Zum 199. Geburtstag des Architekten Georg Gollwitzer

November 24, 2009

 Wenn in Augsburg von Architektur die Rede ist, haben fast alle den Namen Elias Holl (1573-1646) parat, der als Sohn von Hans Holl (1512-1594) und Stadtbaumeister mit dem Rathaus, dem Zeughaus und einigen Stadttoren das Erscheinungsbild der Stadt geprägt hat. Doch es gibt zahlreiche andere Architekten jüngeren Datums die das Erscheinungsbild der Stadt nicht minder geprägt haben, einer breiteren Öffentlichkeit aber zumindest namentlich nicht geläufig sind. Beispielsweise Stadtbauräte wie Franz Josef Kollmann (1800-1894), dessen in neogotischer Linie errichtetes Hauptwerk als ehemaliges Hauptkrankenhaus vielen Augsburgern zumindest noch bekannt ist oder Ludwig Leybold (1833-1891), Stadtbaurat ab 1866, dessen zahlreiche Privatbauten im Bereich zwischen Hauptbahnhof und Altstadt ein ganzes Stadtviertel prägten. Ganz eigentümliche Farbtupfer verdankt die Stadt jedoch den Architekten Georg Gollwitzer 1810-1890 und seinem kreativen Sohn Karl Albert Gollwitzer 1839-1917, die weltmännisches Flair und Denken an den Lech brachten.

Augsburgs erster Bahnhof

Das erste Bauwerk des aus dem oberpfälzischen Altenhammer stammenden Georg Gollwitzer in Augsburg ist der bis 1840 errichtete alte Bahnhof der Stadt unweit der Freilichtbühne, der heute als verstecktes Straßenbahndepot ein eher unscheinbares Dasein führt. Das freilich ist neben der aktuellen Nutzung, unberechtigt, gilt das Bauwerk doch als das älteste noch existierende Bahnhofsgebäude der Welt und Endpunkt der ersten Überlandbahn in Bayern. Die von München nach Augsburg ab 1838 in vier Abschnitten wurde von der im Jahr zuvor gegründeten München-Augsburger Eisenbahn-Gesellschaft errichtet, zu deren Aktionären auch die Augsburger Bankiers der Obermayer gehörten. 1841 war Gollwitzer am Umbau des Alten Stadttheaters am Lauterlech beteiligt, dessen Anfänge in das Jahr 1665 zurückreichen. Weitere Werke Gollwitzers in Augsburg waren die Lotzbecksche Tabakfabrik, auf dessen Areal sich nach einigen Umbauten seit 1930 der Augsburger Stadtmarkt befindet, während im Frontgebäude zur Fuggerstraße hin das Augsburger Stadtarchiv beheimatet ist. Um 1850 entstand die Kammgarnspinnerei, das Stadtbachquartier um 1861. 1864 übergab Gollwitzer die Geschäfte der Firma seinem am 17.12.1839 geborenen Sohn Karl Albert Gollwitzer. Bekannt geworden sind in Augsburg zahlreiche Häuserensembles mit Risaliten und minarettartigen Türmen im maurisch-orientalischen Stil, der sich um die Wende zum 20. Jahrhundert allergrößter Beliebtheit erfreut während man heute darüber streitet ob ein Minarett ins Stadtbild passend könnte. Nur wenige dieser Häuser sind in der Volkhartstr. Unweit des Stadttheaters erhalten geblieben. In Vergessenheit geraten hingegen ist Gollwitzers Kurhotel Waldkuralpe Nervenheil ( http://www.nervenheil.de/ ), während sein nie realisierter Plan Augsburg am Oblatter Wall einen Industriehafen zu bauen, der über Kanäle Anschluss an Main und Donau erhalten sollte, ein kühne Gedankenspiel bleib.

Der Geburtstag des Vaters Georg Gollwitzers jährt sich am 26. November zum 199. Mal und vielleicht ist dies anderen ein Anreiz des 200. Geburtstag im Jahre 2010 ausführlicher zu gedenken.

group of houses by Karl Albert Gollwitzer in Augsburg Volkhardtstr.

