Gedenktage Augsburger Juden: 11. bis 13. März

March 10, 2023

am 11. März:

1701 Tod von Mayer Mendle, 78 Jahre alt aus Kriegshaber;

1811 Geburt von Moses Bauer, gest. 1894;

1841 Geburt von Thea Dann, n. Stein, gest. 1900;

1843 Geburt von Helene Weimann, gest. 1877;

1847 Geburt von Ludwig Bauer, gest. 1915;

1849 Geburt von Bertha Gunz, n. Dick, gest. 1925;

1885 Geburt von Sara Mayer, geb. Gutmann, gest. 1918;

1901 Geburt von Alfons Moos, gest. 1925;

Alfons Moos wurde 1901 in München geboren. Er war Buchhalter von Beruf und arbeitete für das renommierte Augsburger Kaufhaus Landauer. Er wohnte in der Eliesenstraße 10 (direkt am Wittelsbacher Park) mit seiner Schwester Josefine, die ebenfalls Bankbuchhalterin bei Landauer war. Alfons war unverheiratet und kinderlos und starb im Sommer 1925 im Alter von nur 24 Jahren. Die Todesursache ist uns unbekannt. Alfons wurde am Friedhof in Hochfeld begraben. Im Jahr darauf verliert sich auch die Spur von Josefine.

1895 Tod von Leopold Kohn, geb. 1828;

1924 Tod von Michael Ullmann, geb. 1855;

1925 Tod von Babette Dampf, n. Oberdorfer, geb. 1865;

1943 Tod von Johann Ullmann, geb. 1884;

 

am 12. März:

1654 Tod von Elischewa Ulmo aus Pfersee, Frau von Rabbi Kalman Ulmo;

1803 Geburt von Arnold Schwarz, gest. 1880;

1806 Geburt von David Bauer, gest. 1876;

1837 Tod von Mina Ulmo, 66 Jahre alt, aus Pfersee, Frau des Gemeindevorsitzenden Ber Ulmo;

1865 Geburt von Emma Jacobson, n. Rosenau, gest. 1935;

1865 Geburt von Heinrich Rosenfelder, gest. 1918;

1892 Geburt von Arthur Stein, 1918 für Deutschland im Weltkrieg an der Front gefallen;

1927 Tod von Hermann Einstoss, geb. 1901;

1937 Tod von Fanny Hummel, n. Reiter, geb. 1868;

 

am 13. März:

1842 Geburt von Anna Frank, n. Farnbacher, gest. 1917;

1852 Geburt von Jeanette Wassermann, n. Moos, gest. 1925;

1857 Geburt von Mathilde Lehrberger, n. Binswanger, gest. 1913;

1860 Geburt von Sophie Bach, n. Horkheimer, gest. 1936;

1868 Geburt von Therese Aufhäuser, gest. 1881 im alter von 13 Jahren;

1869 Tod von Heinrich Veit Bachmann, geb. 1841;

1869 Tod von Benjamin Heumann, geb. 1842;

1885 Tod von Jonas Levinger;

1892 Geburt von Lilli Schloss, n. Sander, 1945 in Auschwitz umgekommen;

1922 Tod von Ida Gutmann, geb. Schülein, geb. 1854;

1933 Tod von Samuel Steinfeld, geb. 1863;


Gedenktage Augsburger Juden: 1. bis 4. März

February 28, 2023

am 1. März:

1730 Tod von Isaak Berger, 54 Jahre, aus Steppach;

1804 Tod von Jehuda Ulmo, 54 Jahre alt aus Steppach;

1815 Tod von Lene Schimmel, Steppach, Kind, 3 Jahre alt;

1819 Tod von Jette Auerbacher, 54 Jahre, Schneiderin in Kriegshaber;

1828 Tod von Akiwa Auerbacher, 38 Jahre, Kriegshaber;

1834 Geburt von Julius Fuchs, gest. 1895;

1839 Tod von Leopold Katz, 56 Jahre alt, aus Lich in Hessen;

1851 Tod von David Feist aus Pfersee, 17 Jahre, wurde erstochen;

1862 Tod von Peppi Günzburger, Pfersee, 49 Jahre;

1866 Tod von Klara Götz aus Altenstadt;

1882 Geburt von Fanny Riegler, geb. Kahn, gest. 1933;

1886 Tod von Emilie Götz, n. Gunz, geb. 1813;

1889 Tod von Jette Bauer, n. Lammfromm, geb. 1825;

1928 Tod von Dr. med. Adolf Veith, geb. 1877;

1938 Tod von Ludwig Mendle, 59 Jahre; aus Kriegshaber;

*

am 2. März:

1875 Geburt von Eugen Oberdorfer, Schirmfabrikant, 1943 im KZ ermordet;

1909 Tod von Elias Horn;

1891 Tod von Louis Neuburger, Kind;

1933 Tod von Malwine Cohen, n. Horn, geb. 1869;

1944 Tod von Benno Arnold im KZ Theresienstadt, geb. 1876 in Augsburg;

1965 Tod von Pinkus Rapoport, geb. 1925;

*

“Stolperstein” in Augsburg

*

am 3. März:

1734 Tod von Fradel Löb aus Pfersee;

1770 Tod von Zirle Skutsch, aus Pfersee;

1801 Tod von Mayer Löwenstein, 45 Jahre aus Hohenems;

1812 Tod von Fradl Oppenheimer, 84 Jahre aus Kriegshaber;

1816 Tod von Lea Erlanger, 4jähriges Kind aus Steppach;

1819 Geburt von Bernhard Blumgart, gest. 1900;

1842 Tod von Samuel Heilbronner, 48 Jahre, aus Grünsfeld/Tauber, Vorsänger in Steppach;

1854 Geburt von Hermann Gunz, gest. 1922;

1870 Tod von Regina Heymann aus Steinhart;

1873 Tod von Anna Gutmann, Kind;

1884 Geburt von Emma Oberdorfer, n. Binswanger, gest. 1943 im KZ;

1888 Tod von Salomon Heymann, geb. 1818;

1893 Tod von Fanny Neumayer, n. Waitzfelder, geb. 1835;

1894 Tod von Clärchen Reckendorf, n. Kohn, geb. 1854;

1898 Tod von Raphael Landauer, geb. 1808;

1924 Tod von Max Dick, geb. 1854;

1940 Tod von Hannchen Deller, n. Schwarz, geb. 1864;

*

am 4. März:

1846 Tod von Simon Löwenthal;

1850 Geburt von David Gutmann, gest. 1923;

1878 Tod von Emilie Lauinger, n. Binswanger, geb. 1826;

1932 Tod von Jenny Hirschmann, n. Bamberger, geb. 1865;


Gedenktage Augsburger Juden: 9. bis 11. Februar

February 9, 2023

am 9. Februar:

1695 Tod von Menachen Mendel, aus Pfersee;

1778 Tod von Juda Löb Pfersee, 77 Jahre alt, aus Altona;

1792 Tod von Baruch Ulmo, aus Kriegshaber, 50 Jahre alt;

1799 Tod von Isaak Jakob Lemberger, 67 Jahre alt, aus Kriegshaber;

1819 Tod von Leo Juda Schwabacher aus Fellheim;

1910 Tod von … Name und Alter unbekannt, bestattet am Hochfeld-friedhof in Grab 485 / N 27.3;

1914 Tod von Edwin Gallinger, geb. 1875;

1921 Tod von Friedericke (Ricke) Goodman, n. Frank;

1927 Tod von Therese Hesselberger, n. Bauer, geb. 1846;

1940 Tod von Marianne Mendle, n. Schwarzmann, geb. 1863;

1919 Tod von Fritz Heymann, geb. 1889;

 

am 10. Februar:

1793 Tod von Leopold Juda Mendle, aus Kriegshaber und München, 79 Jahre;

1839 Geburt von Hirsch Kutz, gest. 1925;

1860 Tod von Ernst Elia Müller, 9 Jahre;

1861 Geburt von Emma Richheimer, gest. 1925;

1866 Tod von Sigi Müller, 9 Jahre, aus Altenstadt;

1882 Tod von Sofie Weil, n. Levinger, geb. 1814;

1887 Tod von Oskar Feist, geb. 1878;

1905 Tod von Kurt Wertheimer, Kind;

1913 Tod von Fanny Heilbronner, n. Levi, geb. 1830;

 

am 11. Februar:

1807 Tod von Henle Efraim Ulmo, Bankier aus Pfersee, Kriegshaber und Augsburg;

Henle Efraim Ulmo (Mauchert 1807)

1825 Geburt von Jette Bauer, n. Lammfromm, gest. 1889;

1827 Geburt Hirsch Pflaunlacher, gest. 1885;

1851 Geburt Josef Oberdorfer, gest. 1910;

1851 Geburt von Berthold Rosenbusch, gest. 1930;

1872 Tod von Moritz Mayer, 46 Jahre alt, aus Ichenhausen;

1898 Tod von Simon Kohn, geb. 1838;

1935 Tod von Therese Binswanger, n. Raff, geb. 1858;

1921 Tod von Jakob Riegler, geb. 1893;


Zur Familiengeschichte jüdischer Viehbauern und Metzger in Kriegshaber

August 28, 2016

Obwohl Dokumente für die Siedlung von Juden in Kriegshaber erst aus der Zeit um 1560 erhalten sind, ist doch davon auszugehen, dass die jüdische Geschichte vor Ort weiter zurückreicht und wahrscheinlich mit der österreichischen Herrschaft in der Markgrafschaft Burgau beginnt. Dafür spricht zum einem die unmittelbare Nähe zu Augsburg, die auch für die damalige Zeit mit Pferden und Wagen keine Welt waren, zum anderen die günstige Verkehrslage auf dem Handelsweg von Augsburg nach Ulm, Frankfurt und Straßburg.

 

Einige der Kriegshaber Juden stammten aus Oberhausen, wo sie nach der Aussiedlung von Augsburg in den frühen 1450er Jahren ausgewichen waren. Unter der vorderösterreichischen Regierung der Habsburger verlagerten sich die Handelswege zunehmend von den Flößern der Wertach auf die Straße, wovon Kriegshaber gegenüber Oberhausen profitierte.

100 Jahre Kriegshaber in Augsburg Logo JHVA

Charakteristisch für die Geschichte Kriegshabers als jüdisches Straßendorf, das die Hauptstraße des Ortes prägte, ist die sehr hohe Anzahl von Viehbauern, Züchtern und Metzgern, mit der es sich von den jüdischen Nachbardörfern Pfersee (Finanzhandel, Chemie) und Steppach (Stoffe) wesentlich unterschied. Zeitweilig war weit mehr als die Hälfte der Kriegshaber mit Viehzucht, Handel oder Metzgerarbeiten beschäftigt. Die führte dazu, dass bald in jedem zweiten Haus ein Metzgerbetrieb war oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten verrichtet wurden. So ist es vielleicht naheliegend, dass 1830 David Skutsch, der Sohn des verstorbenen Kriegshaber Rabbiners und Schwager von dessen Nachfolger in der Ulmer Straße 216 als weltweit erster ein Patent auf die Herstellung von Duftkerzen nebst königlichem Privileg (Alleinvertriebsrecht) erhielt. Den grundlegenden Talg für den umworbenen „Kriegshaber Duft“ gab es vor Ort in Übermaß und billig wie kaum woanders.

Kriegshaber in Bildern - am Straßenrand der Weltgeschichte - 100 Jahre Eingemeindung Augsburg 1916 2016

Da die Metzgereien den Eigenbedarf der Ortschaft, die um 1790 etwa sechshundert Einwohner hatte (davon rund 400 Juden), deutlich überstieg, verwundert es auch nicht, dass die jüdischen Viehbauern vor allem auswärtige Kunden versorgten. Der Erfolg der Kriegshaber Juden war sprichwörtlich und überregional bekannt und stieß freilich nicht nur auf Beifall, sondern auch auf krankhaften Neid. Ein Beleg dafür ist die antijüdische Erzählung des unter dem fiktiven Namen „Veitel Itzig“ veröffentlichte Geschichte eines fränkischen Antisemiten, der Jahrzehnte vor den ominösen „Protokollen der Weisen von Zion“, die Emanzipationsbestrebungen der Juden in den 1830er Jahren als heimliche „Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft“ diffamierte. Der Verschwörer ist ein Metzger und als Ausgangspunkt ist Kriegshaber der Ort der Handlung.

