Die Juden von Steinhart bei Hainsfarth / Oettingen


Detail of the grave marker of Mina Schulheimer at the Steinhart Jewish Cemetery

Steinhart liegt etwa 3.5 km östlich von Hainsfarth, welches wiederum  einen knappen Kilometer von Oettingen entfernt ist. Die Distanz der einzelnen jüdischen Friedhöfe in Oettingen, Hainsfarth und Steinhart ist nicht wesentlich größer.

Heute gilt Steinhart als Ortsteil von Hainsfarth und hat etwa 200 Einwohner. Neben den Schafen am sehenswertesten ist die Ruine einer angeblich bereits in das 12. Jahrhundert zurückreichende Burg im Westen des Ortes. Die Herren der Burg sollen sich die „Späten von Steinhart“ genannt haben, wie die Webseite des Ortes verrät, freilich haben sich diese offenbar recht früh von Ort und Stelle (Richtung Lauingen) und schließlich ganz aus der Geschichte verabschiedet. Als die Burg dann auch von den nachfolgenden Grafen von Oettingen nicht mehr genutzt wurde, verfiel sie und ein Teil davon soll demnach als jüdischer Friedhof genutzt worden sein. Daran erinnert eigentlich nicht viel mehr außer einem steil ansteigenden Gelände, dessen Umgebung sodann im Umkehrschluss als Graben gedeutet wird. Freilich ist das Friedhofsgelände anders als der Boden der Burgruine keineswegs flach und eben sondern von einer tiefen Mulde gezeichnet, weshalb die höchsten Punkte des Friedhofs jeweils die äußeren Ränder sind und die gesamte Anlage eher an einen Krater erinnert.

Von einer „Kraterkultur“ spricht man sodann auch im nur 3 km südlicher gelegenen Mengesheim http://kraterkultur.homepage.t-online.de/ welches kulturelle Veranstaltungen in der „Kraterregion“ (der Name bezieht sich natürlich auf das Ries) aller Art bieten, etwa auch Konzerte in der restaurierten Nicht-Synagoge, aber weit bemerkenswerter sogar ein jährliches Rockfestival „der Krater bebt“ in Hainsfarth, das im Sommer bereits zum 22. Mal stattfand und mitunter recht schräge Bands wie Tito & Tarantula (allenfalls bekannt vielleicht aus Tarantinos „From Dusk til Dawn“ mit einem verführerischen Schlangentanz von Selma Hayek zu den Klängen von „After Dark“ der besagten Band).

Der Friedhof ist von einem relativ modernen Holzzaun umgeben, der wohl nach der letzten bekannten Angriff aus dem Jahre 1994 gefertigt wurde.  An diesem Zaun sind im Gelände ganze Reihen von Grabsteinen willkürlich aufgestellt, so als wollte man mit einen eine neue Mauer andeuten. Das erinnert an das Stonehenge – ähnliche Arrangement von Binswangen, wo die Überreste des von den örtlichen Nazi zerstörten Friedhofs nach gestalterischer Willkür ohne jeden Zusammenhang und in alle Himmelsrichtungen zeigend aufgestellt wurden.

Juden in Steinhart sind für die Mitte des 16. Jahrhunderts belegt. Teilweise lebten bis zu 150 Juden in dem kleinen Ort. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts schwand die Zahl der Juden in Steinhart rapide dahin, was binnen weniger Jahre zur Auflösung des Gemeinde im Jahre 1883 führte.

Eine gewisse Bekanntheit erlangte der in Steinhart geborene Rabbiner Josef ben Menachem Steinhart (יוסף בן מנחם שטיינהארט,1700-1770), der u.a. Rabbiner und Vorsitzender des Gerichts in Fürth und Mitkämpfer des Pferseer Rabbiners Etthausen war.  Wie dieser sammelte auch Steinhart seine Antwortschreiben in der typischen rabbinischen Literaturgattung der  שות (schu“t – abgekürzt von שאלות ותשובות, sche’elot u’tschuwot, „Fragen und Antworten“; was man heute überall im Internet „Q & A“ nennt, wird gerne auch christlich-latein als „Responsen“ bezeichnet), die 1773 drei Jahre nach seinem Tod in Fürth (damals noch als פיורדא fiurda geschrieben) unter dem Titel זכרון יוסף  veröffentlicht wurden, jedoch nur in einer einzigen Auflage. Diese ist aber zum Glück erhalten und auch öffentlich zugänglich (sehr hilfreich ist das Register) und zum Download erhältlich:

