Aus der mittelalterlichen Geschichte der Juden in Augsburg sind eine Reihe von Juden bekannt, die bezeichnet werden als „von Werd“. Zwar spricht vieles dafür, dass es sich dabei um das heutige 45 km nördlich von Augsburg gelegene Donauwörth handelt, da schon früh eine „civitas de Werde“ überliefert ist. Andererseits ist „Werd“ (oder „Werth“) kein seltener Name und findet sich recht häufig als Ortsbezeichnung, da das mittelhochdeutsche Wort schlicht „Insel“ heißt, doch solche gibt es – namensgebend an Flüssen oder Seen – allenthalben. Zwar sind die meisten Bezeichnungen als Toponyme heute verschwunden, viele kleine Orte existieren aber noch unter diesem Namen und selbst an der Donau hat sich als Wörth (bei Regensburg) der Ortsname Werd (an der Donau) gehalten, während anderenorts die Bezeichnung vielfach in bloße Flurbezeichnungen oder Straßennamen übergegangen ist. Als Unteres Werdli wird eine der kleinen Inseln am Untersee des Bodensees bezeichnet. Da alle Inseln sind, heißt auch jede Werd und insgesamt spricht man tautologisch zur Verdeutlichung von den Werd-Inseln. In der elsässischen Grafschaft Werd existiert heute noch das Château de Werde, usw.
Donauwörth verdankt seine Besonderheit dem Zusammenfluss von Wörnitz und Donau – auch Zusam und Lech fließen in relativer Nähe in die Donau. Donauwörth lag also recht günstig für den Schiffsverkehr, andererseits lag die ursprüngliche Insel (heute Ried genannt) wie auch das Umland in Hochwassergefahr und bot wenig Expansionsmöglichkeiten, weshalb sich zunächst der Mangoldfelsen anbot, auf dem eine Burg errichtet wurde. Dort wurde auch ein Kloster errichtet, das eines Splitter vom Kreuz des Jesus bedurfte, um die erforderliche Aufmerksamkeit auf die Ansiedlung zu lenken. 1193 wird der Ort „Werd“ von Heinrich VI. zur Stadt erhoben und um 1214 lässt sich der Deutsche Orden in Werd nieder. Die ältesten urkundlichen Belege registrieren im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts auch Juden an dem kleinen Ort, der auf der vorgelagerten Insel Ried, in der Gegend um das Rathaus und um den Mangoldfelsen herum erst spärlich besiedelt war. Der in Speyer geborene Rabbi Jehuda bar Schmuel Kalonymos, zuletzt bis seinem Tod Rabbiner in Regensburg und der Nachwelt am besten als Jehuda ha-Chassid bekannt, hielt sich aber als allseits respektierte Autorität bereits im Frühsommer am Neumond des Tamus 1195 oder 1198 zur Schlichtung eines Rechtsstreits in der קהל וערד auf, was wir durchaus als jenes Werd deuten können, da in dieser Zeit wohl kein anderes als Sitz einer jüdischen Gemeinde in Frage kommt. Wer andere Informationen hat, möge es uns wissen lassen.
Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da wegen der Verwechselbarkeit der Buchstaben ה und ח 4955oder 4958 in Frage kommen, zumal in beiden Jahren der Neumond auf das Ende des Schabbats fiel und der Abschnitt Korach gelesen wurde, weshalb die zusätzlichen Angaben in beiden Fällen zutreffen. Beim fraglichen Neumondstag Tamus handelt es sich also um Sonntag den 18. Juni 1195 oder um Sonntag den 14. Juni 1198, wobei der Rabbi gewiss wegen des Schabbats vorher angereist sein und sich wahrscheinlich sozusagen übers Wochenende dort aufgehalten haben dürfte. Aber angesichts der ansonsten stillen Ortsgeschichte fällt die kleine Datierungsunsicherheit auch nicht weiter ins Gewicht, interessanter ist schon die Frage, wo er sich aufhielt und wo die Gemeinde (קהל) ihren Sitz hatte. Erst in späterer Zeit ist ein einzelnes Haus in Nähe des Rathauses als Sitz der Juden genannt, freilich mit sogleich 16 Wohnungen. Der früheste Nachweis eines Rathauses geht auf das Jahr 1236 zurück und war noch ohne das später zum Ausbau genutzte Steinmaterial von der aufgelassenen Burg. Das schließt nicht aus, dass schon damals Juden neben dem dann eben erst später entstehenden Rathaus wohnten, ist aber bloßes Raten, zumal es erste noch reichlich ungenaue Stadtpläne erst ca.300 Jahre später gibt. Möglich ist auch, dass schon in der Stauferzeit Juden in der „Judengasse“ oder am „Judenberg“ wohnten, auch wenn die Namen erst später genannt werden.
