depiction of Moses = [m]Oyses = Μωυσῆς = Moshe = משה = موسى
12. or 13. century glass window at Augsburg Cathedral (2009)
Auch nach gefühlter 27-jähriger Bauzeit ist es immer noch nicht einfach bei täglich wechselnden Straßenführungen zur Augsburger Synagoge zu gelangen. Da es ja Telefon und email gibt ist das nicht ganz so dramatisch, außer dass die einen keinen Anschluss haben, die anderen den ihren an Schabbes nicht benutzen.
Für Gewichtigeres gibt es nun aber am anderen Ufer, bzw. Straßenrand wenigstens einen Außenposten in Form eines Briefkastens (falls er vorher schon vorhanden war, ist er älteren Datums und wurde in den letzten Jahrzehnten von Bauschildern oder Erdaufschüttungen verdeckt). Dort nun kann man Briefe einwerfen, die sodann von Maulwürfen im Rahmen des beliebten 1-Euro-Job-Programms vorbei an der nicht mehr gebrauchsfähigen Mikwe in das Büro der IKG oder gleich zum Museum gebracht werden. Andersrum soll das auch gehen, theoretisch zumindest.
Ziemlich genau vor einem Jahr sah es hier noch völlig chaotisch aus, kein Vergleich zu heute:
Auch der Königsplatz-Umbau ist fast fertig und soll bald, d.h. wohl pünktlich zum “Weihnachts-Geschäft” für den Verkehr freigegeben werden. Wie man sieht, fehlt ja nun auch wirklich nicht mehr viel:
Das Schild im Vordergrund ist etwas irreführend. Es ist tatsächlich Augsburg und nicht Ulm, auch kein Ulm-, sondern ein Umbau. Aber wem sagen wir das ..?
Fast fertig: Königsplatz Augsburg
Im idyllischen schwäbischen Bauernhof-Museum Illerbeuren gibt es auch ein kleines Museum, welches anhand einiger weniger Ausstellungsstücke die Vergangenheit der Region vom Ersten Weltkrieg bis zur Zeit des sog. “Wirtschaftswunders” der 1950er Jahre passieren lässt. Dazu gehört beispielsweise ein Plakat welches über die “Kriegsgebote des Kartoffelbauers” informiert, u.a. “Halte die Kartoffel unkrautfrei…”
Eine gerahmte Urkunde mit Passbild informiert, dass Xaver Gruber aus Kronburg, geboren am 17.4.1898 von 1916 bis 1918 “Mitkämpfer im Ringen um des Reiches Bestand und des deutschen Volkes Ehre und Ruhm” war. Eine alte schwarz-gelbe Werbetafel plädiert: “Das Geld des Dorfes dem Dorfe! – Spart bei Eurem Darlehenskassenverein“. Es gibt auch ein paar Gegenstäde zu sehen: Auf einem Schrank ein Grammophon z. B., daneben auf einem weißen Deckchen ein Krug und eine Art Mandoline … ein paar ältere Trachten der Kronburger Tanzgruppe (1948 ..?), eine Eisdielen-Einrichtung mit Musikbox, mit Motorroller und dergleichen. Etwas hiervon, etwas davon, im Sinne von “nett”.
Kinderfreundlicher Hitler im schwäbischen Illerbeuren
Die Nazizeit wird auch nicht verschwiegen, aber in eher einfältig unschuldiger Weise präsentiert. In einer Vitrine sind mit einen herzlichen, fürsorglichen mit Kind dargestellten Hitler (wohl) originale Propaganda-Plakate angeordnet die heroisch für “Harte Zeiten, Harte Pflichten, Harte Herzen” werben, aber aber auch Karrieretipps geben: “Vom Hitlerjungen zum Offizier des Heeres, Dein Weg!”
Darunter liegt am Boden der Vitrine nun ein rotes Büchlein mit dem Titel “Ordnung in der Judenfrage“, als dessen austrofaschistische Verfasser “Emmerich Cermak” (gest. 1965) und “Oskar Karbach” ausgewiesen sind.
Was nun hat das Bauernhofmuseum im Juli 2013 mit einer “Judenfrage” zu tun?
Waren die Initiatoren oder ihre Eltern in der Hitlerjugend und haben Karriere in der Wehrmacht gemacht? Haben Sie im Allgäu die “Judenfrage” geordnet? Erklärungen über Kontext und Motive fehlen.
