Carl von Obermayers Indianergeschenk an Augsburg

November 25, 2009

Am Anfang war im Eckzimmer des „Prinz Carl“ der wöchentliche Stammtisch einer kleinen Gruppe von Männern, die an Naturgeschichte interessiert waren. Daraus erwuchs im Dezember 1846 der Naturhistorische Verein Augsburg, dessen Gründung am 15. September 1847 von den zuständigen königlichen Stellen genehmigt wurde. Der Magistrat der Stadt stellte Ausstellungsräume im Metzgerhaus zur Verfügung, 1854 wurde ein ehemaliges evangelisches Waisenhaus bezogen, das heute als Maximilianmuseum existiert. Als im Juni 1856 seine Majestät König Maximilian anlässlich des anstehenden zehnjährigen Jubiläums die Ausstellung des Vereins besichtigte, war die Zahl der Mitglieder aus den ursprünglichen neun sprunghaft in die hunderte angestiegen. 1886 wurde der Verein umbenannt als Naturwissenschaftlicher Verein für Schwaben und Neuburg und 1904 das Stetten-Haus am Kesselmarkt bezogen. Dieses wurde 1944 mit den meisten Ausstellungsstücken bei britischen Bombenangriffen zerstört. 1991 wurde im umgebauten Nachfolgebau des ehemaligen Gebäudes der Augsburger Allgemeinen ein neues Naturkundemuseum errichtet.

Der ursprüngliche naturhistorische Verein veranstaltete monatliche Vorträge , knüpfte Kontakte zu anderen Vereinen und Gesellschaften und verstand es als seine Aufgabe seine naturkundliche Sammlung wie auch seine Bibliothek stetig auszubauen. Sie betrafen Flora und Fauna von Augsburg und Umgebung „Schwaben“), weiteten sich dann aber auch aus in ethnologische Interessensgebiete  „aus allen Herren Länder“. Zahlreiche erhaltene Jahresberichte geben auch minutiös Einblick darüber, welche Mitglieder oder Freunde die Sammlungen des Vereins durch Geschenke, Stiftungen, Ankäufe erweiterten. Im Jahresbericht für 1859 (vom April 1860) wird etwa erwähnt, dass Herr Baumeister, Chirurg aus Diedorf u.a. eine Wasserspitzmaus (sorex fodiens pall) und Herr Graf Fugger-Blumenthaleinen Flusskrebs mit abnormer Schere“ schenkte. Herr Baron von Rehling auf Hainhofen stiftete im selben Jahr „einen Goldfasan“ (Phasianus pictus), Herr E. von Stetten einen Wespenbussard (pernis apiforus) „und ein frischgelegtes Ei dieses Vogels“. Der Revierförster Steger von Monheim erweiterte die Sammlung um eine Rabenkrähe, während Dr. von Weidenbach  „mehrere Fledermäuse“ schenkte.

Im folgenden Jahresbericht ist zu lesen: „Von seiner Königl. Hoheit Prinz Luitpold von Bayern: einen von Hochdemselben am Schöllerangerberg bei Burgberg den 1. Mai 1861 erlegten Auerhahn, tetrao urogallus“. Im Bericht von 1862 ist die Spende des Kaufmann Frauendorfer verzeichnet: „1 monströses Hühnerei“, der königliche Regierungsrat Gerhauser stiftete der Sammlung hingegen „1 junge Hauskatze mit acht Füßen“, der Fabrikant Chur gab „1 Wachtelhund“ und der Kaufmann Euringer widmete der Kollektion „1 Libelle“ …

Im Sechzehnten „Bericht des Naturhistorischen Vereins in Augsburg, veröffentlicht 1863“ http://www.biodiversitylibrary.org/item/45315#5 finden sich Besprechungen von Vorträgen des Vereins aus dem Vorjahr 1862, etwa der am 11. März gehaltene des Sekretärs des Vereins Wilhelm Scheller, seines Zeichens königlicher Post-Cassierer. Sein Thema: Der Nutzen der Weichtiere als Nahrungsmittel, wie in Hinsicht anderer Verwendung. Professor May aus Dillingen referierte über die Raubwespen und Wanzen seines Ortes. Und der langjährige Vorsitzender des Vereins Dr. Gustav Körber gab in zwei Vorträgen Aufschluss über Tierische und Pflanzengifte, informierte in drei weiteren Vorträgen aber auch über Tier- und Menschenrassen („Thier- und Menschenracen“).

Wie in jedem Jahr listet der Bericht auch 1862 wieder prominente Schenkungen auf:

Das interessante Geschenk des hiesigen vormaligen nordamerikanischen Consuls Herrn I. Obermaier, bestehend in verschiedenen Gerätschaften und Waffen cultivirter Indianer am Niagara in Canada, von St. Antonio de Bexar in Texas und von den Lipans-Indianern in Texas hat Veranlassung gegeben, auch für die zwar noch kleine, auf solche Weise aber erfreulich sich mehrende ethnographische Sammlung zwei neue Pfeilerschränke am Vorplatz aufzustellen, um die Mehrzahl der Gegenstände in 4 Abteilungen – für Afrika, Asien, Amerika und Australien zu verwahren.“

Als Spender der indianischen Ausrüstung für Augsburgs ethnographische Sammlung ist Carl von Obermayer, wie aus weiteren Notizen hervorgeht. Die Nennung I. basiert wohl auf einer gedanklichen Verwechslung mit dem berühmten Bankier Isidor Obermayer. In der Mitgliederlister des Jahres 1862 ist eingetragen „Obermayer, Carl, königlicher Landwehr-Oberst“. In der später folgenden Auflistung der jeweiligen Spenden und Erwerbungen des Vereins ist so auch „C. Obermayer, Landwehrobriat“ aufgeführt, was die Identifizierung Carl von Obermayer eindeutig macht. Er war der Sohn von Isidor.