 

Das jüdische Geschichte, wie bereits jeder Bibelleser an Hand zahlreicher Abstammungslisten und Erzählungen in der Bibel weiß, im wesentlichen immer auch vor allem Familiengeschichte ist, lässt sich auch an Hand der Geschichte Kriegshaber nachvollziehen. Anschaulich wird dadurch wie der angestammte Broterwerb sich in den Familienclans fortführte und durch zahlreiche Heiraten neue Impulse integriert wurden.

Kriegshaber jüdische Schule Eingang Ulmer Straße 2013 Umbau

Der bedeutendste Familienzweig unter den Kriegshaber Viehbauern waren ohne Zweifel die Mändle (Mendel), die direkt im Haus neben der Synagoge wohnten, und deren Oberhäupter es zu Hoffaktoren und Ausrüstern von Bischöfen, Herzögen, Königen und Kaisern brachten. Ein besonders herausragendes Beispiel war 1744 die Krönung von Kaiser Karl VI in Frankfurt am Main, für die die Unternehmung Abraham und Josef Mändle von München und Kriegshaber aus den gesamten Fuhrpark nebst Reiterei  besorgte und ausstatte. Eine historische Randnotiz deren logistische Leistung wir heute bestenfalls erahnen können.

 

Mit den Heiraten ging natürlich immer auch ein Wissenstransfer einher. Als im Frühjahr 1699 die Tochter des Vorsitzenden der Pferseer den Sohn des Prager Rabbiners heiratete, erkundigte sie sich bei ihr Kriegshaber Tante Riwke, der Frau des Kriegshaber Metzgerprüfers Meir Ulmo, nach heimischen Kochrezepten und erhielt in einem handschriftlichen Brief eine Sammlung schwäbisch-jüdischer Kochrezepte mit „Wertach-Forchelfisch“ (Forellen), „Erdpirn“ (Kartoffeln), „Leinel“ (Leinöl), gefüllte Mangoldblätter und „Kasbraut“ (Käsekuchen).

 

Wie die Mayer stammten auch die Mändles als Nebenlinien von den Ulmo ab und wurden selbst von den meist aus dem österreichisch-schwäbischen Umland zugezogenen Familien Dick, Einstein, Oberdorfer, Bach und Rothschild aufgefrischt, während  sich die Mayers in Kriegshaber weiter in die Zweige Mayer, Untermayer und Obermayer aufspalteten, die ebenfalls als metzger und Viehzüchter tätig waren, teilweise ein eigenen Betrieben, während andere auf der Basis von Fetten chemische Stoffe herstellten.

 