Direkt gegenüber befindet sich jedoch eine weitere Vitrine … mit einer (vermutlich) originalen Bronzebüste von … genau: Adolf Hitler. Dahinter (!) haben die Macher ein Schwarzweiß-Photo vergrößert und für die Büste als Rückwand platziert, auf welchem nun allen Ernstes KZ-Häftlinge zu sehen sind, offenbar in einer Baracke. Auch hierfür fehlt eine Erklärung.
Ein Plädoyer dafür, dass unter den Häusern, Hütten und Schuppen die auf dem Gelände des Bauernhof-Museums zu sehen sind auch eine KZ-Baracke nicht fehlen sollte, da durch die vielen KZ-Außenlager überall es zur Geschichte der Region gehört?
So ist im Rahmen der Gesamtkonzeption der Kontext unverständlich. Wird es demnächst, analog zu Rindern und Schafen ein Gehege mit Hitler-Jungen geben ..?
Für Aufmärsche mit Musik jeden Morgen um 5 Uhr 45 ..?
כך חשבו בוקרים יהודים בשוואביה
If the cattle is well, its a good morning, that what Jewish cowboys in Swabia had in mind
Swabian or Allgäuer (“allgoyer”) Braunrind or Braunvieh is the traditional brown livestock of Bavaria (Austria and Swiss). In 19th century many emigrants, among them many Jews (until 1870s at least three-fourths of the domestic cattle breed and trade was in Jewish hands) brought braunvieh to the US where it was bred in higher numbers. When the Kingdom of Bavaria became part of Germany in 1870 cattle brute from the north cut out the “heimisch” breed.
When in Bavaria braunvieh was almost on the brink of extinction the cattle was reimported from the US and has been true-bred. At the farming museum (Bauernhofmuseum) of Illerbeuren near Memmingen a number of original Swabian braunvieh is ready to answer your questions (their common language by the way until today is sort of רער טאיטשע געייה – resp. taytsh lowing.
Further information: Schwäbisches Bauernhofmuseum, Museumstr. 8, 87758 Kronburg-Illerbeuren
Die Geschichte des jüdischen Friedhofs im oberschwäbischen Memmingen ist schnell erzählt, denn er wurde erst 1875 eingerichtet, zwei Jahrzehnte später vorbildlich ummauert und bis zur Ausrottung der Gemeinde im völkischen Deutschland benutzt. Zuletzt wurde hier im Januar 2013 der verstorbene Richter Manfred Worm beigesetzt, zuletzt Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben. Insgesamt sind wohl 136 Gräber vorhanden. Ein Denkmal ist den jüdischen Wehrmachtssoldaten des Ersten Weltkriegs gewidmet.
Grabsteine am jüdischen Friedhof in Memmingen: links die Frau Bela, in der Mitte Aharon ben Naftali (gest. im Sommer 1930), im Hintergrund ist der Gedenkstein für Heinrich und Sara Gerstle zu erkennen.
entry Memmingen Jewish cemetery
in der Mitte: Denkmal für Pinchas b Jakow Arje, genannt Bernhard Seligmann
מאיר אריה היילבראננער, נפטר בש טוב ובשיבה טובה ביום עש’ק כ’ה תמוז וקבר ביום א, כ’ז בו תרנ’ה לפ’ק
Hier ruht unser unvergesslicher Gatte und Vater, Mayer Loeb Heilbronner, geb. zu Fellheim am 2. März 1815, gest. zu Memmingen am 15. Juli 1896
Dahinter: שמעון בן מנחם קיטצינגער, נפטר בשם טוב יום ה אסרו חג סוכות ונקבר עש’ק בראשית תרנ’ו לפ’ק, תנצבה
Hier ruhet Herr Simon Kitzinger, geb. 1850, gest. Oktober 1896
Die Bilder vom Inneren des Friedhofs wurden übrigens auf gutes Gelingen mt über die Mauer gehobenen Kameras gemacht. Offenbar rechnet man nicht damit, dass Sonntag nachmittags auswärtige Besucher nach Memmingen kommen, um den Friedhof zu besuchen.
Friedhof Memmingen: Grabstein eines מנחם mit Wasserbecken und Mülltonne
בעיירה הקטנה מעממינגען בשוואביה קיימים מאז 1875 בית הקברות יהודים קטנים
В маленьком городке Швабский Мемминген מעממינגען существует с 1875 года небольшое еврейское кладбище.