 Im Mitgliederverzeichnis von 1862 (aufgeführt sind 35 Ehrenmitglieder, 83 correspondierende Mitglieder, 378 ordentliche sowie 60 außerordentliche Mitglieder) finden sich auch ein gutes Dutzend Juden, beispielsweise etwa der Großhändler Rosenbusch (dessen Grab sich am Augsburger Friedhof Hochfeld befindet), der Banquier Joseph Wilmersdörffer, dessen Sohn Ernst (1865-1926) später Oberlandesgerichtsrat in Augsburg wurde, usw.. Aufgelistet sind freilich auch illustre Namen, wie etwa W. Freiherr von Schaezler, „königlicher Kämmerer und Gutsbesitzer“ oder Leopold Fürst von Fugger-Babenhausen, „Durchlaucht“. Die beigefügte Bemerkung nach dem Namen dient offenbar der jeweiligen Berufsbezeichnung. So findet sich auch der heute noch entsprechend in der Stadt bekannte Name „Schmedding, Gold- und Silberarbeiter“.

Erwähnt sind noch andere Mitglieder der Obermayer-Familie, so der als Rechts-Concipient (Rechtsanwalts-Anwärter) Jacob Obermayer. Es könnte sich um den am 11. Dezember 1831 geborenen Sohn von Heinrich und Therese Obermayer handeln, der wie zahlreiche andere Mitglieder der Familie auswanderte. Er verstarb 1885 in Sciota, Illionois, wo heute nur noch rund 60 Menschen leben. Sodann Max Obermayer, bezeichnet als Banquier. Wie zuvor Carl von Obermayer wird Max Obermayer von 1866-1873 Konsul der Vereinigten Staaten von Amerika in Augsburg sein. Beide sind zumindest seit 1854 als Mitglieder des Naturhistorischen Vereins nachweisbar. Im Jahresbericht 1879 ist auch eine Schenkung von Max Obermayer, nunmehr als Consul aufgelistet. Er stiftet der ethnographischen Ausstellung einen japanischen Metallspiegel und ein Paar japanische Schuhe, ferner ein Teetuch und eine Serviette aus japanischem Pflanzenstoff. Da eine nähere Beschreibung der japanischen Mitbringsel (?) fehlt, ist es schwer sich vorzustellen, welchen Wert sie für die Augsburger Wissenschaft gehabt haben mochte. 

Detaillierter ist jedoch die Liste der Schenkungen die Max Onkel dem naturhistorischen Verein aus Nordamerika, aus Kanada und Texas mitbrachte:

Geschenke von C. Obermayer, Landwehrobriaten

1. eine bemalte Jagdtasche von Leder mit Lederfranzen

2. ein Löffel von Horn mit Zinn eigelegt

3. ein mit Glasperlen gesticktes Feuerzeug-Täschchen

4./5. Ein Paar Jagdtaschen mit Wildklauen und Stickereien aus Glasperlen

6. eine aus rothen und weißen Zwirn gewobene Tasche

7. ein zierliches mit Glasperlen gesticktes Täschchen

8. ein Paar Sporen

9. eine aus Rosshaar geflochtene Reitpeitsche

10. ein Zaum

11. ein Bogen mit Pfeilen und Köcher

12. ein Pferdegebiss

13. eine Lasso-Binde

14. eine Jagdtasche mit daran befestigtem Pulverhorn

 

Zum Abschluss der Liste wurde nochmals die Herkunft der Schenkungen aus drei Gebieten bestätigt:

1. die kultivierten Niagara – Indianer in Kanada, 2. Die St. Antonio Bexar in Texas und 3. Die Lipans-Indianer in Texas.

 

Faszination Wilder Westen

Man kann sich gut vorstellen, dass die Gaben des ehemaligen Konsuls Carl von Obermayer, die sicher zumindest eine Vitrine gefüllt hatten, Eindruck machten in der damaligen Sammlung des Naturhistorischen Vereins im heutigen Maximilian-Museum. Immerhin waren Buffalo Bill und Karl May, die beide das Wild West Bild in Deutschland prägten, 1862 noch Schüler mit ganz anderen Ideen. Carl von Obermayers ethnologische Geschenke eilten dem späteren Ruhm den Wildwest-Shows, Romane und schließlich Filme  erreichten erheblich voraus.

William F. Cody (1846-1917) besser bekannt als „Buffalo Bill“ nahm erst ab 1872 an Wild West Shows teil, ehe er ab 1883 seine eigene ins Leben rief, die ihn weltweit bekannt machen sollte und begleitet von echten Indianern und Büffeln zu zahlreichen Auftritten auch nach Europa und Deutschland (Karlsruhe, Braunschweig) führen sollte.

