Etwa acht Meter östlich vom alten Friedhofswärterhaus am jüdischen Friedhof Kriegshaber befindet sich ein Grabplatz, der bis in die 1990er Jahre mit einem hölzernen Grabmal versehen war. Dieses wurde im Frühsommer des Jahres 1927 von Theo Harburger fotografiert und aufgezeichnet. Die hölzerne Platte wurde mit einer Art Vitrine umgeben, um die Tafel vor der Witterung zu schützen. Gemäß einer Bemerkung in seinem unveröffentlicht gebliebenen Abhandlung über die „Geschichte der Juden in Kriegshaber“ (sein Nachlass befindet sich im Augsburger Stadtarchiv) aus dem Jahre 1934, soll dies auf Veranlassung des Heimatforschers Luis Dürrwanger (1878-1959) geschehen sein. Da das Schriftstück jedoch auch in der Nachkriegszeit noch mehrmals überarbeitet wurde, muss sich die Information nicht zwangsläufig auf die Jahreszahl 1935 beziehen. Erinnerungen aus den Reihen der früheren Friedhofswärter-Familie Felber jedenfalls verbürgen, dass die Grabplatte zumindest seit den frühen 1950er Jahren mit dem Gehäuse umgeben war. Im Laufe der Zeit brach dessen Glas jedoch an zahlreichen Stellen und die Umrandung begann zu rosten, so dass sich der Effekt ins Gegenteil kehrte und durch Kondenswasser und Rost der Verfall der Holzplatte erheblich beschleunigte. Frau Agnes Maria Schilling veranlasste deshalb, dass das verfallende Denkmal im Haus der Friedhofswärter untergestellt wurde, danach gelangte es ins 1985 entstandene „Jüdische Kultusmuseum Augsburg Schwaben“ im Gebäude der Augsburger Synagoge, Halderstr. 6-8. Dort ist die mittlerweile völlig unleserliche Holzplatte ein vielbeachtetes Ausstellungsstück der Judaica-Exhibition. Der Sockel des Grabplatzes hingegen wuchs in den Folgejahren zu und war deshalb nicht mehr exakt zu lokalisieren. Auch der einstige Glasmetallrahmen ging verloren und so schien die letzte Erinnerung an den Verstorbenen getilgt.

Die beiden Holzgrabplatten am jüdischen Friedhof in Fischach von Josef Moses ben Abraham haLevi (5574/1815), und seiner Frau Brendl (5593/1833) festgehalten von Theo Harburger am 10.02.1927 (CAHJP P160/49), die mittlerweile auch „umglast“ wurden.
Gemäß seinen Aufzeichnung hatte Theo Harburger das hölzerne Grabmal am 12. Mai 1927 fotografiert. Zu dieser Zeit war der neue Friedhofspfleger Hermann Felber Sen. (1894-1956) gerade seit drei Monaten am Kriegshaber Friedhof. Harburger machte insgesamt nur 15 Aufnahmen vom Friedhof, wovon drei Gesamteindrücke und die anderen einzelne Grabdenkmäler porträtieren. Dass er das Holgrabmal in seiner enge Auswahl aufnahm ist nicht weiter verwunderlich, galten solche als sehr rar. Neben zwei weiteren Exemplaren in Fischach gilt die Kriegshaber Holzplatte in der Region auch als einziges erhaltenes hölzernes Grabmal. Harburger zufolge war die Eichenholzplatte 95 cm hoch und 32.5 cm breit. Die Dicke betrug 3 cm. Gewidmet wurde das Denkmal dem Mordechai Sohn des Mordechai aus Kassel, der am 27. Cheschwan 5566 verstarb (nach christlichem Kalender am 19. oder 20. November des Jahres 1805).

Harburgers Fotografie (CAHJP P160/125) zeigt die Holzplatte an ihrem früheren Stellplatz, weshalb im Oktober 2007 der Grabplatz wieder aufgefunden werden konnte. Unter einer Grasnarbe konnte so auch die etwas schräg stehende Nachkriegseinfassung auf welcher das Gehäuse montiert wurde, aufgefunden werden. Das Gehäuse selbst wurde erst im Herbst 2009 bei Gartenarbeiten entlang der nordöstlichen Mauer unter üppigen Wildwuchs wieder entdeckt. Der charakteristische Baum an der nordöstlichen Ecke des Hauses, bereits 1927 zu sehen, ist inzwischen zur stattlichen Größe herangewachsen.
