Stolpersteine in Augsburg

February 12, 2014

Die sog. “Stolpersteine” sind nun auch in Augsburg wieder zum Thema geworden.  Die einen wollen sie, um an Personen zu erinnern, die aus Augsburg entführt und meist anderswo umgebracht wurden, vor den Häusern wo sie lebten und wohnten. Auch weil ihnen in den meisten Fällen über den aufgezwungenen Tod auch ein Grabstein in der Heimat verwehrt geblieben ist.

Es gibt aber auch kategorische Gegner und die sind mitunter sehr einfallsreich in den Ausreden, um die “Stolpersteine” abzulehnen. Unter anderem zählt dazu die Sorge um das Andenken der Verstorbenen, das sinnbildlich “mit Füßen getreten” werde, freilich nur wenn man draufstampft, aber auch eine angebliche Omnipräsenz des “Themas” in der Öffentlichkeit. Tatsächlich ist es so, dass allein in der Augsburger  Innenstadt (besonders aber auch in Pfersee, Steppach oder Kriegshaber), zahlreiche der Stolpersteine denkbar wären.

Seitens des JHVA begrüßen wir die neuerliche Initiative zur Schaffung sog. Stolpersteine in Augsburg:

http://www.stolpersteine-augsburg.de

Nicht weil es in jedem Fall die beste aller Möglichkeiten wäre, um “der Vergangenheit” zu gedenken (das wäre es fast nie), auch nicht, weil wir der Meinung wären, das sog. “Gedenken” an ermorderte Juden zur “Kritik an der Politik des Staates Israel” berechtigen oder gar qualifizieren würde (mag manchem zwar jucken, aber: nein, weder noch), schließlich auch nicht, weil es sinnvoll wäre, eine weit über tausendjährige Geschichte von Juden in der Region auf ein paar Jahre drastischer Verfolgung und Ermordung zu reduzieren (auch das wäre Wunschdenken der übleren Sorte), sondern weil mit dem sonst überall praktizierten Komplettverschweigen rein nichts bewirkt wird und werden kann – wie man überall sieht, wenn man sehen will.

Es ist ja nun auch nicht so, dass es in Augsburg Stolpersteine nicht schon längst geben würde. Es gibt sie. Überall und in großer Zahl. Sie sind niemanden gewidmet, aber sie erinnern daran, dass die Vernachlässigung der nicht unmittelbar kommerziell verwertbaren Umgebung, allgemein verbreitet ist. Anders als jene Gedenktafeln, sind sie wirkliche Stolpersteine, ganz einfach weil Menschen drüber stolpern. Feine Damen mit teueren Schuhen, Rentner, Kinder, Radfahrer. Sie alle tun sich, wie man als Anwohner der Augsburger Innenstadt täglich beobachten kann, mitunter schwer mit den überall vorhandenen Augsburger Stolpersteinen:

Napoleon, so das bekannte Bonmot soll bei seinem Einmarsch in die Stadt im Herbst 1805 beim Anblick der maroden Augsburger Straßen gesagt haben, dass die Stadt eines Fürsten bedürfe, um der weiteren Vernachlässigung zu entgehen. Und das führte sodann auch zur Verschenkung der Augsburger an die Herzöge von Bayern, die nun sogleich Könige werden wollten … und wurden – und vermutlich deshalb warten Stadt und Straßenbau in Augsburg auch zwei Jahrhunderte später noch immer auf die entsprechenden fürstlichen Maßnahmen …

绊脚石

Stolpersteine Augsburg (3)Камни преткновения

Stolpersteine Augsburgשטולפרשטיין

Stolpersteine Augsburg (2)Stolpersteine in der Augsburger City, Februar 2014

Wie dem auch sei, ein paar Namen hier und da könnten die allgemeine Gleichgültigkeit durchbrechen und einen bewussten Umgang mit der eigenen Nachbarschaft, Stadt, Region, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sorgen.

Wir sind den Gedenksteinen an vielen Orten begegnet und haben nirgendwo eine negative Auswirkung registrieren können, ganz im Gegenteil befassten sich gerade durch diesen Anreiz sehr viele Leute mit der Häuser- und Straßengeschichte ihrer Nachbarschaft, während immer wieder Touristen zu beobachten waren, die deshalb einen anderen Fußweg auf ihrer Exkursionen nahmen.

Ganz ohne Zweifel sind die folgenden Beispiele auch optisch ansprechender als die auch auch zwei Jahren reger Bautätigkeit in der Augsburger Innenstadt überreichlich vorhandenen Stolpersteine:

Stolperstein Nördlingen Max Mayer Elsa Mayer Rosa BredigStolpersteine in Nördlingen