1.
“Man was matter, that was Snowden’s secret.
Drop him out a window, and he’ll fall.
Set fire to him and he’ll burn.
Bury him and he’ll rot, like other kinds of garbage.
The spirit gone, man is garbage.
That was Snowden’s secret.
Ripeness was all.”
* * *
Joseph Heller (1923-1999) – Catch 22 (1961)
* * *
2.
s we know it from Superman and Clark Kent: Just remove the glasses: Lee Harvey Snowden, Edward Joseph Oswald (Americans in Russia.com)
3.
Die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung vom 1. Juli 1933 (Heft 13) veröffentlichte unter der Rubrik „Aus der Gemeinde Augsburg“ die „Rechnungsablage für das Geschäftsjahr 1932 (1. Januar 1932 mit 31. März 1933)”:
Vermögen: (in Reichsmark „RM“) |
|
Kassa-Konto: Barbestand |
7.701,17 |
Hypotheken-Konto: aufgewertet |
1.500.– |
Effekten-Konto: bewertet |
1.– |
Hausbesitz-Konto: eingesetzt |
74.162,11 |
Stadtsparkasse Augsburg: Guthaben Scheck-Konto |
199,82 |
August Gerstle, Augsburg: Guthaben |
141,80 |
Konto Friedhofserweiterung Kriegshaber |
19.852,38 |
Pensions-Konto: Vortrag vom Versorgungsverband zu tragender |
12.928,38 |
Versicherungs-Konto: Vorausbezahlte Prämien |
124.45 |
Kultus-Kassa-Konto: Fehlbetrag der Jahre 1931, 1932 |
9.586,48 |
126.197,72 |
|
|
Verbindlichkeiten: |
|
Versorgungs-Konto: Rückstellung für die Umlage 1932 |
8.884,90 |
Hypotheken-Konto Stadtsparkasse Augsburg: aufgewertete Hypothek |
38.927,82 |
Darlehens-Konto: Stadtsparkasse Augsburg |
50.000.– |
Israelitisches Altersheim: Guthaben |
9.488.– |
Israelitische allgemeine Stiftung: Guthaben |
1.970.– |
Israelitischer Gräberfonds Augsburg: Guthaben |
1.225.– |
Bayerische Staatsbank Augsburg: Guthaben |
15.702.– |
126.197,72 |
|
Rechnungsabschluss: |
|
Ausgaben: |
|
Vortrag des Fehlbetrages von 1931 |
9.476,74 |
Gehalts- und Entschädigungskonto: ausbezahlt |
53.522,45 |
Versorgungs-Konto: Kosten der Beamten-Versorgung |
10.953,31 |
Chor-Konto: Kosten |
1.256,90 |
Gottesdienst-Konto: Kosten |
2.283,58 |
Gemeinde-Häuser-Konto: Haussteuer, Umlagen, städt. Gebühren, Anschaffungen, Instandsetzungen, usw. |
8.524.96 |
Gottesacker-Konto: Kosten |
594,91 |
Lesezimmer und Bibliothek-Konto: Kosten |
466,59 |
Wohlfahrts-Konto: Zuweisung an die Wohlfahrtsstelle |
7.500.– |
Bildungs-Konto: Vorträge |
19,20 |
Beheizungs-Konto: Kosten |
1.243,25 |
Beleuchtungs-Konto: Kosten |
482,16 |
Synagogen-Beleuchtungs-Konto: Konto |
838,43 |
Pensions-Konto: Anteil an bezahlten Versorgungen |
1.849,18 |
Ehrungs-Konto: Bedarf |
481,90 |
Zinsen-Konto: bezahlte Schuldzinsen |
8.015,25 |
Versicherungs-Konto: Versicherungskosten |
1.529,40 |
Schächtgebühren-Konto: Berufsgenossenschaft usw. |
318,60 |
Inserate- und Drucksacken-Konto: Kosten |
923,60 |
Wohlfahrtsabgaben-Konto: Mehrleistung |
29,66 |
Beiträge- und Spendenkonto: Subventionen usw. |
715.– |
Regie-Konto: Verwaltungskosten |
1.901,73 |
112.926,80 |
|
Einnahmen: |
|
Umlagen-Konto: Eingänge |
73.039,49 |
Lohnsteuer-Umlagen-Konto: Eingänge |
2.812,45 |
Kopfsteuer-Konto: Eingänge |
340.– |
Gehalt-Konto: Vergütungen |
4.925,20 |
Schenodorgelder und Mizwohhs in Kriegshaber |
210.– |
Ausschüttung: auf Pfandbriefe |
38,25 |
Inserat- und Druckkosten-Konto: Rabatte |
100,20 |
Schächtgebühren-Konto: Eingänge |
297,80 |
