Erinnerung an die Juden in Rothenburg ob der Tauber


Rothenburg ob der Tauber im Landkreis Ansbach, das seinen Namen, wie auch das Stadtwappen zeigt, einer roten Burg über dem Fluss Tauber verdankt, wurde im Jahre 1274 zur Freien Reichstadt,  durch den im Vorjahr gekrönten Kaiser Rudolf von Habsburg (1218-1291), dessen Vater Albrecht Graf von Habsburg 1239 beim Kreuzzug um das „Königreich Jerusalem“ (wie die Kreuzfahrer ihre zeitweilig eroberten Gebiete in Israel nannten) ums Leben kam.  Nach dem 30jährigen Krieg stagnierte die weitere Entwicklung der Stadt, die 1803 zu Bayern kam und den Status der Reichstadt einbüßte.  1933 war der Ort eine Hochburg der Nationalsozialisten, die über 80 % der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte – was in der Tat gruselig ist.  Das heutige Rothenburg umfasst mit über drei Dutzend Eingemeindungen etwa 11.000 Einwohner und ist eine der bekanntesten Attraktionen für Touristen in Deutschland und entsprechend von diesen frequentiert. Insbesondere bei Ostasiaten scheint die mittelalterliche Altstadt mit ihrer Stadtmauer, den Türmen und winkeligen Häusern sehr beliebt zu sein, weshalb manche Geschäfte ihre Angebote auch auf Japanisch oder Chinesisch bewerben, was ansonsten in Deutschland eher nicht der Fall ist. Zumindest aus Gründen des Tourismus bewirbt Rothenburg ausdrücklich auch seine bereits mittelalterlich belegte jüdische Vergangenheit – auch das ist nicht Standard.

Die Anfänge der städtischen Ansiedlung datieren etwa in die Mitte des 12. Jahrhunderts und wenig jünger ist die älteste erhaltene auf das Jahr 1180 fixierte Notiz aus Würzburg über einen Rothenburger „Samuel Biscoph“, der als Rabbiner interpretiert wird.  Ein solcher würde aber eine Gemeinde und entsprechende Infrastruktur voraussetzen, was nur möglich wäre, wenn die jüdische Gemeinde in Rothenburg sehr schnell am gerade entstehenden Ort wachsen konnte. Im Jahre 1298, dem Jahr der legendären Rintfleisch-Verfolgung sollen 500 der insgesamt 3.500 Bewohner der Stadt Juden gewesen sein, was natürlich ein ungewöhnlicher hoher Wert wäre. Der Überlieferung gemäß kamen die Juden Rothenburgs bei der Verfolgung ums Leben.

Zu den herausragenden Persönlichkeiten der Stadt zählt der aus Worms stammende Rabbi Meir bar Baruch (1215-1293), einem der bedeutendsten Talmudisten und Tosafisten aus der Periode der Rischonim, der in Frankreich ausgebildet 1242 der Pariser Verfolgung des Talmuds entfloh. Von keinem anderen Rabbiner seiner Zeit sind so viele שאלות ותשובות erhalten geblieben. Obwohl er in einer Reihe von Orten Rabbiner war, u.a. in Augsburg, ist er heute vor allem als „Meir von Rothenburg“ geläufig, was freilich mit dem touristischen Marketing zu tun haben könnte, das sicherlich ausgefeilter ist. Ein Beispiel dafür etwa ist die in einem Faltblatt zu Rothenburg anzutreffende Deutung, dass der in Frankfurt ansässige Händler Alexander ben Salomon, der nach seinem Herkunftsort  auch als Süßkind von Wimpfen bekannt war mit dem mittelalterlichen Minnesänger Süßkind von Trimberg identisch sei. Alexander gelang es 1307 den Leichnam seines 14 Jahre zuvor in Haft verstorbenen Lehrers Meir aus dem Gewahrsam freizubekommen und in Worms beisetzen zu lassen. Er selbst wurde später neben Meir bestattet und beide Grabsteine sind heute noch in Worms an Ort und Stelle erhalten. Abgesehen von der vagen Datierung 13. Jahrhundert und der Übereinstimmung im Spitznamen „Süßkind“ spricht sonst jedoch nichts dafür, dass der Schüler Rabbi Meirs tatsächlich auch der mittelhochdeutsch dichtende Spruchdichter gewesen sein soll, über den sonst so gut wie nichts bekannt ist. Im „Codex Manasse“ ist er mit Judenhut beim Besuch bei einem christlichen Bischof dargestellt, jedoch stammen die Illustrationen der Sammlung aus späterer Zeit, während das gesamte Werk eine insgesamt auch recht wechselhafte Geschichte hat.

painting according to the miniature of the Manasse Codex depiction of Suesskind of Trimberg with Jewish hat

