Vor 400 Jahren: Ein schwäbischer Rabbiner in Jerusalem


Im Frühjahr 1612 reiste der Pferseer Gelehrte Wolf Ischschachar b. Schimon Ulmo (יששכר בר שמעון אולמו מקק פערשא באוסטרי וולף) von Schwaben ins Heilige Land Israel, um sich einen Eindruck darüber zu machen, wie die Lage in Jerusalem und an anderen Orten des Landes in denen es jüdische Gemeinden gab, für diese war. Immer wieder wurde für Spenden zur Unterstützung dieser kleinen Gemeinden gebeten. Sie präsentierten sich selbst als Vorreiter einer nahenden Zeit der Erlösung und wurden auch als solche gern und hoch angesehen. Sollten sich ihre Lebensbedingungen in dem kargen von Muslimen beherrschten Land günstig entwickeln, so konnte dies auch für die Juden Schwabens ein lange Generationen erwartetes Zeichen sein, um sich auf den Weg in die alte Heimat zu  machen, um den Messias zu begrüßen.

Aus seinem fragmentarischen, 1668 in Lublin gedruckten Reisebericht ergibt sich, dass er am Tag vor dem Fasttag im Monat Tamus des Jahres 5372 (was sich in knapp zwei Wochen zum vierhundertsten mal jährt, gestern war rosch chodesch), also am Montag, den 6. Juli 1612 mit seinen Begleitern in Jerusalem von Norden her ankam. Seiner Beschreibung gemäß besaß die Stadt zwar eine prächtige Stadtmauer, die noch gewaltiger gewesen sein soll, als jene der Stadt Augsburg, während der heilige Ort selbst jedoch eher traurig und verlassen wirkte und noch nicht mal annähernd die Hälfte der Einwohner Augsburgs gehabt haben soll. Die schwäbische Reichstadt hatte damals, wenige Jahre vor Beginn des 30jährigen Krieges etwa 40.000 Einwohner und erlebte gerade eine Art Bauboom, u.a. wurde von 1615-20 das neue Augsburger Rathaus gebaut, weshalb die Vergleiche des Rabbiners interessant sind. Die „mohammedanischen“ Herren hatten an Jerusalem kein großes Interesse, anders als zahlreiche jüdische und christliche Pilger, die aus allen Gegenden in die Stadt kamen und sich gegen hohe Bezahlung einige Tage dort aufhalten durften. In der Stadt selbst gab es jüdische Gemeinden unweit des Berges auf welchem in früheren Zeiten das Heiligtum stand, deren Menschen er auf über 500 schätzt, die drei große Synagogen unterhielten, mehr als ein halbes Dutzend Mikwot, nämlich deren sieben, mehrere kleinere, private Gebetsstuben und Schulen.  Die Jerusalemer Juden, worunter schon einige Schwaben und auch Verwandte des Gesandten aus Pfersee waren übten meistens handwerkliche Berufe aus, wofür sie von den Mohammedanern sehr geschätzt wurden, vor allem als Schneider (תופר), Schumacher (סנדלר) und bemerkenswerter Weise soll es auch bereits einen französischen Uhrmacher (שען) namens Natan gegeben haben, der für den mohammedanischen Herrscher arbeitete, mit diesem gut auskam und sich oft auf dessen Burg in „Ramila“ (wohl Ramallah) aufhielt, von welcher aus das Land, in welchem es “mehr Füchse als Menschen” gab, beherrscht wurde. Ganz im Gegensatz dazu schildert er die jüdischen Gemeinden in der Stadt, die meist Spanier, Franzosen oder Italiener und Griechen von ihrer Herkunft waren. Sie waren sehr gebildet und bewandert in medizinischen, astronomischen, geographischen und Rechenkünsten.

Rabbi Wolf schildert eine Reihe bemerkenswerter Einzelheiten Jerusalems, wie etwa den מגדל דוד, den sog. David-Turm, aber auch den Tempelberg und die Moscheen der Stadt. Mit besonderem Interesse schildert er auch eine Synagoge der Karäer, von denen es noch eine kleine Gruppe gab. Sie war in einem Keller des jüdischen Viertels untergebracht und konnte nur durch eine Treppe erreicht werden. Auch beschrieb er das viel zitierte Tore der Gerechten (שער הרחמים), das manche auch das „Goldene Tor“ nannten:

Niemand, auch nicht dem Frommsten ist es gestattet hier durchzugehen, vielmehr achten unsere Gerechten (צדיקים) wie auch die Weisen der Mohammedaner und die Oberen der Christen darauf, dass keiner es wagt. Wann immer ein Fremder es doch wagt, erhebt sich ein Aufstand gegen ihn und er wird mit Steinen und Beschimpfungen aller vertrieben. Unter den Juden in Jerusalem wird gesagt, dass durch das Tor die Schechina verschwand und dereinst wieder durch das selbe in die Stadt einkehren werde. Wenn die Toten wieder auferstehen, wird das Tor geöffnet sein. Auch wird gesagt, dass die Schüler Mohammeds das Tor zumauerten, weil sie fürchteten, dass der Messias der Juden in die Stadt käme wie geweissagt wurde. Dies zeigt, dass sie die Juden zwar respektieren, aber auch fürchten sie sie.“

Wie bereits auf der Hinreise besuchte er auch auf dem Rückweg den jungen Sultan Ahmed, wo er eingeladen wurde zum Fest anlässlich der Geburt dessen Sohnes.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b9/I_Ahmet.jpg

Rabbi Wolf Ischschachar Ulmo starb am 4. Adar scheni 5410 (entspricht dem römischen Datum 25. Februar 1650) in Pfersee und wurde am jüdischen Friedhof von Pfersee und Kriegshaber begraben.

 

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