Henriette Arnold 1861 Berlin 1944 TheresienstadtStolperstein in Berlin

Stoplersteine Bamberg KohnStolpersteine in Bamberg

Stolpersteine Regensburg Ehrlich NussbaumStolpersteine in Regensburg

stolpersteine dinkelsbuehlvor der ehemaligen Synagoge in Dinkelsbühl

Der Initiator  der “Stolpersteine” Gunter Demnig wurde für seine damals schon bemerkenswerte Engagement bereits im Januar 2005 in seiner Geburtsstadt Berlin mit dem “German Jewish History Award” der Obermayer Foundation ausgezeichnet:

http://www.obermayer.us/award/awardees.htm

Obwohl der Vorsitzende der Stiftung Arthur Obermayer viele und enge Beziehungen nach Augsburg und zu seinen Institutionen hat (seine väterlichen Vorfahren stammen aus Kriegshaber und Pfersee), hat die von ihm ausgezeichnete Initiative in Augsburg bislang keinen Anklang finden können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine (deutsch)

http://en.wikipedia.org/wiki/Stolperstein (englisch)

http://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig

Nachahmende Variationen finden sich übrigens ebenfalls an vielen Orten. In Kaufbeuren z.B. können die Gedenksteine weit größer ausfallen als das eher bescheidene Pflastersteinformat, und in manchen Fällen muss man noch nicht mal tot sein, um auf diese Weise in die Erinnerung gerufen zu werden:

Stolperstein Kaufbeuren

Memoire nomade Namen und Steine Erfurt Domplatz am Dom-Platz von Erfurt reicht es sogar wenn man Angelika, Rock Hudson oder Freddy Mercury heißt


“Beschneidung bleibt erlaubt”

October 4, 2012

Es war nicht wirklich schwer zu erraten (siehe Kommentar https://jhva.wordpress.com/2012/07/27 ), dass auf die eigenartige und gerade seitens der „Gegner“ sehr emotional geführte, mitunter auf psychologischen Kastrationsängsten beruhenden Debatte über Beschneidungen von Jungen in Deutschland, ein Gesetz die Rechte der Ärzte stärken, ansonsten aber erklären würde, dass Beschneidungen weiterhin „erlaubt“ bleiben. Genau so kam es und entsprechend vermeldet das Bundesministerium für Justiz am 27. September:

Beschneidung bleibt erlaubt

Das Bundesjustizministerium hat Eckpunkte zur Beschneidung vorgelegt, die diese Woche an Länder und Verbände verschickt wurden. Die Beschneidung bleibt in Deutschland erlaubt.

Datum 27.09.2012

Das Bundesjustizministerium stellt klar, was ohnehin schon möglich ist: Die Regelung soll die Verunsicherung, die durch das Urteil des Landgerichts Köln entstanden ist, beseitigen. Nach dem Grundgesetz haben Eltern das Recht auf Erziehung. Die Erziehung liegt primär in der Verantwortung der Eltern. Dazu gehört auch, dass sie sämtliche Fragen, die ihre Kinder betreffen, entscheiden können – auch eine Beschneidung des Jungen nach Regeln der ärztlichen Kunst. Der Staat hat hier ein Wächteramt, wenn im Einzelfall eine Kindeswohlgefährdung droht. Das BMJ hat eine Regelung vorgelegt, die nur auf die Beschneidung von Jungen beschränkt ist, die noch nicht selbst entscheiden können.

Das Bundesjustizministerium hat vier Anforderungen an die Beschneidung berücksichtigt:

1. Sie muss fachgerecht durchgeführt werden. Und deshalb muss die Beschneidung möglichst schonend und mit einer möglichst effektiven Schmerzbehandlung durchgeführt werden.

2. Sie darf nur nach einer vorherigen umfassenden Aufklärung erfolgen.

3. Eltern müssen den Kindeswillen bei dieser Frage entsprechend miteinbeziehen.

4. Eine Ausnahmeregelung greift, wenn im Einzelfall das Kindeswohl gefährdet wird, z.B. bei gesundheitlichen Risiken.

In der Regel wird die Beschneidung von Ärzten durchgeführt. Die Beschneidung kann innerhalb der ersten 6 Lebensmonate auch von Personen durchgeführt werden, die von ihrer Religionsgemeinschaft dafür vorgesehen sind. Diese Personen müssen die Beschneidung genauso gut wie ein Arzt beherrschen.

http://www.bmj.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2012/20120927_Eckpunkte_Beschneidung_bleibt_erlaubt.html

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Es bleibt also letztlich im wesentlichen alles wie zuvor, außer dass Eltern künftig am achten Tag den Willen des Kindes entsprechend miteinbeziehen werden. 😉

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Religious circumcison of little boys will still be “legal” as a draft law by the federal German justice department suggests. Maybe this will bring to an end the somewhat weird discussion which has occupied German media this summer following a decision of district court in Cologne (Kölner Landgericht).

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Halbmond und Stern

September 28, 2012

Was verbindet das schwäbische Monheim, das oberöstereichische Mattighofen und Regensburg? Sicher manches, doch augenscheinlich am ehesten wohl das Wappen. Das Wappen Monheims zeigt einen Stern oberhalb einer flach liegenden Mondsichel. Im Stadtwappen von Mattighofen im Innviertel findet sich auf blauem Grund ein gelber sechszackiger Stern mit einer nach links schauenden Mondsichel. Das Stadtwappen Regensburg hingegen besteht aus zwei gekreuzten Schlüsseln und hat damit eigentlich nichts zu tun. Die Abbildung eines Halbmonds mit Stern ist heute allgemein als „typisch muslimisches“ Symbol gebraucht und findet sich in Varianten zahlreichen auf Flaggen islamischer Staaten wie beispielsweise Algerien, Mauretanien, Sahara oder hierzulande sicher am bekanntesten, der Türkei.

