Gedenktage Augsburger Juden: 11. bis 13. März

March 10, 2023

am 11. März:

1701 Tod von Mayer Mendle, 78 Jahre alt aus Kriegshaber;

1811 Geburt von Moses Bauer, gest. 1894;

1841 Geburt von Thea Dann, n. Stein, gest. 1900;

1843 Geburt von Helene Weimann, gest. 1877;

1847 Geburt von Ludwig Bauer, gest. 1915;

1849 Geburt von Bertha Gunz, n. Dick, gest. 1925;

1885 Geburt von Sara Mayer, geb. Gutmann, gest. 1918;

1901 Geburt von Alfons Moos, gest. 1925;

Alfons Moos wurde 1901 in München geboren. Er war Buchhalter von Beruf und arbeitete für das renommierte Augsburger Kaufhaus Landauer. Er wohnte in der Eliesenstraße 10 (direkt am Wittelsbacher Park) mit seiner Schwester Josefine, die ebenfalls Bankbuchhalterin bei Landauer war. Alfons war unverheiratet und kinderlos und starb im Sommer 1925 im Alter von nur 24 Jahren. Die Todesursache ist uns unbekannt. Alfons wurde am Friedhof in Hochfeld begraben. Im Jahr darauf verliert sich auch die Spur von Josefine.

1895 Tod von Leopold Kohn, geb. 1828;

1924 Tod von Michael Ullmann, geb. 1855;

1925 Tod von Babette Dampf, n. Oberdorfer, geb. 1865;

1943 Tod von Johann Ullmann, geb. 1884;

 

am 12. März:

1654 Tod von Elischewa Ulmo aus Pfersee, Frau von Rabbi Kalman Ulmo;

1803 Geburt von Arnold Schwarz, gest. 1880;

1806 Geburt von David Bauer, gest. 1876;

1837 Tod von Mina Ulmo, 66 Jahre alt, aus Pfersee, Frau des Gemeindevorsitzenden Ber Ulmo;

1865 Geburt von Emma Jacobson, n. Rosenau, gest. 1935;

1865 Geburt von Heinrich Rosenfelder, gest. 1918;

1892 Geburt von Arthur Stein, 1918 für Deutschland im Weltkrieg an der Front gefallen;

1927 Tod von Hermann Einstoss, geb. 1901;

1937 Tod von Fanny Hummel, n. Reiter, geb. 1868;

 

am 13. März:

1842 Geburt von Anna Frank, n. Farnbacher, gest. 1917;

1852 Geburt von Jeanette Wassermann, n. Moos, gest. 1925;

1857 Geburt von Mathilde Lehrberger, n. Binswanger, gest. 1913;

1860 Geburt von Sophie Bach, n. Horkheimer, gest. 1936;

1868 Geburt von Therese Aufhäuser, gest. 1881 im alter von 13 Jahren;

1869 Tod von Heinrich Veit Bachmann, geb. 1841;

1869 Tod von Benjamin Heumann, geb. 1842;

1885 Tod von Jonas Levinger;

1892 Geburt von Lilli Schloss, n. Sander, 1945 in Auschwitz umgekommen;

1922 Tod von Ida Gutmann, geb. Schülein, geb. 1854;

1933 Tod von Samuel Steinfeld, geb. 1863;


Samuel Steinfeld (1863-1933) jüdischer Kantor in Augsburg

November 13, 2011

Samuel ben Meir Steinfeld wurde am 6. Juli 1863 im hessischen Josbach (bei Marburg) geboren, wo Angehörige eine Matzen-Bäckerei betrieben. Seine Ausbildung zum Lehrer und Kantor erhielt er in Köln, in Meckenheim, Gailingen und Sinsheim die ersten Anstellungen. In Sinsheim heiratete er Cecilie Kahn mit der er sechs Töchter und einen Sohn hatte. 1890 erhielt er eine Anstellung als Hilfskantor in Karlsruhe. 1895 bewarb er sich um die Stelle des ersten Kantors bei der Israelitischen Gemeinde in der Wintergasse in Augsburg. Zuvor wurden immer wieder die „Zustände“ in der Augsburger Gemeinde Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen. So meldete die Zeitschrift „Der Israelit“ beispielsweise im Februar 1893, dass zu einem Gottesdienst am Montagmorgen keiner der beiden angestellten Kantoren erschienen war und spekulierte ob deren Fernbleiben mit einem Opernball am Vorabend zu tun haben oder einen anderen Grund haben könnte, da ihre Abwesenheit unerklärt blieb. Schließlich seien aber zwei ältere Herren für die Abwesenden eingesprungen, wovon der eine die Gebete vortrug und der andere die Lesung aus der Thora vorgenommen habe. Ein solcher Vorfall hatte in jener Zeit für eine jüdische Zeitung offenbar durchaus noch Nachrichtenwert, wenngleich die Schlussbemerkung der Kurznachricht dies auch bereits relativiert: „Ein Indifferentismus in religiösen Sachen, wie er hier existiert, ist nirgends anzutreffen. Wolle man die Missstände, die in religiöser Beziehung dahier herrschen, alle aufzählen, so bedürfte man dazu bedeutend mehr Raum, als im ‘Israelit’ zu Verfügung steht.”