 

    William Cody 1865 im Alter von 19 ( www.bbhc.org )

 

Zunächst gastierte er in London auf Einladung des Königshauses. Seine Show sollte die Feierlichkeiten zum 50. Thronjubiläum von Queen Victoria bereichern, die mit einer ganzen Ansammlung anderer europäischer Herrscher persönlich erschien. Die adelige Prominenz war sozusagen der Ritterschlag für die Wild West – Darsteller und trug ganz erheblich zur weltweiten Aufmerksamkeit bei. Zweimal täglich gab es Vorstellungen vor jeweils ca. 20-30.000 Zuschauern. Wegen des Londoner Erfolgs gab es diese dann auch in Manchester, Birmingham, schließlich auch in Paris (wo zur Einleitung der Show die französische Hymne gespielt wurde und die französische Rolle im Wild Westen, etwa in Kanada betont wurde). Zur Werbung zählte auch, dass waghalsige Indianer den Eiffel-Turm erkletterten. Es gab Auftritte in weiteren Teilen Frankreichs und Spaniens. 1890 wurden die Teilnehmer der Show von Papst Leo XIII in Rom gesegnet, in Bologna wurden an acht Tagen in Folge zwei Shows ausverkauft.

In Deutschland wurde die Wildwest-Show um arabische Reiter erweitert. In Braunschweig starb ein Indianer der Show und wurde unter großer Anteilnahme am städtischen Friedhof beigesetzt. Karl May (1842-1912) dessen Geschichten und Romane zumindest in Deutschland die Vorstellung vom nordamerikanischen Wilden Westen mitprägten. Der zuvor wegen Hochstapelei mehrmals zu Gefängnisstrafen verurteilte schrieb jedoch erst ab 1879 und stand zweifellos unter dem Einfluss dieser Shows. Dann freilich verinnerlichte die Rolle seines fiktiven Old Shatterhand so sehr, dass er als dieser öffentlich auf eigenen Tourneen auftrat. Inspiriert davon wurden freilich auch sog. Völkerschaustellungen und Circus-Vorstellungen (bis 1932 traten im Sarasini Zirkus in Deutschland Indianer als Teil der Show auf).

 

Die im Jahresbericht des Naturhistorischen Vereins aufgeführten Indianerstämme aus Kanada und Texas sind natürlich noch ermittelbar und offen gesagt ist ihre Geschichte und Kultur nicht viel schlechter dokumentiert als die der schwäbischen Juden. Es ist folglich auch keine große Schwierigkeit, vergleichbare Stücke von Obermayers Indianersammlung etwa bei den Lipan Apaches   ( http://www.lipanapache.org/ ) ausfindig zu machen.

 

   As a member of the Naturhistorischer Verein  (Natural History Association), established in 1846, Carl von Obermayer (1811-1889) donated to the publicly accessible collection of the Association in 1862 a number of tools and equipment from three different Indian tribes form Canada and Texas, such as hunting or game bags elaborately decorated with glass beads , spurs, bow and arrow or the bit of a horse. Obermayer at least since 1854 was member of the Association. His connection to North America was that for many years he had been Consul of the United States of America in Augsburg. Two other Jews from Augsburg were Consuls of the United States of America and member of Augsburg’s Natural History Association: Carl’s relative Max Obermayer (1824-1886) from 1866-1873 was US Consul in Augsburg. As his uncle he was at least since 1854 member of the Association and he donated in 1879 some souvenirs from Japan to the Museum. The third is Gustav Oberndorfer (1843-1906). Obviously the membership wasn’t that bad for diplomats.

 The Indian American items Carl von Obermayer donated however were part of the growing ethnological collection of the Museum. In 1862 the donation of course was unique and somewhat matchless, since William Cody aka Buffalo Bill who toured Europe about 1887-1890 and the German writer Karl May in that time were only teenagers.  The whole inventory of the Museum, which obviously hosted a variety of curiosities in February 1944 was destroyed by British aerial bombs.


Zum 199. Geburtstag des Architekten Georg Gollwitzer

November 24, 2009

 Wenn in Augsburg von Architektur die Rede ist, haben fast alle den Namen Elias Holl (1573-1646) parat, der als Sohn von Hans Holl (1512-1594) und Stadtbaumeister mit dem Rathaus, dem Zeughaus und einigen Stadttoren das Erscheinungsbild der Stadt geprägt hat. Doch es gibt zahlreiche andere Architekten jüngeren Datums die das Erscheinungsbild der Stadt nicht minder geprägt haben, einer breiteren Öffentlichkeit aber zumindest namentlich nicht geläufig sind. Beispielsweise Stadtbauräte wie Franz Josef Kollmann (1800-1894), dessen in neogotischer Linie errichtetes Hauptwerk als ehemaliges Hauptkrankenhaus vielen Augsburgern zumindest noch bekannt ist oder Ludwig Leybold (1833-1891), Stadtbaurat ab 1866, dessen zahlreiche Privatbauten im Bereich zwischen Hauptbahnhof und Altstadt ein ganzes Stadtviertel prägten. Ganz eigentümliche Farbtupfer verdankt die Stadt jedoch den Architekten Georg Gollwitzer 1810-1890 und seinem kreativen Sohn Karl Albert Gollwitzer 1839-1917, die weltmännisches Flair und Denken an den Lech brachten.

