Augsburger Kahlschlag geht weiter


..Elias Holl Platz Augsburg Plakat Bäume Kahlschlagzerrupfter “Protest” am Baum- äh Bau-Zaun

„Hallo Graugsburg,

Ist dir schon aufgefallen, dass man dir deine grüne Lunge herausschneidet ? Nein? Höchste Zeit, dann!            Am Bahnhof und am Klinkerberg, am Königsplatz und an vielen anderen Stellen kappt man dir die Luftzufuhr …

… jetzt sollen die 9 Schattenspender hier am Platz der Kurzsichtigkeit & Ignoranz weichen – mir schmerzt schon die Brust, dir auch?

Liebe Grüße dein Immunsystem“  

Elias Holl Platz Augsburg

Dieser übergroße Notizzettel hing zumindest gestern Früh beim Elias Holl Platz am Drahtzaun, schon recht stark eingerissen. Aber es klappte so eben, die Fetzen für ein Foto wieder lesbar anzuordnen.

Im Kontrast zur „Größe“ des Plakats ist die Wortwahl des Schreibers recht dürftig und in einer Weise verklausulierend, wie man es sonst nur von denen hört, die politisch für den Kahlschlag der Bäume verantwortlich sind. Eigenartig auch, dass allenfalls der etwaige “Nutzen” der Bäume angesprochen wird: Der “Schattenspender”. Als ob der hoch umstellte Platz nicht schattig genug wäre. Einen Selbstwert hat der Baum also nicht und mit Vögeln hat man es ja auch nicht so..

Grüne Lunge, blaues Hirn? Mal wieder Metaphern statt Klartext? Jofi, dazu passt natürlich, dass man bei “Parkplatz” nicht an Bäume oder Wiesen denkt, sondern an Autos, allenfalls noch an Busse, da im eigentlichen Sinne des Wortes geistiges Parkverbot herrscht.

Wer in der Innenstadt wohnt oder sich zumindest öfter hier aufhält,  dem ist es natürlich in den letzten Jahren (..!) aufgefallen,  dass der Kahlschlag verbreitet wird. Von (jeweiligen) Anwohnern abgesehen stört das aber kaum jemanden, dient der Innenstadt-“Bereich” vorallem zum Bereichern, d.h. den Bürgen & Besuchern zum Erleben von “Kultur” (in etwa: bei Kuchen und Latte scradicatio im Freien durch die Sonnenbrille Fassaden anschauen) und Stiften von “Identität” (in etwa: Souvenirs oder  in sog. Fachgeschäften überteuerte Ladenhüter kaufen). Kurz gefasst heißt das, der Weg vom Auto zum Straßencafe (oder Kaufhaus) muss im Wortsinn „überschaubar“ sein, weil sonst auch die sog. “Erlebnis-Gastronomie” den “Stress”-Eindruck kaum noch korrigieren kann.

Augsburg Rathaus - Also gehts in der WeltAlso gehts in der Welt, … und in Augschburg

 

Aufgefallen ist vielen natürlich, dass die Bestimmungen der Baumschutzverordnung, die seitens der Stadt Augsburg durchaus auch dann thematisiert werden, wenn wild wuchernde Bäume jahrhundertealte Grabdenkmäler auf jüdischen Friedhöfen zerstören, nicht mehr gelten, wenn es darum geht, zusätzliche „Parkplätze“ zu schaffen, auch dann wenn es – besonders sinnig – direkt gegenüber eines bereits existierenden „Parkhauses“ (Schaezlerstraße) gesunde Bäume betrifft, die eigentlich nicht abgeschlagen werden dürften. Das stört auch die Augsburger Vertreter der Grünen Partei nicht, weil ja irgendwo anders kleine Setzlinge eingepflanzt werden, die ja auch schon in etwa vierunddreißig Jahren die selbe Größe erreichen können, vielleicht auch erst in 37, vorausgesetzt, man braucht nicht dann nicht bereits schon eine “Mobilitäts-Spirale“, sprich einen weiteren Königsplatz-Umbau …

… der (vor)letzte (Umbau) war ja von 1975 bis 1977, auch damals schon wurden sehr viele Bäume abgeholzt, übrigens auch bereits im Interesse des Umweltschutzes, da die Busse und Straßenbahnen ja den Autoverkehr deutlich reduziert haben wollen, sollen und es als Ersatz pflanzte man weitere Parkhäuser … Auch damals hat es mit der “Planung” nicht so langfristig geklappt und es wurde mehr Verkehr in die Stadt gebracht, als je zuvor und genauso wird es auch jetzt sein. Und deshalb könnte man in vierzig Jahren auch über die heutigen Planer spotten, wenn sie dann nicht wie die früheren längst vergessen sein sollten (alles im Konjunktiv), zurecht womöglich.