Das Bild von Theo Harburger zeigt eine damals noch einwandfrei lesbare Inschrift, was erstaunlich ist, wenn die Holzplatte zu dieser Zeit bereits 120 Jahre alt sein soll. Entsprechend einfach ist es deshalb natürlich auch die dort abgebildete Inschrift zu lesen und wiederzugeben:

Übersetzt heißt sie: „Hier ist begraben der Heilige, Herr Mordechai Sohn des Herrn Mordechai seligen Angedenkens aus Kassel am Tag 3, 27 Marcheschwan 566 nach kleiner Zählung.“
Das erfordert eine Reihe von Erklärungen und wie so oft, führt dies zu einem Bündel weiterer Fragen. Die Bezeichnung הקדוש (ha‘kadosch), wörtlich „der Heilige“ bezieht sich in der Regel auf eine Person, die starb um den Namen Gottes zu heiligen: קדוש השם (kidusch ha‘schem). Sinngemäß leitet sich dies vom Gebot der Thora ab, den Namen Gottes zu heiligen (3. Moses 22:32) und im daraus abgeleiteten Umkehrschluss, Gottes Name nicht zu entweihen (chillul ha’schem). Der Überlieferung gemäß gibt es drei Gebote, bei denen die eigene Lebensrettung nicht vorrangig ist:
Götzendienst, verbotene sexuelle Akte (etwa Inzest oder Ehebruch), Mord
In der sefardischen Tradition des Judentums bezeichnet man die Juden Portugals und Spaniens, die den Tod der Zwangstaufe vorzogen als „Heilige“. Analog dazu bezeichnet man heute auch die Opfer des Holocausts als „kedoschim“, ganz unabhängig davon, dass sich ihnen in der Regel die Frage nach einer Konversion, etc. gar nicht stellte. Begrifflich entspricht dies in etwa dem christlichen Terminus eines Märtyrers. Wie nun auch immer, legt die Bezeichnung des Bestatteten als „Heiligen“ nahe, dass er gewaltsam ums Leben kam. Der zeitgeschichtliche Kontext des Sterbedatums gibt für solche Deutungen jede Menge an Möglichkeiten.
Im Würzburger Abkommen vom September 1805 hatten Frankreich und Bayern im Vorfeld verabredet, dass das bayerische Herzogtum bei einem Sieg der Verbündeten, Augsburg und die vorderösterreichische Marktgrafschaft Burgau zugeschlagen bekäme. Erst am 9. Oktober 1805 wurde die Freie Reichsstadt Augsburg trotz mehrfach erklärter Souveränität und Neutralität von anrückenden französischen Soldaten besetzt. Am Folgetag ritt der französische Feldherr und Kaiser Napoleon Bonaparte Höchstselbst durch das Wertachbrucker Tor in die Stadt und verweilte dort, vom Augsburger Bischof und von den Stadtherren empfangen zwei Tage und Nächte im Hotel Drei Mohren in der Maximilian Straße. Berühmt ist die Überlieferung, dass Napoleon den um ihre Souveränität bangenden Stadtherren beim Anblick des schlechten Straßenpflasters gesagt haben soll, die Stadt bedürfe eines Fürsten. Der an Weihnachten geschlossene Frieden von Pressburg regelte die Augsburger Frage endgültig im bayerischen Sinne. Bis zu dieser Zeit war die Stadt und Umgebung von französischen Truppen besetzt, ehe nun bayerische nachrückten. Wenige Tage später, am 1. Januar 1806 wurde Bayern sogleich auch Königreich und der bisherige Kurfürst König.
Der Todeszeitpunkt Mordechais am 19./20. November fällt demnach in eine geschichtsträchtige Zäsur, zugleich aber auch ungewisse Übergangszeit, in der das Gebiet der bisherigen Freien Reichsstadt und seiner westlichen burgauischen Vororte von französischem Militär besetzt war. Interessant in diesem Zusammenhang dürfte sein, dass die in Kriegshaber und hernach in Augsburg ansässige Familie des Veit Kaula und sein Partner Jakob Obermayer Heereslieferanten (unter anderem für Säbel und Gewehre) waren, pikanterweise sowohl für die österreichische wie auch bayerische Seite. Jakob Obermayer wohnte seit 1803 in Augsburg. Mit ihm hatten auch die in München ansässigen Lieferanten Westheimer und Straßburger sowie der Pferseer Gemeindevorsitzende Henle Ephraim Ulman (seit längerer Zeit bereits auch ein Finanzier des Augsburger Bischofs) gegen die Gewährung hoher Darlehen, die Augsburgs Unabhängigkeit gewährleisten sollten, das Wohnrecht in der Stadt erhalten.