Im mittelalterlichen Regensburg jedoch war nun das Symbol MOndsichel mit Stern das Wappen der jüdischen Gemeinde, wie aus einem erhaltenem Siegelring und einem Siegel mit der zweisprachigen Aufschrift (חותם קהל ריגנשפורק – chotam kahal regenschpurk) hervorgeht. Wie schon mal erwähnt findet sich das Wappen der Regensburger Juden aber auch an einer Decke der Regensburger Minoritenkirche, in welchem sich heute das Historische Museum befindet. Damit wäre neben dem muslimischen und jüdischen auch ein weiterer christlicher Beleg für die Verwendung des Wappens gegeben, wobei das Wappen in der Regensburger Kirche in einem (noch) unbekannten Zusammenhang mit dem älteren Wappen der Regensburger Juden. Im Islam ist das Symbol des  Halbmondes mit dem Stern wohl erst zur Zeit der Osmanen populär geworden, die es zum Zeichen des Kalifats machten, weshalb der Gebrauch in Regensburg wahrscheinlich älter sein dürfte.

Medieval Jewish community seal of Regensburg, mittelalterliches Wappen der jüdischen Gemeinde

Coat of arms Mattighofen, Austria, Stadtwappen von Mattighofen Innkreis, Österreich (wikipedia)

flag of Mauretania (wikipedia)

A crescent and a star … today usually is considered as token for Islam or a number of Muslim organizations and countries, such as Azerbaijan, Pakistan or Turkey. In Regensburg however a six (or seven) pointed star along with a crescent moon was the emblem of the medieval Jewish community (13th century until 1519). The depiction also is the known as coat of arms of small town Monheim in Bavarian Swabia, which once was dominated by Jewish inhabitants (today’s town hall in 1714 was built by Jewish banker Abraham Model) as well as in Upper Austrian Mattighofen. In Regensburg the coat of arms of the Jewish community also is inside a former church which today hosts the museum of local history.

Maybe some of our readers know other examples where a star and a crescent or sickle moon are combined ..? If you actually know one which is older than the Regensburg example, please let us know. *)

Siegelring der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde von Regensburg, mediaval seal ring Jewish community

flag of Azerbaijan

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Ferdinand Wertheimer (1817-1883)

January 6, 2012

Ferdinand Wertheimer was a member of the Upper Austrian Landtag in Linz, he also was landlord in Ranshofen and honorary citizen of three places Ried, Ranshofen and Braunau in the Inn-Viertel (famous region south-east of the Inn river in Austria), since he connected the small towns as railroad pioneer to the modern world. The later mentioned place Braunau / Inn at the Austrian-German border actually was the birth place of Adolf Hitler, who in 1889 also was baptized in a church which then was in possession of the Jewish Wertheimer family. Ferdinand Wertheimer also initiated the railroad connection between Braunau and Munich, obviously used by the young Hitler.

Ferdinand (Joshua) Wertheimer was the grandson of Bernhard  Ulmann (Ber Ulmo) of Pfersee and an offspring of famous rabbi and court agent Samson Wertheimer and his son Wolf Shimon Wertheimer who as Ferdinand is buried at the Jewish cemetery of Pfersee/Kriegshaber. However he was raised by his stepmom Babette, the sister of Isidor Obermayer. Fedinand studied chemistry and was influenced by famous Prof. Liebig, he also was a succesful cattle breeder, beneficient to parentless children as well as a patron of arts, fire fighter, as town councilman and member of the local parliament he was a liberal politician as well as a traditional (Greeks put it “orthodox”) Jew … and many more. His grandson Egon Ranshofen-Wertheimer (a Roman Catholic) was part of the short-lived Bavarian Soviet Republic, but also worked for the Geneva based League of Nations and after the war for the United Nations in New York. As columnist he was a fierce opponent of the Nazi Regime in Germany, led by Hitler who has stolen his birth house in Ranshofen Braunau.

His memory however is almost entirely faded, so we put him as first part of a new series of articles on portraits of Augsburg Jews.

Der Pionier Ferdinand Wertheimer  (11 pages short biography in German)

Ferdinand Wertheimer ist am jüdischen Friedhof von Pfersee/Kriegshaber bestattet. Sein Grabmal, wie das seiner, oft fälschlich für seine leibliche Mutter gehaltenen Stiefmutter, wurde von den Nationalsozialisten gründlich zerstört, möglicherweise auf “höheren Befehl”. Ferdinand Joschua Wertheimer war nämlich nicht nur Gutsbesitzer in Ranshofen (seit dem “Anschluss” 1938 ein Teil von Braunau), sondern hatte als Eisenbahn-Pionier auch die Orte Ried und Braunau an die Moderne angeschlossen, wofür er nicht nur in Ried und Ranshofen, sondern auch in Braunau mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet wurde.  Er besorgte auch die womöglich verhängnisvolle Bahnlinie Braunau-München, die der spätere Diktator bekanntlich benutzte.  Adolf Hitler wurde zusätzlich zu all diesem in der Kapelle katholisch getauft, die von Ferdinand Wertheimer mit dem ehemaligen, 1811 aufgehobenen Chorherrenstift erworben wurde. Es ist kaum vorstellbar, dass Hitler nichts über den Ehrenbürger seiner Geburtsstadt und Eigentümer seiner Taufkappelle gewusst haben sollte.