Gebühren-Konto: Eingänge |
3.028.– |
Konto vermieteter Plätze: Herren- und Frauenplätze |
1.797,50 |
Gottesdienst-Konto: Zylinderkastenmiete |
75.– |
Gemeindehäuser-Konto: Mieten |
8.327,73 |
Gottesacker-Konto: Fernsprechkosten und Pacht |
124,75 |
Gebetbuch-Konto: verkaufte Bücher |
27,10 |
Beiträge- und Spendenkonto: Zuschuss der Stiftungen |
7.500.– |
Zinsen-Konto: Hypothek, Effekten und Scheck-Konto |
130.71 |
Beleuchtungs-Konto: Rabatt |
9,76 |
Synagogen-Beleuchtungs-Konto: Gedächtnislichter und Rabbatt |
322,18 |
Regie-Konto: Fernsprechgebühren |
34,20 |
Bilanz-Konto: Fehlbetrag 1931, 1932 |
9.586,48 |
112.926,80 |
|
|
Für die Verwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg
Der Kassierer: Max Schloss
* * *
* * *
Manche der Posten liest man heute natürlich mit einem gewissen NEID, … etwa die Nachricht, dass die Beheizung der Augsburger Synagoge fürs ganze Jahr gerechnet nur etwa 1200 Mark kostete, oder jährliche Telefonkosten von 34 Mark (… mit halbierter Summe in Euro ..? *hüst* …). Die Synagoge für 75.000 zu kaufen wäre natürlich auch eine, ähm … “Idee” … *pfeif* … Aber diese Rechnung geht wohl nicht auf.
Bemerkenswert sind die (fast schon wieder aktuellen) Haushaltsposten zu den Friedhöfen, aber auch die heute kaum vorstellbaren Schächtgebühren. Sehr aufschlussreich sind schließlich auch die doch sehr spezifischen Erträge aus der Reformgemeinde in Augsburg („Zylinderkastenmiete“: 75 RM) und der “orthodoxen” Tradition („Schenodorgelder und Mizwohs in Kriegshaber“: 210 RM).
Blindstudie Israel
July 11, 2013Im April dieses Jahres ist im Berliner Links Verlag das Buch „Israel – ein Länderporträt“ erschienen. Verfasst wurde es von Ruth Kinet, die nach der eigenen Beschreibung 1972 geboren wurde, in Augsburg und Berlin Philosophie studierte und bis 2012 einige Jahre in Tel Aviv verbrachte und nunmehr in Berlin lebt. Ihr im Nachwort erwähnter Vater, der evangelische Theologe Dr. Dirk Kinet (geb. 1941) unterrichtet an der Augsburger Universität u.a. Hebräisch – und der Augsburge-Bezug rechtfertigt, dass wir uns das Werk und seinen Hintergrund etwas näher ansehen wollten. Dr. Kinet hat selbst schon Werke zur Geschichte Israels verfasst. In diesen bleibt er mit seiner Bibelkritik im Rahmen der theologischen Mehrheitsmeinung der letzten vier Jahrzehnte.
Deren Ausrichtung war und ist es, systematisch daran zu arbeiten, den Stellenwert der israelischen Frühgeschichte aufzuweichen und im Kontext anderer, in der Prämisse bereits übergeordneter Überlieferungen der Region zu relativieren. Deren Quellen werden kaum oder gar nicht angezweifelt, so wie die Kritik selbstredend natürlich vorsichtshalber schon vorchristlich endet und folglich weder christliche noch islamische Traditionen hinterfragt. Entsprechend richteten sich auch Erwartungshaltung und Fragestellung einer Reihe biblischer Archäologen, deren Zwischenergebnisse als herangezogene empirische Wissenschaften, helfen sollten die neuen Ansichten zu schärfen. Im Rahmen der gesetzten Erwartungen ist das sicher gelungen und in den letzten Jahren haben sich auch einige Vorstellungen über die biblische Archäologie konkretisiert – spektakulär dabei insbesondere auch reihenweise gefälschte Belege für die Existenz des Frühchristentums.
