Neues Buch (15.08.2019)
Yehuda Shenef (Autor), Freundeskreis Synagoge Hainsfarth (Herausgeber):
JÜDISCHES HAINSFARTH
Mikwe – Synagoge – Schule – Friedhof
erhältlich in Hainsfarth in der ehemaligen Synagoge
היינספארט
Neues Buch (15.08.2019)
Yehuda Shenef (Autor), Freundeskreis Synagoge Hainsfarth (Herausgeber):
JÜDISCHES HAINSFARTH
Mikwe – Synagoge – Schule – Friedhof
erhältlich in Hainsfarth in der ehemaligen Synagoge
היינספארט
Zu Beginn des 16. Jahrunderts war Kleinerdlingen ein Ausweichort für die Juden der nahen Reichsstadt. Die ersten erhaltenen Zeugnisse über Juden in “Klein-Nerdlingen” (die unkomplizierteste und wahrscheinlich auch plausibelste unter vielen abweichenden Schreibweisen des Ortsnamen) werden aber bereits ins 15. Jahrhundert nach christlichem Kalender datiert. Von der letzten Synagoge in Kleinerdlingen gibt es heute keine sichtbaren Überreste mehr. Das historische Gebäude wurde – übrigens erst “vor einigen Jahren” – abgerissen, um Platz für ein privates Wohnhaus zu schaffen. Eigenartiger Weise scheint es aber trotzdem keine neuzeitlichen Aufnahmen der alten Synagoge zu geben, jedoch existiert eine Innenaufnahme von Theo Harburger aus dem Jahr 1926 (CAHJP):
Interior of former synagogue of Kleinerdlingen near Noerdlingen (Ries, Swabia)
Auch vom Tauchbad der Kleinerdlinger Juden, der Mikwe, fehlt jede Spur, und trotz der Überschaubarkeit des kleinen Ortes gibt es auch hier keine bleibende Erinnerung darüber, wo genau sie sich befand. Andererseits verläuft aber nahe der ehemaligen Synagoge dann aber doch ein kleiner Bach, der für das Tauchbad das erforderliche Wasser herbeigebracht haben dürfte:
Namentlich an die jüdische Gemeinde erinnert am Ort die heute noch erhaltene Bezeichnung “Judenhof”, die offensichtlich als Eruv konzipiert wurde, was nun jedoch durch bauliche Veränderungen schwindet.
Die Fenster des alten Hauses im Judenhof stimmen stilistisch scheinbar mit der Aufnahme aus dem Inneren des Betraumes überein.
old Jewish house at so called Judenhof in Kleinerdlingen (since 1972 part of Noerdlingen)
Trotz der langen Geschichte der Oettinger Juden bekamen sie erst um 1850 einen eigenen Friedhof, der sich jedoch außerhalb des historischen Ortskerns neben dem heute eingemeindeten Siegenhofen befindet heute noch davon verkehrstechnisch getrennt (Muehlstr. 44). Vom Friedhofsgelände aus hat man Richtung Osten einen Blick ins benachbarte Hainsfarth. Die Synagoge der damaligen Kultusgemeinde befand sich am Südende Oettingen in der Nähe des Königtors, weshalb von den wahrscheinlich anliegenden Häusern der Weg bis zum Friedhof etwa 1.3 Kilometer oder im Trauerzug ca. 20 bis 30 min. betrug. Nur etwa 40 % des heute ummauerten Friedhofsgeländes sind als Grabfläche ausgewiesen, den weit größeren Teil nimmt das (bewohnte?) ehemalige Tahara-Haus und eine größere, durch Drahtzaun abgetrennte Grasfläche ein, auf der sich auch Garten- und Geräteschuppen befinden. Auf dem Friedhof befinden sich etwa 320 Grabsteine in recht unterschiedlichen Erhaltungszustand. In nicht wenigen Fällen ist die deutsche Inschrift besser erhalten, während zahlreiche hebräische spurlos zerbröckeln. Dokumentation: siehe Links unten
Grüne Umrandung entspricht dem Mauerverlauf, die rote zeigt die Fläche die mit Grabsteinen belegt ist. The greenish border follows the cemetery wall, the red one however displayes the much smaller area with remaining grave markers .