Als zusätzlicher Faktor kommt demnach, was die jüdischen Gemeinden von Kriegshaber, Steppach und Pfersee wie auch die wenigen aus diesen Gemeinden stammenden Juden in Augsburg betrifft , eine mehr oder minder vielschichtige Interessenslage hinzu, die ein Licht auf die Todesumstände des Mordechai werfen könnten. Eine jüdische Besonderheit ist das freilich nicht. Kaum war bekannt geworden, dass die Franzosen sich Augsburg näherten, hing der christliche Finanzrat der Reichsstadt Johann von Schaezler ganz unverhohlen aus dem Palais seines Schwiegervaters Liebert in der Maximilianstraße in lateinischer Sprache einen weithin sichtbaren und vor allem opportunistischen Willkommensgruß an den nahenden Herren: „pacem qui dedit, patrem nobis dedit“. Dass er zumindest am Vortag als Mitglied der Stadtregierung noch alle Bemühungen der Bewahrung der städtischen Neutralität und Souveränität widmete, war offenbar sehr rasch vergessen und längst kein Thema mehr, als im Februar 1806 unter der Führung von Schaezler eine Delegation Augsburger Bankiers und Kaufleute nach München reiste, um dem frisch gekrönten ersten bayerischen König die Referenz zu erweisen.
Die Inschrift der Grabplatte erschwert aber zunächst die Identifizierung des „Heiligen“. Die Namensangabe des Toten lautet: ל“ז – מרדכי בן מרדכי . Dem zweiten, väterlichen Mordechai folgt in der Inschrift das Kürzel ל“ ז, welches ein seliges Gedenken ausdrückt. Da die Grabplatte an sich schon dem Zweck des Gedenkens an einen Toten erfüllt, bezieht sich eine solche zusätzliche Erwähnung in aller Regel auf den Umstand, dass der Vater des Verstorbenen bereits vorher verstorben ist. Die Namensgebung an sich ist ungewöhnlich, da es bei aschkenasischen Juden völlig ungebräuchlich ist, dass der Sohn direkt nach dem Vater benannt ist. Allenfalls ein Enkel erhält den Namen des Großvaters, nicht jedoch der Sohn. Anders verhält es sich jedoch bei sephardischen Juden, bei denen die Sitte, dem Sohn den Namen des Vaters zu geben, vielfach belegt ist. Sollte der Name auf der Grabplatte also nicht auf falschen Informationen beruhen – wir wissen nicht, wie bekannt der Verstorbene in Augsburg, Pfersee oder Kriegshaber war – so müssten wir den Toten als einen sephardischen Juden auffassen. Als solcher wäre er zweifellos höchst ungewöhnlich. Noch erstaunlicher in dieser Weise ist freilich der Zusatz מקסל, den Theo Harburger in seiner handschriftlichen Notiz von 1927 mit einem א versehen als מקאסל berichtigen wollte, um die gängige hebräische Schreibweise des Ortsnamens Kassel (die offiziell gültige deutsche Schreibweise war bis 1926 eigentlich Cassel) wiederzugeben. Der Eintrag in der Inschrift ist aber auch so durch das Präfix מ (von, aus) als „aus Kassel“ zu lesen und zu verstehen. Ein sephardischer Jude aus Kassel ist nun freilich ein Anachronismus, da es dort ebenso wenig eine sephardische Judengemeinde gab wie in Kriegshaber oder Augsburg. Zwar sind Juden in Kassel erstmals im 13. Jahrhundert belegt, um 1720 lebten nur drei jüdische Familien, 1798 bereits 53 in der Stadt, doch von Sepharden fehlt jede Spur. Bis 1772 befand sich das Kasseler Rabbinat (der Landgrafschaft Hessen) im Exil im benachbarten Witzenhausen, da die in Kassel dominierende jüdische Familie Goldschmidt keine (jüdische) Konkurrenz am Ort duldete und entsprechende Regelungen mit ihren fürstlichen Herren traf. Zwar finden sich am Friedhof von Witzenhausen auch ältere Grabsteine und einige gehören einem