Die Aufgabe des Kantors umfasste die Organisation der Gottesdienste, den Synagogen-Chor, den Religionsunterricht für die jüdischen Kinder der Gemeinde, wie auch für Konvertiten, die zum Judentum übertraten, schließlich auch die Betreuung der Armenkasse und die Funktion als Beschneider (Mohel). Zweifellos hatte Augsburg also Bedarf für einen verlässlichen neuen Kantor und Samuel Steinfeld, der aus sechzig Bewerbern ausgewählt wurde, entsprach offenbar den Vorstellungen und Ansprüchen und blieb sodann bis zu seinem Abschied im Jahre 1929 ganze 34 Jahre im Amt. Der Überlieferung nach war Samuel Steinfeld auch der erste der in Augsburg in der Synagoge elektrisches Licht anschaltete. In der Halderstraße war auch sein Wohnsitz gemeldet und er war unter der Augsburger Direktwahl mit der zweistelligen Telefonnummer „15“ zu erreichen, was darauf schließen läßt, dass er auch hier zu den Ersten in der Stadt gehörte.

Zu seinem Abschied vermeldete die „Bayerische Israelitische Gemeindezeitung“ (14/1929):

Am 1. Juli trat außer dem Bezirksrabbiner Dr. Grünfeld ein weiterer sehr verdienter Beamter der Israelitischen Kultusgemeinde Augsburg in den Ruhestand, Herr Oberkantor Samuel Steinfeld. Schon an dem Ehrenabend für Herrn Dr. Grünfeld hatte der erste Vorstand Herr Justizrat Dr. Eugen Strauß, bei der Betonung des guten Verhältnisses zwischen Rabbinat und Beamtenschaft auch des aus dem Amte scheidenden Oberkantors Steinfeld gedacht. Eingehend und gebührend gewürdigt aber wurden dessen Verdienste, namentlich um den Gottesdienst, in einem ehrenvollen Handschreiben der Kultusverwaltung, das insbesondere hervorhebt, dass der der nach 34jähriger arbeitsreicher Augsburger Amtstätigkeit in den Ruhestand tretende Beamte durch wundervolle Gestaltung des Gottesdienstes Erhebliches für die religiöse Befriedigung der Gemeindeangehörigen geleistet hat. Zum Zeichen des Dankes wurde gleichzeitig von der Verwaltung eine Ehrengabe übermittelt. Auch der Stadtrat Augsburg sandte ein sehr ehrendes Anerkennungsschreiben und betonte das gewissenhafte und erfolgreiche Wirken als Religionslehrer in der städtischen höheren Mädchenschule. Der Direktor dieser Schule, Herr Oberstudiendirektor Dr. Hermann, erfreute den scheidenden Beamten durch eine intime Feier im Lehrerzimmer und dankte demselben für seine ersprießliche Dienstleistung. Die Übergabe eines Erinnerungsgeschenkes des Lehrerkollegiums und die Dankworte des Gefeierten beschlossen die Feier. Die Schülerinnen erfreuten ihren Lehrer in der letzten Unterrichtsstunde durch ein sinniges Geschenk. Herr Hauptlehrer Rosenfeld (München) machte sich in seiner Eigenschaft als erster Vorstand des Israelitischen Lehrervereins für Bayern zu dessen Dolmetsch, und in gleicher Herzlichkeit brachten die Ortskollegen ihre Wünsche zum Ausdruck.