Diese scheinbar objektive Bibelkritik (die sich, wie gesagt, weitgehend auf Negierung oder Relativierung der israelischen, jüdischen Frühgeschichte versteht) ist in Tendenzen seit dem Aufkommen des Zionismus Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar. Mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 und nach dem Erfolg des 6-Tage-Kriegs im Juni 1967 verstärkte sich dies spürbar und wurde entsprechend auch Teil der anti-israelischen Propaganda. Zur dominanten Ausrichtung der Forschung wurde dies jedoch erst nach dem Jom Kipur-Krieg im Herbst 1973 und der folgenden „Ölkrise“, als der inzwischen gestürzte libysche Erdöl-Rebel Gaddafi, zum „Kulturkampf“ gegen den Zionismus aufrief und dazu aufforderte, die Legitimation des Staates Israels in Frage zu stellen. Anreize dafür gab Gaddafi mit zahlreichen Millionenspenden an westeuropäische, aber auch US-amerikanische Universitäten. Natürlich muss man sich den Verlauf nicht so vorstellen, dass Theologen oder Historiker nun auf der Gehaltsliste des libyschen Revolutionsführers standen, der von europäischen Linken zeitweilig wie ein „Popstar“ verehrte wurde, aber wir können in den frühen 1970er Jahren getrost davon ausgehen, dass tagespolitische Entwicklungen, und insbesondere auch politische Pamphlete von Führern wie Gaddafi in der Studentenschaft des Westens konvertiert und diskutiert wurden. Dass die Saat politisch aufging, steht ja auch außer Zweifel.
Sieht man sich aber zeitgenössische Zeitungen aus dem Sommer 1967 an, als Israel in wenigen Tagen die Armeen aller seiner arabischen Feinde besiegte, das seit 1948 von den Arabern geteilte Jerusalem wiedervereinigte, Judäa, Samaria, den Golan und den Sinai eroberte, so stößt man überall auf euphorische Unterstützung für den Judenstaat. In einer in dieser Weise heute noch üblichen Straßenbefragung von Passanten in der Innenstadt ermittelte die Augsburger Allgemeine im Juni 1967 die Bereitschaft, Israel zu unterstützen (der 6-Tage-Krieg war da bereits ein paar Tage beendet!). Alle Befragten waren uniso begeistert vom militärischen Erfolg des „schwer geprüften jüdischen Volkes“, während die jungen Befragten, darunter auch Studenten durchweg meinten, dass sie sich vorgenommen hätten, im Sommer, im Herbst, in den Ferien, … selbst nach Israel zu reisen, um dort vor Ort zu helfen. Offenbar bestand damals ein gewisses Bedürfnis sich auf die Seite des Siegers zu stellen, das 1973 dann “irgendwie” abhandenkam.
Westerwelle und Gaddafi im November 2010
Aber wie nun liest sich das im Kontext dieser Entwicklung 40 Jahre später?
Schon die ersten Sätze im Klappentext von Ruth Kinets Buch suggerieren eine unverkennbare Tatsache:
„Israel entfernt sich immer weiter von der Weltgemeinschaft. Seine vielschichtigen Konflikte im Innern sind kaum noch zu verstehen, der Friedensprozess existiert nur noch in den Wunschphantasien westlicher Politiker, und die politische Rhetorik beschwört das Gefühl, Israel stehe allein gegen den Rest der Welt. Der Graben des Unverständnisses zwischen Israel und seinen Nachbarn und Verbündeten vertieft sich zusehends.“
Und? Stimmt das etwa nicht? Sicher, wenn man es so – und zwar so und nichts anders – sehen will. Setzt man weiterhin die Prämisse voraus, dass Israel ein „Fremdkörper“ in der nur scheinbar homogenen arabischen Umgebung ist, problematisiert und fokussiert man Israel entsprechend. Aus einer vorgeblich „neutralen“ Position werden Israelis mit Kritik konfrontiert, die oft genug wortgleich mit den Forderungen von Israels Feinden daherkommt, nicht selten sogar noch extremer.
