Former Synagogue of Ichenhausen (Bavaria, Germany)
Bericht und Kommentar: Am gestrigen Sonntag wurde ab 17 Uhr in der ehemaligen Synagoge Ichenhausen die Ausstellung „Wie schön sind deine Zelte, Jakob …“ – Synagogen in Schwaben eröffnet. Über die Initiatoren wie auch über Sinn und Zweck der Veranstaltung referierten eine Reihe von Rednern, die im eigenem Wortlaut gewiss am besten für sich sprechen können. „Musikalisch umrahmt“ wurden die Redebeiträge durch den Kantor der Israelitischen Kultusgemeinde in Augsburg, Nikola David, der mit Klavierbegleitung u.a. eine Gesangsfassung des hebräischen Ausstellungstitel „ma tovu“ zum Besten gab.
Veranstaltungsplakat
Dr. Benigna Schönhagen
Die Leiterin des „Jüdischen Kulturmuseums Augsburg Schwaben“ Frau Dr. Benigna Schönhagen (gemäß Wikipedia 1952 geboren und 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet) stellte in ihrer einführenden Rede kurz „das Netzwerk“ vor, welches die Ausstellung organisierte und ausarbeitete. Am Schluss der Ausstellung selbst, so Schönhagen sei dargestellt, dass „nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus eine Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und insbesondere mit den lokalen Ausformungen begann. Nach langen Jahren des Verschweigens und Verdrängens der Verbrechen während der Herrschaft des Nationalsozialismus fingen seit Ende der 1980er Jahre erst Einzelpersonen und Initiativen, dann in Kommunen und Körperschaften damit an, sich für den Erhalt und die Restaurierung von Synagogenbauten einzusetzen – Ichenhausen ist ein schönes Beispiel dafür – so entstanden Gedenkorte an denen nicht nur an die Zerstörung erinnert, sondern auch das Bewusstsein für das einst jüdische Leben der Region geweckt und wachgehalten wird. 2003 hat das jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben die politische für diese Gedenkorte Verantwortlichen und die praktisch für diese Gedenkorte Tätigen an einen runden Tisch geladen, … um gemeinsam darüber nachzudenken, wie die die Initiativen und Arbeiten vor Ort gebündelt und durch gemeinsame Aktivitäten verstärkt werden können.“
So nun sei jener Verbund entstanden, der sich den „vielleicht etwas schwierigen, aber zutreffenden“ Namen „Netzwerk Historische Synagogenorte in Bayrisch-Schwaben“ gab und dessen „Radius von Hainsfarth im Norden bis nach Kempten im Süden, von Altenstadt im Westen bis nach Augsburg als östlichsten Punkt“ reiche. Mit dem Baden-Württembergischen Bopfingen-Oberdorf reiche das „Netzwerk“ „aus historischen Gründen“ sogar noch „über die Grenzen des Freistaats hinaus“.


Kantor und Tenor Nikola David

Kuratorin Souzana Hazan
Nächste Rednerin war die 1979 in Bulgarien geborene Kuratorin der Ausstellung Souzana Hazan (Сузане Хазан), die von 2009-2011 ein „Wissenschaftliches Volontariat“ im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben absolvierte und gegenwärtig am Aufbau eines Archivs zu den Synagogen in Schwaben mitwirkt, das der Ankündigung von Dr. Schönhagen online zugänglich werden soll. In ihrem akustisch mitunter nur schwer zu verstehenden Vortrag widmete Frau Hazan sich der regionalen Baugeschichte der Synagogen in Schwaben:
“Erste eigenständige Synagogenbauten entstanden in großer Zahl Ende des 17. Jahrhunderts. Die jüdischen Gemeinden hatten nun – damals genügend Mitglieder – um rechtmäßig Gottesdienste abzuhalten und eigene Gotteshäuser zu errichten. In einigen Fällen lösten die Bauvorhaben Beschwerden der Geistlichkeit aus … dennoch gelang es vielen jüdischen Gemeinden in dieser Zeit stattliche Bauten zu realisieren. … oft standen diese Synagogen frei und hoben sich deutlich von ihrer Umgebung ab. In der Regel waren sie Mehrzweckbauten, die neben dem Betsaal auch andere Gemeinderäume enthielten. Zwischen 1780 und 1820 entstanden in Schwaben auffallend repräsentative Synagogen. Ihre Größe und Architektur spiegelten sowohl das gewachsene Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinden als auch die Akzeptanz wieder die die Juden schon am Vorabend der Emanzipation erreicht hatten. Waren die frühen Synagogen in der Tradition profaner Bauten eingerichtet so sind die Synagogen in Ichenhausen, Altenstadt und Hürben von ihrer Identität und Gestaltungswillen mit zeitgenössischen Kirchen zu vergleichen …“
