Kriegshaber: Restaurant zum Friedhof ..?

August 27, 2008

Artikel der “Augsburger Allgemeinen” vom 21. August 2008 zu den Bebauungsplänen an der Ostseite des jüdischen Friedhofs in Cramerton, Kriegshaber:


Ein Gruss aus Augsburgs mittelalterlichem Judentum

August 25, 2008

Einen Gruß aus der Vergangenheit des mittelalterlichen Judentums überbrachten wir anlässlicher eines weitern Beratungsgespräch über den Erhalt des alten jüdsichen Friedhofs Kriegshaber, Herrn Alexander Mazo, dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben.

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Es handelt sich um eine vergrößerte Abbildung des Grabsteins von R. Awraham bar Pinchas K, den wir Ende Juli im Lapidarium des Augsburger Maximilian-Museums im Keller für unsere Dokumentation der jüdischen Geschichte Ausgburg besuchen und ablichten durften.

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In dieser Weise wollen wir dem Leiter der heutigen jüdischen Gemeinde einen Erinnerungsgruss von einem fast vergessenen Großen Gelehrten aus Augsburg überbringen.

Ohne Erinnerung an die Vergangenheit kann es keine Zukunft geben.


Die Rechte der Juden Augsburger Stadtbuch von 1276

August 20, 2008

Die Einzelbestimmungen des „Augsburger Judenrechts“

 

Unsere eigene Übersetzung (COPYRIGHT!) der Bestimmungen aus dem Stadtrecht will einerseits für heutige Leser verständlich sein, andererseits aber wo immer möglich auch den Eigencharakter des mittelhochdeutschen Textes bewahren.

 

 

§ 1 Welch Recht die Juden haben sollen, die hier zur Stadt wohnen

 

Hat ein Christ zu klagen gegen einen Juden, soll der Vogt auf ihrer Schule richten mit den Bürgern und den Juden. Und wenn sie mit ihren Fürsprachen gegeneinander stehen, so soll der Vogt einen Christen fragen und ihr Richtereinen Juden, und man soll die Urteile dann zusammen nehmen und nach der Mehrheit folgen. Und wenn dem Juden ein Eid erteilt wird[1], so soll er für den Eid vierzehn Tage Frist haben und er soll ihn dann tun vor dem Vogte auf der Schule nach jüdischem Recht.[2] Wird aber dem Christen ein Zeugnis erteilt gegen den Juden, das er nicht bezeugen will, wenn er selbst Dritter ist, sollte davon einer auch ein Jude sein.

 

§ 2 Wenn ein Jude einen Christen verklagt

Klagt ein Jude gegen einen Christen, welche Sache es auch ist, betrifft esdas Gericht des Vogtes oder des Burggrafen, so soll er den Eid des Christen nehmen. Will er aber bezeugen, soll er das tun zu dritt, mit demselben und mit zwei Christen.

 

§ 3 Bezüglich eines beschlossenes Pfands, das man Juden setzt

Wird einem Juden ein beschlossenes Pfand gesetzt ohne Bürgen, so soll er gehalten Jahr und Tag, ist es der Pfennige Wert. Ist es ihr nicht wert, so mag er den Burggrafen klagen, dass man ihm mehr Pfand geben soll[3] oder dass er es rechtskräftig verkaufen kann.

 

§ 4 Wenn ein Christ und ein Jude zu Kriege werden

Wird einem Juden ein Pfand gesetztund werden der Christ und der Jude miteinander zu Kriege[4], entweder weil das Pfand so viel stand oder so lange und hat der Jude das Pfand in seinem Gewahrsam, dann soll der Christ es auslösen, wofür der Jude es bereit ist zu geben.

 

§ 5 Wenn ein Jude auf ein Ross leiht

Leiht ein Jude seine Pfennige auf ein Ross, soll er es zum Fütterer stellen und soll Bürgschaft darauf nehmen. Geschieht dem Ross durch Verschulden des Juden ein Schaden, soll er den Schaden tragen. Geschieht aber dem Ross ohne Verschulden des Juden ein Schaden, sollen der Selpschol[5] oder seine Bürgen den Schaden tragen.

 

§ 6 Wenn ein Christ sein Gut, das ihm gestohlen wurde in der Gewalt eines Juden findet

Findet ein Christ sein Gut, das ihm gestohlen oder geraubt wurde,  in der Gewalt eines Juden, soll der Jude ihm dafür das Hauptgut erstatten. Dünkt der Christ aber der Lösung zu viel, soll ihm der Jude es beweisen nach jüdischem Recht. Es soll auch kein Jude ein beschlossenes Pfand entgelten, das um ein Drittel teuer ist.