Die Geschichte der Juden in Rothenburg gleicht in der offiziellen Auffassung nun auch unter diesem Aspekt einer Abfolge von Daten über Pogrome, Vertreibungen und Wiederansiedlungen wie auch dem Klischee, dass sie hauptsächlich vom sog. Geldhandel lebten. Im Jahre 1511 wurden sie gezwungen ein Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen und im Jahre 1520 schließlich mussten sie Rothenburg als festen Wohnort aufgeben und wanderten von dort teilweise wohl in die benachbarten Gemeinden im Taubertal ab. Eine neue Gemeinde bildete sich erst wieder ab 1875, die im Jahre 1910 auf rund 100 Personen angewachsen war. 1938 verließen bereits wieder die letzten 17 Juden den Ort. Das durch alliierte Bombardements zerstörte mittelalterliche Tanzhaus und Teile der früheren Judengasse wurden in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit wieder errichtet. 

Als älteres Judenviertel bis 1390 in Rothenburg gilt der Kapellenplatz, wo auch die Synagoge und die Rothenburger Jeschiwa stand. Diese soll später in eine Marienkapelle umgewidmet worden sein, die 1805 abgerissen wurde. Am Kapellenplatz 5, seit 2002 Sitz der lokalen Stadtsparkasse befindet sich heute eine Widmungstafel für Rabbi Meir. Eine zweite Synagoge soll am Schrannenplatz gewesen sein, wo sich auch der mittelalterliche Friedhof der jüdischen Gemeinde befand. Dieser ist heute ein Parkplatz und Busbahnhof, jedoch sind zehn der dort aufgefundenen alten Grabsteine in eine Mauer um den gleichfalls Rabbi Meir gewidmeten Gärtchen eingefügt worden, in welchen sich auch eine Widmungsinschrift für die Juden Rothenburgs befindet die in den Jahren 1933 bis 1938 „vertrieben“ wurden, während sich zwei Dutzend weiterer Grabsteine im Gewölbe des “Reichsstadtmuseum” befinden. Das zweite, jüngere mittelalterliche Judenviertel war im Bereich der Judengasse, wo sich im Haus 10 die Mikwe befand. Im Schlossgarten schließlich erinnert eine weitere Gedenktafel dem Pogrom von 1298.

rabbi meir gaertchen Rothenburg mittelalterliche hebräische grabsteine

Zu erwähnen ist auch eine Art Privatmuseum an der Ecke Judengasse / Galgengasse in welchem eine historisierende „Judaica – Installation“ an die mittelalterlichen Juden von Rothenburg erinnern will.

Bei allem Bemühen um die Würdigung der mittelalterlichen Juden in Rothenburg, die verglichen mit der Handhabung in vergleichbaren anderen Städten bemerkenswert ist, ist es nach dem Nazi-Regime freilich nicht mehr zur Entstehung einer neuen jüdischen Gemeinde gekommen. Die nächsten Gemeinden sind in Würzburg (60 km) und Fürth (70 km).

Rothenburg ob the Tauber is a main attraction for tourist from all over the world. While wine merchands advertise in several east Asian languages the city also commemorates it’s rich Jewish past at a number of different places within the lovely historical old city. There are memorial plates as well as a garden dedicated to the cities greatest son Rabbi Meir bar Baruch, one of the most outstanding Jewish scholars and best known as “Meir from Rothenburg” where also are some medieval Hebrew grave markers, while the original burial place however today is a parking lot and bus station.

4 Responses to Erinnerung an die Juden in Rothenburg ob der Tauber

  1. All the inscriptions were reproduced and translated in: Hilde Merz, Zur Geschichte der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Rothenburg ob der Tauber, Rothenburg 1993. By the way, the author forgot to mention a section in the Reichsstadtmuseum in Rothenburg, which displays the history of the medieval Jewish community

    • yehuda says:

      Wir hatten das Reichsstadtmuseum an diesem Tag leider nicht mehr besuchen können, da es bereits geschlossen war und wir nur auf der Durchreise kurz Zwischenstation gemacht hatten. Die abphotographierten Inschriften der Grabsteine im Rabbi Meir Gärtchen hatten wir hier aber sogleich wiedergegeben. Den Besuch im Museum haben wir dieses Jahr nachgeholt und haben dabei auch von Ihrer freundlichen Kollegin das genannte Buch erworben. Buch und Museum sind sehr gelungen und ausdrücklich zu empfehlen. Beizeiten werden wir Rothenburg und auch das Reichsstadt-Museum gerne wieder besuchen.

  2. Joshua says:

    As always your photos and descriptions are excellent.

    Will you make public the Hebrew inscriptions of the head stones from the wall ..?

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