Ausstellungstafel “Synagoge Kriegshaber”
Prof. Dr. Rolf Kießling
Prof. Dr. Rolf Kießling, der bereits 1969 promovierte Leiter des Forschungsprojektes „Juden in Ostschwaben während der Frühen Neuzeit“ am Institut für Europäische Kulturgeschichte an der Universität Augsburg gilt vielen als „einer der angesehensten Landeshistoriker Deutschlands“. In seinem Vortrag in Ichenhausen resümierte er zunächst über die Darstellung der Synagogen in der jüdischen Geschichtsschreibung, von der im engeren Sinne erst recht spät und zunächst auch nur spärlich eine Rede sein könne. So habe Heinrich Graetz in seiner umfangreichen „Geschichte der Juden“ (zwischen 1853 und 1875 in elf Bänden erschienen) dem „Landjudentum“ kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch ansonsten sei dieses kein Gegenstand „jüdischer Historizität“ gewesen. Daran habe sich erst um und nach 1900 in Ansätzen etwas geändert. Kießling nannte hierzu mit jeweiligen lokalen Bezügen Namen wie Leopold Löwenstein, Israel Lammfromm, schließlich auch Aaron Tänzer, Richard Grünfeld und Theodor Harburger. Aber auch von „nichtjüdischer Seite“ habe es mit den „Sakralbauten“ der Juden zunächst überhaupt keine systematische Auseinandersetzung gegeben.
Letzteres erklärte Prof. Kießling damit, dass die Juden in ihrer schwäbischen Umgebung als eine Art „Fremdkörper“ aufgefasst worden seien: „Man muss soweit gehen, zu sagen, dass jüdische Gemeinden nicht zu dem gehörten, was man als ‚Schwaben‘ begriff. Es gehörte nicht zur schwäbischen Identität – denn diese Identität war vorwiegend als eine ethnische Homogenität des schwäbischen Stammes gedacht, der schwäbischen Menschen – und hier konnten die Juden nicht eingepasst werden.“

Das Schlusswort hielt der 1932 geborene ehemalige Bezirkstagspräsident von Schwaben Georg Simnacher (CSU), der in seiner aktiven politischen Zeit Wikipedia gemäß „halb-spöttisch“ den Beinamen „Schwabenkönig“ erhalten habe. Auch er wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Die Ausstellung, so Simnacher sei ein „voller Erfolg“, der auch andernorts gelingen werde. Schließlich, könne man mit Gewissheit sagen, dass es sich hier um eine Ausstellung von „europäischen Rang“ handele. Simnacher bedankte sich bei den Rednern, insbesondere bei Prof. Kießling: „Sie haben eine schwäbische geschichtliche Meditation uns gegeben durch ein Beispiel ganz besonderer Art in unser eigenen historischen Werk. Vielen herzlichen Dank! Es ist sehr nachdenkenswert was Sie hier gesagt haben und ich hab (mir hat?) besonders imponiert, wie Sie aus der Vergangenheit die Gegenwart gemacht haben.“
Schließlich schloss Simnacher die Veranstaltung mit Hinweisen auf die im Vorraum aufgereihten Gläser mit Sekt, Wein und Wasser: „Wir haben uns auch erlaubt, ein bisschen “Nass” aufzustellen, solcher und solcher Art. Wer Wasser will nehme Wasser, wer den Wein bevorzugt, nehme diesen, aber in Maßen.“ (lautes Gelächter im Saal)

“Ichenhausener Nass”
Simnacher, Schönhagen, Hazan, Kießling
Allem Anschein und Vernehmen nach waren Redner wie Gäste, darunter offenbar einige lokale Prominenz aus Politik und Forschung, sehr zufrieden mit dem Abend und sich selbst.