The Jewish cemetery of Oettingen (Siegenhofen) was established only in 1850. Far less of the half of the walled in area is accounted as grave site. There some 320 grave markers left in quite different conditions. Most of the headstones have a Hebrew inscription and a German on the reverse. Tendentially the German inscriptions are in a better state. However there is a comprehensive documentation of the cemetery as it was in 2005 by Rolf Hofmann http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-GRAVELIST.pdf with name index http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-INDEX.pdf and map correspondence http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-MAP.pdf
Blick vom Jüdischen Friedhof Oettingen nach Hainsfarth
Die Rabbiner im schwäbischen Hainsfarth
May 19, 2013Ein Film von Sibylle Tiedemann, gemäß Wikipedia bereits im Jahr 2001 im Auftrag des bayrischen Rundfunks entstanden (der sich aber weder in der Mediathek von BR TV oder BR Alpha, noch auf youtube oder auf DVD finden lässt), trägt den Titel „Hainsfarth hatte einen Rabbiner“. Kurzbeschreibungen gemäß beschäftigt sich der 45-minütige Dokumentarfilm jedoch in erster Linie mit damals bereits sehr betagten (christlichen) Zeitzeugen und ihren Erinnerungen an die um 1940 ausgelöschte jüdische Gemeinde von Hainsfarth. Der Titel spielt auf einen neuzeitlichen, nur zeitweilig in Hainsfarth tätigen Hilfsrabbiner an. Die Absicht bestand wohl darin, für den auch in modernen jüdischen Quellen kaum beachteten Ort, eine gewisse Aufmerksamkeit zu wecken.
Die zeitgenössische (christliche) Forschung scheint sich aber völlig einig darüber, dass die Hainsfarther Juden keinen eigenen Rabbiner hatten. Auf Seite 1 seines umfassenden Buches über das neuzeitliche Hainsfarth im 19. und 20. Jahrhundert (Wissner-Verlag 2002) sagt dies Prof. Herbert Immenkötter knapp und deutlich „Aber einen Rabbiner hat Hainsfarth nie gehabt“. In der Fußnote beruft er sich dabei auf einen entsprechenden Beitrag von Hermann Kucher zu den „Rieser Kulturtagen 1998“ (Nördlingen 2000). Schließlich heißt es dann auch in der 2005 erschienen Ortschronik „1200 Jahre Hainsfarth“ auf Seite 172 klipp und klar: „Die jüdische Gemeinde von Hainsfarth hatte zu keiner Zeit einen eigenen Rabbiner.“
Für die Feststellung, dass Hainsfarth zu keinem Zeitpunkt seiner Geschichte Rabbiner besessen habe, bedurfte es demnach auch keiner Argumente oder Erläuterungen, sondern es reichte die bloße Behauptung, die in gegenseitigen Referenzen allenfalls noch im Satzbau umgestaltet wurde.
In unserem eigenem Beitrag zu Hainsfarth auf diesem Webblog vom 5. Oktober 2010 hieß es – auch weil Hainsfarth nur eine von vier Friedhofstationen an diesem Tag war und Zeit für eine Nachprüfung der Quellen von vor Ort aufgefundenen Behauptungen fehlte – jedoch etwas vorsichtiger: (Hainsfarth) „… hatte in der Neuzeit keinen Rabbiner napoleonischer Facon“. Diese Vorsicht war, wie man sich bereits denken konnte, ganz angebracht.
In seinem Beitrag zur 1996 erschienen Broschüre „Die ehemalige Synagoge Hainsfarth“ zitierte der ehemalige Schuldirektor und Heimatforscher Albert Schlagbauer (1913-2001) jedoch in seinem Artikel zu „100 Jahre israelitische Schule in Hainsfarth“, eine Mitteilung aus dem Jahr 1672: „Joseph Esel zu Heinsfurt Sohn, oettingisch-oettingisch schutzverwandten Juden, hat den Judenschuelmeyster Abraham wegen eines am Schechten nit geratenen Bocks vor der Schül injuriert.“
Schlagbauer ist zwar bewusst, dass der erstmals 1667 erwähnte Abraham „Meister der Synagoge“ genannt wurde, geht aber davon aus, dass es keinen Rabbiner in Hainsfarth gab. Also auch nicht vor 1800. Woher seine Auffassung stammt, bleibt unklar, jedoch ist ihm bekannt, dass Schulmeister Abraham auch als Schächter, Vorsänger und Talmudlehrer der Hainsfarther Gemeinde tätig war. All dies wären jedoch auch Aufgaben eines Rabbiners gewesen, während andererseits im 17. Jahrhundert ganz sicher auch in Hainsfarth keine Schule bestand, die den Anforderungen der bayrischen Reformen von 1813 um eineinhalb Jahrhunderte vorweggegriffen hätte.