Mordechai oder dem Sohn eines Mordechais, aber keine der erhaltenen Inschriften deutet auf einen Sepharden. Das ist auch in Kassel und in der sonstigen Umgebung nicht anders. Die Kasseler Familie Goldschmidt hat jedoch in Frankfurt am Main einen Seitenzweig der Goldschmidt-Kassel heißt und eine zeitweilige Präsenz in Kassel namentlich überliefert. Dies eröffnet die nicht auszuschließende Möglichkeit, das in der Inschrift vorhandene קסל trotz des Präfixes nicht als Orts- sondern als Familienname zu verstehen. Die Frankfurter Familie Kassel, wegen ihres Hauses „am Buchsbaum“ auch entsprechend namentlich vertreten, war eine bekannte, einflussreiche Familie von Hoffaktoren aus deren Mitte später das Bankhaus Goldschmidt gegründet wurde. Der Sohn des Bankgründers Chaim von Goldschmidt-Kassel heiratete 1878 Minka, die Tochter des letzten Frankfurter Rothschilds. In Frankfurt ansässig waren jedoch auch Mitglieder der Wertheimer Familie, seit 1769 etwa Zacharias Wertheimer. Sein Onkel Wolf Simon Wertheimer lebte als Hoffaktor in München, wurde aber nach seinem Tod 1765 am jüdischen Friedhof in Pfersee-Kriegshaber begraben, da München erst 1816 einen eigenen Friedhof bekommen sollte. Eine ganze Reihe von Nachkommen Wolf Wertheimers haben sich mit anderen Familien in Pfersee und Kriegshaber, aber auch in München verbunden, etwa mit Ulmanns oder Obermayers. Josef Hirsch (auf Gereuth,1805-1885) etwa heiratete Karoline Wertheimer (1800-1888), die Tochter von Zacharias Wolf Wertheimer (1782-1844). Ihr gemeinsamer Sohn Moritz (Mordechai), bekannt geworden als Maurice de Hirsch (1831-1896) war mit Clara Bischofsheim (1838-1899) verheiratet. Clara wiederum war die Tochter Jonathan Rafael Bischofsheim und Henriette Goldschmidt-Cassel. Zusammen mit Louis Goldschmidt Cassel gründete Jonathan Bischofsheim 1829 das Bankhaus Bischoffsheim-Goldschmidt. Jonathans Vater Rafael dagegen war nun verheiratet mit Helen Cassel. Der Sohn ihres Bruders Jacob Cassel war Ernst Cassel (1852-1921), der im Alter von 17 Jahren nach England auswanderte und zunächst in einer Filiale der Goldschmidt-Bank seiner Verwandten arbeitete, ehe er selbst als Unternehmer erfolgreich wurde, maßgeblich am Ausbau des Eisenbahnnetzes in Amerika und Mexiko beteiligt war und schließlich als Sir Ernest Cassel geadelt wurde. Zuletzt galt er als Förderer des späteren Premierministers Winston Churchill. Der Vater von Jacob und Helen Cassel wiederum war Moses Cassel (1756-1825), der zusammen mit seinem Bruder Baruch ein Geldgeschäft in Köln betrieb. Dieser hatte nun einen 1774/5 geborenen Sohn namens Moritz Mordechai, über den weiter nichts bekannt war. Da Moritz nun aber eine häufige Umschreibung des hebräischen Namens Mordechai ist, könnte es sich hier um den am Kriegshaber Friedhof bestatten Toten handeln. Moritz Mordechai wäre demgemäß eine vorstellbare Erklärung für die Inschrift „Mordechai ben Mordechai“ und würde wie der Zusatz „aus Cassel“ auf einem Missverständnis beruhen. Möglicherweise ist die Platte 1806 aber zeitlich auch um das Purim-Fest formuliert worden …
