Schwäbische Esther Rollen aus Pfersee und Kriegshaber

October 14, 2013

Mangold Blätter Kriegshaber Pferseefrische Mangold Blätter (chard leafs) vom Augsburger Stadtmarkt

SCHWÄBISCHE ESTER ROLLEN

= gefüllte Mangoldblätter nach alten jüdischem Rezept aus dem ehemaligen österreichischen Schwaben (Pfersee, Kriegshaber)

Das Rezept ist erhalten in einem Brief aus dem Herbst 1699 in welchem Jitle Ulmo, die Frau des Metzgermeisters und Prüfers Meir Ulmo aus Pfersee ihrer jüngeren Nichte, die interfamiliär nach Prag geheiratet hatte eine Anzahl von Rezepten für das bevorstehende Laubhüttenfest aufschrieb.

Ganz simpel zählt es die erforderlichen Zutaten auf, die ja ohnehin nach dem eigenem Gusto zur Anwendung kommen: erdbiren, schapkas, simsem, patim, pilpel und frischen knowel mischen, in bletter fon mangold einrollen und in der Pfanne mit dem obligatorischen Leinöl heraus backen oder braten.

Mit der „Erdpir“ oder „Erdbirn“ war damals noch die „Kartoffel“ gemeint. Schapkas ist Schafskäse, mit Simsem ist Sesam gemeint, der damals aus der Türkei importiert wurde und entsprechend teuer war. Patim sind die schon in der antiken jüdischen Küche fast überall enthaltenen Brotkrumen, die übrig bleiben und bei zahlreichen anderen Speisen beigemischt wurden, insbesondere bei Suppen, Saucen, etc. um Halt und Festigkeit zu geben. Knowel oder Knobel ist wie man sich denken kann, der Knob-Lauch und wie bei allen Speisen verwendete zumindest Frau Ulmo aus Pfersee zum Braten Leinöl, mit seinem feinen leicht nussigen Geschmack.

Hinweis: Traditionelle jüdische Rezepte erfordern eine Reihe von Voraussetzungen, die heute nicht immer zweifelsfrei gegeben oder ohne weiteres erfüllbar sind. Beispielsweise ist es in Deutschland derzeit nicht möglich und auch allgemein nur sehr schwierig, die ursprünglichen Voraussetzungen der Chalaw Jisrael-Bestimmungen für koschere Milch einzuhalten. Das biblische Gebot nicht das Zicklein in der Milch seiner Mutter zu kochen, ist in der Tora gleich dreimal erwähnt, woraus die talmudischen Weisen auf ein dreifaches Gebot schlossen, nämlich in Bezug auf die Grausamkeit gegenüber dem Tier diese nicht selbst auszuführen, einem Übertreter keine Bühne zu bieten und schließlich vom Bruch des Gebotes in keiner Weise zu profitieren.

Deshalb empfiehlt es sich Schafskäse und dergleichen durch Tofu und/oder sog. “Analogkäse” (meist  ebenfalls aus Sojabohnen) oder aus anderen, pflanzlichen Fetten, etc. zu ersetzen.  Sie sind geschmacklich in der Regel genauso gut, schmecken oft sogar besser. Der selbe Rat gilt natürlich auch all jenen, die an einer Milch-Allergie leiden, die in der Regel als sog. „Laktose-Intoleranz“ etikettiert wird.  Aber es sind nicht Sie die „intolerant“ sind, wenn ihr Körper sich versucht, sich gegen die völlig überflüssige Aufnahme fremder Brustmilch einer anderen Spezies zur Wehr zu setzen.

Kriegshaber Pfersee Jewish Esther Rolls Mangold filled chard rolls17th century Jewish food from Swabia: filled Esther Rolls cooked with linseed oil

SWABIAN ESTER ROLLS

An old Jewish recipe from former Austrian, today Bavarian Swabia as noticed by Jitel Ulmo wife of the master butcher from Pfersee Meir Ulmo in fall 1699 in order to instruct her younger niece who had married to Prague and needed some haimishe (homey) recipes for the imminent festival of booths (suckot).

The recipe quite simply adds the needed components, obviously because everything else depends on the taste and experience of the cook and the eater: potatoes, ewe’s cheese,  sesame,  breadcrumbs, pepper and fresh garlic, mixed altogether and filled in the leafs of the chard (mangold), fried in crude linseed oil.

The term erdpir or erdbirn literally means “earth berry” and was the then common name for potatoes – later under Prussian influence “kartoffel” as corrupted version of the Italian “Tartuffo” prevailed in whole Germany, although in Austria and some parts of Bavarian Swabia “Erdapfel” (earth apple, compare French “pomme de terre”) still is frequent in spoken language. Schapskas is sheep cheese. Sesame in late 17th century was very expensive and exported from Turkey. As for many other dishes crumbs of bread as a useful leftover of shabbes was used during the week and was added to other recipes especially to soups or sauces. For all known recipes Mrs. Ulmo used linseed oil (which has a fine nutty flavor) for frying anything in an open pan. 