Usually architecture in Augsburg is associated with Elias Holl (1573-1646) the Stadtbaumeister who was architect of Augsburg’s most distinctive landmarks, the city hall and Perlach tower. But there are some other architects who shaped the appearance of the City. Among them are father and son Gollwitzer. George Gollwitzer whose 199th birthday we want to commemorate, is the architect of the oldest surviving train station building in the world, while a former tobacco factory in the heart of the city now is the setting for the city market and the cities archive as well. His son Karl Georg however left some remarkable buildings in Moorish style with minarets – towers which were very popular at the turn of the 20th century while today little minds argue whether a single tower may fit into the view of the city or urban image. Unfortunately only few of these ensembles survived in Augsburg. Gollwitzer spa and health resort “Nervenheil” however did not, while his bold plan to build an industrial harbor next to the old city never was realized.


Der alte Jüdische Friedhof an der Thalkirchner Straße in München Sendling

June 30, 2009

"Betreten auf eigene Gefahr !"

"Betreten auf eigene Gefahr !"

Grabreihe am alten Münchner Friedhof
Grabreihe am alten Münchner Friedhof
Kohen Emblem des Harry Kohenstamm 1841 - 1886
Kohen Emblem des Harry Kohenstamm 1841 – 1886

 

Bis zur formellen Gründung einer jüdischen Gemeinde in München 1815 begruben Münchner Juden ihre Toten am Friedhof Kriegshaber-Pfersee, darunter die ersten Führer und Rabbiner der zunächst noch inoffiziellen Gemeinde in der Residenzstadt, wie Schimon Wolf Wertheimer, ältester Sohn des berühmten Rabbiners und kaiserlichen Hoffaktors in Wien, Schimschon Wertheimer oder Abraham Uhlfelder, dessen Nachkommen in München das Kaufhaus Uhlfelder am Oberanger gründeten und zuletzt der Gelehrte Rabbi Loeb Gumperts im September 1815.

 

1816 eröffnete der Friedhof an der Thalkirchner Straße 240 im Münchner Stadtteil Sendling (U3 Brudermühlstr.), da jedoch mit München auch die jüdische Gemeinde der Stadt rasch anwuchs, wurde der Grabplatz 1854, 1871 und zuletzt schließlich 1881 erweitert. Im Jahr darauf wurde das alte Tahara-Haus abgerissen und durch ein großes neues am Südende ersetzt. Ein Vierteljahrhundert danach, als es keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr gab, bekam die Münchner Gemeinde im Stadtteil Freimann einen neuen Friedhof. Der nunmehr alte Friedhof wurde seitdem eher nur noch sporadisch genutzt. Das letzte Begräbnis fand jedoch fand erst im Jahr 2003 statt.

 

Die Gräber sollten sicher nach Jerusalem ausgerichtet werden, was den Planern aber offenkundig misslang, weshalb sie stattdessen eher nach Rom, genauer gesagt Richtung  Venedig, Sizilien und Malta zeigen – aber dieses Orientierungsproblem ist leider typisch für zahlreiche jüdische Gemeinden in dieser, aber auch folgender Epochen. Der Grundriss des Friedhofs entspricht etwa einem unregelmäßigem Pentagon. Entlang der namensgebenden Thalkirchner Straße, an der sich auch das große Haupteingangstor befindet, misst der Friedhof 180 m. Nördlich schließt sich im rechten Winkel an der Blyerstraße eine etwa 70 m lange Mauer an. Die folgenden Mauerstücke sind jeweils 130 m, 100 und 80 m lang, woraus sich eine Gesamtlänge der gut erhaltenen Mauer von ca. 560 m ergibt. Die Fläche beträgt damit etwa 2.5 ha. Der Friedhof selbst nun ist in insgesamt 35 wiederum unregelmäßige, nicht ganz logisch gegliederte Sektoren eingeteilt, die vor Ort durch kleine nummerierte Ecksteine gekennzeichnet sind. Der Sektor 11 in der Mitte des Friedhofs ist der älteste Teil um den herum im Laufe der Zeit erweitert wurde. Der daran nördlich angrenzende Bereich der früheren Tahara ist freigeblieben.