Besondere Bedeutung für die frühmoderne Geschichte Augsburgs erlangten dabei der Ulmo-Mayer-Nebenzweig Obermayer. Jakob Obermayer und seine Geschäftspartner Feitel Kaula, Westheimer und Efraim Ulmo statteten 1803 die bankrotte Reichsstadt mit einer halbe Million Gulden aus und retteten sie so zwei Jahre vor der drohenden und letztlich dann unausweichlichen Annexion durch das Herzogtum Bayern, die durch Napoleons Besuch 1805 besiegelt wurde. Obermayer durfte nun in Augsburg als Bürger wohnen und gilt damit als Begründer der modernen Augsburger Gemeinde, die Formel freilich erst von seinem Enkel ins Leben gerufen wurde.  Sein Sohn Isidor Obermayer (1795-1862), der 1821 das heute als Augsburger Standesamt bekannte Palais kaufte war Mitbegründer der Bayerischen Staatsbank, wie auch der Hypovereinsbank und besorgte als Eisenbahnpionier aus England auf eigenes Risiko Schienen und Lokomotiven für die erste bayerische Überlandbahn von Augsburg nach München. Sein ebenfalls noch in Kriegshaber geborener Sohn Carl von Obermayer (1811-1889) hatte wenig für Geschäfte übrig, vertrat aber im väterlichen Haus als Konsul die Vereinigten Staaten von Amerika in Augsburg. Dem Augsburger Naturkundemuseum schenkte er bedeutende ethnologische Sammlungen die bei seinen Reisen im Wilden Westen Amerikas erworben hatte, lange vor Buffalo Bill und Karl May. Schließlich wurde er auch Vorsitzender der vom Bayerischen König offiziell anerkannten israelitischen Kultusgemeinde von Augsburg unter dessen Führung diese auch einen eigenen Friedhof und eine neue Synagoge (Wintergasse) bekam.

Bis in die 1930er Jahre blieben in Kriegshaber zuletzt noch die Gebrüder Einstein als Metzger und Viehzüchter präsent. Als Nebenlinie der Mändle hatten sie eine Reihe der früheren anderen betriebe aufgekauft, ererbt und übernommen. Freilich nahm mit der modernen Industrialisierung in großen Massenschlachthöfen den Kriegshaber Juden das zuvor auf Vertrauen und Qualität beruhende Geschäft ohnehin weitgehend aus der Hand. Schließlich wurde im bereits Mai 1933 in Deutschland durch die Nazi-Regierung auch noch das Schächten verboten. Die Einsteins stammten aus Buchau, wie auch die Familie des berühmten Albert Einsteins, dessen Vorfahren ebenfalls Metzger und Viehzüchter waren.

 

Ganz verschwunden ist die Erinnerung an die jüdischen Metzgerfamilien von Kriegshaber auch heute nicht, wenngleich die oft zu hörende Frage, ob der bekannte Kriegshaber Metzger Joachim Goldstein denn auch Jude sei. Doch der ehemalige Fußballprofi der Anfang der 1980er Jahre beim FC Augsburg und beim TSV 1860 München in der zweiten Fußballbundesliga spielte, hat freilich nur einen Familiennamen der in den Ohren mancher „jüdisch“ klingt.

 

Artikel von Yehuda Shenef, erschienen in “Kriegshaber in Bildern – Am Straßenrand der Weltgeschichte”, Wissner-Verlag, Augbsurg 2016, S. 63 und 65 (Abbildung oben)


Jüdische Geschichte im Zollhaus Kriegshaber

November 20, 2012

Das Zollhaus in Kriegshaber, das bis 1805 die Grenze zwischen dem Gebiet der Reichsstadt Augsburg zur österreichischen Markgrafschaft markierte wurde 1730 Mosche Jehuda Günzburger (ca. 1670-1734) und seinem Sohn Eleasar Mosche Günzburger (1697-1764) erbaut, nachdem im Jahr zuvor der wesentlich ältere Vorgängerbau eingestürzt war. Diesen hatte Mosches Vater Jehuda Löb Günzburger (1640-1709), ein Nachkomme des Schimon Elieser Ulmo Günzburg(1506-1585) , von dessen Söhnen sich einige als „Ulmo“ im benachbarten Pfersee neiderließen, etwa um 1695 angemietet und dann gekauft. Wie dieses war auch der Neubau der Günzburger eigentlich in erster Linie das private Wohnhaus der Familie Günzburger, andererseits aber auch wenigstens formell „das Zollhaus“, was in der Praxis bedeutete, dass der Vogt zeitweilig eine Stube benutzen durfte, bzw. im Nebengebäude einen kleinen Anbau hatte, gegenüber dem Stadel, der damals zum Anwesen gehörte. Zweifellos war das Zollhaus jedoch niemals ein offizielles Amtsgebäude, sondern Privatbesitz der jüdischen Familie Günzburger. Zeitweilig wurden Teile des Hauses auch von Mitgliedern der verschwägerten Hoffaktorenfamilie der Mendle bewohnt.