Im Jahre 1256 ließ der Wittelsbacher Herzog Ludwig von Bayern auf der Burg seiner Frau Maria von Brabant aus Eifersucht den Kopf abschlagen, da ein Bote zwei Briefe verwechselt haben soll. Der christliche Lehrer und Verlagsunternehmer Ludwig Auer (1839-1914) widmete dem Drama ein „fünfaktiges Trauerspiel“, das immer noch in unmittelbarer Nähe des Geschehens in der Freilichtbühne am Mangoldfelsen aufgeführt wird. Bereits im Jahre 1266 wird die Burg verpfändet, was in späterer Zeit wiederholte male das Schicksal von Werth an der Donau sein sollte. Die Burg Mangoldstein wurde bereits im Jahre 1301 durch den Habsburger König Albrecht I. (1255-1308) zerstört, freilich brachte ihm das kein Glück ein, wurde er selbst 1308 von seinem Neffen Johann von Schwaben getötet, als dieser ihm mit einer Axt den Kopf spaltete. Zur selben Zeit wurden Steine von der Burg für den Ausbau den Rathauses der nunmehr Freien Reichsstadt abgetragen.
Am Abend des 23. August des Jahres 1298 zählen Joseph von Werde und Mosman sin sun zu den 15 namentlich genannten Vertretern der Augsburger Judengemeinde, die sich gegenüber der Stadt Augsburg dazu verpflichten, einen ca. 400 Meter langen Abschnitt der Stadtmauer vom (Augsburger) Kloster Heilig Kreuz bis zum jüdischen Friedhof (Judenkirchhof) an der Blauen Kappe (heutige Bezeichnung beim Curt Frenzel Stadion) nach Maßgabe der Stadtpfleger Hartman dem Langemantel und Konrad dem Langen binnen vier Jahren zu bauen. Es handelte sich ohne Zweifel um ein bauliches Großprojekt, da die Mauer ca. sieben Meter hoch und ca. einen Meter breit war, was einem Volumen von ca. 2800 m³ entspricht. Der Name Klinkermauer (nachdem auch das Klinker Tor benannt wurde), lässt darauf schließen, dass sie nach dem damals noch neuen Verfahren als Hartbrandziegel hergestellt wurden, ebenso wie auf eine parallele innerstädtische Maueranlange (Wehrgang), deren Fundamente 2008 beim ehemaligen Klinkertor freigelegt waren und nachvollzogen werden konnten. Wie nun auch immer, waren Josef und Mosman, Vater und Sohn aus Werd (Donauwörth) stammende Juden als führende Mitglieder der Augsburger Gemeinde am Bau dieses Werkes aktiv beteiligt. Bis 1438 sind die Brüder Josef und Chaim (Heye) noch als sechste Generation von Josefs und Mosmans (Moses) Nachkommen aus Werd in Augsburgs Steuerlisten verzeichnet.
Die räumliche Nähe der Judengasse an der Stadtmauer zum direkt außerhalb befindlichen Kaibach legt nahe, dass sich hier auch die Mikwe der Gemeinde befunden hat. Der Verlauf der Straße kann aufgrund älterer, aus jüdischer Sicht freilich weit späterer Zeit, in etwa nachvollzogen werden. Bauliche Substanz aus dieser frühen Zeit ist freilich nicht mehr vorhanden und Ausgrabungen wie sie aktuell im Zusammenhang mit einem Neubau in unmittelbarer Nähe zum Mangoldfelsen gerade stattfinden sind im Bereich der Judengasse wohl auch nicht zu erwarten, da hier trotz der Umbenennung der Straßen in Ölgasse und Ölberg auch nicht mit entsprechenden solchen Funden zu rechnen ist. Im Jahre 1495 ist der Sitz der Gemeinde hier verbürgt, angeblich im Sinne eines „Ghettos“ und ohne Kenntnis darüber, wo sich die Synagoge oder andere Einrichtungen der Gemeinde befunden haben mögen. Bald darauf bis zur Ausweisung im Jahre 1518 gab es einen eigenen Friedhof der Juden von Werd, dessen Lage unbekannt ist, der sich aber wegen der räumlichen Verhältnisse wohl außerhalb der Stadt, vielleicht in einem der abgesteckten Felder befand, die östlich der Stadtmauer im Burgfriedensplan von 1544 zu sehen sind, ein Bereich der auch heute noch entlang der „Promenade“ kaum besiedelt ist.