Bereits in mittelalterlichen Quellen wird der Begriff „Rabbiner“ einem lateinischen „magister“ entsprechend aufgefasst und deutsch als “Meister” übersetzt. Ein Augsburger Beispiel wäre Schulmeister Koppelman, der zweifelsfrei in Nürnberg und Augsburg als Rabbiner bekannt war, letzteres im Sinne eines Vorsitzenden des Rabbinatsgerichts, das vor Ort wenigstens aus drei rabbinischen Richtern bestehen musste. In der Regel sind jene awot-bet-din, die Mittelalter als Rabbiner oder Meister, Schulmeister, Hochmeister und dergleichen genannt werden, auch als Oberhäupter der jüdischen Gemeinden aufgefasst (und oft auch missverstanden worden).
Neben dem für die Zeit um 1670 genannten Schulmeister und Schächter Abraham lassen sich, in hebräischen Quellen noch um 1764 Rabbi Jakob Ettingen und 1783 Rabbi Hirsch ben R. Schimon als für Hainsfarth genannte Rabbiner u.a. als Subskribenten finden, weshalb man davon ausgehen kann, dass es wohl über hundert Jahre lang Rabbiner in Hainsfarth gab.
Der in den 1780ern genannte Rabbi Hirsch könnte aber vielleicht der letzte in dieser Kette gewesen sein, da ab Ende August 1795 der in Oettingen sitzende Rabbiner Pinchas Jakob Katzenellenbogen auch für Hainsfarth zuständig wird. Aber noch über dreißig Jahre später bemängelt der Magistrat von Oettingen, in Bezug auf die ab 1813 vorgeschriebenen deutschen Predigten, dessen unzureichende Deutschkenntnisse und dass dieser nur hebräische Ansprachen halte (1826). Gut nur, dass der Rebbe nicht erfahren musste, dass heutige “Experten” behaupten, dass Hebräisch eine bereits in der Antike ausgestorbene Sprache war … wie unlängst beim Vortrag eines Pfarrers bei der DIG in Augsburg zu hören war.
Rabbiner im Sinne der angestrebten Reform mussten freilich auch erst mal erfunden werden. Sie waren dann imstande den eigentümlichen griechisch-lateinischen Gelehrten-Mischmasch nachzuahmen und statt Tfilin von Phylakterium zu sprechen, das sefer dwarim „Deuteronomium“ zu nennen und sich wie christliche Pfaffen zu kleiden. Immerhin sind diese aber der heutigen Forschung als “Rabbiner” im beruflichen Sinne ausreichend verständlich. Und tatsächlich scheint Hainsfarth keine Berufsrabbiner dieser (staatlichen) Facon gehabt zu haben. Wahrscheinlich kein wirklicher Makel.
Rabbiner im Sinne der authentischen jüdischen Überlieferung gab es, ohne Zweifel.
Although contemporary historians and local experts on rural Jewish community (among them the retired Augsburg Professors Immenkoetter and Kiesling, the later had a talk in Hainsfarth last week) maintain that the Jewish community in Hainsfarth at no time had an own rabbi in the course of their century long history, at least three true rabbis in the time from 1667 to 1783 are actually known. One Abraham is already mentioned in the second half of the 17th Christian century as “schulmeister” (school master), what in previous times, when there were no ordinary schools in rural villages was of course the rabbi. Two others were mentioned in Hebrew sources and of course it likely is possible to find further names. So far the academic experts had no need to explain their surprisingly unique and unrivaled stance, which however appears as incorrect and does not even bear a simple once-over.