Zu definieren, was genau eigentlich ein „Rabbiner“ oder „Rabbi“ ist, ist nicht ganz so einfach wie mancher meinen möchte. Zwar ist der Begriff als solcher schnell erklärt – er leitet sich ab vom hebräischen Wort „raw“, was in mancherlei Hinsicht „groß“ heißt und am ehesten dem lateinischen Titel „master“, (früh)deutsch „meister“ / „meinster“ entspricht – doch haben sich die Vorstellungen darüber, was ein „Rabbi“ ist, wer sich oder andere so nennt, im Laufe der Jahrhunderte oft verändert und in vielen Gruppen auch völlig auseiander entwickelt.
Grüßt man auf Hebräisch „schalom raw“ redet man damit weniger einen Rabbiner an, sondern unterstreicht eher den Gruß als „großen“ Gruß, sozusagen. Etwa bis zum 18. oder frühen 19. Jahrhundert ist „Rabbi/ner“ eine Ehrenbezeichnung für einen meist hoch gebildeten Mann, der in der Gemeinde oder darüber hinaus angesehen war und sicherlich auch Aufgaben übernahm, wie Unterricht zu erteilen, wohltätig zu sein, etc. Im heutigen, meist säkularen Kontext hingegen ist „Rabbiner“ eine Berufsbezeichnung, die seit den josefinischen oder nach-napoleonischen Reformen (Emanzipation durch Assimilation) im frühen 19. Jahrhundert in der Regel eine Universitätsstudium und eine staatliche Prüfungen voraussetzt. Als Faustregel kann man nun davon ausgehen, dass der „Rabbiner“ als Angestellter der Gemeinde schon aus beruflichen Gründen zumindest ansatzweise so belesen sein sollte, wie in früheren Zeiten der gewöhnliche Jude im Bethaus. In diesem Sinne entspricht der „Rabbiner“ den die Reformen übrig gelassen haben nicht von ungefähr eher einem christlichen Pfarrer, der den Wein segnet, zu Beerdigungen kommt, Predigen (und zwar auf Deutsch ..!) hält und ggf. auch Schulunterricht gibt, als einem traditionellen Rabbiner, der mit Studenten (aramäisch, hebräisch) den Talmud lernt, als halachischer Richter fungiert oder sich als Beschneider oder Schächter spezialisiert hat, usw. Es ist klar, dass es nach dem christlichen Vorbild natürlich auch nur „einen“ Rabbiner geben kann in der (reformierten) Gemeinde, während im althergebrachten Judentum die gesamte Gemeinde aus Rabbinern bestehen könnte, zumindest aber in der Regel doch eine Anzahl von ihnen vorhanden war/ ist.
Wo nun also in mittelalterlichen Unterlagen von einem „Schulmeister“ die Rede war, meinte dies in der Regel den Leiter einer Schule, der Kinder- (seder), u.U. aber vielleicht auch der Talmudschule (Jeschiwa, Yeshiva), in welcher er eine Anzahl von Schülern unterrichtete. Eine solche „Schul“ war meist unabhängig von der allgemeinen „Synagoge“ (knesset), in welche auch Frauen und Kinder gingen, verfügte aber über einen eigenen Betraum. Wurde jemand als „Judenbischof“ bezeichnet, so handelte es sich dabei um den seitens der Stadträte als Oberhaupt der Juden empfundenen Vorsitzenden eines Rabbinatsgerichts (bet din). Dies setzte, wie im Augsburger Stadtrecht automatisch die Existenz weiterer „Rabbiner“ voraus, da ein Gericht mindestens aus drei Richtern (dajanim, schoftim) bestehen musste.
Kurz und gut, es ist nicht grundlos, mit Sorgfalt unterscheiden, in welcher Zeit man von einem Rabbiner spricht, da man damit einen hochmittelalterlichen Gelehrten und Richter, der ggf. auch vor Kaisern auftrat ebenso bezeichnen kann, wie den Lehrer einer Kleingemeinde, der bei Nachfrage, so denn vorhanden, Einwanderkindern Nachhilfe erteilt. Logischerweise ist das nicht daselbe. Da könnte man christlich auch Rang und Funktion von Papst und Dorflehrer gleichsetzen.