NOTE: Traditional Jewish recipes take some requirements for granted which however today mostly cannot or only hardly can be matched. Usually there is no milk in Germany which meets the kashrut requirement of original chalav yisroel standards. The commandment not to cook the kid in the milk of the mother, which is mentioned 3 times in the Tora and thus it is regarded as a three-way commandment: not to perform and not to stage any kind of transgression and in no way to derive any benefit from being cruel to animals.

Therefore it is recommended to replace ewe’s cheese by tofu and/or so called cheese analogues (most frequently from soy beans as well) or from any other plant based substitutes. Of course the advice is given to people who suffer from increasing milk allergies (usually belittled as “lactose intolerance”, but is it you who is “intolerant” when your body tries to resist the needless absorption of another beings breast milk?)

HAVE A GOOD MEAL


Himlita – Ingwer und Honig: gesund, scharf und süß wie der Talmud

April 15, 2012

Bereits der Talmud erwähnt in Honig eingelegten Ingwer als Himlita (himlata הימליטא) genannte Spezialität der jüdischen Küche, deren Ursprung auf Indien (הודו) verweist. Das talmudische Rezept ist auch in der mittelalterlichen rabbinischen Literatur Europas geläufig und verändert sich in der jüngeren Geschichte vor allem zu kandiertem Ingwer. Aber auch Lebkuchen (engl. ginger bread), Ginger Ale und das etwas würzigere Ginger Beer sind heute allgemein verbreitet.

Die talmudischen Weisen hatten über Ingwer die best mögliche Meinung und attestiertem, dass anders als die meisten Lebensmittel, die sowohl gute als auch schädigende Effekte auf die Gesundheit des Menschen oder auf Teile des Körpers hätten, Ingwer ausschließlich gute Eigenschaften habe. (Pesachim 42b)

Wo immer Juden lebten, hatte Ingwer immer eine gute Wirkung bei der Heilung verschiedener Krankheiten und Leiden, von Übelkeit über Migräne und Zahnschmerzen bis Rheuma. Rambam, der bekanntlich Leibarzt des Sultans in Ägypten war, attestierte dem Ingwer zudem auch eine positive Wirkung auf den Stoffwechsel sowie als Heilmittel bei Durchfall.

Die moderne Medizin widerspricht dem nicht, sondern addiert zusätzlich positive Effekte des Ingwers beim Senken des Cholesterinspiegels, bei der Stärkung von Leber und Nieren und bei der Bekämpfung von Krebszellen (zumindest bei Tieren schon nachgewiesen). Der hebräische Name für Ingwer ist זנגביל (sangwil) und erinnerte im mittelalterlichen Europa an die geläufige Koseform „Sanwil“ zum biblischen Namen Samuel (שמואל, schmu’el, sam’wel). Zahlreiche mittelalterliche und nachfolgende Kommentatoren lobten den ab und an auch regional angebauten Ingwer außerodentlich und sagten das oft dafür synonym gebrauchte  “Himlita ist sehr gesund und ein gutes Beispiel für eine mit Honig gesättigte Anmischung“ (Jehua Löb Oppenheim Pfersee, “Geschenk”)

 

Die Zubereitung des Himlita-Rezepts ist ganz einfach:

Eine Ingwerwurzel in kleine Stücke schneiden und in Honig einlegen oder den Ingwer pürieren und mit nach Geschmack entsprechend viel oder wenig Honig dazu verrühren. Da manche Honig sehr süß, andere puren Ingwer als zu scharf empfinden, muss jeder sein optimales eigenes Mischungsverhältnis selbst herausfinden.

 

Himlita recipe: 200g ginger root, 1 or 2 tablespoonful of comb honey

According to Talmud the spicy & sweet Himlita recipe stems from India. Most probably in the time when the Persian rule, as told in the biblical Book of Esther, spread from ancient Greece to India and Afghanistan it arrived Jewish kitchens and dispensaries.

Ginger as the Talmud points out already in ancient times was regarded as remedy for all kind of maladies as fever, rheumatism, megrim, ucers, etc. and was considered to be one of few victuals without detrimental side effects.

The Talmudic Hemlita recipe combines fresh ginger with honey. The root is cut in pieces and dipped in honey. Alternatively the ginger root is mashed and stirred in honey.

Since honey is very sweet and ginger somewhat “hot” the best mixing ratio for you will be your own.

Some prefer 95 percent ginger, others give the sweet taste the preference.