Ferdinand Wertheimer ist anders als sein katholischer Enkel Egon, nach dem in Braunau 2007 ein Preis benannt wurde, weitgehend vergessen, ganz zu Unrecht, weshalb wir ihn, der liberaler Politiker, Feuerwehrmann, orthodoxer Jude, Chemiker, Rinderzüchter, Journalist, Mäzen, Theaterintendant und manches andere war, zum ersten Teil einer neuen, in loser Folge erscheinenden Folge von Portraits  Augsburger, österreichisch- oder bayerisch-schwäbischer Juden der letzten tausend Jahre nehmen wollen.


Die Judensau in Regensburg

September 6, 2011

März 2017: Ausführlicher beschrieben im Buch:

Yehuda Shenef

Humor, Wucher, Weltverschwörung: Die geläufigsten Vorurteile gegenüber Juden und was es mit diesen auf sich hat 

ISBN: 978-374-3181-205

Taschenbuch: 260 Seiten

13 Euro

 

 

Wer, zumindest mal von außen, alte christliche Großkirchen ansieht, merkt schnell, dass ihre Erbauer, anders als man vermuten könnte, längst nicht nur Fromme und Heilige abbildeten. Nicht selten finden sich auch Fratzen von eigenartigen Kreaturen als steinerne Zeugnisse der eigenen Vorstellungswelt. Zwar soll die Mehrzahl der menschlichen Figuren – freilich fiktiv – das Aussehen von Juden wie Jesus, Maria, Petrus, Paulus, usw. darstellen. Am Augsburger Dom beispielsweise ist – prominent – sogar die Beschneidung des Jesus durch einen tüchtigen jüdischen Mohel zu sehen.

Weniger gut schneiden in dieser steinernen Kunst freilich Juden ab, die nicht mit Jesus in Verbindung standen oder nach seinem Ableben gar ohne ihn auskommen konnten. Ein ab dem 13. Jahrhundert anzutreffendes bildliches Motiv zeigt Juden, wie sie an den Zitzen eines Schweins saugen. Eine solche Skulptur wird „Judensau“ genannt und soll an kirchlichen Bauten eine Schmähung von Juden ausdrücken. Grundlage dafür ist die Überlegung, dass das Schwein für Juden ganz besonders „unrein“ sei. Eine Variation des Themas wären Darstellungen von Juden, die bei einem „Judeneid“ auf einer Schweinehaut stehend dargestellt werden. Es sind etwa 30 jener „Judensäue“  חזירת יהודים bekannt, die sich augenfällig alle in Deutschland oder in benachbarten deutschsprachigen Gebieten befinden.

Ein leider bereits etwas verwittertes Exemplar ist an der Südfassade des Regensburger Doms zu sehen. Es zeigt auf einem Sockel stehend ein kleines Tier, dessen Kopf freilich eher nach einem Schaf aussieht. Daneben hockt ein bärtiger Mann und hält das linke Ohr des Schweins fest und von hinten sind zwei weitere menschliche Figuren zu sehen, die an die Zitzen der Sau fassen, wobei der rechten Figur der Kopf abhanden gekommen ist. Der mittleren der Figuren kann man noch den früher vorhanden Judenhut ansehen, der zur allgemeinen Kennzeichnung von Juden in christlichen Kunstwerken der Identifikation dient.

Wie nun auch immer, stimmen Proportionen nicht so ganz, erreicht ein ausgewachsenes gewöhnliches weibliches Hausschwein (von heutigen Turbozüchtungen mal abgesehen) kaum eine Schulterhöhe von mehr als 80 cm. Selbst wenn wir voraussetzen wollen, dass Menschen im Mittelalter per se kleiner waren, wären sie mit 160 cm immer noch doppelt so groß wie die Sau, die nun nicht durchs Dorf getrieben, sondern an dessen Hauptplatz in Stein gehauen wurde. Es handelte sich also entweder um besonders kleine Juden, die kaum größer als die Sau etwa nur 80 cm groß waren oder aber um ein sehr großes Schwein, das mehr als drei Meter groß war. Da beides wenig wahrscheinlich ist, kann man das kaum sicher beurteilen. Nach modernen Maßstäben könnte man diese Diskrepanz freilich auch als „künstlerische Freiheit“ werten, allerdings ist es in der Regel nicht empfehlenswert, gegenwärtige Normen auf mittelalterliche Vor- und Darstellungen zu projizieren. Dem widerspricht auch die Tatsache, dass es um die noch vorhandenen „Judensäue“ zahlreiche Kontroversen gibt, so wie im Jahre 2005 in Regensburg. Eine nun vorhandene Begleittafel erklärt: „Die Skulptur als steinernes Zeugnis einer vergangenen Epoche muss im Zusammenhang mit ihrer Zeit gesehen werden. Sie ist in ihrem antijüdischen Aussagegehalt für den heutigen Betrachter befremdlich. Das Verhältnis vom Christentum und Judentum in unseren Tagen zeichnet sich durch Toleranz und gegenseitige Achtung aus.“ Eine Erklärung des Inhalts der „Spottfigur“ ist das nun auch nicht.