Schwäbischwerd wurde bereits von Kaiser Ludwig dem Bayern und in der Folgezeit auch von dessen Nachfolger Karl IV verpfändet, obwohl dieser zuvor ausdrücklich vertraglich zusicherte, dies nicht zu tun. Bereits 1607 endete die Geschichte von Werd oder Schwäbisch Werd als Freie Reichsstadt und der Ortname lautete nunmehr Thonauwörth. Historisch bedeutsam ist die Schlacht am Schellenberg bei Donauwörth im Juli 1704, als John Churchill der Duke of Marlborough, ein Vorfahr von Winston Churchill über die Bayern siegte und die Stadt arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. In der Folge blieb Donauwörth jedoch eine allenfalls regional bedeutsame Kleinstadt, die erst durch die Gebietsreform in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Eingemeindungen seine heutige Größe erreichte und aktuell etwa 18.000 Einwohner hat.
An die jüdische Stadtgeschichte erinnert heute – fast 500 Jahre nach der Auflösung der letzten bekannten jüdischen Gemeinde – in Donauwörth gar nichts. Freilich könnte eine 1979 in der zweiten Auflage des bereits 1958 verfassten ersten Bands von Maria Zelzers „Geschichte der Stadt Donauwörth“ abgebildete „Eiserne Tür von der Mangoldburg“ einen Bezug zur hochmittelalterlichen Judengemeinde in Donauwörth haben. In der Bildbeschreibung am Ende des Bandes heißt es: „Eiserne Tür, die vermutlich die Schatzkammer im Rathaus verschloss. Der Tradition nach vom Mangoldstein, heute im Donauwörther Heimatmuseum“. Ob sich die Eisentür heute noch dort befindet, konnten wir bei unserem Kurzbesuch in Donauwörth nicht aufklären, da das Museum am späten Nachmittag geschlossen war und auch das zunächst anvisierte „Haus der Stadtgeschichte“ gemäß der Internetpräsenz der Stadt Donauwörth „nur auf Anfrage geöffnet“ hat. Die Eisentür jedenfalls ist mit verschiedenen Beschlägen kunstvoll gestaltet und zeigt im oberen von zwei Querverstrebungen gebildeten Vierteln unzweifelhaft eine Menora, also einen ursprünglich jüdischen und typischen Leuchter, wie man ihn in verschiedenen Varianten in aller Welt kennt. Vom mittleren Schaft zweigen übereinandergesetzt drei runde, jeweils zwei Arme bildende Bögen ab, während der Schaft selbst in zwei Bögen endet. An der Spitze jeder der acht Bogenenden befindet sich ein Abschluss der relativ deutlich die Funktion als Kerzenhalter bestätigt. Es deutet deshalb daraufhin, dass die Illustration keine gewöhnliche Menora als siebenarmigen Leuchter, sondern die besondere Form des achtarmigen Leuchters darstellt, wie er für das jüdische Weihefest Chanucka erforderlich ist.