Augsburgs erster Bahnhof

Das erste Bauwerk des aus dem oberpfälzischen Altenhammer stammenden Georg Gollwitzer in Augsburg ist der bis 1840 errichtete alte Bahnhof der Stadt unweit der Freilichtbühne, der heute als verstecktes Straßenbahndepot ein eher unscheinbares Dasein führt. Das freilich ist neben der aktuellen Nutzung, unberechtigt, gilt das Bauwerk doch als das älteste noch existierende Bahnhofsgebäude der Welt und Endpunkt der ersten Überlandbahn in Bayern. Die von München nach Augsburg ab 1838 in vier Abschnitten wurde von der im Jahr zuvor gegründeten München-Augsburger Eisenbahn-Gesellschaft errichtet, zu deren Aktionären auch die Augsburger Bankiers der Obermayer gehörten. 1841 war Gollwitzer am Umbau des Alten Stadttheaters am Lauterlech beteiligt, dessen Anfänge in das Jahr 1665 zurückreichen. Weitere Werke Gollwitzers in Augsburg waren die Lotzbecksche Tabakfabrik, auf dessen Areal sich nach einigen Umbauten seit 1930 der Augsburger Stadtmarkt befindet, während im Frontgebäude zur Fuggerstraße hin das Augsburger Stadtarchiv beheimatet ist. Um 1850 entstand die Kammgarnspinnerei, das Stadtbachquartier um 1861. 1864 übergab Gollwitzer die Geschäfte der Firma seinem am 17.12.1839 geborenen Sohn Karl Albert Gollwitzer. Bekannt geworden sind in Augsburg zahlreiche Häuserensembles mit Risaliten und minarettartigen Türmen im maurisch-orientalischen Stil, der sich um die Wende zum 20. Jahrhundert allergrößter Beliebtheit erfreut während man heute darüber streitet ob ein Minarett ins Stadtbild passend könnte. Nur wenige dieser Häuser sind in der Volkhartstr. Unweit des Stadttheaters erhalten geblieben. In Vergessenheit geraten hingegen ist Gollwitzers Kurhotel Waldkuralpe Nervenheil ( http://www.nervenheil.de/ ), während sein nie realisierter Plan Augsburg am Oblatter Wall einen Industriehafen zu bauen, der über Kanäle Anschluss an Main und Donau erhalten sollte, ein kühne Gedankenspiel bleib.

Der Geburtstag des Vaters Georg Gollwitzers jährt sich am 26. November zum 199. Mal und vielleicht ist dies anderen ein Anreiz des 200. Geburtstag im Jahre 2010 ausführlicher zu gedenken.

group of houses by Karl Albert Gollwitzer in Augsburg Volkhardtstr.

Usually architecture in Augsburg is associated with Elias Holl (1573-1646) the Stadtbaumeister who was architect of Augsburg’s most distinctive landmarks, the city hall and Perlach tower. But there are some other architects who shaped the appearance of the City. Among them are father and son Gollwitzer. George Gollwitzer whose 199th birthday we want to commemorate, is the architect of the oldest surviving train station building in the world, while a former tobacco factory in the heart of the city now is the setting for the city market and the cities archive as well. His son Karl Georg however left some remarkable buildings in Moorish style with minarets – towers which were very popular at the turn of the 20th century while today little minds argue whether a single tower may fit into the view of the city or urban image. Unfortunately only few of these ensembles survived in Augsburg. Gollwitzer spa and health resort “Nervenheil” however did not, while his bold plan to build an industrial harbor next to the old city never was realized.


Wochenabschnitte und Lichterzünden

November 18, 2009

Frage: Stimmt es, dass im jüdischen Gottesdienst die fünf Bücher Moses auf das Jahr verteilt gelesen werden und dass das Jahr über die Gottesdienstzeiten sich nach dem Zeitpunkt der Abenddämmerung richtet?

Ja, beides ist zutreffend. Da im Judentum der Kalendertag mit der Abenddämmerung beginnt, ist dies je nachdem ob im Sommer oder Winter und in welchem Teil der Welt recht unterschiedlich – aber natürlich in keiner Weise willkürlich oder gar “unberechenbar”. In unseren Breitengraden kann jedoch Beginn oder Ende eines Tages und damit auch des wöchentlichen Schabbat je nach Jahreszeit entweder um vier Uhr nachmittags oder erst abends gegen 21/ 22 Uhr sein. Die Definition der Tage richtet sich immer nach der Sonne, während die Monate sich strikt am Mond orientieren. Neumond ist immer der Beginn eines neuen jüdischen Monats, so wie man am Halbmond immer erkennen kann, dass die Mitte (14./15.) eines Monats erreicht ist. So es also nicht bewölkt ist, kann man am Mond entsprechned auch immer das jüdische Datum ablesen.

Ulmo Grabstein Kriegshaber Pfersee

Im Laufe des Jahres wird die Thora aufgeteilt in feste Wochenabschnitte (פרשיות). Der Zyklus beginnt mit dem Ende des Suckot-Festes und deckt deshalb das jüdische Kalenderjahr nicht vollständig ab. Unser Kalender gibt für das aktuelle Jahr 5770 die Abschnitte für die Thoralesung wieder mit der Bezeichnung der hebräischen Namen und der für die Stadt Augsburg berechneten Zeiten für das jeweilige Lichterzünden (”’) und Schabbat-Ende (***). Einzelne Festtage, Omer-Zählen oder Neumonde (rosch chodesch) können daraus erschlossen werden.

