten, ist abwegig und widerspricht jeder Erfahrung. Überall sonst, wo es einen solchen Straßennamen gibt, besagt „Judengasse“ auch nichts anderes als eben die feste und anhaltende Präsenz einer jüdischen Gemeinde – in der Gasse und mehr oder minder drum herum. In Augsburg hielt sich der mittelalterlich bezeugte Name Judengasse immerhin bis 1825, also fast vier Jahrhunderte nachdem die Juden die dortige Ansiedlung aufgaben, während es den „Judenberg“ namentlich immer noch gibt. Warum sollte das also ausgerechnet im schwäbischen Babenhausen anders sein, wo es doch auch in unmittelbarer Umgebung einige Orte mit jüdischen Siedlungen gab, wie etwa in Osterberg, Altenstadt, Illereichen, Hürben, Memmingen, Dietenheim, usw.

Babenhausen (Schwaben) Wappen mit modifizierten Stern
1337 hatte Babenhausen, dessen Wappen ein von drei Hämmern umgebener sechszackiger Judenstern ziert, von Kaiser Ludwig dem Bayern das Stadtrecht erhalten. Der Name könnte auf diese Zeit ebenso zurückgehen wie auf eine zeitweilige im 16. Jahrhundert als es auch längst vergessene jüdische Siedlungen in Orten wie Irmatshofen, Immelstetten, Neufnach gab. Schon die Ortsnamen sind nicht gerade allgemein geläufig, manche Ortschaften auch in anderen aufgegangen.

not alone the Jewish past is being neglected in Babenhausen




Interessanter Weise endet die Judengasse in Babenhausen abrupt an der selben Stellen wie der heute von Süden kommende Mühlbach, der nun unter der Stadtgasse umgeleitet, 70 m westlich davon die Hirtengasse fortsetzt. Das aber hat sicher etwas mit der Tiefgarage der Bank zu tun, was uns nicht zu kümmern braucht. Eine jüdische Gemeinde bedurfte auch am Fuße des Fugger-Schlosses einer Tauche oder Mikwe und der dafür erforderliche Wasserlauf war mit dem Mühlbach direkt vorhanden. Wir den Schilderungen der Anwohner zu entnehmen ist, wurden im Bereich der Judengasse in den letzten Jahren eine Reihe alter Gebäude abgerissen, weshalb es nicht einfacher geworden ist, anhand der aktuellen Bausubstanz über die Infrastruktur der früheren jüdischen Gemeinde zu urteilen, zumal wir auch nicht wissen, wann sie bestanden haben mag.

altes Gebäude in Babenhausens Judengasse, vorne die Einfahrt zur Tiefgarage der Bank

Bemerkenswert ist heute noch der prächtige Hotelgasthof Sailer und am Aufstieg zum Schloss der kleine „ehemalige Polizeigarten“. Auf der Südseite der Judengasse befindet sich an der parallelen Straße das Geschäftshaus Stadtgasse 6 (Denkmalschutznummer D-7-78-115-20), das auf die Zeit um 1890 datiert wird. Im Dachgiebel des Hause befindet sich ein markantes Fenster in Form eines sechszackigen David- oder Judensterns, was auf der Rückseite der Judengasse wohl kaum zufälliger sein kann, als über die Straße die Stadtmühle am Mühlbach.



Details der Fassade: David-Stern, David?