 

§ 7 Es soll kein Jude leihen auf ein Messgewand noch auf einen Kelch noch auf den nächsten Tag, was mit Gewissheit zur Kirche gehört.

 

§ 8 Es soll kein Jude von einem halben Pfund Pfennige mehr Nutzen[6] nehmen, als zur Woche zwei Pfennige und von Sechzig einen.

 

§ 9 Fließt[7] einem Christen sein Pfand, und bekommt er das Pfand nicht wieder, so soll es der Jude dem Christen nach seinem Eid entgelten.

 

§ 10 Schlägt ein Christ einen Juden zu Tode oder ein Jude einen Christen oder verwundet einer den anderen, oder wenn ein Christ einen Juden oder ein Jude einen Christ zur Gewalt anstiftet oder die Juden untereinander, sei es mit Totschlag oder, dass einer den anderen verwundet, soll man dem Vogt büßen, wie es in seinem Recht geschrieben steht.

 

§ 11 Liegt ein Jude bei einer Christin und findet man beide bei der Freveltat,  so soll man beide verbrennen. Ist es aber, dass der Vogt inne wird, dass sie voneinander kommen, lädt ihn der Vogt vor Gericht deswegen, so soll er seine Gunst gewinnen nach seinen Gnaden, ob man ihm bringt, was Recht ist.  

 

§ 12 Begeht ein Jude einen Diebstahl an einem Juden oder Christen und wird er bei der Freveltat gefunden, so soll man sofort über ihn richten, was Recht ist. Kommt er aber davon und wird darum vor Gericht geladen, so soll man ihm bezeugen was Recht ist oder man soll sein Recht darum nehmen.

 

§ 13 Wenn ein Jude Fleisch schlachtet, es sei Rind, Schaf oder Kalb, das soll er selber töten. Und wenn er das nicht will, dann sollen die Juden eine besondere Bank haben und ein Jude soll darüber stehen und es verkaufen und kein Christ, und derselbe Jude soll einen Judenhut aufhaben.

 

§ 14 Es sollen die Juden auch gesondert baden und mit keinen Christen.

Diese ursprüngliche Regelung aus dem Stadtbuch von 1276 besagt schlicht, dass Juden getrennte Bäder benutzen sollten, was ganz und gar im Interesse der Juden lag und auf der Vorgabe des Wormser Privilegs basierte.

 

Bemerkenswert am Augsburger Stadtrecht ist nun eine ausführliche Ergänzung, die nur 14 Jahre später handschriftlich in das Stadtbuch aufgenommen wurde:

 

In Namen des Herren! Wir die Ratgeber der Stadt Augburg tun kund allen, die diesen Brief lesen, hören oder sehen, dass uns die Juden von der Stadt Augsburg lange angelegen sind mit der großen Bitte, dass wir ihnen erlauben ein Badehaus zu machen, in dem sie und ihre Kinder und ihr Gesinde innen baden wann es ihnen fügt, dass sie uns nicht Ungemach täten in unseren Bädern und keine Gemeinschaft dort mit uns hätten. Da sind wir übergesessen mit guter Betrachtung und sind überein gekommen mit dem großen Rat, mit dem kleinen Rat und mit der Gemeinde der Stadt überall, das wir in vereintem Mute und mit guten Willen erlaubt haben, das Haus des Haerpher und das Spital Badehaus, mit der Bescheidenheit, dass sie und ihre Kinder und ihr Gesinde, die ihr Brot essen, Juden und Christen, und auch Juden von fremden Landen und fremden Städten da baden mögen und sollen, wann (immer) es sich fügt. Und der Wirt der dann des Badhauses Pfleger ist, soll keinen Christen baden zu keiner Stunde, der nicht ihr Gesinde ist, weder Bürger, noch Gast noch ledigen Mann. Verstößt er dagegen, keinen Christen zu baden, er wäre Bürger, Gast, Wirt oder lediger Mann, und bringt man vor, dass es gegen das Recht ist, so schuldet er dem Vogt und der Stadt eine Strafgebühr[8] fünf Schillinge Augsburger Pfennige, so oft wie er es bricht und die Strafgebühr gehört dem Vogt und der Stadt.

Da dieser Brief gegeben war, waren von Christus Geburt zwölfhundert Jahre in dem neunzigsten Jahr am Sankt Nikolaus Abend.