 

Parkplatz-Suche in Augsburg

desorientiertes schwäbisches Kleintier auf Parkplatz-Suche in der Augsburger Innenstadt

Da man gerade schon mal dabei ist, können inzwischen offenbar überall mehr oder minder nach Belieben abgeholzt werden (Beispiel „Bärenkeller“)  – insofern Versicherungskonzernen oder Banken keine Einwände erheben (und wann tun sie das?), auch da wo sie mit dem Baumaßnahmen am Königsplatz nicht erkennbar was zu tun haben, etwa vor dem Gebäude der Hypo-Vereins-Bank (Ludwigstraße zwischen Grottenau und Karlstraße, der ehemaligen Judengasse):

Augsburg Ludwigstraße Hypo Vereins Bank BäumeEbenfalls ent-baumter “Park”-Platz vor der Hypo-Vereins-Bank

Man beachte das blaue Schild mit weißem “P” beim Eingang der Bank: Wen nun störten diese Bäume, drei Meter abseits der autostrada amata ..? Die Radfahrer, die zwischen den beiden (gewesenen) Bäumen nicht mehr ein noch aus wussten? Die Telekom-Kunden, die bei der chicen Telefon-Säule einen zu schlechten Empfang hatten? Oder die Kunden der Bank, die gerne direkt vor dem Eingang parken wollen, damit man nicht das andere “Parkhaus” “hinten am Ernst Reuter Platz benutzen müssen ..? Wer außer den Stadtplaner profitiert von den Baumstümpfen?

Soll man die Baumstümpfe nun vielleicht gar mit Wasser begießen, weil Augsburg als Stadt des Wassers beworben wird?

* * *

The City of Chops… um … Augsburg continues to chop up trees in the inner city or downtown area. Of course there are numerous excuses – have been for years – which sum up to a simple behavior pattern: tree protection regulations are applied this way or that way, as freely as required. And the result is: the number of trees is getting reduced as the number of commercial offers, such as (temporary) street cafes will increase. Parking without trees.

7 Responses to Augsburger Kahlschlag geht weiter

  1. Saskia says:

    Oh nein! Das sieht ja grauenvoll aus! Ich weniger als einem Monat komme ich endlich wieder nach Augsburg und ich habe das gruselige Gefühl, dass ich die Innenstadt nicht wiedererkennen werde.
    Hoffentlich bleibt wenigstens der schöne kleine Hofgarten unangetastet….

    • yehuda says:

      Der Hofgarten ist noch intakt und wahrscheinlich wird er das auch bleiben und sei es womöglich auch nur deshalb, weil nebendran die „Regierung von Schwaben“ ist und ein entsprechender Eingriff die Lebensqualität der dort “Verantwortlichen” beeinträchtigen würde.

      Ansonsten können die Begründungen nach Belieben fadenscheinig sein. Letztens im Bärenkeller wo über Nacht einige alte Bäume gefällt wurden, hieß es in etwa die Pflege sei zu aufwendig. Die Anwohner beklagten auch nur wieder den Verlust schattiger Parkplätze – gemünzt natürlich auch wieder nur auf Autos. Die aktuelle Diskussion zu den Bäumen am Elias Holl Platz ist auch skurril. Ein Experten-Gutachten besagt, dass die Bäume nicht genug Erde hätten, um bestehen zu können (ob man deshalb herum buddelt?), blabla …
      siehe: http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Muessen-Platanen-am-Holl-Platz-weg-id25073731.html

      • Saskia says:

        Ausgburg blickt in diesem Punk ja wirklich auf eine beschämende Geschichte des sinnlosen Bau- und Abrisswahns… In Geschichtsbüchern las ich von der alten Kongresshalle, die wunderschön gewesen sein muss. Das Augsburger Bauamt beschloss, natürlich unter Mitwirken von ein paar größenwahnsinnigen Architekten, dass das Gebäude einsturzgefährdet sei und abgerissen werden müsse. Man nahm eine vielfach erhöhte Menge Dynamit, damit die Kongresshalle auch ja in sich zusammenfallen würde wie ein Kartenhaus.
        Peinlicherweise war das historische Gebäude so gut konstruiert und so intakt, dass nicht einmal die erhöhte Ladung Dynamit es zum Einsturz brachte und man anschließend nochmal nachhelfen musste.

        Gleichermaßen erschreckend ging man mit dem alten Gebäude an der Ecke Friedberger Str. / Rote-Torwall-Str. um. Das Denkmalgeschützte Gebäude durfte nicht abgerissen werden, also ließ man es jahrelang vermodern und verrotten.
        Glücklicherweise wurde es gerettet und beherbergt heute einen Teil der Fachhochschule, soweit ich weiß.

        Augsburg ist so eine schöne Stadt, aber die Entscheidungen des Bauamtes und auch die Vorlieben mancher Bewohner kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen….

        • yehuda says:

          Du meinst sicher den 1914 errichteten *Ludwigsbau“, dem einige Zeitgenossen eine gewisse Vorbildfunktion für die danach entstandene Synagoge an der Halderstraße zuschrieben. Das Argument mit der Baufälligkeit und von der Sprengung (welch besseren Beweis kann es da noch geben=, hatte ich schon gehört, aber noch keine Details. Der Nachfolgebau ist erst renoviert worden, nachdem wirkliche Mängel aufwies. However, das Rathaus am Elias Hollplatz wird wohl auch bestehen bleiben. Es soll ja auf recht solidem Fundament stehen … ähem.

          Ludwigsbau am Stadtpark Augsburg 1915

        • Saskia says:

          Genau dieses Gebäude meine ich. Unglaublich, welch hässlichen Nachfolger es bekommen hat…
          Wirklich sehr schade.

          Über eines der Elias Holl Häuser habe ich gehört, dass im Winter “versehentlich” jemand dort Wasser auf die Holzbalken gegossen und dann die Fenster offen gelassen hat. Das Wasser ist in den Fugen gefroren und hat das Holzgerüst stark beschädigt. Anschließend wurde es als Unfall dargestellt und die Verantwortlichen hatten einen Grund, um Baumaßnahmen am Gebäude vornehmen zu lassen.

          Und war da nicht auch vor einigen Jahren die abstruse Idee, im Welserhaus einen Aufzug einzubauen, der bis über das Dach hinausragt, als architektonische Besonderheit sozusagen?

          Es ist zum heulen.

        • yehuda says:

          Kacha se. Für Kriegshaber haben wir das Beispiel, dass nun auf der Rückseite der jahrzentelang anhaltenden Verfall restaurierten ehemaligen Synagoge ein Aufzug-Turm geschaffen wird, damit das kleine Gebäude auch von Rollstuhlfahrern benutzt werden kann – wobei man wohl die Rollstuhlfarerinnen vergessen hat, die keinen technischen Anschluss zur Frauenempore erhalten (just kidding). Nebendran baute man ein nettes Häusel um dort die Abfallcontainer unterzubringen (die standen früher vor dem Gebäude). Künftig steht der Abfall da, wo sich früher laut Katasterplänen die Mikwe befand.

        • Saskia says:

          Es wird mir wohl auf immer ein Rätsel bleiben, wer hinter solchen Bauplänen steckt und warum ausgerechnet schöne Gebäude verschandelt werden müssen.
          Ich habe zu Hause so einen alten Schwarzweiß Fotografieband von Augsburg stehen, in dem die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts abgebildet ist. Man denkt sich “klasse, da will ich wohnen!”
          Alles war grün. Ich glaube, dass Autos und der Bedarf an Parkplätzen heute Städtebaulich eines der größten Probleme sind. Und verrückte Architekten….

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