Aus zahlreichen anderen kirchlichen Skulpturen ist bekannt, dass eine zentrale Figur durchaus von kleineren anderen umgeben sein kann. Dies bedeutet sodann nicht zwangsläufig einen realen Größen-, sondern einen aufgezeigten Bedeutungsunterschied. So kann beispielsweise Jesus von seinen zwölf nur halb so groß dargestellten Schülern umgeben sein, ohne zu besagen, dass er wirklich doppelt so hoch gewachsen war wie sie. Wenn die Sau übergroß dargestellt ist und die sie umgebenden Juden dominiert, so hat diese folglich die zentrale Bedeutung in der Komposition.

Die Deutung der wie auch immer ungewöhnlichen Darstellung nimmt in der Regel Bezug zu einer jüdischen Abneigung gegen Schweine. Es stimmt natürlich, dass Schweine nicht koscher sind, da die Tora ihren Verzehr verbietet. Selbiges trifft freilich auf eine ganze Reihe anderer Tiere zu. So sind Kamele, Insekten oder Adler nicht koscher, Hasen sind es nicht, auch nicht Löwen, Hunde, Katzen, Elefanten, Delphine oder Pferde. Sie alle sind vom Verbot des Verzehrs betroffen sind dabei aberkeineswegs weniger „unrein“ als Schweine. Löwen beispielsweise sind bereits seit der Antike gebräuchliche Wappen für das jüdische Volk – man darf sie eben nicht essen. Es gab auch nie ein Problem für Juden auf Pferden zu reiten oder Hunde zu halten – man darf sie eben nicht essen. Orthodoxe Rabbiner sehen auch kein Problem, biologische Herzklappen aus Aortenklappen von Schweinen anzuwenden – man darf sie eben nicht essen. Wo ist das Problem?

Ein Missverständnis?

Das Schwein in der „Judensau“-Darstellung nimmt deshalb sicherlich nicht auf Gebräuche oder Wertvorstellungen des Judentums Bezug. Es reflektiert vielmehr den Stellenwert des Schweines im Christentum. Jesus im Evangelium bannt zwar noch „Dämonen“ in eine Herde von Schweinen und lässt diese in einen Abgrund stürzen. Eine allgemein geläufige deutsche Metapher spricht hingegen vom „Glückschwein“, vom Schwein als Glückssymbol. Die Herkunft stammt von Rittertunieren und bezeichnet das Schwein als Trostpreis für den Verlierer, der dann doch nicht leer ausgeht, sondern „Schwein gehabt“ hat. In etwa dieselbe Richtung geht das ideengeschichtlich damit verknüpfte, ab dem 18. Jahrhundert belegte „Sparschwein“. Das Schwein ist demnach ein Sinnbild für das kleine Glück oder das Glück des kleinen Mannes. In der Darstellungsweise christlicher Skulpturen können letzteres dann sogar auch Juden sein. Da die kleinen Juden nun am großen Schwein zupfen oder in anderen Darstellungen an den Zitzen der Sau nuckeln, ist die Aussage des Bildes offenkundig: die Juden nähren sich am Glück das sonst den kleinen Ferkeln zustünde. Offenbar nimmt das in weiten Teilen der deutschen Lande verbreitete Bild der Judensau auf die „nicht-jüdische“ Bevölkerung Bezug und will mitteilen, dass die Juden, sich auf ihre Kosten nähren.

An der Westseite des Doms befindet sich eine weitere, wesentlich besser erhaltene Skulptur die Juden thematisiert und die biblische Szene des Tanzes um das goldene Kalb verbildlicht. Das Kalb wird in diesem Fall von fünf Juden (markiert durch die entsprechenden Hüte) umstanden. Überraschenderweise sparte man hier mit Gold, das man im Dom selbst offenbar besser aufgehoben wähnte, weshalb es eher ein graues Kalb ist und die umstehenden Juden eher staunen als tanzen.

As in many other German cities the cathedral of Regensburg has a weathered sculpture which depicts a so called “Judensau” (Jews’ Sow). Most of the depictions have in common that there is a rather huge pig surrounded by rather small Jews who paw the sow or suck on its teats. Of course pork is not kosher, but regarding pigs there are no other prohibitions as for lions, eagles, cats, dogs, dolphins, horses, hares or insects which all are not kosher either. So what is the special meaning of a sow in the de-pig-tion of numerous sculptures in German lands?