 

Mit diesem nachgearbeiteten Passus endet das 18. Kapitel des Augsburger Stadtrechts von 1276 bezüglich der Bestimmungen für die Juden in der Stadt, die regeln sollten, welche Rechte sie daselbst haben sollten.

 

 

Wie war es darum nun bestellt? Was können wir daraus ableiten? Zunächst können wir feststellen, dass anders als in den Bestimmungen zwischen der (noch) Freien Reichstadt und den Juden aus dem Jahre 1803 – die wir an späterer Stelle ausführlich besprechen – ihr Aufenthalt in Augsburg an keine Bedingungen geknüpft wird. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung, Juden sei im Mittelalter nur das Geldgeschäft gestattet und möglich gewesen, finden wir im Stadtbuch von 1276 wie auch in den späteren Nachträgen überhaupt nichts, was die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit der Juden in irgendeiner Weise darauf beschränken könnte oder auch nur wollte.

 

 

Demgegenüber finden wir neben den Bestimmungen zur jüdischen Fleischbank wiederholt einzelne Notizen auf Bäcker, Bademeister oder aber auch Apotheker oder Weinschenke in der Stadt. Auch in den Bestimmungen zu einzelnen Berufsgruppen finden sich keine Hinweise, dass die Ausübung eines bestimmten Handwerks Juden untersagt gewesen wäre.

 

 

Das Augsburger Judenrecht bestätigt in der Rechtstradition des Wormser Privilegs die Autonomie der jüdischen Rechtssprechung in der Stadt. Juden die im Streitfall mit einem Christen als Kläger oder Beklagte einen Eid zu schwören verpflichtet werden, tun dies nach jüdischem Gesetz, im paritätischen Gericht in der Judenschul, also der Synagoge in der Gegenwart der jüdischen Gemeinderichter, der städtischen Vertreter und des Vogtes. Für die Darlegung des Eides wurden dem Juden vierzehn Tage Zeit, Bedenkzeit, eingeräumt, was für die damaligen Rechtsverhältnisse bemerkenswert ist. Auch für Christen ist, als Kläger oder Beklagte, die Synagoge der Gerichtsort. Ein Umstand, der der Augsburger Geistlichkeit keineswegs gefiel, aber trotzdem 160 Jahre Bestand haben sollte. Kapitalverbrechen, wie Mord, Totschlag, Körperverletzung oder Anstiftung zur Gewalt kennen keine Unterschiede zwischen Christen oder Juden. Letzteren wurde, anders als Christen zugestanden, Tiere selbst zu schlachten, so sie nicht den Schochet[9] der jüdischen Fleischbank in Anspruch nehmen wollten. Nebenbei erfahren wir auch, dass es Juden gestattet war, christliche Bedienstete zu halten, die neben Lohn und Brot auch die hygienischen Einrichtungen der Juden benutzen durften.

 

 

Noch aus dem Jahre 1374 findet sich im Stadtbuch eine Ergänzung zum 27. Artikel, die die autonomen Rechte der Judengemeinde in Augsburg gesondert hervorhebt, bekräftigt und sogar noch in rechtlicher Hinsicht ausweitet.

 

 

Man soll auch wissen, dass die Juden die hier zur Stadt wohnen und hier herkommen, es seien Gäste oder andere Juden, das Recht haben, dass kein Vogt richten soll, was Juden einander tun, ohne den Totschlag und ohne Körperverletzung, wenn etwa ein Jude sich mit einem anderem überwerfe und ihm etwas täte, ohne Totschlag und ohne Körperverletzung. Es sei denn, dass der eine dann zu dem Vogt ginge und den anderen verklagte, nur dann soll der Vogt richten. Derselbe Jude ist dem Vogt so er klagt, schuldig eine Mark[10] Silbers.

Nunmehr unterstanden nur noch schwere Gewaltverbrechen unter den Juden der Gerichtsbarkeit des Vogtes. Alles andere wurde als innerjüdische Angelegenheit angesehen und der bloßen Zuständigkeit des Rabbinatsgerichtes unterworfen.