Entsprechend manipulativ ist oft auch bereits das Vokabular zahlreicher Journalisten: Während deutsche Medien (von „taz“ über „Spiegel“ bis zur „Tagesschau“) israelische Parteien wie den Likud des Premiers Netanjahu als „rechtsgerichtet“ bezeichnen – was in deutschen Ohren unleugbar sehr bestimmte Assoziationen weckt und wohl auch wecken soll, tituliert man die gerade erst gestürzte Muslimbruderschaft in Ägypten als „konservativ“. Da denkt man in Deutschland allenfalls an Heiner Geisler, Volker Kauder oder Ilse Aigner. Der im Iran frisch gewählte künftige Präsident, der Scharia-Richter Rouhani, der in den vergangenen Jahren als Verhandlungsführer der iranischen Atomkommission seine europäischen Gesprächspartner an die Wand laufen ließ, wird sogar als „liberal“ porträtiert, so als handele es sich um eine lustig kostümierte Ausgabe von Rainer Brüderle.
Wie dem auch sei, zählt zum Wunschdenken der Israel-Kritiker die Behauptung der zunehmenden „Isolation“ Israels, als Folge einer völlig uneinsichtigen Politik der („rechtsgerichteten“) Regierung(en), die tatsächlich aber nur eine Veränderung in der Haltung der „Kritiker“ wiederspiegelt, die sich seit dem noch von Gaddafi in Sirte veranstalteten Gipfel der Arabischen Liga im März 2010 nochmals radikalisiert hat (http://www.danieldagan.com/?p=23219). Schon damals trat der inzwischen auch zu Hause umstrittene türkische Regierungschef Erdogan als ganz unverblümter Gegner Israels in Erscheinung (ebenso die ägyptische Regierung Mubarak/Mussa) und rief dazu auf, den Konflikt um die israelische Gaza-Blockade zu verschärfen. Dies geschah zwei Monate später bekanntlich tatsächlich. Dass diese Zuspitzung unter der (letzten) Schirmherrschaft Gaddafis beim Gipfel der Arabischen Liga verabredet wurde, hat man in der Berichterstattung jedoch weggelassen. Warum wohl?
Und wie so oft, wenn es um Juden geht, werden Kriterien zur Beurteilung herangezogen, die in anderen Kontexten niemals zur Anwendung kämen, weil man sie allgemein als völlig absurd einstufen würde. Ein Beispiel dafür gibt uns auch die Autorin Ruth Kinet in ihrem Buch, wo ein Kapitel (S. 127 ff) überschrieben ist mit dem Titel:
„Nicht erwünscht: Menschen mit Behinderungen!“
An der Aussage ist nichts unklar, doch recht schnell ist man darüber erstaunt worauf die vorangestellte Prämisse basiert. Als Kinets Kronzeuge tritt ein gewisser Avraham Rabby in Erscheinung. Er ist blind und sei als jüdischer Einwanderer aus den USA nach Israel gekommen. „Bei seiner Einwanderung wurde seine Behinderung in seinem Staatsbürgerschaftsprofil vermerkt. Deswegen wurde er automatisch vom Dienst in der Armee entbunden.“
Das ist alles? Ja, im Grunde.
Herr Rabby machte daraus im August 2012 einigen Wirbel und die englisch-sprachige Jerusalem Post“, auf deren Artikel (http://www.jpost.com/Opinion/Op-Ed-Contributors/Disabled-Israelis-must-also-serve-equally-in-IDF) sich Frau Kinet beruft, räumte angesichts der „Paralympic Games“ in London, Rabby mit einem eigenem (!) Artikel die Gelegenheit ein, an den Staatspräsidenten Schimon Peres zu appellieren und allgemeine Forderungen zu stellen.
Da nun haben wir den ultimativen Beweis, erbracht von einer „Insiderin“, die sich selbst jahrelang in Israel aufhielt, um hautnah die Veröffentlichung eines Artikels abzuwarten, der entlarvt, wie der israelische Staat mit Behinderten umgeht: Blinde werden nicht zum Militärdienst eingezogen. Skandal! Was für eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit!
Nun, ahnt man ja fast, wer ein ernsthaftes Interesse daran hätte, dies zu ändern … und warum …. und obwohl es angesichts einer solchen „Anklage“ nicht ganz leicht fällt sich zwischen Stirnrunzeln und Lachen zu entscheiden, will ich zunächst die nüchterne Frage stellen, wie das mit Blindheit & Wehrdienst denn etwa im Heimatland der Journalistin gehandhabt wird?