Pictures and recipe version by Margit Hummel


Talmud Cuisine – jüdische Küche in Antike und Mittelalter

March 3, 2011

Kochbücher erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit und so mangelt es auch nicht an zahlreichen Werken, die ein Potpourri an jüdischen Kochrezepten bieten. Meist werden dabei die gängigsten Gerichte abgearbeitet, die einer jüdischen Küche in den letzten Jahrzehnten zugeschrieben werden. Die Frage, was eine „typisch jüdische Küche“ ausmacht, lässt sich leicht oder gar nicht beantworten, wenn  man sich landläufig darunter Gefillte Fisch, Knedlach, Kigel, Humus, usw. vorstellt. Klassiker einer zumeist „aschkenasischen“, besser gesagt mitteleuropäischen Küche (Sauerbraten, Eintöpfe, Suppen, Saucen, Knödel, Gebäck aller Art, sehr oft süß), in der einen oder anderen Juden zugeschriebenen Variante. Dazu gesellt sich oft eine Auswahl, sog. israelischer Küche, die letztlich orientalisch, arabische Speisen variiert, etwa die inzwischen allseits geläufigen Falafel. Etwas spezieller wird es dann noch, wenn regionale Gerichte aus verschiedenen Teilen Europas sozusagen koscher nachgekocht werden sollen. Man nimmt dann eben koscheren Wein statt gewöhnlichen, Lammfleisch statt Schwein, oder koschere, blutleere Leberwurst.

Es ist klar, dass es hierbei an Klischees keinen Mangel geben kann, zumal „jüdische Speisen“ besonders gerne an besonderen Tagen zubereitet und serviert werden, gleich ob sie sonst in einem Kontext stehen. Da können auch im November Matzen auf dem Tisch stehen, weil sie eben als „typisch“ jüdisch gelten – auch wenn dies für Christen erklärt Ostereiern zu Weihnachten entsprechen würde, während andererseits bereits ein Apfel oder eine Kartoffel genügen, um das mitunter komplizierte Kriterium „koscher“ zu erfüllen. Aber was wäre daran jüdisch? Da müssten also schon slawische Namen her wie לטקעס (Latkes) um in Süddeutschland sonst als „Kartoffelpuffer“ oder „Reibekuchen“ („Reibedatschi“) geläufige Speisen zu präsentieren, oder Blini (Блины), plini, בלינצע, etc. mit Varianten von Pfann- und Eierkuchen, … und statt Krapfen muss man neuerdings hebräisch “Sufganijot” sagen, weil es immer typischer in einer bestimmten Weise wird, je öfter es entsprechend in Rezeptsammlungen und Büchern abgedruckt erscheint. Wie ein Philosoph meinte, setzen sich nicht zwangsläufig die besten, sondern die häufigsten Meinungen durch. Das kann hier nicht anders sein.

Über die Speisegewohnheiten des Judentums sagt das abseits der allgemein kaum noch beachteten Kaschrut-Regeln wenig aus oder gar nichts. Aber man ahnt, dass Bar Kochba wohl keine Sachertorten aß, nachdem er die Römer aus Jerusalem vertrieb. Und ob Jesus von Nazaret Matzensuppe oder Rabbi Akiwa צימעס kannten ist fraglich, ebenso ob Mosche Maimon jemals was von Lokschenkugel erfuhr. Andererseits finden wir bereits in der Thora, weit mehr aber im Talmud und noch mal mehr in der mittelalterlichen sog. „Responsen“ – Literatur an Rezepten und Speisen, die Juden in der Antike, aber auch im mittelalterlichen Europa zubereiteten und aßen. Wie in sprachlicher Hinsicht ist auch hier damit zu rechnen, dass manches tradiert wurde, was inzwischen vergessen und verloren gegangen ist. Grund genug also für uns, uns eingehender mit diesem Teil der Geschichte zu befassen.

If you can name it, you can own it, sagt eine andere geläufige Weisheit und so sprechen wir statt von „jüdischer Küche“ in diesem Fall etwas präziser von talmudischer Küche, von „Talmud Cuisine“, da eine große Zahl an Speisen und Rezepten im Talmud erwähnt sind und sich im Laufe der Jahre beim Studium als Randnotizen aus ganz unterschiedlichen und meist anderen Zusammenhängen ansammelten. Manches davon ist schwierig nachzuvollziehen, anderes muss immer wieder erprobt und verbessert werden, um zu verstehen, wie es gemeint war, andere Speisen und Getränke sind aber auch so sehr in der allgemeinen Populärkultur eingegangen (wie beispielsweise “meliach” oder gar die “pizza”), dass niemand nur auf die Idee kommt, dass das schon im Talmud erwähnt wird. Aber wer kennt heute in der Antike und noch im Mittelalter geläufige jüdische Speisen und Getränke wie himleta, schwiski, schichra, prasuma, aschischa, pat oder zmokim ..? 