 

 

Die weit reichende Gerichtsautonomie der Juden in der Stadt stieß bei der christlichen Geistlichkeit aber keineswegs auf Gegenliebe, insofern sie auch das Erscheinen von Christen vor dem Rabbinatsgericht umfasste. Das war insofern verständlich, als das Christen, die als Kläger oder Beklagte anders behandelt wurden, wenn ihr Prozessgegner ein weiterer Christ oder aber eben ein Jude war. Für das christliche Empfinden der Geistlichen war es unerträglich, dass ein Christ, womöglich noch als Opfer eines Verbrechens durch einen Juden sich tatsächlich vor einem rabbinischen Gericht verantworten musste. Dieses war zwar paritätisch mit Juden und Christen besetzt, doch erklärt sich die Unzufriedenheit sicher nicht nur aus dem für Kleriker demütigenden Umstand, dass die Synagoge Gerichtsort war. Gewiss spielte dies aber schon psychologisch eine gewichtige Rolle und das festgelegte Arrangement des Stadtbuchs von 1276 schanzte den Juden damit einen erheblichen Vorteil zu, konnte doch kein Vergehen mit jüdischer Beteiligung unabhängig von jüdischen Richtern entschieden werden. Offenkundig waren die paritätischen Gerichte auch so angelegt, möglichst gangbare Kompromisse zu finden, die übergeordneten Interessen, wie insbesondere etwa die reichlichen jüdischen Steuerleistungen, nicht durch eigenwillige Präzedenzfälle zu gefährden. Rechtlich waren die Juden in der Stadt keineswegs benachteiligt, sondern wie etwa die christliche Geistlichkeit privilegiert.

 

 

Zwar waren die jüdischen Sonderrechte den Klerikern immer schon ein Dorn im Auge, doch erst der erstarkende religiöse Fanatismus des frühen 15. Jahrhunderts sollte dazu führen, die Sonderrechte der Juden rasch soweit einzuschränken, dass sie letztlich zu einer weitgehenden Entrechtung der Judengemeinde führten.

 

 

 (Yehuda Schenef 2004/08)

 

 

 

 

 

[1] Besagt, dass er vereidigt werden soll. Die bloße Zeugenvernehmung ist klar unterschieden von einem geschworenem Eid, dem insgesamt im Prozessrecht eine überragend hohe Bedeutung und allseitig eine faktische Beweiskraft zugemessen wird.

[2] Der Eid nach jüdischem Recht sah ein Schwören auf die heilige Thora vor.

[3] Über das Burggrafengericht kann er einen höheren Rückkaufwert anstreben.

[4] Statt „zu Kriege werden“ sagt man heute „in Streit geraten“

[5] Selbstschuldner, der selbst für seine Verbindlichkeiten ohne Bürgen einsteht

[6] Zins

[7] flüssig machen im Sinne von Annullierung eines Geschäfts

[8] Kaltnus oder Galtnus = Geltnis = Strafe

[9] Schächter

[10] Sozusagen als Bearbeitungsgebühr, deren Höhe sicher auch Juden davor abschrecken sollte, sich an die außerjüdische Gerichtsbarkeit zu wenden.



Help the Georgian Community

August 18, 2008

Help the Georgian Community

August 15, 2008

We are all troubled by the war in Georgia, and are concerned with the well-being of all the citizens of that country. There is a vibrant Jewish community in Georgia, which is in danger. Several Jewish organizations have personnel there and are engaging in a variety of relief efforts. We urge all synagogues to pray for the cessation of hostilities and for the well-being of all who are in danger. Those who wish to contribute to relief efforts are advised to send donations to either:

United Jewish Communities Georgian Relief
PO Box 30
Old Chelsea Station, New York 10113

or

Vaad L’Hatzalas Nidchei Yisrael
1566 Coney Island Avenue
Brooklyn, New York 11230
www.thevaad.com
718-252-5974


Der Status der Juden im Augsburger Stadtrecht von 1276

August 17, 2008

Anders als das Stadtrecht von 1156, das älteste in Deutschland, ist das „Stadtbuch“ von 1276 in deutscher Sprache verfasst. Es ist eine der ältesten mittelhochdeutschen Urkunden und eine wahre Fundgrube für alle, die Rechtsgeschichte oder die schöne Sprache studieren. Es mutet deshalb etwas seltsam an, dass das Dokument bis heute noch nicht vollständig ins Hochdeutsche übertragen wurde. Erst 1872 erschien eine Druckausgabe des handschriftlichen Textes, die jedoch nur Anmerkungen, aber keine Übersetzung bietet. Die städtische Verfassung war unter Rudolf von Habsburg entstanden und von einem vierköpfigen Gremium städtischer Räte ausgearbeitet, das auch Geistliche zu Rate zog. Sie verfügten mit kaiserlicher Zustimmung eine Vielzahl von Bereichen wie Zoll, Steuern, Anordnungen über die Nutzung von Gewässern, Wegen, Münz-, Prozess- und Strafrecht. Als Berater für das Judenrecht stand allem Anschein nach Rabbi Meir zur Seite, von 1246 bis 1250 selbst Rabbiner in Augsburg und in jener Zeit als Reichsrabbiner bevorzugter Adressat von Kaisern, Königen, Bischöfen und Stadtoberen im ganzen Reich war. Einige der Verfügungen lassen seinen Einfluss deutlich erkennen.