 

Monumentales Grabmal von Max und Therese Heilbronner im maurischen Stil

Monumentales Grabmal von Max und Therese Heilbronner im maurischen Stil

 

Der Friedhof verfügt über ca. 5300 Gräber, von denen viele ältere aus dem früheren 19. Jahrhundert nicht gut erhalten sind. Der stellenweise dichte Baumbewuchs jedoch geht nur in seltenen Fällen auf Kosten der vorhandenen Grabsteine, was mancherorts leider ganz anders ist. Dies spricht für eine kontinuierlich gute Pflege des Areals, für die die seit 1917 ansässige Familie der selbst schon seit 1965 vor Ort tätigen Friedhofswärterin Johanna Angermeier verantwortlich zeigt. Sie hütet auch ein 1882 in grober alphabetischer Ordnung erstelltes Grabbuch, das auf einem älteren, inzwischen verschollenen Friedhofsbuch basiert. Freilich stimmen die Angaben des Buches stichprobenweise nicht immer mit den Angaben auf den erhaltenen Grabsteinen überein, während ausschließlich in hebräischer Sprache notierte Steine dem Anschein mitunter nach ganz fehlen. Trotzdem bietet das Buch mittels Angabe einzelner Sektoren, Reihen und Grabnummern eine gute Orientierungshilfe für das Auffinden einzelner Grabplätze. Da eine Dokumentation des Friedhofs offenbar fehlt, wäre es freilich wünschenswert, dass die Angaben des Buches allgemein zugänglich wären, etwa im Internet, um Angehörigen und Genealogen die Forschung zu erleichtern.  Freilich stehen nicht alle Grabsteine heute auf ihrem ursprünglichen Platz und eine Reihe von Steinen fehlen ganz, da sie in der Nazi-Zeit geraubt wurden, so man sich nicht damit begnügte die in den 1940ern als „kriegswichtig“ erachteten metallenen Buchstaben zu entfernen und einzuschmelzen. Aber auch dies ist keine Münchner Besonderheit. Dann schon eher ein auf dem Kopf stehend wiedererrichtete Stein des Israel Neustetter.

grave marker upside down

grave marker upside down

Die ältesten erhalten Grabsteine weisen noch eine bis dato als schicklich erachtete Schlichtheit auf, die bald ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Stil der Neugotik und des Second Empire übergehen, ehe diese sich zur Jahrhundertwende in teilweise protzig wirkenden, gelegentlich aber durchaus kunstvoll (etwa im maurischen oder Jugendstil) wirkenden Monumenten verliert, die bekanntlich charakteristisch für im Großbürgertum aufgegangene liberale jüdische Gemeinden waren. 

 

Neben zahlreichen Angehörigen der Familien Strauß, Hirsch auf Gereuth, Aufhäuser, Einstein, Schülein, Obermayer, Feuchtwanger, Westheimer und Wertheimer finden sich auch Grabmale von Rabbinern wie Hirsch Aub (1795 – 1875) oder Dr. Josef Perles (Peretz ben Baruch Ascher) 1835 – 1894), der von 1871 bis zu seinem Tod Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde in München und Autor zahlreicher profunder Artikel zur Geschichte und Religion des Judentums war – beispielsweise über „Das Memorbuch von Pfersee“ (1873). Der prominenteste Name am Friedhof an der Thalkirchner Straße dürfte wohl der des Karl Marx sein, jedoch handelt es sich hier nur um eine zufällige Namensgleichheit.

 

grave marker of Rabbi Dr. Josef Perles s.A.

grave marker of Rabbi Dr. Josef Perles s.A.

Da die Münchner wie auch die noch viel später gegründete Augsburger jüdische Gemeinde in nicht unwesentlichen Teilen aus Mitgliedern der schwäbisch-burgauischen Gemeinden von Pfersee, Steppach und Kriegshaber rekrutiert wurden, finden sich selbstverständlich zahlreiche Belege familiärer Bezüge.  Neben den bekannten Namen wäre dies z.B. Mathilde Skutsch (1866 – 1929), die mit ihrem Gatten Julius Ulrich (1854 – 1927), seineszeichens Senatspräsident bestattet wurde. Die Hinterbliebenen des im Juni 1846 im Alter von 85 Jahren verstorbenen und im Sektor 15 begrabenen Isaak („Eisik“) Welsch etwa betonten noch stolz die Herkunft des Verstorbenen aus Steppach.

crumbling inscription

crumbling inscription

Haupttor des alten Münchner Friedhofs

Haupttor des alten Münchner Friedhofs