Bei dem Abschiedsgottesdienst am 29. Juni wurde Oberkantor Steinfeld als Erster aufgerufen und mit einem von Oberkantor Heimann verfassten und überaus wirkungsvoll vorgetragenen „Mischeberach“ beehrt. Mehrere Kompositionen des scheidenden Oberkantors, darunter eine sehr melodische „Keduschah“ werden seinen Namen mit der musikalischen Ausschmückung des Gottesdienstes verbunden halten.“

Die Auflistung der Ehrenbekundungen liest sich in ihrem Formalismus heute etwas eigenartig. Samuel Steinfeld starb am 13. März 1933. Die Grabrede für Steinfeld am jüdischen Friedhof im Stadtteil Hochfeld hielt Rabbiner Walter Jacob. Vier Tage zuvor hatten die Nationalsozialisten auch in Augsburg mit der Absetzung des 1929 gewählten Stadtrats das Rathaus übernommen und gewaltige Hakenkreuzfahnen aufgehängt. Diese sollten, wie Gauleiter Wahl abends bei einem Fackelzug der Nazis durch die Augsburger Innenstadt bekundete zeigen, dass nun „eine Neue Zeit angebrochen“ sei. Die politischen Verhältnisse brachten es mit sich, dass weder seine Frau noch eines seines Kinder in Augsburg blieben. Seine 1892 in Karlsruhe geborene Tochter Bianca, die zum Zeitpunkt seines Todes bei der St. Moritzkirche in der Maximilianstraße ein angesehenes Kaffeegeschäft betrieb, wanderte nach Israel aus, während ihre ältere Schwester Rosa 1942 in das „Durchgangslager“ Izbica deportiert wurde, von wo Gefangene in die Lager Belzec und Sobibor verschickt wurden. Hier verliert sich ihre Spur. Ihre Geschwister und Mutter emigrierten in die USA.

Steinfelds älteste am 29. September 1887 in Sinsheim geborene Tochter Martha studierte (wie später ihre jüngere Schwester Selma) ab 1906 in München Zahnmedizin und lernte dabei den aus Nürnberg stammenden Ernst Viktor Spitzer kennen. 1911, also vor hundert Jahren kam es in der heute regulär benutzten damaligen Hochzeitssynagoge in Augsburg deshalb auch zu einer wohl noch immer einzigartigen jüdischen Zahnarzt-Heirat. Die Trauung nahm Dr. Richard Grünfeld vor, während der Gottesdienst von Marthas Vater Samuel geleitet wurde. Die beiden Zahnärzte zogen jedoch nach Nürnberg, wo beide eigenständige Zahnarztpraxen betrieben. Aus der Ehe hervor gingen zwei Kinder, Tochter Helen und Sohn Helmut (1921-2007). In der Nazizeit emigrierte das Zahnarztehepaar nach Chicago, Illinois, wo Martha gemäß einer Todesanzeige im deutsch-jüdischen „Aufbau“ bereits am 10. Oktober 1946 verstarb.

 

(source: „Aufbau“, Friday 18th October 1946): Obituary for Dr- Martha Spitzer Steinfeld by her husband Dr Ernst Spitzer, son in law and daughter Jack and Ellen Sandmann, and then unmarried son Helmut R. Spitzer

Ebenfalls nach Chicago waren auch der am 8. September 1895 geborene Julius (Isaak) Steinfeld und seine Mutter Cecilie gekommen. Julius war 1922 zunächst nach Mannheim, wo er Medizin studierte und sich bald als Psychologe und Nervenarzt bald Ruhm und Ansehen erwarb. 1936 emigrierte er mit seinen verwandten über Frankreich in die Vereinigten Staaten. In Des Plaines, einem nördlichen Vorort von Chicago im Staate Illinois gründete er das Forest Sanatorium, in welchem auch seine Mutter bis zu ihrem Tod im Jahre 1950 bei ihm wohnte. Julius Steinfeld widmete sich vor allem der Schizophrenie, einem Bereich in dem er als Autorität geschätzt wurde, verfasste aber bereits 1927 fachliche Beiträge zur damals noch recht jungen Sexualforschung, zu einer Zeit als sich Kinsey noch mit Wespen beschäftigte.