 

Ein Verständnis der Bestimmungen über den Rechtsstatus der Juden in Augsburg ist im zeitlichen Abstand von über siebenhundert Jahren nicht ohne weiteres möglich. Zudem ist es undenkbar, das „Judenrecht“ aus dem Kontext der vielgestaltigen Gerichtsbarkeit als singuläres Element herauszulösen, da dies unweigerlich zu den verschiedensten Missverständnissen und Fehlurteilen führen muss. Man kommt deshalb nicht umhin, einige grundlegende strukturelle Voraussetzungen der innerstädtischen Machtverhältnisse auszuführen. Obgleich die Reichstadt der kaiserlichen Hoheit unterstand, fungiert der Bischof als formeller Gesetzgeber, während der Gesetzeskodex andererseits tendenziell auch ein Instrumentarium darstellt, die Macht des Bischofs zu beschränken und die Bürgerschaft zu stärken.

 

Die Rechts- und Prozessfähigkeit

 

Allgemein gesprochen konnte jede Person als Streitpartei rechtsfähig sein, mit Ausnahme von Geächteten, Mönchen und Leibeigenen. Letztere galten als „Sachen“, für die sich ihr Eigentümer zu verantworten hatte. Prinzipiell galt das Recht also für alle „Bürger“, nicht zu verwechseln mit (bloßen) Einwohnern, denn als Bürger galt nur, wer auch Steuern entrichtete. Habenichtse schloss dies aus und Auswärtige betraf es nur, solange sie sich vor Ort befanden. Andernfalls mussten Prozesse gegen sie an ihrem heimischen Gerichtsort angestrebt werden.

 

Von der Rechtsfähigkeit unterschied sich freilich nochmals die Prozessfähigkeit, die Grundlage dafür war, als Prozesspartei vor einem Gericht aufzutreten. Letzteres setzte die Mündigkeit einer Person voraus, die nach unterschiedlichen Angaben im Stadtbuch im Alter von 13 bis 15 Jahren einsetzte. Dies betraf freilich nur männliche Personen. Knaben unter diesem Alter wurden von ihren Vätern vertreten. Frauen jedoch unterlagen zeitlebens einer sog. „Geschlechtervormundschaft“ und waren deshalb prinzipiell nicht prozessfähig.

 

Das Augsburger Stadtrecht stellte Frauen damit Knaben unter 13 Jahren oder „Toren“, also Schwachsinnigen gleich. Neben ihnen waren ganz allgemein auch die Dienstmänner als „Huber“ und „Grundholden“ weltlicher oder „Zinsleute“ geistlicher Herren von der Prozessfähigkeit ausgeschlossen. Für sie nahmen ihre Herren vor Gericht Stellung. Jüdische Hausbesitzer hingegen besaßen das Bürgerrecht.

 

Die komplexe Gerichtsbarkeit der Stadt unterteilt sich in mehrere Gerichtsorte und Instanzen, die sich je nach Begebenheit oder Sachverhalt einander bedingten oder aber einander ausschließen konnten. Sie spiegelten die geteilten Machtverhältnisse in der Stadt wieder, die zwischen geistlichen und weltlichen Herrschern, ihren jeweiligen Vertretern und den Stadträten zu keinem Zeitpunkt unumstrittenen war. So ist als scheinbarer Kompromiss das städtische Gericht bereits zweigeteilt, nämlich in das des bischöflichen Burggrafen und in jenes des königlichen Vogtes.

 

Neben diesen „weltlichen“ Gerichtsinstanzen gab es ein geistliches Gericht – das   „Capitel“ oder Chorgericht – mit dem Bischof selbst als Gerichtsherrn, der sich in der Regel freilich von seinem Offizial vertreten ließ. Das Capitel war fast ausschließlich für Kleriker oder religiöse (also innerkirchliche) Streitfragen und das Eherecht zuständig, daneben aber auch für Pfandgeschäfte und Wucher. Als Inhaber des Münzregals waren die Bischöfe schließlich auch allein berechtigt, den Handel mit Silber zu betreiben oder Münzen herauszugeben, einzuziehen und verhandelten alles, was damit in Berührung stand.