 http://www.hebrewbooks.org/560

Ebenfalls aus Steinhart stammt Jakob Obermeyer (1845-1938), nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bankier Jakob Obermayer aus Kriegshaber und Augsburg (gest. 1825), wenngleich eine Verwandtschaft der hebräisch und manchmal auch deutsch gleich geschriebenen Familien in relativer nachbarschaft nicht ausgeschlossen ist.  Obermeyer lernte angesehenen traditionellen Rabbinern wie Jakob Ettlinger (1798-1871) und Jitzchak Dov Bamberger (1808-1878) und bereiste Anfang Zwanzig bereits Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, ganz Israel und Teile Syriens, ehe er 1869 in Bagdad für die erst wenige Jahre zuvor in Paris gegründete Alliance Israélite Universelle (AIU, bzw.  כל ישראל חברים) für drei Jahre als Lehrer tätig wurde. Von 1872 bis 1876 verbrachte er u.a. als Tutor in den Diensten persischer Prinzen. Dabei lernte er vor Ort zahlreiche Schauplätze antiker bis frühmittelalterlicher jüdischer Geschichte vom „babylonischen Exil „ bis hin zu den autonomen Zentren des talmudischen Babylon. 1884 erhielt er eine Anstellung als Lehrer für die persische und arabische Sprache und Literatur in Wien, eine Position die er bis 1915 beibehielt. Obermeyer veröffentlichte zahlreiche grundlegende Aufsätze und Bücher, insbesondere zur orientalischen Geschichte des Judentums: „Modernes Judentum im Morgen- und Abendland“ (1907) oderDie Landschaft Babylonien im Zeitalter des Talmuds und des Gaonats: Geographie und Geschichte nach talmudischen, arabischen und andern Quellen(1929). Gerade letzteres Werk hatte einen enormen Einfluss auf die folgende Talmudforschung, da sie anders als viele vorherigen „Trockenschwimmer“ nicht nur die Originalsprachen sondern auch die Schauplätze mit einbezog. Darüber hinaus übte Obermeyer auch einigen Einfluss auf arabische Historiker und Geographen aus.

Einen ganz anderen Einfluss übte jedoch Jakob Obermeyers Enkel Meir Max Bineth (מאיר מקס בינט)(1917-1954) aus, der bis 1935 in Kolk lebte. Er war ein israelischer Geheimdienstagent in Ägypten und erschütterte als ein als deutscher Geschäftsmann getarnter aktiver Terrorist die politische Szene nicht nur im Nahen Osten. Nach der Machtergreifung Nassers in Ägypten versuchten israelische Agenten mit Anschlägen auf US-Ziele in Ägypten das ägyptisch-amerikanische Verhältnis zu verschlechtern. Beim Platzieren einer solchen Bombe und in weiterer Folge wurden einige Agenten verhaftet – unter ihnen auch Meir Bineth, der Ende 1954 in ägyptischer Haft Selbstmord beging, als ein Todesurteil gegen ihn schon feststand. Im Zuge der damit verbundenen Lavon-Affäre, international so benannt nach dem damaligen israelischen Verteidigungsminister Pinchas Lavon, trat Premierminister Moshe Sharet zurück, während das politische Verhältnis Israels und der USA für eine Weile abkühlte. Erst 2005 rang sich Israel durch die damaligen Agenten offiziell zu ehren.

Infos zu Meir Max Bineth: http://www.meirmaxbineth.org  

Grabstein des Meir Obermeyer aus dem Jahre 1871

Etwa hundert Grabsteine sind am Friedhof noch in unterschiedlichem Zustand erhalten. Ihre Aufstellung hat offenkundig nichts mit den Gräbern zu tun, weshalb es nicht möglich ist, bestimmten Toten zu gedenken.

steil aufsteigendes Gelände des Friedhofs von außen

One Response to Die Juden von Steinhart bei Hainsfarth / Oettingen

  1. Joshua says:

    Well if synagogue does not fit anymore, Greek language knows a lot of alternative prefixes, for instance we may dub those former synagogues as Antogogues (anto = instead of ..) or Exogogue (exo = out of time) or Hemigogue (hemi = half in quality) … 😉

Leave a comment