* * *


?.. מה טוב זה
Es ist nicht ganz einfach, die verschiedenen Aspekte der Ausstellung und Veranstaltung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, zumal ganz offensichtlich die eigene Sozialisation die Blickrichtung wie auch die wesentlichen Kriterien und Grundhaltungen voraussetzt und vordefiniert. Ob man nun “die Nazi-Vergangenheit” (die schon aus Gründen des “Verfallsdatums” persönlich kaum noch jemand überhaupt haben kann) reflektiert, was bekanntlich auch längst nicht jedermanns Sache ist oder das „Schicksal“ ihrer jüdischen „Opfer“ nachvollzieht, sich die eine oder andere Brise „Jüdischkeit“ als eine Art von Hobby, Parfüm oder Anstecker gönnt (womöglich um parallel den “Staat Israel” zu schelten) oder ob man sich einen akademischen Judaismus als Zweit- oder Drittberuf oder Aufbaukurs leistet, führt offensichtlich zu ganz anderen Ergebnissen, als wenn all das, was sich hinter den bei Wikipedia oder in einführenden Taschenbüchern und Glossaren nachzulesenden Schlagworten “zum Judentum” die Alltäglichkeit offenbart, die Talmud-Tora zum Wirkstoff des (zumal ländlichen) Judentums mach(t)en. Mit großer Gewissheit lässt sich wohl voraussetzen, dass letzteres (Talmud-Tora) der eigentliche Antrieb für die Erbauer und Nutzer der thematisierten jüdischen Bet- und Versammlungshäuser war. Abgesehen von opernhaft vorgetragenen Gesängen – die zweifelsfrei der Kunst genügen und für manche moderne Zeitgenossen die selbige gar erst ausmach(t)en – war und ist von diesem Inhalt (Talmud-Tora) nichts zu sehen und nichts zu spüren. Wo die Funktion erloschen ist, genügen bekanntlich Symbole. Das kann auch kaum anders sein, da die in jenen „Synagogenorten“ heimischen Menschen bekanntlich ermordet oder wenigstens weit genug in die Flucht geschlagen wurden. “Nach dem Krieg” hat man Türken oder Jugoslawen eingeladen, keine Juden, die kamen erst gründlich säkularisiert (und damit wohl “entschärft”) aus der Konkursmasse des Sovjetimperiums, als Konzertpianisten, Ingenieure und nicht so selten in Mischehen.
Aus der Perspektive der Nachkommen der damaligen Täter und Schaulustigen erscheint es so, dass Jahrzehnte vergingen, ehe „man“ sich vereinzelt, dann kommunal und heute im Wesentlichen wohl nur noch institutionell mit „der Vergangenheit“ auseinandersetzt(e), wie man oft gesagt bekommt: wahrscheinlich, weil man warten musste, bis die Täter verstorben waren. Vielleicht aber auch, um den Tod der überlebenden Opfer abzuwarten, deren Überlebenschancen wenigstens nicht höher sein mussten. Das Sprichwort sagt zwar, dass die Zeit Wunden heile, aber das trifft allenfalls in einer Alzheimerschen Realität im vollen Umfang zu – soweit man das von Außen überhaupt sagen kann.
Von Innen jedenfalls fühlt es sich äußerst eigenartig an, Reden und Ausstellungen vom eher abstrakt abgehandelten „Komplex“ (sic!) „Juden/tum“ umgeben zu sein. Eine Synagoge ohne Tora ist nicht heilig, sondern einfach nur ein Gebäude. Etwas anderes kann darin nur sehen, für den Talmud-Tora keine reale Bedeutung hat und für den auch HaSchem nur ein Begriff aus der reichhaltigen Sammlung lateinischer „Bindestrich-Theismen“ ist. Dass dies alles aber mit der Lebenswirklichkeit jener Menschen, in deren geplünderten oder zerstörten Gebetsräumen man eher nichtsahnend nach Verständnis ringt, praktisch rein gar nichts zu tun hat, ist so sicher wie Imbiss oder Sekt nach dem Vortrag. Dazu passt auch die fast zwangsläufige Systematik jüdische Quellen zur Geschichte nicht zu kennen, weil sie in Hebräisch geschrieben wurden, was in der Trardition verbleibene Juden bis heute und übermorgen tun. Wenn man aber nur jene Quellen heranzieht, die in der Anpassung an das christliche Bildungssystem auf deutscher Sprache publiziert wurden, dann sollte man sich aber zumindest bewusst sein, welche Konsequenz dies für das Ausmaß an “Wirklichkeit” hat.