 

Der Begriff der Gleichberechtigung ist ein moderner und hat in der Welt des Mittelalters weder eine Entsprechung noch überhaupt eine Grundlage. Die heute selbstverständliche Auffassung alle Menschen seien vor dem Gericht gleich, wozu wir mehr als nur Ansätze in der Bibel finden, spielte in der mittelalterlichen Welt keine Rolle. Sie existierte gar nicht und hätte die damaligen Menschen zumindest sehr beunruhigt oder völlig überfordert. Im Gegensatz dazu legte man äußersten Wert auf Sonderrechte und Vorzüge, die man entweder als einzelne Person, als Familie oder Gruppe in Form von Freibriefen verliehen bekam. Solche Sonderrechte genossen verschiedene Parteien oder Personen, etwa Adelige, Händler oder Geistliche, die ja teilweise auch heute noch der geltenden Rechtsnorm entsprechen. Wie Klöster oder Kaufleute genossen auch Juden Sonderrechte.

 

 

Grundlagen des jüdischen Rechts

 

Auf das Jahr 1090 bereits geht das Rechtsstatut der Kammerknechtschaft Heinrich IV. zurück, welches zunächst die Rechte der jüdischen Gemeinde von Worms definierte und deshalb auch gelegentlich als Wormser Privileg bezeichnet wird. Die darin getroffenen Regelungen garantierten den Juden Schutz von Leben und Eigentum, Freiheit in der Ausübung ihrer Religion, das Recht des freien Handels und der Beschäftigung christlichen Hauspersonals, nebst der Autonomie in der innerjüdischen Rechtssprechung. Für Streitfälle zwischen Juden und Christen wurden hingegen Verfahrensregeln festgelegt. Im Jahre 1236 bestätigte Friedrich Barbarossa das Wormser Privileg und erklärte es für alle Juden und -gemeinden im Reich für rechtsgültig. Die Juden nannte er in diesem Rechtsdokument servi camerae nostri, wörtlich also „Diener unserer Kammern“.

 

 

Das wesentlichste Merkmal des Augsburger Judenrechts im Stadtbuch von 1276 ist zunächst die formelle Anerkennung der eigenen, unabhängigen Rechtssprechung der Juden in der Stadt nach dem Grundsatz des Wormser Privilegs und dessen Fortschreibung. Immer wieder betont das Augsburger Stadtrecht deshalb ganz beiläufig, dieses oder jenes sei nach dem jüdischen Recht zu entscheiden. Das Augsburger Bet Din verfügte also über eine weit reichende Souveränität in der Jurisprudenz, die sie befugte alle innerjüdischen Angelegenheiten, insofern sie nicht Kapitalverbrechen betrafen, völlig autonom zu entscheiden. Entsprechend erspart es sich das Stadtrecht auch, darauf in irgendeiner Weise inhaltlich Bezug zu nehmen und zitiert deshalb keinerlei Bestimmungen des umfangreichen rabbinischen Gesetzes. Ähnlich verhält es sich aber freilich mit den Rechtsstatuten des Burggrafen oder des Vogtes, die gleichfalls eine eigene Gerichtsbarkeit in der Stadt unterhielten. Auch deren Bestimmungen werden nicht zitiert, sondern wie die der Klöster fraglos als gegeben vorausgesetzt.

 

Neben diesen äußeren Faktoren waren für den Rechtsstatus der Juden selbstverständlich auch innerjüdische ausschlaggebend. Die verbindlichen Grundlagen des rabbinischen Rechts sind die Bestimmungen der Thora, also der Gesetze der ersten fünf Bücher der Bibel. Darin finden sich neben den allgemein bekannten zehn Geboten insgesamt 613 Gebote und Verbote.

 

Eines davon legt bereits dort die Grundlage für die späteren Rabbinatsgerichte: „Handle nach den Weisungen und den Rechtsentscheiden, die sie (die Richter) dir erteilen und weiche von ihren Bestimmungen nicht ab, weder nach links noch nach rechts.“[1]

 

Das rabbinische Bet Din setzte sich aus einem Rat zusammen, dem mehrere Dajanim angehörten. Da Urteile von Einzelrichtern zu keiner Zeit Rechtsgültigkeit besaßen, betrug die minimale Anzahl in kleineren Gemeinden drei Richter. Die ungerade Zahl war indes vorgeschrieben, um bei gegensätzlichen Auffassungen eine Mehrheitsentscheidung zu ermöglichen. Große Gemeinden orientierten sich an der entsprechenden Vorgabe des Talmuds und bestanden aus 23 Richtern, dem Kleinen Sanhedrin.