Natürlich findet man über Google im deutschsprachigen Internet Diskussionen zur Frage, ob Blinde zur Bundeswehr müssen (http://www.gutefrage.net/frage/muessen-blinde-menschen-zur-bundeswehr): Ja – man hätte das zumindest ahnen müssen – gibt es diesbezüglich in Deutschland logischerweise sogar DIN-Normen (= Deutsches Institut für Normung – Normen, …), etwa DIN 58220 die regelt, welche maximale Sehhilfen zulässig sind, woraus sich im Umkehrschluss wiederum ergibt, dass Personen mit schwächerer Sehkraft ausgemustert werden.
Mit Blinden will sich die Norm erst gar nicht befassen. Und jetzt können wir raten warum? Wirklich ernst nehmen kann die Frage aber niemand so recht und so lauten die Antworten in den Foren etwa so
„Ja, sie werden zu Piloten ausgebildet.“
„Ja, sie werden dort zu Minensuchern ausgebildet. Ihr ausgeprägter Tastsinn ist da sehr hilfreich …“
„Was soll ein Blinder beim Bund? Blindgänger suchen?“
Wer blind ist, entspricht in Deutschland der Tauglichkeitsstufe „T5“ und gilt damit als „nicht wehrdienstfähig“. In diese selbe Kategorie fallen übrigens auch Personen, die an Krebs erkrankt sind (die Diagnose genügt), einen Herzklappenfehler haben, an Psychosen oder Epilepsie (ICD-10: G40) leiden. Nun kann man sich fragen, ob es nicht eine arge Diskriminierung von Behinderten ist, wenn im demokratischen Deutschland Leuten mit Psychosen der uniformierte Dienst fürs Vaterland schlicht verweigert wird. Früher ging das doch auch!
Noch düsterer wird das Bild für die Heimat der Autorin übrigens wenn man sich vergegenwärtigt, dass in die vom Wehrdienst ausschließende T5 – Kategorie auch Personen fallen, die bloß Asthma haben oder Diabetes (und auch hier genügt bereits die Diagnose ..!). Ich meine, dass wir auf eine Diskussion verzichten können, welche die rechtliche Gleichstellung von Diabetikern und Blinden vor deutschen Musterungsbehörden analysieren will.
Zu T5 siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Tauglichkeitsgrad#T5_.28nicht_wehrdienstf.C3.A4hig.29
Natürlich hat man als Blinder auch in anderen Staaten keine Chance auf eine Einberufung in die Armee. Warum also befasst sich eine deutsche Journalistin, die zumindest die Situation im eigenem Land hätte recherchieren können, mit so einer Frage? Um zu zeigen, wie feindselig die israelische Gesellschaft gegenüber Behinderten ist? Im Gegensatz zur „liberalen“ Hamas, die mit Scheich Yassin einen Blinden und Rollstuhlfahrer als Führer hatte, der noch dazu von Israelis in die Luft gesprengt wurde?
Zu Avraham „Rami“ Rabby hätte Kinet auch recherchieren können, dass dieser als „Aktivist“ gerne aneckt und exemplarische Konflikte heraufbeschwört (z.B. http://benetech.blogspot.de/2008/09/dragonair-hauls-rami-off-plane.html), was zugegeben zumindest für Gesprächsstoff sorgt und nicht prinzipiell zu beanstanden ist. Es spricht auch gar nichts dagegen, als Blinder an öffentlichen Diskursen teilzunehmen oder solche gezielt anzustoßen.
Obwohl blind, arbeitete er dennoch als Diplomat (u.a. in Trinidad, London und Südafrika) für das US-amerikanische Außenministerium. Nebenbei bemerkt: Avraham „Rami“ Rabby ist auch kein Neueinwanderer, sondern wurde in Israel geboren (siehe: https://nfb.org/images/nfb/publications/bm/bm07/bm0709/bm070910.htm): „Born in Israel, Mr. Rabby, who is known as Rami, was sent to live with an aunt in England at the age of ten because his parents believed there were better schools for the blind there. A Hebrew speaker, he quickly mastered English at Worcester College for Blind Boys.“ Erst 1980 wurde er US-Amerikaner.