Als Architekt des Hauses gilt heute der schwäbische Baumeister Josef Dossenberger (1721-1785), der den Bau aber kaum als neunjähriger ausgeführt haben wird. Denkbar wäre aber, das Dossenbergers Vater gemeint war, der als Maurermeister und Architekt überliefert wird. Wie dem auch sei, kann man voraussetzen, dass die gestalterischen Vorgaben nun aber doch vom Auftraggeber und Finanzier des Baues stammten.

Als im September 1803 die jüdischen Gemeinden in Pfersee, Kriegshaber, Steppach und einem guten Dutzend weiterer Orte in damals noch österreichischen Schwaben überfallen wurde, zählte auch das Haus der Familie Günzburger zu denen, die durchsucht, durchwühlt und im Dachboden aufgebrochen wurden, auf der erfolglosen Suche nach illegalen Druckmaschinen. Da ward das Zoll- zum Tollhaus. Als zwei Jahre später Vorderösterreich von der Landkarte verschwand und viele seiner Gebiete dem mit Napoleon verbündeten Herzogtum Bayern, künftig ein Königreich, geschenkt wurden, bedurfte es keines ohnehin nur theoretischen Zollhauses in Kriegshaber. Juda Mosche Günzburger (1757-1833)  verkaufte das ebenso stattliche wie stabile Haus. Eine Reihe seiner Nachkommen blieben in Kriegshaber wohnen oder siedelten später nach Augsburg, andere – wie sein Sohn Natan – zog es sofort nach München, wo die Verwandten Mendles gut etabliert waren. Zwei der Söhne von Natan Günzburger (1780-1841) wurden wie zahlreiche ihrer Vorfahren am jüdischen Friedhof von Kriegshaber / Pfersee bestattet: Isaak Günzburger (1809-1879) und Israel Günzburger (1805-1883). Mit ihnen endet offenbar die Geschichte der Familie Günzburger in Kriegshaber.

Jüdischer Friedhof Kriegshaber / Pfersee: vorne Grabstein für Israel Günzburger (1805-1883)

Im Gebäude richtete das nunmehr bayerische Kriegshaber 1806 eine kleine Schule ein. Später wurde ein großes Schulgebäude errichtet und ab 1916 wurde im Haus eine Polizeidienststelle eingerichtet. Seit einigen Jahrzehnten sind im ehemaligen Wohnhaus der Günzburger an der Ulmer Straße 182 eine Reihe von Vereinen und Organisationen untergebracht, darunter die örtliche Arbeiterwohlfahrt (Vereinslokal) und ihr „Altenclub“, der Schach Klub Kriegshaber www.skk.de dessen erste Mannschaft in der Oberliga aktiv ist, und viele andere mehr.

The old tollhouse of Kriegshaber, once at the border between Austrian Kriegshaber and the territory of the Imperial City of Augsburg, in 1730 was built by the Jewish Guenzburger family, who two centuries were residents of Kriegshaber. The house actually was their own private home and was not used for toll or custom purposes, beside that in some times a small office cell was granted to the local bailiff. When in the end of 1805 the Austrian Forelands became part of the newly founded Kingdom of Bavaria (a present by Napoleon to his Bavarian allies), there was no more need for an already only formal tollhouse. The Guenzburger family in 1806 sold the house to the local community which established the first local (non-Jewish) school in Kriegshaber. In 1916, when a egular school house was built in the backyard, the house was used as police station. Today it hosts a number of social clubs and organizations as well as the local chess club of Kriegshaber, which actually is the biggest one in Augsburg. However, there is no reference to the Jewish family who built the house and lived there two centuries.