 

Richter konnte jedoch nur ein Rabbiner werden, der sich in seiner Ausbildung hinreichend spezialisiert hatte und der nach seiner Wahl durch die Gemeinde entsprechend den hohen Anforderungen durch die Smicha würdig im Amt bestätigt wurde.[2]

 

 

 

 

[1] Sefer Dwarim, 5. Buch Moses 17.11

[2] Die Anforderungen an einen Richter hat unter anderem Mosche Ben Maimon (Rambam, 1134 – 1205) ausführlich beschrieben: Jeder Richter soll weise und einfühlsam sein, erfahren und gelehrig im Gesetz. Darüber hinaus soll er über eine umfangreiche allgemeine Bildung in der Medizin, Astronomie und Mathematik verfügen und die Methoden der Zauberei und über die verschiedenen Formen des Götzendienstes unterrichtet sein, um entsprechend urteilen zu können. Als sieben grundlegenden Eigenschaften des Richters galten Weisheit, Genügsamkeit, Gottesfurcht, Verachtung von Reichtum, Wahrheitsliebe, Menschenliebe und schließlich ein guter Name. Spielen um Geld und Geldverleih gegen Zinsen disqualifizieren vom Richteramt. War er mit einer Streitpartei verwandt, darf er aus Gründen der Befangenheit nicht Recht sprechen. In seiner Urteilsfindung musste er alle Seiten gleichermaßen anhören und sich weder von der Armut noch vom Reichtum eines Menschen in seinem Urteil trüben lassen. Selbstverständlich durfte er deshalb auch keinerlei Vergünstigungen oder gar Bestechungen annehmen und auch keiner weiteren von anderen abhängigen Arbeit nachgehen. Er musste nicht nur Recht sprechen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass es umgesetzt und allgemein erkenntlich wurde. Jeder Richter war verpflichtet zu prüfen, ob die anderen Richter fachlich qualifiziert sind. Kein Richter durfte mit einem anderen zusammenwirken, den er verachtete. Auch durfte er sich seiner richterlichen Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass er sich grundlos dem Urteil anderer anschloss, um ein Verfahren zu verkürzen. Und dergleichen mehr…(siehe: Mischne Thora)



tu be aw someach – einen frohen 15. Aw

August 15, 2008

Der 15. Tag im Aw, dem vorletzten Monat des jüdischen Kalenders gilt heute als eines der “kleineren Feste”, dessen Stellenwert in Israel seit einigen Jahren aber – ähnlich dem Neujahrsfest der Bäume – jährlich an Bedeutung gewinnt und zu einer Art jüdischem “Valentins-Tag” mutiert. Wenn man nicht dorekt heiratet, schenkt man der Geliebten oder dem Freund etwa nettes.

In Zeiten des Bet HaMikdasch freilich begann an diesem Tag die Weinernte, die nach Jom Kippur endete. Taanit 4.8 berichtet von Jugendlichen, die an diesem Tag in weißen Gewändern durch die Straßen Jerusalems tanzten. Nur wenige Tage nach dem 9. Aw und dem Ende der “drei Wochen” ist darin ein weiterer Grund zur Freude zu sehen.

Die Überlieferung besagt auch, dass es am 15. Aw  gestattet wurde, die Toten zu begraben, die der Erstürmung Betars in der Zeit des “Messias” Bar Kochba von den Römern massakriert wurden, drei Jahre danach.


Termin fällt aus

August 14, 2008

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Die für
Sonntag 17. August 2008
vorgesehene ehrenamtliche Arbeit am Kriegshaber Friedhof muss wegen mangelnder Beteiligung an den letzten Terminen und aus organisatorischen wie auch konzeptionellen Gründen leider ausfallen.
 
 

 

 


Artikel: “Ein bedrohtes Weltkulturerbe am Stadtrand”

August 13, 2008

     

Der Artikel stammt bereits aus dem Oktober 2007, konnte aber wegen redaktioneller Umstellungen erst im Heft 2/2008″ des EURO-Journal / pro management” erscheinen.

Besten Dank an Herrn Verbata auch an dieser Stelle.


Bericht der “Augsburger Allgemeinen” zum Kriegshaber Friedhof

August 13, 2008

 

http://www.augsburger-allgemeine.de/

Der Bericht der “Augsburger Allgemeinen” erschien bereits am 31. Juli 2008. Zur Vergrößerung des zweigeteilten Artikels bitte die Abbildungen anklicken.