Spätestens wenn man zum dreiunddreißigsten mal jemanden über „jüdisches Erbe“ hat reden hören, fühlt man sich schon nicht mehr so lebendig, sondern schon ein wenig tot. Man wartet fast auf einen Beitrag wie Kafkas “Bericht für eine Akademie” oder fürchtet, um einen solchen gebeten zu werden. So ziemlich alles was gesagt, gesungen oder gezeigt wird, lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es einen verspätet artikulierten Schlussstrich konnotiert, und zwar unter „das Judentum“. Dabei geht es nicht mal darum, dass die aktuelle, zu je einem Drittel russisch, museal oder akademisch Realität des „deutschen Judentums“ nicht mal erwähnt wird. Es kommt auch niemand der „politisch Verantwortlichen“ auf den rein menschlich wohl plausibelsten Gedanken, die restaurierten „ehemaligen“ Synagogen den heutigen Juden in der Region zurückzugeben und dafür zu werben, dass es künftige Synagogen werden. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass ein intakter Synagogenbau den Zuzug weiterer Juden bewirken könnte. Das aber wird nicht passieren, denn eine solche Rückgabe würde den Umgang mit der Vergangenheit, so wie er sich in den letzten Jahren etabliert hat, faktisch zunichtemachen, da es eine störende Gegenwart und eine ungewisse Zukunft gäbe. Man stelle sich vor, dass im Winter womöglich russische statt deutsche Adventslieder in einer jener “Begegnungsstätten” erklängen – oder vielleicht noch schlimmer: Binswangen, Harburg, Ichenhausen oder Kriegshaber gelangten in die (frommen) Hände von Chabadniks. Wäre das ein Alptraum?
Wahrscheinlich. Wenn wir die Worte aus Prof. Kießlings „schwäbisch geschichtlicher Meditation“ rekapitulieren, so ist dessen Analyse eigentlich recht finster, besagt er doch, dass Juden in Schwaben eigentlich immer schon fremd waren, weil diese angeblich ein ethnisch homogener „Stamm“ wären. Natürlich kann man sich fragen, ob einer solchen Einschätzung überhaupt (noch) irgendeine Relevanz zukommt, wenn man sich den aktuellen Anteil an Ausländern vergegenwärtigt oder gar realisiert, wie hoch der Prozentsatz von Personen mit sog. Migrationshintergrund auch im ländlichen Schwaben mittlerweile ist. Ob nun aber zugewanderte thailändische Hilfsköche, russische Ingenieure oder ein ägyptischer Muezzin besser in den homogenen schwäbischen Stamm passen, als es jahrhundertelang in der Region heimische Juden waren, kann ohnehin nur die Zukunft zeigen. Falls aber die These stimmen sollte – und daran gibt es ganz erhebliche Zweifel – dass Schwaben und Juden nicht zusammenpassen, dann ist auch die Frage erlaubt, was man als bewusster Jude nun vom Gedenken an das tote jüdische Erbe halten soll. Berücksichtigt man das Publikum der Ichenhausener Veranstaltung, die offenbar für 12 mal 12 also 144 sitzende Besucher konzipiert war, aber (Veranstalter und Redner inklusive) nur 81 anzog, so fällt auf, dass die große Mehrheit deutlich ältere Semester waren und nicht mal eine Handvoll jünger als 40 Jahre alt war. Dieses Phänomen, so es denn eines ist, ist uns auch bereits bei vielen anderen Veranstaltungen vergleichbarer Art – und ab und an machen wir ja auch selbst Führungen oder halten Vorträge – aufgefallen: das Interesse von jungen Leuten (ohne Schulzwang) ist denkbar gering, schließlich lernt man ja bereits in der Schule fast alles über „die Nazis“ und nebenbei wohl auch, dass ein eigenständiges Judentum (etwa orthodox, zionistisch oder gar beides) gesellschaftlich weder relevant noch erwünscht ist. Wie auch immer können (und werden) künftige Generationen als „politisch Verantwortliche“ absehbar zu anderen Ergebnissen und Grundhaltungen kommen, wie mit jenem „jüdischen Erbe“ umgegangen werden soll, ob aus der reformierten Theater- und Opern-Religion nur noch museale Relikte für einen akademisch, sich selbst dienenden Apparat übrigbleibt oder ob eine zumindest um Authentizität bemühte jüdische Basis nachwachsen kann.
Wenig bis nichts deutet auf eine positive Wendung (im Sinne von Talmud-Tora) in der nahen oder mittleren Zukunft und so scheint es dann letztlich ungewollt ganz passend zu sein, (nur) von Zelten zu reden, wo es in zwei Jahrzehnten spätestens für künftige Häuser des Judentums an Menschen, Mittel und Methode fehlen wird.

Deutsches Gedenken: Der Frieden um die Ecke (am Brunnen Ichenhausen)
Tor zur Welt: Bahnhof Ichenhausen
Orte: Altenstadt-Illereichen, Augsburg, Binswangen, Buttenwiesen, Fischach, Hainsfarth, Harburg, Hürben, Ichenhausen, Kriegshaber, Nördlingen, Oettingen, Wallerstein
Die Ausstellung ist geöffnet bis 14. April 2013
-.-.-.-.-
PS: I have no idea why the layout is that meshugga this time, but I Know for sure that I haven’t any stomach to waste anything more on it.