Abschnitte für das Jahr 5770 mit Zeiten für Augsburg

Allgemeines Datum        Jüdisches Datum

 ììì

פרשת השבוע

***

         
16.10.09 28 Tischri 5770 18:08 Breschit 19:08
23.10.09 05 Cheschvan 5770 17:54 Noach 18:56
30.10.09 12 Cheschvan 5770 16:41 Lech Lecha 17:44
06.11.09 19 Cheschvan 5770 16:31 Vajera 17:33
13.11.09 26 Cheschvan 5770 16:22 Chaje Sara 17:23
20.11.09 03 Kislev 5770 16:14 Toldot 17:17
27.11.09 10 Kislev 5770 16:07 Vajetze 17:09
04.12.09 17 Kislev 5770 16:06 Vajischlach 17:07
11.12.09 24 Kislev 5770 16:03 Vajeschew 17:06
12.12.09 25 Kislev 5770   Erew Chanucka  
18.12.09 01 Tewet 5770 16:05 Miketz 17:08
25.12.09 08 Tevet 5770 16:07 Vajigasch 17:12
01.01.10 15 Tevet 5770 16:14 Vajehi 17:18
08.01.10 22 Tevet 5770 16:22 Schmot 17:27
15.01.10 29 Tevet 5770 16:31 Vaera 17:36
22.01.10 07 Schwat 5770 16:42 Bo 17:47
29.01.10 14 Schwat 5770 16:53 BeschalachSchabbat Schirach 17:58
05.02.10 21 Schwat 5770 17:03 Jitro 18:08
12.02.10 28 Schwat 5770 17:14 MischpatimSchabbat Schakalim 18:20
19.02.10 05 Adar 5770 17:25 Truma 18:31
26.02.10 12 Adar 5770 17:37 TezaweSchabbat Sachor 18:43
28.02.10 14 Adar 5770   Purim  
05.03.10 19 Adar 5770 17:47 Ki TissaSchabbat Para 18:53
12.03.10 26 Adar 5770 17:59 Vajachel Pekude 19:04
19.03.10 04 Nissan 5770 18:08 Vajikra 19:15
26.03.10 11 Nissan 5770 18:19 ZavSchabbat Hagadol 19:25
29.03.10 14 Nissan 5770   Erew Pessach  
02.04.10 18 Nissan 5770 18:30 Pessach Chol HaMoed(Omer 4) 19:35
09.04.10 25 Nissan 5770 19:39 Schmini(Omer 11) 20:45
16.04.10 02 ijar 5770 19:50 Tasria Mezora(Omer 18) 20:56
23.04.10 09 Ijar 5770 19:59 Achare – Kedoschim(Omer 25) 21:05
30.04.10 16 Ijar 5770 20:11 Emor(Omer 32) 21:15
02.05.10 18 Ijar5770   Lag ba-omer  
07.05.10 23 Ijar 5770 20:19 Behar – Behuchotai(Omer 39) 21:25
14.05.10 01 Sivan 5770 20:30 Bamidbar (Omer 46) 21:35
18.05.10 05 Sivan 5770   Schawuot  
21.05.10 08 Sivan 5770 20:40 Naso 21:44
28.05.10 15 Sivan 5770 20:47 Behalotecha 21:52
04.06.10 22 Sivan 5770 20:54 Schelach lecha 21:59
11.06.10 29 Sivan 5770 21:00 Korach 22:03
18.06.10 06 Tamus 5770 21:02 Chukat 22:07
25.06.10 13 Tamus 5770 21:03 Balack 22:06
02.07.10 20 Tamus 5770 21:02 Pinchas 22:05
09.07.10 27 Tamus 5770 20:59 Matot Maase 22:02
16.07.10 05 Aw 5770 20:54 DwarimSchabbat Chazon 21:57
20.07.10 09 Aw 5770   Tischa Be-Aw  
23.07.10 12 Aw 5770 20:47 VaetchananSchabbat Nachamu 21:50
30.07.10 19 Aw 5770 20:37 Ekew 21:40
06.08.10 26 Aw 5770 20:27 Reé 21:30
13.08.10 03 Elul 5770 20:15 Schoftim 21:18
20.08.10 10 Elul 5770 20:03 Ki Teze 21:05
27.08.10 17 Elul 5770 19:50 Ki Tawo 20:52
03.09.10 24 Elul 5770 19:35 Nezawim Vajelech 20:37
08.09.10 01 Tischri 5771   Erew Rosch HaSchana  
10.09.10 03 Tischri 5771 19:20 HaásinuSchabbat Tschuwa 20:23
17.09.10 10 Tischri 5771   Yom Kipur  
22.09.10 15 Tischri 5771   Erew Suckot  
24.09.10 17 Tischri 5771 18:52 Suckot Chol HaMoed 19:54
02.10.10 24 Tischri 5771 18:37 Breschit 19:39
         

Der vergessene jüdische Anteil an der Weber- und Textilgeschichte in Augsburg

November 15, 2009

Das Bayerische „Textil- und IndustrieMuseum“ (tim) in Augsburg (Kammgarnspinnerei, Provinostr. 46, 86143 Augsburg) sollte schon mehrfach öffnen. Zuletzt ist die Eröffnung im Sommer 2009 mit einer eigens herausgegebenen Broschüre* beworben worden, die allerdings auch Einblicke in die Architektur, Konzeption und Inhalte der Ausstellung ermöglicht.

textilmuseum augsburg eröffnung 2009

Mensch, Maschine, Mode

              … Masche ?