Ganz offensichtlich hat Frau Kinet aber noch nicht mal den englischen Artikel der Jerusalem Post richtig verstanden und auch nicht weiter recherchiert (wahrscheinlich weil sie die Prämisse in Bezug auf Israel schon als erfüllt ansah). Zwei ganz wesentliche Punkte für die angebliche Diskriminierung Blinder in Israel hätten ihre Aufmerksamkeit erreichen können: Zum einem die Tatsache, dass Rabby 1950 in Israel geboren wurde und kein Neueinwanderer war, wie sie vermutet. Er kehrte 2007 lediglich aus den USA nach Israel zurück. Da sie in einem anderem Kapitel (S. 86 ff) ihres Buches auch über die Armee in Israel schreibt und sogar erwähnt, dass man bis zum Alter von 40 Jahren zum Reservedienst eingezogen werden kann, hätte ihr auch auffallen können, dass Herr Abraham Rabby, als er im Sommer 2012 den besagten Artikel in der Jerusalem Post schrieb, bereits 62 Jahre alt war.
Dass Herr Rabby in Israel in Punkto Militärdienst künftig aber nur noch am Alter scheitern würde, kann man zum Thema passend noch aus dieser halbwegs aktuellen Meldung vom 31. Mai 2013 folgern:
“Israeli scientists develop bionic eye for people born blind”
A tiny camera receives visual information from the environment and transmits signals to a bionic contact lens.
Read more: http://www.haaretz.com/news/national/israeli-scientists-develop-bionic-eye-for-people-born-blind.premium-1.526953
Nein, es ist nicht Israel, dass sich von der “Weltgemeinschaft” entfernt, es sind Kritiker dieser Art, die sich, auch wenn sie in Israel selbst leben entfernen, und zwar von jeder Form der Vernunft. Ja, das geht! Der eben erst gestürzte Herr Mohamed Mohamed Mursi (MMM) lebte als Anhänger der Muslimbruderschaft (nachdem sie Anwar as Sadat ermordete) Jahrelang im Exil in Kalifornien, etwa zur selben Zeit, als Harvey Milk und andere für die Schwulenbewegung auftraten. Da Triple-M aber sein Weltbild bereits mitbrachte, konnte die „Zügellosigkeit“ der Kalifornier ihn und seine verschleierte Frau jedoch nicht „verderben“, im Gegenteil. Er brauchte nur beobachten und Beispiele für die Verruchtheit des „Westens“ zur No-Tiz bringen.
Die letzten Jahre in Israel waren von immer neuen Rekorden im Tourismus geprägt. Jahr für Jahr, Monat für Monat wächst der Tourismus und damit die Zahl ausländischer Besucher, die in Israel ihren wertvollen Urlaub verbringen. Auch die Zahlen deutscher Besucher steigen kontinuierlich von Jahr zu Jahr. Von einer zunehmenden „Isolation“ kann gar keine Rede sein. Im Gegenteil, die Aussicht beim Besuch in „alternativen“ Reiseländern wie der Türkei oder in Ägypten (und wer wollte derzeit nach Syrien?) Opfer von militärischer Gewalt oder brutalen Polizei-Aktionen (fragen sie mal Claudia Roth, die Augsburger Parteichefin der Grünen Bundespartei nach ihren jüngsten Erfahrungen in der Türkei …) ist realistisch gegeben, weshalb sich im sicheren Israel eine Reihe zusätzlicher Buchungen ergeben.
Ein anderer Aspekt, der in vielleicht noch drastischerer Weise die angebliche internationale „Isolation“ verdeutlicht, in der Israel sich befinden soll, ist die in den letzten zehn Jahren geradezu sprunghaft angestiegenen Waffenexporte des jüdischen Staates. Mittlerweile werden israelische Rüstungsgüter in 130 Staaten weltweit gekauft. Natürlich kann man über Rüstungsexporte auch kritisch nachdenken – und Deutschland als eine der führenden Nationen in diesem Geschäft, das anders als Israel aber auch autokratische Regime im Nahen Osten beliefert – hätte sicher Anlass zum Nachdenken. Aber von einer Isolation kann hier gar keine Rede sein, nur weil ein paar Leute keine Orangen von jüdischen Siedlern in Samaria kaufen wollen.
Recht frisch ist die Nachricht darüber, dass arabische Christen in Israel nun eine „Neue Testament“ Partei (Bne Brit Chadasch, Kinder des Neuen Testaments) gründen, Israel als jüdischen Staat anerkennen und auch zum Militärdienst antreten wollen. (source: www.jta.org/2013/07/10)
* * *