Zur Ausstellung “Ma Tovu – wie schön sind deine Zelte Jakob, Synagogen in Schwaben”
March 18, 2013Bericht und Kommentar: Am gestrigen Sonntag wurde ab 17 Uhr in der ehemaligen Synagoge Ichenhausen die Ausstellung „Wie schön sind deine Zelte, Jakob …“ – Synagogen in Schwaben eröffnet. Über die Initiatoren wie auch über Sinn und Zweck der Veranstaltung referierten eine Reihe von Rednern, die im eigenem Wortlaut gewiss am besten für sich sprechen können. „Musikalisch umrahmt“ wurden die Redebeiträge durch den Kantor der Israelitischen Kultusgemeinde in Augsburg, Nikola David, der mit Klavierbegleitung u.a. eine Gesangsfassung des hebräischen Ausstellungstitel „ma tovu“ zum Besten gab.
Die Leiterin des „Jüdischen Kulturmuseums Augsburg Schwaben“ Frau Dr. Benigna Schönhagen (gemäß Wikipedia 1952 geboren und 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet) stellte in ihrer einführenden Rede kurz „das Netzwerk“ vor, welches die Ausstellung organisierte und ausarbeitete. Am Schluss der Ausstellung selbst, so Schönhagen sei dargestellt, dass „nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus eine Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und insbesondere mit den lokalen Ausformungen begann. Nach langen Jahren des Verschweigens und Verdrängens der Verbrechen während der Herrschaft des Nationalsozialismus fingen seit Ende der 1980er Jahre erst Einzelpersonen und Initiativen, dann in Kommunen und Körperschaften damit an, sich für den Erhalt und die Restaurierung von Synagogenbauten einzusetzen – Ichenhausen ist ein schönes Beispiel dafür – so entstanden Gedenkorte an denen nicht nur an die Zerstörung erinnert, sondern auch das Bewusstsein für das einst jüdische Leben der Region geweckt und wachgehalten wird. 2003 hat das jüdische Kulturmuseum Augsburg-Schwaben die politische für diese Gedenkorte Verantwortlichen und die praktisch für diese Gedenkorte Tätigen an einen runden Tisch geladen, … um gemeinsam darüber nachzudenken, wie die die Initiativen und Arbeiten vor Ort gebündelt und durch gemeinsame Aktivitäten verstärkt werden können.“
So nun sei jener Verbund entstanden, der sich den „vielleicht etwas schwierigen, aber zutreffenden“ Namen „Netzwerk Historische Synagogenorte in Bayrisch-Schwaben“ gab und dessen „Radius von Hainsfarth im Norden bis nach Kempten im Süden, von Altenstadt im Westen bis nach Augsburg als östlichsten Punkt“ reiche. Mit dem Baden-Württembergischen Bopfingen-Oberdorf reiche das „Netzwerk“ „aus historischen Gründen“ sogar noch „über die Grenzen des Freistaats hinaus“.
Kantor und Tenor Nikola David
Kuratorin Souzana Hazan
Nächste Rednerin war die 1979 in Bulgarien geborene Kuratorin der Ausstellung Souzana Hazan (Сузане Хазан), die von 2009-2011 ein „Wissenschaftliches Volontariat“ im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben absolvierte und gegenwärtig am Aufbau eines Archivs zu den Synagogen in Schwaben mitwirkt, das der Ankündigung von Dr. Schönhagen online zugänglich werden soll. In ihrem akustisch mitunter nur schwer zu verstehenden Vortrag widmete Frau Hazan sich der regionalen Baugeschichte der Synagogen in Schwaben:
“Erste eigenständige Synagogenbauten entstanden in großer Zahl Ende des 17. Jahrhunderts. Die jüdischen Gemeinden hatten nun – damals genügend Mitglieder – um rechtmäßig Gottesdienste abzuhalten und eigene Gotteshäuser zu errichten. In einigen Fällen lösten die Bauvorhaben Beschwerden der Geistlichkeit aus … dennoch gelang es vielen jüdischen Gemeinden in dieser Zeit stattliche Bauten zu realisieren. … oft standen diese Synagogen frei und hoben sich deutlich von ihrer Umgebung ab. In der Regel waren sie Mehrzweckbauten, die neben dem Betsaal auch andere Gemeinderäume enthielten. Zwischen 1780 und 1820 entstanden in Schwaben auffallend repräsentative Synagogen. Ihre Größe und Architektur spiegelten sowohl das gewachsene Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinden als auch die Akzeptanz wieder die die Juden schon am Vorabend der Emanzipation erreicht hatten. Waren die frühen Synagogen in der Tradition profaner Bauten eingerichtet so sind die Synagogen in Ichenhausen, Altenstadt und Hürben von ihrer Identität und Gestaltungswillen mit zeitgenössischen Kirchen zu vergleichen …“
Prof. Dr. Rolf Kießling, der bereits 1969 promovierte Leiter des Forschungsprojektes „Juden in Ostschwaben während der Frühen Neuzeit“ am Institut für Europäische Kulturgeschichte an der Universität Augsburg gilt vielen als „einer der angesehensten Landeshistoriker Deutschlands“. In seinem Vortrag in Ichenhausen resümierte er zunächst über die Darstellung der Synagogen in der jüdischen Geschichtsschreibung, von der im engeren Sinne erst recht spät und zunächst auch nur spärlich eine Rede sein könne. So habe Heinrich Graetz in seiner umfangreichen „Geschichte der Juden“ (zwischen 1853 und 1875 in elf Bänden erschienen) dem „Landjudentum“ kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch ansonsten sei dieses kein Gegenstand „jüdischer Historizität“ gewesen. Daran habe sich erst um und nach 1900 in Ansätzen etwas geändert. Kießling nannte hierzu mit jeweiligen lokalen Bezügen Namen wie Leopold Löwenstein, Israel Lammfromm, schließlich auch Aaron Tänzer, Richard Grünfeld und Theodor Harburger. Aber auch von „nichtjüdischer Seite“ habe es mit den „Sakralbauten“ der Juden zunächst überhaupt keine systematische Auseinandersetzung gegeben.
Letzteres erklärte Prof. Kießling damit, dass die Juden in ihrer schwäbischen Umgebung als eine Art „Fremdkörper“ aufgefasst worden seien: „Man muss soweit gehen, zu sagen, dass jüdische Gemeinden nicht zu dem gehörten, was man als ‚Schwaben‘ begriff. Es gehörte nicht zur schwäbischen Identität – denn diese Identität war vorwiegend als eine ethnische Homogenität des schwäbischen Stammes gedacht, der schwäbischen Menschen – und hier konnten die Juden nicht eingepasst werden.“
Das Schlusswort hielt der 1932 geborene ehemalige Bezirkstagspräsident von Schwaben Georg Simnacher (CSU), der in seiner aktiven politischen Zeit Wikipedia gemäß „halb-spöttisch“ den Beinamen „Schwabenkönig“ erhalten habe. Auch er wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Die Ausstellung, so Simnacher sei ein „voller Erfolg“, der auch andernorts gelingen werde. Schließlich, könne man mit Gewissheit sagen, dass es sich hier um eine Ausstellung von „europäischen Rang“ handele. Simnacher bedankte sich bei den Rednern, insbesondere bei Prof. Kießling: „Sie haben eine schwäbische geschichtliche Meditation uns gegeben durch ein Beispiel ganz besonderer Art in unser eigenen historischen Werk. Vielen herzlichen Dank! Es ist sehr nachdenkenswert was Sie hier gesagt haben und ich hab (mir hat?) besonders imponiert, wie Sie aus der Vergangenheit die Gegenwart gemacht haben.“
Schließlich schloss Simnacher die Veranstaltung mit Hinweisen auf die im Vorraum aufgereihten Gläser mit Sekt, Wein und Wasser: „Wir haben uns auch erlaubt, ein bisschen “Nass” aufzustellen, solcher und solcher Art. Wer Wasser will nehme Wasser, wer den Wein bevorzugt, nehme diesen, aber in Maßen.“ (lautes Gelächter im Saal)
“Ichenhausener Nass”
Allem Anschein und Vernehmen nach waren Redner wie Gäste, darunter offenbar einige lokale Prominenz aus Politik und Forschung, sehr zufrieden mit dem Abend und sich selbst.