“Lucky pig” (Glücksschwein) is a symbol of “good luck” since in late medieval times at contest a pig was granted for losers not get nothing but a little pig as small comfort, while the winner married the princes. In more recent times in a like manner small figures (piggy banks) had the use to safe little money for future opportunities. The sow therefore more likely is a symbol for the overall population, i.e. the little guy of the main street and the Jews are shown as snarfing their food (or “little luck”).  

 

 

März 2017: Ausführlicher beschrieben im Buch:

Yehuda Shenef

Humor, Wucher, Weltverschwörung: Die geläufigsten Vorurteile gegenüber Juden und was es mit diesen auf sich hat 

ISBN: 978-374-3181-205

Taschenbuch: 260 Seiten

13 Euro


שיר הכבוד

September 5, 2011

שיר הכבוד

אַנְעִים זְמִירוֹת וְשִׁירִים אֶאֱרֹג, כִּי אֵלֶיךָ נַפְשִׁי תַעֲרֹג

נַפְשִׁי חָמְדָה בְּצֵל יָדֶךָ, לָדַעַת כָּל רָז סוֹדֶךָ

מִדֵּי דַבְּרִי בִּכְבוֹדֶךָ, הוֹמֶה לִבִּי אֶל דּוֹדֶיךָ

עַל כֵּן אֲדַבֵּר בְּךָ נִכְבָּדוֹת, וְשִׁמְךָ אֲכַבֵּד בְּשִׁירֵי יְדִידוֹת

אֲסַפְּרָה כְבוֹדְךָ וְלֹא רְאִיתִיךָ, אֲדַמְּךָ אֲכַנְּךָ וְלֹא יְדַעְתִּיךָ

בְּיַד נְבִיאֶיךָ בְּסוֹד עֲבָדֶיךָ, דִּמִּיתָ הֲדַר כְּבוֹד הוֹדֶךָ

גְּדֻלָּתְךָ וּגְבוּרָתֶךָ, כִּנּוּ לְתֹקֶף פְּעֻלָּתֶךָ

דִּמּוּ אוֹתְךָ וְלֹא כְּפִי יֶשְׁךָ, וַיְשַׁוּוּךָ לְפִי מַעֲשֶׂיךָ

הִמְשִׁילוּךָ בְּרֹב חֶזְיוֹנוֹת, הִנְּךָ אֶחָד בְּכָל דִּמְיוֹנוֹת

וַיֶּחֱזוּ בְךָ זִקְנָה וּבַחֲרוּת, וּשְׂעַר רֹאשְׁךָ בְּשֵׂיבָה וְשַׁחֲרוּת

זִקְנָה בְּיוֹם דִּין וּבַחֲרוּת בְּיוֹם קְרָב, כְּאִישׁ מִלְחָמוֹת יָדָיו לוֹ רָב