Die eigentliche Identität des Toten wäre demzufolge also die des „Mordechai ben Baruch Cassel, 1775-1805“. Durch die zahlreich vorhandenen familiären Verbindungen der Cassel und Goldschmidt-Cassel zu Familien in Kriegshaber, Pfersee und München, wäre es auch verständlich, warum unser Mordechai sich überhaupt in der Region aufhielt, da ansonsten nichts dafür spricht, dass er in München oder an einem der Orte der nach über 500 Jahren nun erlöschenden Marktgrafschaft Burgau selbst ansässig war. Wir wissen auch nichts von einer Ehe, die wir in seinem Alter aber vermuten können. Die familiäre Bindung an schwäbische und in München tätige (meist ohnehin aus Pfersee und Kriegshaber stammende) Hoffaktoren und Heereslieferanten hingegen macht es einigermaßen plausibel, dass er sich auch im Zusammenhang mit entsprechenden Geschäften befasste und wahrscheinlich in irgendeiner Weise und Abfolge im Gefolge der französischen Truppenkontingente reiste. Dies gibt freilich noch keinen Aufschluss über die Art seines Todes und verrät auch nicht seinen Sterbeort. Da München bis 1816 über keinen eigenen Friedhof verfügte, kann er durchaus auch dort oder in der Nähe ums Leben gekommen sein. 1812 noch wurde auch Abraham Uhlfelder, als Nachfolger von Wolf Wertheimers Sohn Abraham einer der ersten Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von München, der dort seit den 1770er Jahren lebte und gleichsam als Heereslieferant tätig war, in Kriegshaber begraben worden. Seine späteren Nachkommen begründeten später in München das Kaufhaus Uhlfelder im Rosental. Als letzten Münchner Juden bestattete man am Kriegshaber Friedhof am 11. September 1815 noch dicht neben Uhlfelder den Gelehrten Loeb Sohn des Meir Gumperts. Der Kreis schließt sich aber, wenn man berücksichtigt, dass der Frankfurter Hauptzweig der Familie Golschmidt-Cassel im Haus Buchsbaum wohnte und deshalb in manchen ihren Zweigen auch den Namen Buchsbaum trug, so wie sich die Familie die in Frankfurt im Haus zum Roten Schild Rotschild nannte. Im Jahre 1560 nämlich wanderte Nathan von Oberhausen an der Wertach nach Frankfurt, heiratete dort Brendle, die Tochter des Buchsbaum-Juden, der für Schimon Ginzburg, dem Stammvater der Ulmo-Günzburg – Sippe arbeitete. Nathan von Oberhausen nannte sich fortan Nathan Buchsbaum und hinterließ bei seinem Tod 1575 ein staatliches Testament mit umfangreichem Inventar (siehe Frankfurter Zeitung vom 13.08.1929). So wir die Cassel-Familie unter seinen Nachfahren finden, was durchaus der Fall sein dürfte, so schließt sich mit dem Abkömmling Mordechai vielleicht ein Kreis, der mit Nathan von Oberhausen begann.
Sollten wir den am Friedhof in Kriegshaber Pfersee bestatteten Mordechai identifiziert haben, so kam er im Alter von ca. 30 Jahren in einer Weise ums Leben, die seine Bestatter dazu veranlasste, ihn als „Heiligen“ zu würdigen. Das mag im zeitlichen Kontext und in der Verbindung mit einer wahrscheinlichen Tätigkeit als Heereslieferant im Umfeld der französischen Besatzung der Markgrafschaft Burgau, Augsburg und Münchens etwas euphemistisch erscheinen, aber die genauen Umstände, wie auch der Ort seines Todes bleiben auch so im Dunkeln. Offensichtlich aber ist die Vermutung, dass ein Holzgrabmal deshalb gewählt wurde, weil der Verstorbene oder die jüdische Gemeinde arm gewesen sei, angesichts des alles andere als unbemittelten Familienhintergrundes und der zahlreichen lokalen Verbindungen, doch eine seltsame Vorstellung. Das im „Jüdischen Kultusmuseum“ ausgestellte, unleserliche Grabmal wurde 1927 von Theo Harburger in einem sehr gut erhaltenen Zustand fotografiert. Sollte es sich aber tatsächlich, was ohne exakte wissenschaftliche Altersbestimmung nicht sicher gesagt werden kann, um eine Platte aus dem Jahr 1806 handeln, wäre sie zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits 121 Jahre alt gewesen.