Einmal mehr ist uns dabei aufgefallen, dass man in Augsburg offenbar einen gewissen Bogen um jüdische Anteile an der allgemeinen Stadtgeschichte strickt. In diesem Fall ist es die Textilgeschichte. Nicht nur, dass die Präsentation der Fugger, die ihren ersten Stützpunkt im noch von Juden bewohnten mittelalterlichen Augsburg direkt am Judenberg hatten, in aller Regel „judenfrei“ geschieht, auch die industrielle Geschichte der Textilstadt Augsburg ist inzwischen verdrängt worden.  Daran scheint nun offenbar noch nicht einmal das Textilmuseum in Augsburg etwas ändern zu wollen, wenn man die Broschüre dafür zum Maßstab nimmt. Firmen wie die des aus Hürben stammenden M.S. Landauer (nach Arisierung und Krieg, später: Elbeo)  in Oberhausen, Kahn und Arnold am Sparrenlech, die Pferseer Buntweberei Raff und Söhne (ihr Markenname „Aura“ setzte sich aus Raff und Augsburg zusammen), Isak Bernheim, usw. tauchen noch nicht mal zwischen den Zeilen auf. Es ist so als hätte es sie nie gegeben. Das erstaunt, wo sonst immer gebetsmühlenartig die mantrische Formel „gegen das Vergessen“ rezitiert wird. Aber die scheint nur einen bestimmten Zeithorizont und Blickwinkel zu betreffen und Scheu vor Alltag und Arbeit zu haben.

Das Museum soll nun jüngsten Berichten im Januar 2010 öffnen oder vielleicht doch erst im Frühjahr?

Vielleicht klappt es den Machern ja bis dahin den keineswegs dunklen Beitrag der schwäbischen Juden zur Augsburger Textilgeschichte den man nicht verheimlichen muss, doch zumindest zu erwähnen.

Dajajenu. Das allein würde uns ja schon genügen.

* Das Bayerische Textil- und IndustrieMuseum (tim) in Augsburg (Broschüre)

Herausgegeben von Richard Loibl und Natascha Zödi,

2008, Wißner-Verlag, Augsburg, 48 S.

The Bavarian Museum for textile industries (“tim”) scheduled to open in Augsburg a number of times has issued a brochure to introduce the architecture and design of the building and to explain the exhibition, contents and history. So far there is nothing that will indicate that anything at the museum will at least give a hint that in Augsburg where a number of renowned Jewish companies with hundreds of employees such as the textile factory of Moses Samuel Landauer in Oberhausen what later became part of Augsburg. Also Jews from Pfersee like Isaak Bernheim, Albert and David Raff, Aaron Kahn, … are not even mentioned. Since the Museum still is not open there still is a chance to develop the presentation and close the gap. But hardly anyone will care.

 


Just do your best

November 12, 2009

A Jewish man on the operating table awaiting a somewhat risky surgery and his son, a renowned surgeon, is scheduled to perform the procedure. As he is about to get the narcosis he asks to speak to his son.  

 “Yes Dad, what is the matter?”

Don’t be uptight, son, just do your best and remember, if anything happens to me …   your mother is going to come and live with you and your wife….”


Die Protokolle der Manager von Zion ..?

November 10, 2009

Die sog. „Protokolle der Weisen von Zion“, vor etwas mehr als hundert Jahren im zaristischen Russland entstanden sind zweifellos das bekannteste und einflussreichste Machwerk des schriftlichen Antisemitismus und Nährstoff zahlloser Verschwörungstheorien. Sie besagen, dass „die Juden“ sich verschwören, um die „Weltherrschaft“ an sich zu reißen und „enthüllen“ im einzelnen, welcher finsteren Tricks und Kniffe sie sich dabei bedienen, beispielsweise der Meinungsfreiheit und der Demokratie.

Die definierende Schlüsselszene entstammt dem wenig beachteten Roman Biarritz (1868) des ansonsten auch völlig  in Vergessenheit geratenen deutschen Schriftstellers und Verschwörungstheoretikers Hermann Goedsche (1815-1878). Sie schildert das Treffen der Verschwörer auf dem „Judenkirchhof von Prag“. Die eigentümliche Szene erlangte in vielen Varianten und Auflagen insbesondere im nationalsozialistischen Deutschland eine übergroße Popularität und ist vielleicht auch deshalb noch in manchen Köpfen präsent, wenn „es“ sich anbietet.

Eine solche Gelegenheit bot sichvielleicht auch jüngst  der 1971 gegründeten und zur Spiegel-Gruppe gehörenden monatlich erscheinenden Wirtschaftszeitschrift des „manager-magazin“, u.a. auch bekannt für den jährlich verliehenen Preis für den „Manager des Jahres“, welches zumindest nationales Renommee genießt.

Auf der aktuellen November-Ausgabe prangt als Titel-Geschichte „Das Oppenheim Komplott – die unglaublichen Machenschaften der Privatbankiers“. Das sind Aufmacher, die zur Heuschrecken-Schau geradezu einladen und sicher neugierig stimmen sollen.