* * *
?.. מה טוב זה
Es ist nicht ganz einfach, die verschiedenen Aspekte der Ausstellung und Veranstaltung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, zumal ganz offensichtlich die eigene Sozialisation die Blickrichtung wie auch die wesentlichen Kriterien und Grundhaltungen voraussetzt und vordefiniert. Ob man nun “die Nazi-Vergangenheit” (die schon aus Gründen des “Verfallsdatums” persönlich kaum noch jemand überhaupt haben kann) reflektiert, was bekanntlich auch längst nicht jedermanns Sache ist oder das „Schicksal“ ihrer jüdischen „Opfer“ nachvollzieht, sich die eine oder andere Brise „Jüdischkeit“ als eine Art von Hobby, Parfüm oder Anstecker gönnt (womöglich um parallel den “Staat Israel” zu schelten) oder ob man sich einen akademischen Judaismus als Zweit- oder Drittberuf oder Aufbaukurs leistet, führt offensichtlich zu ganz anderen Ergebnissen, als wenn all das, was sich hinter den bei Wikipedia oder in einführenden Taschenbüchern und Glossaren nachzulesenden Schlagworten “zum Judentum” die Alltäglichkeit offenbart, die Talmud-Tora zum Wirkstoff des (zumal ländlichen) Judentums mach(t)en. Mit großer Gewissheit lässt sich wohl voraussetzen, dass letzteres (Talmud-Tora) der eigentliche Antrieb für die Erbauer und Nutzer der thematisierten jüdischen Bet- und Versammlungshäuser war. Abgesehen von opernhaft vorgetragenen Gesängen – die zweifelsfrei der Kunst genügen und für manche moderne Zeitgenossen die selbige gar erst ausmach(t)en – war und ist von diesem Inhalt (Talmud-Tora) nichts zu sehen und nichts zu spüren. Wo die Funktion erloschen ist, genügen bekanntlich Symbole. Das kann auch kaum anders sein, da die in jenen „Synagogenorten“ heimischen Menschen bekanntlich ermordet oder wenigstens weit genug in die Flucht geschlagen wurden. “Nach dem Krieg” hat man Türken oder Jugoslawen eingeladen, keine Juden, die kamen erst gründlich säkularisiert (und damit wohl “entschärft”) aus der Konkursmasse des Sovjetimperiums, als Konzertpianisten, Ingenieure und nicht so selten in Mischehen.
Aus der Perspektive der Nachkommen der damaligen Täter und Schaulustigen erscheint es so, dass Jahrzehnte vergingen, ehe „man“ sich vereinzelt, dann kommunal und heute im Wesentlichen wohl nur noch institutionell mit „der Vergangenheit“ auseinandersetzt(e), wie man oft gesagt bekommt: wahrscheinlich, weil man warten musste, bis die Täter verstorben waren. Vielleicht aber auch, um den Tod der überlebenden Opfer abzuwarten, deren Überlebenschancen wenigstens nicht höher sein mussten. Das Sprichwort sagt zwar, dass die Zeit Wunden heile, aber das trifft allenfalls in einer Alzheimerschen Realität im vollen Umfang zu – soweit man das von Außen überhaupt sagen kann.
Von Innen jedenfalls fühlt es sich äußerst eigenartig an, Reden und Ausstellungen vom eher abstrakt abgehandelten „Komplex“ (sic!) „Juden/tum“ umgeben zu sein. Eine Synagoge ohne Tora ist nicht heilig, sondern einfach nur ein Gebäude. Etwas anderes kann darin nur sehen, für den Talmud-Tora keine reale Bedeutung hat und für den auch HaSchem nur ein Begriff aus der reichhaltigen Sammlung lateinischer „Bindestrich-Theismen“ ist. Dass dies alles aber mit der Lebenswirklichkeit jener Menschen, in deren geplünderten oder zerstörten Gebetsräumen man eher nichtsahnend nach Verständnis ringt, praktisch rein gar nichts zu tun hat, ist so sicher wie Imbiss oder Sekt nach dem Vortrag. Dazu passt auch die fast zwangsläufige Systematik jüdische Quellen zur Geschichte nicht zu kennen, weil sie in Hebräisch geschrieben wurden, was in der Trardition verbleibene Juden bis heute und übermorgen tun. Wenn man aber nur jene Quellen heranzieht, die in der Anpassung an das christliche Bildungssystem auf deutscher Sprache publiziert wurden, dann sollte man sich aber zumindest bewusst sein, welche Konsequenz dies für das Ausmaß an “Wirklichkeit” hat.