חָבַשׁ כּוֹבַע יְשׁוּעָה בְּרֹאשׁוֹ, הוֹשִׁיעָה לּוֹ יְמִינוֹ וּזְרוֹעַ קָדְשׁוֹ

טַלְלֵי אוֹרוֹת רֹאשׁוֹ נִמְלָא, קְוֻצּוֹתָיו רְסִיסֵי לָיְלָה

יִתְפָּאֵר בִּי כִּי חָפֵץ בִּי, וְהוּא יִהְיֶה לִּי לַעֲטֶרֶת צְבִי

כֶּתֶם טָהוֹר פָּז דְּמוּת רֹאשׁוֹ, וְחַק עַל מֵצַח כְּבוֹד שֵׁם קָדְשׁוֹ

לְחֵן וּלְכָבוֹד צְבִי תִפְאָרָה, אֻמָּתוֹ לוֹ עִטְּרָה עֲטָרָה

מַחְלְפוֹת רֹאשׁוֹ כְּבִימֵי בְחוּרוֹת, קְוֻצּוֹתָיו תַּלְתַּלִּים שְׁחוֹרוֹת

נְוֵה הַצֶּדֶק צְבִי תִפְאַרְתּוֹ, יַעֲלֶה נָּא עַל רֹאשׁ שִׂמְחָתוֹ

סְגֻלָּתוֹ תְּהִי (נָא) בְיָדוֹ עֲטֶרֶת, וּצְנִיף מְלוּכָה צְבִי תִפְאֶרֶת

עֲמוּסִים נְשָׂאָם, עֲטֶרֶת עִנְּדָם, מֵאֲשֶׁר יָקְרוּ בְעֵינָיו כִּבְּדָם

פְּאֵרוֹ עָלַי וּפְאֵרִי עָלָיו, וְקָרוֹב אֵלַי בְּקָרְאִי אֵלָיו

צַח וְאָדֹם לִלְבוּשׁוֹ אָדֹם, פּוּרָה בְּדָרְכוֹ בְּבוֹאוֹ מֵאֱדוֹם

קֶשֶׁר תְּפִלִּין הֶרְאָה לֶעָנָו, תְּמוּנַת ה’ לְנֶגֶד עֵינָיו

רוֹצֶה בְעַמּוֹ, עֲנָוִים יְפָאֵר, יוֹשֵׁב תְּהִלּוֹת בָּם לְהִתְפָּאֵר

רֹאשׁ דְּבָרְךָ אֱמֶת קוֹרֵא מֵרֹאשׁ, דּוֹר וָדוֹר עַם דּוֹרֶשְׁךָ דְּרֹשׁ

שִׁית הֲמוֹן שִׁירַי נָא עָלֶיךָ, וְרִנָּתִי תִקְרַב אֵלֶיךָ

תְּהִלָּתִי תְּהִי (נָא) לְרֹאשְׁךָ עֲטֶרֶת, וּתְפִלָּתִי תִּכּוֹן קְטֹרֶת

תִּיקַר שִׁירַת רָשׁ בְּעֵינֶיךָ, כַּשִּׁיר יוּשַׁר עַל קָרְבָּנֶיךָ

בִּרְכָתִי תַּעֲלֶה לְרֹאשׁ מַשְׁבִּיר, מְחוֹלֵל וּמוֹלִיד צַדִּיק כַּבִּיר

וּבְבִרְכָתִי תְּנַעֲנַע לִי רֹאשׁ, וְאוֹתָהּ קַח לְךָ כִּבְשָׂמִים רֹאשׁ

יֶעֱרַב נָא שִׂיחִי עָלֶיךָ, כִּי נַפְשִׁי תַעֲרֹג אֵלֶיךָ

 

The Shir Ha-kavod (lit. Song of Honor) which according tradition was written by R. Yehuda Ha-Chassid (dies 1217 in Regensburg and thus also known as Yehuda of Regensburg) usually is sung at the end Shabbes morning service.


Über die Juden im mittelalterlichen Regensburg

September 2, 2011

Das Regensburger Stadtwappen zeigt zwei gekreuzte Schlüssel, die der Tradition gemäß den Stadtheiligen “Petrus” symbolisieren sollen.

Das Siegel der mittelalterlichen Gemeinde in Regenburg, es hat einen sechszackigen Stern mit einem Halbmond mit einer selbstbezechnenden Inschrift ( חותם קהל ריגנשפורק – chotam kahal regenschpurk). Demhingegen zeigt ein Ring aus den Ausgrabungen vom Neupfarrplatz die Mondsichel mit einem siebenzackigen Stern. Die Flagge der Türkei beispielsweise vereinigt den Mond mit einem fünfzackigen Stern. Eine Zacke mehr oder weniger scheint also mal weniger mal mehr aussagekräftig zu sein. 😉

Steht das Emblem als Siegelzeichen der jüdischen Gemeinde von Regensburg so nun fest, so überrascht es freilich auch, selbiges  in der “offiziellen” sechs-zackigen Variante und mit der Mondsichel an der Decke eines Seitengangs der ehemaligen Minoritenkirche in Regensburg wiederzufinden, Die Kirche ist heute wiederum Bestandteil des Historischen Museums der Stadt und soll (in welchen Teilen?) auf das 13. Jahrhundert zurückgehen …:

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Regensburg hat eine alte, überregional bedeutsame jüdische Geschichte, am bekanntesten verbunden mit Gelehrten wie Yehuda b Schmuel Kalonimos (gest. 1217), dessen, freilich andernorts verfasstes, Ehrenlied bis heute in aller Welt am Schabbes gesungen wird.

Die älteste bekannte Nachricht über Juden in Regensburg datiert den Kauf eines Grundstücks aus dem Besitz des Klosters St. Emeran durch einen Juden namens Schmuel. Im Jahr 1020 ergibt sich aus der Urkunde über die Schenkung eines Christen an das selbe Kloster die Nähe zu „den Wohnhäusern der Juden“. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig auch eine unmittelbare Nähe zu St. Emeran im Süden der Altstadt, schließt eine solche freilich auch nicht zwingend aus. Ein Reisebericht aus der Mitte des 11. Jahrhunderts erwähnt erstmals eine Synagoge. Unklar ist hingegen in welchem Umfang die jüdischen Regensburger im Jahre 1096 von den marodierenden Kreuzrittern in Mitleidenschaft gezogen wurden, jedoch verfügt im Jahr darauf der spätere Kaiser Heinrich IV., dass die in Regensburg zwangsgetauften Juden zum Judentum zurückkehren dürften.  Fraglich ist  auch, ob die Synagoge der Zwangschristen nun als solche bestehen bleiben oder im Jahr darauf ohne weiteres wieder zur Synagoge rückgewandelt werden konnte. Heute jedenfalls gilt als Ort der jüdischen Ansiedlung im mittelalterlichen Regensburg der Bereich um den Neupfarrplatz zwischen Tändlergasse  und Residenzstrasse (früher Judengasse), bzw. Kramgasse und Gesandtenstraße. Hier wurden 1995 auch Fundamente freigelegt, die zur früheren Synagoge gehört haben sollen. Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Regensburg hatte schlussendlich bis zum Februar 1519 Bestand, als die Ausweisung binnen weniger Tage erfolgte. Für viele der Regensburger Juden war die lokale Neuorientierung freilich nicht zu schwierig, da sie ins gerade mal 700 m entfernte Stadtamhof auf der Donau – Wöhrd (sprich „Insel“) umzogen und hernach über die Brücke hernach als Händler wieder in die frühere Heimat, die in Sichtweite geblieben war, Einlass fanden. Zumindest an die Fundamante der Synagoge erinnert heute eine 2005 fertiggestellte weiße Steinskulptur des israelischen Künstlers Dani Karavan, während unterhalb des Platzes die „Document“ genannte Ausstellung Teile der ausgegrabenen Reste des ehemals mit vielen Häusern bebauten Platzes „archäologisch“ präsentiert.  