Dem Artikel im Heft sind Spaltenfotos der „Hasardeure“ vorangestellt, wobei die dicke Zigarre als Requisite nicht fehlen darf. Der Begleittext dazu verspricht „Das Protokoll einer unglaublichen Verschwörung“. Man staunt nicht schlecht, wenn sodann davon die Rede ist, dass sich „… dutzende von Angehörigen auf dem kleinen Friedhof des familieneigenen Schlosses …“ versammeln: „Da bleibt es nicht aus, dass am offenen Grab die wichtigsten Gremienvertreter der Bank zusammentreffen.“ Bereitstehende „Muskelmänner“, die „ungebetene Gäste“ fernhalten, so erfährt man, gehören zu einer „Privatarmee“: „Am Grab umarmt man sich stumm und tauscht Wangenküsse aus.“

Und was hat es damit nun auf sich? Das Szenario, angereichert mit Namen und Altersangaben dient zur Einleitung für einen Bericht über die „Verquickung von Privat- und Bankinteressen“, auf die man offenbar glaubte nicht anders als durch die düstere Atmosphäre eines abgeschiedenen und abgeschirmten Friedhofs zur Sprache kommen zu können.

Der jüdische Ursprung des 1789 von Salomon Oppenheim gegründeten Bankhauses ist nun alles andere als ein Geheimnis. Dafür war die Rolle des Kölner Bankhauses bei der Industrialisierung des Ruhrgebietes, der Rheinschifffahrt, des Eisenbahnnetzes, usw. auch viel zu prominent. Der Bankgründer verstand es auch, seine Söhne „banktechnisch“ zu verheiraten. Simon Oppenheim (1803-1880) etwa – und das wäre unser lokaler Bezug zum Thema – heiratete am 19. Oktober 1830 in Günzburg Henriette Obermayer (1812-1885), die Tochter des aus Kriegshaber stammenden Augsburger Bankiers Isidor Obermayer (1783-1862). Ihr Bruder Carl von Obermayer (1811-1889) war u.a. Kommandeur der Augsburger Landwehr und für einige Jahre Konsul der USA im Königreich Bayern. Simons Bruder Abraham Oppenheim (1804-1878) hingegen verband sich (selbstredend?) mit Charlotte Beyfus (1811-1887) und damit mit der Familie der Rothschilds.

Die Oppenheimer Nachkommen traten bereits in den 1860er Jahren zum Christentum über und verbanden sich, als nunmehr geadelte Freiherren und Barone mit dem etablierten Adel. Anders als im Kaiserreich war die jüdische Abstammung in der zweiten, dritten, vom nationalsozialistischen Unwesen überschatteten Generation freilich dann recht problematisch. Das  Bankhaus Oppenheim wurde “arisiert” und hieß nun Robert Pferdmenges & Co. 1947 freilich erschien es sodann schon wieder opportun, zum alten Namen Oppenheim zurückzukehren, der nun wieder Türen öffnete, die zuvor verschlossen wurden.

Das Unternehmen, das nach der “Financial Times Deutschland” bis dahin als „größte unabhängige Privatbankgruppe Europas“ galt, wurde erst kürzlich, am 28. Oktober 2009 von der Deutschen Bank in Frankfurt am Main vollständig übernommen. Einige der bisherigen Anteilseigner tragen mit Oppenheim oder Ullmann sodann auch noch „jüdische“ Namen und da schließt sich der Kreis auch wieder oder aber eben auch nicht. Sie stammen als Ur³ + Ur² – Enkel von Personen ab, die um 150 Jahre zuvor Christen wurden. Demnach kann das im “manager-magazin” geschilderte Friedhofszenario als Protokoll einer Verschwörung logischerweise auch definitiv keinen antisemitischen Unterton besitzen.  

 –> Manager-Magazin 11/09,  S. 35 ff.

see the thing through yellow-colored glasses

The unwritten protocols of the managers of scion?

On the cover of the current issue of Germanys renowned financial newspaper „manager-magazin“ is the teaser “The Oppenheim Complot – unbelievable practices of private bankers”. While the introduction promises “the protocol of an incredible conspiracy”, the article depicts the gathering of dozens of relatives at a small family-owned cemetery, where the most important agents of the bank meet at an open grave. Muscle men keep off unwanted “guests” and the gathered hug silently and kiss on their cheeks.

The key scene of the anti-Semitic pamphlet “Protocols of Elders of Zion” giving meaning to the plot is a secret gathering of Jewish conspirators who concert measures to bring about a fabulous Jewish “world dominance” and their conventicle place is a cemetery. The basic idea stems from the novel “Biarritz” by the widely unknown German writer Goedsche (not to confuse with Germanys national poet Goethe!), who invented the topos: “the old Jewish cemetery of Prague”.

The Jewish background of the Sal. Oppenheim bank house of course is famous the world over and Simon Oppenheim, firstborn son of the founder Salomon married Henriette Obermayer, the daughter of Isidor Obermayer from Kriegshaber/Augsburg what of course attracted our local interest.

But since their offspring converted to Christianity some 150 years ago, Sal. Oppenheim for a quite long time is no Jewish bank, neither are the “gamblers” the manager magazine scolds. Indeed the Nazis were somewhat “conciliatory” when a Jewish origin dated back more than four generations. So even in this respect there of course is no evidence of any anti-Semitic undertone at all.    

 

http://www.manager-magazin.de/

 


Die segnenden Hände des Priesters

November 9, 2009

Frage: Welche Bedeutung und Ursprung haben die beiden Hände auf vielen jüdischen Grabsteinen? Handelt es sich als „Heilende Hände“ um ein heidnisches Symbol?