Anders als die alte, unleserliche Holztafel befindet sich das Grab des Verstorbenen noch immer am Friedhof. Die Position des Grabes ist genau bekannt. Auch die Maße der alten Grabplatte sind bekannt und ebenso die Inschrift, die Harburger 1927 fotografierte. Preise für eine neue Grabtafel halten sich in Grenzen. Materialkosten (hinzu kämen Inschrift, Einfassung, …) für massives Eichenholz belaufen sich aktuellen Internetangeboten aus der Region bei einer Plattenstärke 30 mm in der Größenordnung von 60 € pro m² (gebraucht würden 3 m²). Die Preise für Sandstein sind etwas billiger. Wie das Preisniveau vor 200 Jahren war, ist weit schwieriger zu ermitteln. Aber die Anschauung, dass Holzgrabmäler ein Zeichen von Armut gewesen seien, liefert im Umkehrschluss, dass fast alle erhaltenen Grabmäler auf jüdischen Friedhöfen hierzulande nicht aus Holz, sondern aus Stein sind, dem nicht ganz unbekannten Klischee Vorschub, dass Juden eben reich sind. Reich genug, um nicht arm zu sein. Tatsächlich unterscheiden sich die Preise wohl nicht.
Die Tatsache, dass es kaum Holzgräber gibt, muss nicht mal an einer mangelhaften Witterungsresistenz liegen – bröckeln Sandsteine doch oft auch bereits nach ein paar Jahrzehnten Pflegelosigkeit dahin –Holzgrabmale haben gegenüber steinernen ganz andere Nachteile, die ihre Existenz gefährden. Zum einem können sie anders als Steine verfeuert werden, zum anderen sind sie weit weniger standfest als Steinplatten, die bei einer Höhe von einem Meter schon mal 250 Kilo oder mehr wiegen können und folglich auch leichtens von Dieben zu transportieren. Zwar ist es geläufig, dass Grabsteine immer wieder mal als Baumaterial missbraucht wurden, aber die Verfeuerung erfordert keine Bauvorhaben, sondern lediglich einen kalten Winter und hinterlässt für den Dieb günstiger weise auch keine Spuren. In dieser Weise ist, klar, dass man in der Regel Steine bevorzugte, nicht aus finanziellen Motiven, sondern aus Gründen der Standortsicherheit.
Ein Sprichwort sagt: „Verrottetes Holz kann man nicht schnitzen“, ein anderer Ausdruck jedoch betont positiv, dass etwas oder jemand „aus dem selben Holz geschnitzt“ ist. Als JHVA setzen wir uns deshalb dafür ein, dass die Erinnerung an die Toten bewahrt bleibt und Erinnerungstafeln existierenden Gräbern nicht ersatzlos Trophäe von Museen werden.
Die gelben Judensterne von Fischach
January 27, 2010The yellow badges of Fischach
An conifer at the brumal marketplace of a small rural town in Bavaria decorated with stars is anything but special since most instantly will think of Christmas. In Fischach however at the Marktplatz right where the Hauptstr. begins, in front of the Kreissparkasse (local savings bank) just opposite the corner of the street “Am Judenhof” (”At the Jews court”) was a huge conifer with several dozens of yellow stars in the very manner as the Nazis made their “Judenstern” (but without marking) variation of the Zionist symbol “Star of David”.
The yellow bagde with six pointed rays was introduced by the Nazis as a sign of public stigmatization of Jews in all German occupied Europe. In fact it was the perversion of the book “Stern der Erlösung” (“Star of Redemption”) written by German Jewish historian and philosopher Franz Rosenzweig (1886 Kassel – 1929 Frankfurt), which now had turned to a “Stern der Endlösung” (“Star of Extermination /or: Final Solution”) and is the emblem for the mass murder of more than six millions of Jews …
It is difficult to say, whether this is the way to decorate Christmas trees in Fischach, but as our pictures from today have the date of January 27th – and Christmas obviously was celebrated a whole month ago. So the second guess is that all the umpteen yellow Judensterns at the village center of Fischach refer to the Holocaust Remembrance Day which was established in Germany in 1996 as an annual day of commemoration (in 2001 also adopted by the United Nations).
Geschmückte Nadelbäume sind nichts ungewöhnliches auf winterlichen Marktplätzen. Anders ist es vielleicht in Fischach, wenn einen Monat nach Weihnachten ein großer Baum übersät ist mit gelben Sternen die an die bei den Nazis zur Diskriminierung von Juden gebrauchten „Judensterne“ erinnern. Weihnachten liegt schon mehr als einen Monat zurück. Vielleicht sind die Sterne ja auch eine Würdigung der Fischacher an den 1996 in Deutschland eingeführten Holocaust Gedenktag zur Erinnerung an die „Befreiung“ des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.
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