Ein Schutz-Schild für den Friedhof Kriegshaber ..?

August 7, 2008

 

Was lange währt, wird endlich gut, könnte man sagen, wenn es tatsächlich ein Schutzschild für den Erhalt des Jüdischen Friedhofs in Kriegshaber wäre, das wir nun nach langen Bemühungen erhalten haben. Zumindest aber kann es einen wichtigen Akzent setzen, um mutwillige Beschädigungen und Dummheiten einzudämmen.

 

Beim Besuch der gemeinsamen Delegation vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern unter der Leitung des Geschäftsführers Herr Dr. Andre Berkal und von Frau Dr. Daniela Heisel, Ministerialrätin im Bayerischen Innenministerium am 23. Juli nahm es nun aber doch Gestalt an, das lange überfällig Hinweisschild das den Wert des Friedhofs betont und darauf hinweist, dass Zerstörungen und dergleichen gesetzlich geahndet werden. Das wird natürlich nicht geschehen, weil das “Inventar” des Friedhofs so ziemlich jedem mehr oder midner egal ist. Interessiert es wen, wenn jeden Monat weitere teile von Inschriften jahrhunderte-alter Grabinschriften mutwillig zerstört werden? An-Alefbeten können sie nicht lesen. Wenn der Rasen zwischen Eingangstor und Haus regelmäßig gemäht wird, ist die Welt in Ordnung, der Friedhof gepflegt und an “Wiedergutmachung” genug geleistet.

Die angesprochenen Mängel der Mauer, die in vielen Teilen baufällig, ja einsturzgefährdet ist, wurden hingegen weitgehend ignoriert. Eine Sanierung sei zu teuer und würde wohl “weit über eine Million” kosten, so die einhellige Meinung der versammelten “Experten”. Dem hilt der Autor entgegen, dass es vorallem um einige stark beschädigte Teile ginge, besonders an der Südmauer und an den südöstlichen und südwestlichen Ecken, die man gewiss wesentlich billiger (wahrscheinlich würden eher 30.000 Euro reichen) gegen neue Steine austauschen könne. Das ginge nun gar nicht, weil sonst die Mauer insgesamt einstürzen würde. Das könne ein Historiker ja wohl auch nicht ermessen, dafür bräuchte man Statiker und deren Gutachten würden schon einige Tausend kosten. Dagegen half auch nicht der unleugbar sichtbare Hinweis, dass ab den 1950er bis 1970er Jahren doch schon mehrfach Teile der maroden Mauer durch Betonstücke ersetzt wurden. Dafür habe die Stadt kein Geld, die Staatsregierung nicht, der Landesverband nicht. Außerdem sei die Mauer ja weitgehend intakt. Und ein paar störende Äste könne man ja in Eigenarbeit beseitigen, wenn man seitens des JHVA doch so großen Wertdarauf legen würde.  Anstelle der bröckelnden Mauer die täglich von Kindern erklettert und belaufen wird, muss nun also das Schild den Schutz bewerkstelligen, ein Schutzschild also. Die Idee den Stacheldraht zu erneuern, der zuletzt 1980 erneuert wurde und von dem noch immer einige – für Kinder nicht ungefährliche Reste herumhängen – wurde empört zurückgewiesen. Zum einem erinnere dies an Konzentrationslager (… aha!), zum anderen sei das zu gefährlich. Für wen? Für die Kinder …

  

Die vom Ministerium nahegelegte Tafel lautet:

“Dieser Friedhof wird dem Schutz der Allgemeinheit empfohlen. Beschädigungen, Zerstörungen und jeder beschimpfende Unfug werden strafrechtlich verfolgt ( §§ 168, 304 StGB).”

Vielen Dank an Frau Dr. Heisel und  an das Innenminsterium auch an dieser Stelle.

Immerhin wird manchem in der Nachbarschaft damit vielleicht wenigstens klar, dass es sich um einen Friedhof handelt und nicht um einen Spielplatz, Sportplatz oder Müllhalde.

Vielleicht ist es etwas naiv zu glauben, dass man mit einem Schild und der Aufschrift “Einbruch verboten” auch ein Kaufhaus schützen könnte und sich fortan womöglich Wachdienst, Schlösser und Alarmsysteme sparen könnte. Aber man muss nicht immer alles “so negativ” sehen.

“Mit gutem Willen geht alles”, wie Herr Berkal sagte.

Wenn es denn nur so wäre.