Kohen symbol at Krunbach Huerben Jewish Cemetery

Die beiden gespreizten Hände (jede formt sich dabei dreiteilig und soll das hebräische Schriftzeichen Schin – sch darstellen, welches als Buchstabe den Gottesnamen Schadai abkürzt  – auch auf zahlreichen Mesusot zu finden, etc.) sind im Grunde genommen ein Familienwappen, sehr wahrscheinlich das älteste der Welt. Es kennzeichnet die Mitglieder der Kohen, also der Nachkommen Aharons, des Bruders von Moses aus dem biblischen Stamm Levi welche in den Heiligtümern Israels den Dienst leiteten. Die ältesten archäologischen Zeugnisse des Symbols auf Gräbern im antiken Israel werden in die Zeit des ersten Tempels datiert.

Das Symbol der Hände bezieht sich auf eine wesentliche Tätigkeit der Kohen, nach dem Ganzopfer auf den Stufen der Vorhalle des Heiligtums das Volk zu segnen:

 

 יברכך ה וישמרך 

יאר ה פניו אליך ויחנך  

      ישא ה פניו אליך וישם לך םולש     

(Numeri = 6.24-26  ספר במדבר)

 

Der Herr segne dich und verteidige dich, der Herr lasse seine Stirn strahlen über dir und begünstige dich, der Herr erhebe seine Stirn über dir und gebe dir Frieden.

The Lord bless and guard you, the Lord make his front illuminate upon you and be gracious to you, the Lord will lift up his front upon you and give you peace.

Kohen grave marker at the old Jewish Cemetery Munich:

Old Jewish Cemetery Munich

Der Segen der Kohen, auch geläufig als nesiat kafajim (die Hände erheben), wurde zwei bis vier Mal täglich im Heiligtum und schließlich auch noch abends beim Schließen der gesprochen. Dass dazu die Hände genommen wurden, ist in der Mischna bereits bezeugt. Diese hielt der Kohen im Heiligtum in Höhe des eigenen Kopfes, außerhalb des Heiligtums auf Schulterhöhe. Der einzige Tag im Jahr, an dem der Segen gesprochen wurde, ohne in Verbindung mit einem Opfer im Heiligtum zu stehen war Jom Kipur, der Tag der Versöhnung.  Dies wurde bereits zur Zeit des Heiligtums so gehandhabt. Sehr früh belegt ist mit Ismael ben Elischa die Praxis der Kohen belegt, vor dem Segen die Hände zu waschen (vgl. Baw. Sota 39a), während mit Jochanan ben Sackai bereits bezeugt ist, dass die Kohen ihre Schuhe ausziehen. Auch die Fingerspreizung geht zumindest auf diese Zeit zurück. R. Akiwa verbietet, das Ansehen der Kohen beim Sprechen des Segens, weshalb es früh üblich wurde, dass diese sich unter einem ausgebreiteten Tallit-Schal verbargen. Der Segen als solcher wird vom Vorbeter vorgesprochen und von dem oder den anwesenden Kohen wiederholt, was gemäß Sifre 39 eine verbindliche Pflicht darstellt. Im Heiligtum war der Brauch den Segen am Stück vorzusprechen und nachzusprechen, außerhalb in Synagogen wurde es üblich, ihn einzeln in drei Teilen vor- und nachzusprechen.  

Nach Zerstörung des Heiligtums wurde der Segen Bestandteil der Tfila, also des Gebetes in den lokalen Häusern der Versammlung (Knesset – griechisch:  Synagoge). Gesprochen wird der Segen nun nur noch in der Wiederholung der Tfila, des Hauptgebetes und zwar als Einschub zwischen der 18. und 19. Segnung.

Während der Segen im östlichen Mittelmeerraum täglich gesprochen wurde (gegenwärtig ist dies auch Praxis in entsprechenden Gemeinden in Israel), wurde es in Europa üblich, ihn nur noch an hohen Feiertagen (jom tov) und am Schabbat zu sprechen, im mittelalterlichen Spanien nur noch an Festtagen, schließlich auch dort nur noch zum Musaf, also dem Zusatzgebet, ehe R. Jakow Molin um 1400 (der auch Rabbiner in Augsburg war), verfügte, dass der Segen auch zu שחרית, also morgens gesprochen werden soll.

Seit dem Maharam ist es üblich, dass der Vorbeter einen Teil des einleitenden Gebets leise spricht, während die Kohen sodann laut vorfahren, während in sefardischen Gemeinden alles laut gesprochen wird.

Die reformistischen Gemeinden in Europa schafften das Sprechen des Priestersegens in ihren Gottesdiensten ab und übertragen diese Aufgabe dem Vorbeter. Seitens der überlieferten Gemeinden stieß dies auf schärfste Ablehnung unter dem Hinweis darauf, dass die Anmaßung priesterlicher Befugnisse in Bibel und Talmud todeswürdige Verbrechen darstellten. So oder so werden mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts in reformistischen Gemeinden nun auch die früher häufigen Kohen-Grabsteine mit den berühmten Händen immer seltener, ehe sie ganz verschwinden.

Der Priestersegen wird auch bei Christen im christlichen Gottesdienst gesprochen, während sich die Geste des Duchan der gespreizten Finger in der Science Fiction Serie Star Trek findet.