Hebräische Belege sprechen dafür, dass es bereits vor der städtischen Fixierung im Stadtrecht von 1276 ein Bet Din in Augsburg gab, jedoch ist nicht zu bestimmen, ab wann ein solches eingerichtet wurde. Offensichtlich ist nur, dass die mindestens seit dem frühen zehnten Jahrhundert vorhandene Gemeinde ab dem späten 12. Jahrhundert überregionale Bedeutung erlangte und entsprechend auch bedeutende Gelehrte anzog.
Erst ab dem 19. Jahrhundert bedeutet die Bezeichnung „Rabbiner“ und Aufführung in der Liste, dass es sich beim genannten um einen staatliche geprüften Berufsrabbiner im säkularen Sinne handelt.
In der Zeit nach 1440 gab es in Augsburg keine dauerhafte Gemeinde, jedoch in den heute eingemeindeten österreichischen Dörfern Pfersee und später Kriegshaber (die auch den mittelalterlichen Vorsitz über das Schwaben (medinat schwaben) übernahmen, bis ab 1863 wieder ein Rabbiner in Augsburg fungierte nun als freilich nur noch provinzieller schwäbischer „Bezirksrabbiner“. Die frühen Jahreszahlen können um ein Jahr schwanken, da hebräische Jahre im Herbst anfangen.
Augsburg:
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1185 – 1196 R Jehuda b R Schmuel
1198 – 1212 R Eleasar b R Jehuda
1214 – 1228 R Jehuda b Schimon
1228 – 1234 R Josef
1234 – 1240 R Baruch
1240 – 1252 R Meir b Baruch (MaHaRaM 1215-1293)
1254 – 1276 R Isaak b Meir
1277 – 1290 R Chaim b Mosche
1292 – 1319 R Abraham (Ulm)
1322 – 1327 R Feivel
1327 – 1348 R Schneor
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1355 – 1357 R Jehuda (Hochmaister de Lauingen)
1357 – 1364 R Eleasar (Hochmaister)
1364 – 1366 R Baruch (Rothenburg)
1364 – 1369 R Mosche b R Levi Molin (Maister Molin) (MaHARiL)
1367 – 1368 R Mosche (Muschel Schulmeister)
1368 – 1370 R Isaak (Schulmeister Horborgum = Harburg/Schwaben)
1370 – 1386 R Mosche b R Aharon (Rabbi Aaron)
1387 – 1405 R Jehuda b Mosche
1405 – 1408 R Mordechai Polin
1408 – 1411 R Koppelmann (Koppelmann Meister Nürnberg)
1412 – 1438 R Jakob Weil (Jakob Jochmeister) (MaHaRiW)
1414 – 1428 R Isaak (Schulmeister Hitzel)
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Über die Zeit zwischen 1440 und 1470 um Augsburg herum ist wenig bis nichts bekannt
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Pfersee:
1465 – 1490 R Löb Salman
1490 – 1511 R Jakob b Löb
Oberhausen/Wertach:
1512 – 1530 R Isaak (Meister Isik)
1530 – 1561 R Natan (gest. 1575 Frankfurt am Main)
Pfersee:
1560 – 1591 R. Lieberman Mosche
1591 – 1625 R David b Jehuda Prag
1626 – 1644 R Pinchas b Schmuel
1644 – 1655 R Zvi b Josef (Hirsch)
1655 – 1680 R Henoch Sundel Prag
1680 – 1712 R Jehuda Löb b Henoch
1712 – 1730 R Jehuda Löb b Ischschachar Ber Oppenheimer Worms (“Sefer Minchat Jehuda”)
1730 – 1763 R Isak b Menachem Etthausen (Seckel, Or Neelam)
1763 – 1792 R Benjamin Wolf Spira Prag
1793 – 1794 R Josef Ulmo
1794 – 1804 R Isaak Oppenheimer
1804 – 1837 R Ber ben Jona Ulmo
Kriegshaber:
1765 – 1780 R David Skutsch
1780 – 1819 R Pinchas b R David Skutsch
1819 – 1857 Rabbiner Aharon Guggenheimer
Augsburg:
1863 – 1870 Rabbiner Jakob Heinrich Hirschfeld
1875 – 1910 Rabbiner Heinrich (Henoch b Eljahu) Gross
1910 – 1929 Rabbiner Richard (Isaak b Elieser) Grünfeld
1929 – 1938 Rabbiner Ernst Jacob
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1997 – 2004 Rabbiner Reuven (Ruben) Unger
2005 – Rabbiner Henry (Heinz Georg) Brandt