Spätestens wenn man zum dreiunddreißigsten mal jemanden über „jüdisches Erbe“ hat reden hören, fühlt man sich schon nicht mehr so lebendig, sondern schon ein wenig tot. Man wartet fast auf einen Beitrag wie Kafkas “Bericht für eine Akademie” oder fürchtet, um einen solchen gebeten zu werden. So ziemlich alles was gesagt, gesungen oder gezeigt wird, lässt keinen Zweifel aufkommen, dass es einen verspätet artikulierten Schlussstrich konnotiert, und zwar unter „das Judentum“. Dabei geht es nicht mal darum, dass die aktuelle, zu je einem Drittel russisch, museal oder akademisch Realität des „deutschen Judentums“ nicht mal erwähnt wird. Es kommt auch niemand der „politisch Verantwortlichen“ auf den rein menschlich wohl plausibelsten Gedanken, die restaurierten „ehemaligen“ Synagogen den heutigen Juden in der Region zurückzugeben und dafür zu werben, dass es künftige Synagogen werden. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass ein intakter Synagogenbau den Zuzug weiterer Juden bewirken könnte. Das aber wird nicht passieren, denn eine solche Rückgabe würde den Umgang mit der Vergangenheit, so wie er sich in den letzten Jahren etabliert hat, faktisch zunichtemachen, da es eine störende Gegenwart und eine ungewisse Zukunft gäbe. Man stelle sich vor, dass im Winter womöglich russische statt deutsche Adventslieder in einer jener “Begegnungsstätten” erklängen – oder vielleicht noch schlimmer: Binswangen, Harburg, Ichenhausen oder Kriegshaber gelangten in die (frommen) Hände von Chabadniks. Wäre das ein Alptraum?
Wahrscheinlich. Wenn wir die Worte aus Prof. Kießlings „schwäbisch geschichtlicher Meditation“ rekapitulieren, so ist dessen Analyse eigentlich recht finster, besagt er doch, dass Juden in Schwaben eigentlich immer schon fremd waren, weil diese angeblich ein ethnisch homogener „Stamm“ wären. Natürlich kann man sich fragen, ob einer solchen Einschätzung überhaupt (noch) irgendeine Relevanz zukommt, wenn man sich den aktuellen Anteil an Ausländern vergegenwärtigt oder gar realisiert, wie hoch der Prozentsatz von Personen mit sog. Migrationshintergrund auch im ländlichen Schwaben mittlerweile ist. Ob nun aber zugewanderte thailändische Hilfsköche, russische Ingenieure oder ein ägyptischer Muezzin besser in den homogenen schwäbischen Stamm passen, als es jahrhundertelang in der Region heimische Juden waren, kann ohnehin nur die Zukunft zeigen. Falls aber die These stimmen sollte – und daran gibt es ganz erhebliche Zweifel – dass Schwaben und Juden nicht zusammenpassen, dann ist auch die Frage erlaubt, was man als bewusster Jude nun vom Gedenken an das tote jüdische Erbe halten soll. Berücksichtigt man das Publikum der Ichenhausener Veranstaltung, die offenbar für 12 mal 12 also 144 sitzende Besucher konzipiert war, aber (Veranstalter und Redner inklusive) nur 81 anzog, so fällt auf, dass die große Mehrheit deutlich ältere Semester waren und nicht mal eine Handvoll jünger als 40 Jahre alt war. Dieses Phänomen, so es denn eines ist, ist uns auch bereits bei vielen anderen Veranstaltungen vergleichbarer Art – und ab und an machen wir ja auch selbst Führungen oder halten Vorträge – aufgefallen: das Interesse von jungen Leuten (ohne Schulzwang) ist denkbar gering, schließlich lernt man ja bereits in der Schule fast alles über „die Nazis“ und nebenbei wohl auch, dass ein eigenständiges Judentum (etwa orthodox, zionistisch oder gar beides) gesellschaftlich weder relevant noch erwünscht ist. Wie auch immer können (und werden) künftige Generationen als „politisch Verantwortliche“ absehbar zu anderen Ergebnissen und Grundhaltungen kommen, wie mit jenem „jüdischen Erbe“ umgegangen werden soll, ob aus der reformierten Theater- und Opern-Religion nur noch museale Relikte für einen akademisch, sich selbst dienenden Apparat übrigbleibt oder ob eine zumindest um Authentizität bemühte jüdische Basis nachwachsen kann.
Wenig bis nichts deutet auf eine positive Wendung (im Sinne von Talmud-Tora) in der nahen oder mittleren Zukunft und so scheint es dann letztlich ungewollt ganz passend zu sein, (nur) von Zelten zu reden, wo es in zwei Jahrzehnten spätestens für künftige Häuser des Judentums an Menschen, Mittel und Methode fehlen wird.
Deutsches Gedenken: Der Frieden um die Ecke (am Brunnen Ichenhausen)
Orte: Altenstadt-Illereichen, Augsburg, Binswangen, Buttenwiesen, Fischach, Hainsfarth, Harburg, Hürben, Ichenhausen, Kriegshaber, Nördlingen, Oettingen, Wallerstein
Die Ausstellung ist geöffnet bis 14. April 2013
-.-.-.-.-
PS: I have no idea why the layout is that meshugga this time, but I Know for sure that I haven’t any stomach to waste anything more on it.