When in September 1803 among others also the Jewish community of Kriegshaber was attacked on Erev Shabbos (Friday evening) before Yom Kippur, also the Guenzburger family was raided by the soldiers who searched for illegal printing machines. So – as a scene of the story – it was a good place to introduce the German translation of the report by Pfersee rabbi Ber Ulmo at the club house’s pub right here to a small but very interested audience.

http://en.wikipedia.org/wiki/Ber_Ulmo

הבית המכס של קריגסהבר באוגסבורג נבנה בשנת 1730 על ידי המשפחה היהודיה גינצבורגער

http://www.amazon.com/gp/product/3944092007/ref=olp_product_details?ie=UTF8&me=&seller=


Das jüdische Kriegshaber

January 17, 2007

Die jüdische Geschichte von Kriegshaber, einem vor knapp 90 Jahren (1916) eingemeindeten Stadtteil im Norden von Augsburg umfasst ein halbes Jahrtausend. Erhaltene Belege datieren die Ansiedlung von Juden entlang der Handelsstraße von Augsburg nach Ulm in die Mitte des 16. Jahrhunderts, wobei die tatsächliche Präsenz freilich in die Zeit der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde zurückreicht, die nach 1450 aufgelöst wurde.

torah-parochet-kriegshaber-1723-made-by-elkana-schatz-naumberg-of-furth-147-x-249-cm-geschenk-derTora parochet from Kriegshaber (1723) at Israel Museum in Jerusalem, Israel

Die jüdische Gemeinde entablierte sich entlang der Hauptstraße des Straßendorfes Kriegshaber, das seinen Wohlstand der Entwicklung der jüdischen Viehbauern, Pferdezüchter und landwirtschaftlichen Produktion verdankte. Bis in das frühe 19. Jahrhundert war die Mehrheit der Bevölkerung jüdisch geprägt, weshalb sich erst in den 1860er Jahren eine christliche Kirchengemeinde bildete.

kriegshaber-gieseckestrehem. jüdisches Haus an der Gieseckestraße

Zu den berühmten Familien vor Ort zählten Nachkommen und Nebenlinien des Ulmo-Günzburg-Clans der Zweige Ullmann, Mendle, Obermayer, Untermayer, Oberdorfer, Günzburger, Dick, Mayer, sowie der mit dem berühmten Physiker (über die gemeinsame Herkunft aus Buchau) verwandten Einsteins, die im wesentlichen Vieh- und Pferdezüchter oder Metzger waren, von denen einige zu fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Hoflieferanten aufstiegen.

synagoge-kriegshaberformer Kriegshaber synagogue at Ulmerstr. (in May 2005)

Die frühere Hauptstraße heißt heute Ulmerstraße und war zwischen Marstaller Hof und dem Zeughaus in früheren Zeiten komplett jüdisch. Heute erinnert daran allenfalls die Seit Jahrzehnten unbenutzte verfallende ehemalige Synagoge und der gleichfalls vernachlässigte, durch üppigen Wildwuchs dem Verfall überlassenen alten Friedhof an der Hooverstr. (früher: Hummelstraße), der zusammen mit den den Gemeinden von Pfersee und Steppach in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges gegründet wurde.

juedischer-friedhof-tafel-kriegshaberWidmungstafel am Kriegshaber Friedhof (Dezember 2004)

Nachdem Kriegshaber wie auch Augsburg nach 1805 bayerisch wurden, zogen viele Kriegshaber Juden nach Augsburg. Anders als die Gemeinden von Steppach, Schlipsheim und Pfersee, die sich in den 1870er Jahren auflösten, konnte sich die Kriegshaber Gemeinde, die bis 1875 den Vorsitz im schwäbischen Distrikt hatte, bis zur Nazi-Zeit als “orthodoxe” Gemeinde behaupten.

In der Nachkriegszeit wurde die Synagoge bis etwa 1951 von amerikanischen Soldaten und KZ-Überlebenden als Gebetshaus benutzt. Auch am Friedhof wurden bis in die frühen 1950er Jahre Überlebende des “Holocausts” bestattet.

Die Zukunft der ehemaligen Synagoge ist derzeit so ungewiss wie die des Friedhofs. Der JHVA will sich in der Zukunft jedoch ausdrücklich für den Erhalt und für die weitere Nutzung beider Einrichtungen einsetzen, im ursprünglichen Sinne, wie sich von selbst versteht.