   Mittelalterlicher Grabstein an der Fassade der Staatlichen Realschule “Am Judenstein”, namensgebens auch für die Straße. Der Stein befand sich ursprünglich im Garten des Regensburger Kupferstechers und Ratsmitglied Albrecht Altdorfer, auf den auch Darstellungen der 1519 zerstörten Synagoge zurückgehen. An Stelle der heutigen Schule befand sich das Geburtshaus Altdorfers, das 1909 abgerissen wurde.

In ganz anderer Weise freilich präsentiert Regensburg die Überreste des 1210 begründeten, im Bereich des heutigen Ernst-Reuter-Platz zwischen Bahnhof und Galgenberg gelegenen früheren jüdischen Friedhofs, dessen Grabsteine auf die stattliche Zahl von 4000 und mehr geschätzt werden. Einzelne von ihnen finden sich überall in der Altstadt verteilt, mit der Schriftseite nach vorne eingemauert in den Innenhöfen oder Seiteneingängen alter Häuser, aber auch inerhalb von Häusern, wie heute etwa in einem Musikgeschäft zu sehen oder aber, was nicht minder bemerkenswert ist, im Kreuzgang des riesigen Regensburger Doms. Eine Systematik ist dabei nicht zu erkennen, da manche der Steine offensichtlich auch nicht eingemauert sondern mitunter an die Wände viel später entstandener Gebäude „montiert“ wurden. Eine populäre Ansicht besagt, der Zweck der Ausstellung der Steine sei auf diese Weise den „Triumph“ über die vertriebenen Juden zu signalisieren (wozu freilich nur eine Begleitinschriftetwas besagt), insgesamt freilich zweifelhaft ist, da auf diese Weise die verteufelten Juden, die wie oben erwähnt in nicht geriger Zahl doch in der direkten Nachbarschaft am anderen Donau-Ufer wohnen blieben, offensichtlich noch präsenter im Stadtbild wären als zuvor. In einer, basierend auf Vorstellungen wirksamer Geheimzeichen, von „Zauberei“ und Aberglauben geprägten Bevölkerung kann dies kaum zur Beruhigung oder gar zum Hochgefühl der derselben beigetragen haben. Denkbar wäre in diesem Kontext freilich auch, dass die Anzahl von Steinen vielleicht aber auch gerade deshalb als eine Art magischer Schutz vor himmlischer Vergeltung eingefügt wurden. Ein anderer Aspekt wäre der rein praktisch Nutzung der Steine als Baumaterial. Abgesehen davon, dass tausende (unterschiedlich große und gestaltete) Grabsteine sich nicht einfach zu Bauten zusammenfügen lassen, spricht dagegen jedoch einiges in der überlieferten  Ortsgeschichte. Zum einem wurde die Synagoge der Regensburger Juden nicht konvertiert, sondern dem Vernehmen nach völlig zerstört und wie eine Tafel an der heutigen Neupfarrkirche besagt, an ihrer Stelle eine neue Kirche errichtet – freilich aus Holz. Andererseits wurden am heutigen Neupfarrplatz auch zumindest die überirdischen Teile der Häuser des jüdischen Viertels abgetragen, was an für sich keinen Sinn macht, wenn man einen zusätzlichen Bedarf an Wohnraum und oder Baumaterial voraussetzen will. Freilich dürften von den Häusern dann genug verwertbare Ziegel für andere Gebäude übrig geblieben sein, die für übliche Ziegelbauten gewiss leichter und stabiler zu verbauen waren als Grabsteine. Dies alles steht mehr oder minder wohl im Kontext der (zunächst hölzernen) Wallfahrtskirche, die nun doch nicht auf den Fundamenten der zerstörten Synagoge steht, 1542 aber zur evangelischen Stadtkirche wird, deren heutige Form und Ausmaß freilich aber erst wieder aus dem Jahr 1860 stammt.  

Eine Reihe der Grabsteine des jüdischen Friedhofs sollen der Überlieferung gemäß aber auch in anderer Orte gelangt sein, etwa nach Kelheim, Regensdorf, usw. Wie auch immer sind rund sechzig der Grabsteine in der einen oder anderen weise, hier oder dort erhalten oder zumindest in ihren früher erhaltenen Inschriften überliefert. Immerhin sieben, überwiegend erstaunlich gut erhaltene Grabsteine aus dem datierbaren Zeitraum von 1252 bis 1505 befinden sich neben anderen Funden im Regensburger Stadtmuseum.

famous German folksong on Regensburg (Ratisbon).

Regensburger Zoigl (Bierzeiger) Bier am Domplatz

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