* * *

Jewish Cooking recipes often are a collection of stereotypes from Estarn Europe and Mediterranean recipes also known as more or less typical local or regional food. So the Jewish part often is to consider special requirements such as lamb or veal instead of pork or shellfish, kosher wine instead of a “regular” one who has it’s brilliant red color from so called “blood flour” – not to forget that Jews to be “typical” apparently always need Matza on the table.

However, Bible and in a much broader extent Talmud and medieval Jewish response literature mention quite a lot of typical dishes, starters, desserts, beverages, pastries and so on. Some of theam are popular all over the world, as for instance “pizza”, others are know by different names and many are somewhat forgotten.

We will present every now antd then several recipes from Jewish antiquity and medieval times as dainty and delicate food of “Talmud Cuisine”, the Talmudic way of cooking and enjoyment of life.


Challah, Berches, Datschi, Pita – das Brot der Juden

December 24, 2009

In early times whenever they made bread, a piece of dough was set aside for the Kohen: the challa (חלה). In the times after the Bait in Jerusalem, women began to burn the portion in remembrance of the Kohen’s one.  

Today challah is a common name for the bread eaten by Jews on Shabbat and holidays, except Passover of course, when we eat no chametz (חמץ). Another traditional names in Swabia were barches (from Hebrew ברכה, blessing) what in France developed to the quite similar recipe of  “brioche”, or “datsher” and “datshi” (see: Tendlau, Juedische Sprichwörter und Redensarten). The later also refers to a plum flan, which by the name “Datschi” or “Zwetschgendatschi” (the word really is a jawbreaker for English speakers) is considered as local specialty in Augsburg and vicinity. In fall it is so popular that a humorous nickname for Augsburg is “Datschiburg”. But in other regions in Southern Germany there also are other kinds of Datschis with apples or huckleberries, not to forget the “reiber-datschi” (reiben = to rub or rasp), which however is without fruit and rather a kind of pancake made of potato dumpling and fried in a pan (sort of hash browns). It is not quite clear why the name refers to quite different sorts of cakes and pastries.

A traditional Ashkenazi challah now is a plaited loaf, non-Jewish Germans would call that a “zopf” (plaited loaf). Most recipes use flour, eggs, water and sugar. Sephardi or oriental Jews use no braided loaf, but a flat one, similar to a pita or flatbread.

In frühen Zeiten, wann immer Brot gebacken wurde, wurde ein Teil davon genommen, um es den Kohen zu geben: die Challa. In der Zeit nach dem Tempel, verbrennen Frauen, wenn sie ein Brot backen einen Teil des Teiges in Erinnerung an den Anteil der Kohen. Heute bezeichnet Challa allgemein das Brot das Juden an Schabbes oder an Feiertagen essen, ausgenommen natürlich Pessach, wenn gesäuertes Brot verboten ist und man sich mit trockenen Matzen begnügen muss. Andere traditionelle Namen sind Barches (französisch Brioche, Datscher oder Datschi. Letzteres bezeichnet auch einen populären Pflaumenkuchen, der als Zwetschgendatschi als örtliche Spezialität in Augsburg und Umgebung gilt. Besonders im Spätsommer und Herbst ist er so populär, dass sich der Begriff „Datschiburger“ als scherzhaftes Synonym für Augsburger eingebürgert hat. In anderen Gegenden kennt man freilich auch Datschis mit anderer Auflage, etwa Apfel- oder Schwarzbeer-Datschis, nicht zu vergessen den Reiberdatschi, auch geläufig als „Kartoffelpuffer“, der ohne Früchte auskommt, aber in der Regel mit Apfelmus oder ähnlichem gegessen wird. Warum das zugrundeliegende Wort teilweise recht unterschiedliche Back- und Teigwaren bezeichnet ist unklar, aber auch das Wort „Apfel“ diente in früheren Zeiten zur Bezeichnung unterschiedlicher Früchte, beispielsweise die Apfelsine, eigentlich sinasapfel, also „chinesischer Apfel“, sprich Orange oder der „Erdapfel“ für die Kartoffel, heute noch gängig im Französischen „pomme de terre“.

Eine traditionelle aschkenasische Challa ist nun ein geflochtenes Brot, das außerjüdisch in Süddeutschland auch als Zopf bekannt ist. Die meisten Rezepte, von denen es zahllose Varianten und Vorlieben gibt benutzen Mehl, Eier, Wasser und Zucker oder andere Bestandteile. Sephardische Juden kennen die Tradition des geflochtenen Brotes nicht, sondern essen ein einfaches, ungesüßtes flaches Brot, ähnlich dem inzwischen auch in Europa geläufigen Fladenbrot oder Pita.