(Abbildung aus Maria Zelzer – Geschichte der Stadt Donauwoerth – Erster Band Von den Anfängen bis 1618, S. 196 b, im Anhang ist der Hinweis “Foto: K. Rothlauf”)
Die gesamt Darstellung ist recht eigentümlich, erinnert ihre Machart, insbesondere was auch den Fuß des Leuchters und die weiteren Darstellungen auf der Türe anbetrifft doch sehr deutlich an klassische Darstellungen jüdischer Leuchter und Thoraschreine aus der Antike, insbesondere aus Israel, aber auch an zahlreiche entsprechende Darstellungen in römischen Katakomben des zweiten, dritten oder vierten Jahrhunderts. Die örtliche Tradition, wie den Angaben von Zelzers Buch zu entnehmen ist, schreibt die Herkunft des Tores der bereits 1308 abgetragenen Burg am Mangoldfelsen zu. Freilich ist es fraglich, warum die Burgherren der Mangold ein explizit jüdisches Symbol für eine Eisentüre hergestellt und/oder verwendet haben sollten. Wie auch immer blieb die Türe wohl erhalten, weil sie im späteren Rathaus der Stadt Verwendung fand. Von dort nun aber muss sie in irgendeiner Weise in das Museum gekommen sein, um dort 1979 fotografiert zu werden. Maria Zelzer (1921-1999) zog 1961 nach Stuttgart, wo sie sich interessanter Weise mit der jüdischen Ortsgeschichte befasste, aber „wegen ihrer Recherche zum jüdischen Gedenkbuch immer stärker angefeindet wurde“ und in späteren Jahren sogar von Amts wegen für schizophren erklärt und unter Vormundschaft gestellt wurde. Die Bezugnahmen auf die Juden in Donauwörth im Jahre 1958 freilich waren noch recht dürftig. Beispielsweise wird erwähnt, dass die Juden sich nach 1495 trotz der strengen Ratserlässe „ganz wohl gefühlt haben“ und sich in Donauwörth vermehrten und sie „aufeinander steckten wie Fledermäuse“. (Zelner, Bnd. 1, S. 161) Doch trotz der Abbildung der Menora-Türe im Buch blieb die naheliegende Deutung und Erklärung aus.
Dies zu gewährleisten ist heute freilich nicht einfacher. Zunächst fehlen der Geschichtsschreibung Belege für die Lokalisierung der Synagoge in Donauwörth. Die Legende schreibt das Tor der Burg zu, wohl mangels einer anderer Erklärung, wobei aber unklar bleibt, warum eine unzweifelhaft erkennbare Menora (Chanuckia) keinen Gedanken auf Juden aufkommen ließ, gerade auch bei der Archivarin der Stadt, die sich bald darauf mit der Geschichte der Juden in Stuttgart befasste – und bereit war, sich dafür offen anfeinden zu lassen. Die Art der Darstellung erinnert sehr an antike Vorbilder, was ohne weiteres nicht zu erklären ist, solange vergleichbare Darstellungen aus der mittelalterlichen Zeit fehlen. Trotz der antiken Darstellungsweise ist eine solch frühere Herkunft wenig wahrscheinlich. Sollte die Türe Bestandteile aus Holz haben, wären diese vielleicht datierbar. Die Möglichkeit, dass die Eisentüre eine womöglich alte Türe aus einer ehemaligen Synagoge der Juden in Donauwörth sein könnte, ist wohl nicht auszuschließen, außer man kann die eindeutige Abbildung als bloß „zufälliges“ Ornament abtun. Die Argumentationskette diesbezüglich freilich dürfte dann ggf. recht interessant werden, da es in der mittelalterlichen Stadt ohne Zweifel eine jüdische Gemeinde gab und eine fast identische, auf das Jahr 1420 datierte Eisentüre sich im österreichischen Mödling bei Wien befindet, wo sie als Synagogentüre identifiziert wurde:
http://www.david.juden.at/2008/77/8_paulus.htm
(Illustration by Chana Tausendfels)
(Kurzbiographie von Maria Zelzer: http://historischer-verein-donauwoerth.de/images/pdf/ZELZER-BIOGRAPHIE.pdf / )
The history of the Jews in Donauwoerth (in medieval times Werd or Sabian Werd on the Danube) usually is easily answered. The first records are from the times of the Hohenstaufer dynasty and since 1518 there is no Jewish community in the town. In the meantime there was a house with 16 flats near the townhall were the Jews lived in and in their last years they were forced to leave the spacious house and to move into an own quarter of the town consisting of two alleys – the “Judengasse” and the “Judenberg”. What apparently appears as substantial betterment local historians however have portrayed in terms of “force” or “ghetto”. Of course there are some taxpayer records and other deeds. However it is not even known where the synagogue or mikveh was or if there were any, but in their last decade there was an own Jewish cemetery and nobody knows where. So there are no traces left and basically that’s it.
On the other hand there is an old iron gate photographed in 1979 and displayed at the museum of local history with a eight-branched menorah on it as we use it until today for the festival of Chanucka, but no one ever considered it as a Jewish symbol. An almost identical iron door at the small town Moedling near Vienna however with seven branches is dated 1420 and identified as door of the medieval synagogue. See link above