Leider spielte Julius Steinfeld noch eine traurige (Neben-)Rolle in einem spektakulären Mordfall, der im Herbst 1955 Chicago und darüber hinaus die gesamte amerikanische Nation erschütterte. Damals hatten sich drei Jungen im Alter von 11 bis 13 Jahren an einem Sonntagnachmittag mit Erlaubnis ihrer Eltern zu einem Kinobesuch verabredet, von dem sie jedoch niemals mehr zurückkamen. Ihre später aufgefundenen Leichen ließen wenig Zweifel daran, dass es sich um Sexualverbrechen handelte. Anton Schuessler, 42jähriger Vater zweier der Opfer erlitt bei der Identifikation der Leichen seiner Söhne einen Nervenzusammenbruch und verlor den Lebensmut. Als er in den Folgetagen immer öfter Andeutungen über seinen Selbstmord machte, veranlasste seine Frau Eleanor Schuessler am 9. November seine Einlieferung in eine Nervenklinik, eben in jenes Forest Sanatorium and Rest Home in Des Plaines. Dr. Steinfeld befasste sich ausführlich mit seinem neuen Patienten, da sich jedoch keine Besserung seines Zustands ergab, verordnete er eine, damals durchaus gängige Behandlung durch Elektroschocks. Dabei starb der Patient jedoch, 26 Tage nach seinen Söhnen. Da der Mord an den drei Jungen unaufgeklärt blieb und noch lange Zeit bleiben sollte, wurde der Vater sozusagen als viertes Mordopfer aufgefasst. Flugblätter die in Chicago verteilt wurden hoben hervor, dass es ein jüdischer Arzt war, der den trauernden Vater ermordet habe und fragten, warum dem wohl so sei. Entsprechend wurden die ermordeten (katholischen) Kinder einem klassischen jüdischen Ritualmord-Komplott zugeschrieben, gedeckt von dem leitenden polizeilichen Ermittler Lohman, der ebenfalls Jude war und seitens der Stadtregierung die offenbar für angemessen gehaltene Ausschreitungen gegen „die anderen Juden“ fürchtete. Ärztekollegen, offenbar beeindruckt von dem Aufruhr den, das nach seinen Opfern „Peterson-Schuessler-Case“ benannte Verbrechen hervorrief, griffen Dr. Steinfeld in seiner ärztlichen Kompetenz an und deuteten den Zusammenbruch des Vaters vor der Einlieferung in seine Klinik als Herzanfall und unterstellten, dass er wissentlich einem Herzkranken Elektroschocks verabreicht habe und so dessen Tod bewirkt habe. Zwar ergaben die Krankheitsakten des Verstorbenen keinerlei Hinweise auf ein bekanntes Herzleiden, doch in der Fülle und Konsequenz der massiven Anschuldigungen, die mitunter offen ausgeprägte antisemitische Züge annahm, schloss Dr. Steinfeld seine Klinik und verließ kurz darauf Chicago und seine neue Wahlheimat. Er übersiedelte nach Zürich in die Schweiz, wo er wenig später ernüchtert und entkräftet 1956 verstarb. Der Mörder der Kinder Kenneth Hanson wurde erst 1994 ermittelt, als dieser längst wegen anderer Delikte – er hatte 1973 seinen Halbbruder ermordet – in Haft saß. Zur Tatzeit im Jahre 1955 war er 22 Jahre alt. 1995 wurde er zu weiteren 300 Jahren Haft verurteilt, starb aber bereits im Jahr 2007.

Fachpublikationen von Dr. Julius Steinfeld (1895-1956):

Julius Isaac Steinfeld: “Ein Beitrag zur Analyse der Sexualfunktion,”
Zeitschrift für die Gesamte Neurologie und Psychiatrie 107 (1927).

Julius Isaac Steinfeld: Therapeutic studies on psychotics;
a psychological and psychosomatic approach in four papers. [1st ed.] Des Plaines
, 111. [1951] 262 p

Julius Isaac Steinfeld-: Therapeutic studies on psychotics : a psychological and psychosomatic approach in four paper[s] / by Julius I. Steinfeld. (Des Plaines, Ill. : Forest Press, c1951) (page images at HathiTrust), 262 p. http://catalog.hathitrust.org/Record/001564476

Julius Isaac Steinfeld: A new approach to schizophrenia. (New York, Merlin Press, 1956), 195 p. http://catalog.hathitrust.org/Record/001565037

Literatur zum Mordfall in Chicago 1955:

James A. JackThree Boys Missing: The Tragedy That Exposed the Pedophilia Underworld, Chicago 2006

http://www.prairieghosts.com/spmurders.html

Samuel ben Meir Steinfeld (1863-1933) from 1895 until 1929 was cantor (chazan, חזן) of Augsburgs Jewish community and more than others influenced the appearance of Augsburgs Jewry in this time. He died a couple of days after the Nazis in Augsburg took over the townhall and flew their swastika flags within the city. Steinfeld was buried at the Hochfeld Cemetery in Augsburg, where his grave markers still exist. He had six daughters and a son. Daughter Rosa, mentioned at his grave marker was murdered in German occupied Poland, his wife and other children managed to ecape the Nazi. His son Julius (Isaak) however had to face US-American antisemites ten years after Hitler.