Gedenktage Augsburger Juden: 11. bis 13. März

March 10, 2023

am 11. März:

1701 Tod von Mayer Mendle, 78 Jahre alt aus Kriegshaber;

1811 Geburt von Moses Bauer, gest. 1894;

1841 Geburt von Thea Dann, n. Stein, gest. 1900;

1843 Geburt von Helene Weimann, gest. 1877;

1847 Geburt von Ludwig Bauer, gest. 1915;

1849 Geburt von Bertha Gunz, n. Dick, gest. 1925;

1885 Geburt von Sara Mayer, geb. Gutmann, gest. 1918;

1901 Geburt von Alfons Moos, gest. 1925;

Alfons Moos wurde 1901 in München geboren. Er war Buchhalter von Beruf und arbeitete für das renommierte Augsburger Kaufhaus Landauer. Er wohnte in der Eliesenstraße 10 (direkt am Wittelsbacher Park) mit seiner Schwester Josefine, die ebenfalls Bankbuchhalterin bei Landauer war. Alfons war unverheiratet und kinderlos und starb im Sommer 1925 im Alter von nur 24 Jahren. Die Todesursache ist uns unbekannt. Alfons wurde am Friedhof in Hochfeld begraben. Im Jahr darauf verliert sich auch die Spur von Josefine.

1895 Tod von Leopold Kohn, geb. 1828;

1924 Tod von Michael Ullmann, geb. 1855;

1925 Tod von Babette Dampf, n. Oberdorfer, geb. 1865;

1943 Tod von Johann Ullmann, geb. 1884;

 

am 12. März:

1654 Tod von Elischewa Ulmo aus Pfersee, Frau von Rabbi Kalman Ulmo;

1803 Geburt von Arnold Schwarz, gest. 1880;

1806 Geburt von David Bauer, gest. 1876;

1837 Tod von Mina Ulmo, 66 Jahre alt, aus Pfersee, Frau des Gemeindevorsitzenden Ber Ulmo;

1865 Geburt von Emma Jacobson, n. Rosenau, gest. 1935;

1865 Geburt von Heinrich Rosenfelder, gest. 1918;

1892 Geburt von Arthur Stein, 1918 für Deutschland im Weltkrieg an der Front gefallen;

1927 Tod von Hermann Einstoss, geb. 1901;

1937 Tod von Fanny Hummel, n. Reiter, geb. 1868;

 

am 13. März:

1842 Geburt von Anna Frank, n. Farnbacher, gest. 1917;

1852 Geburt von Jeanette Wassermann, n. Moos, gest. 1925;

1857 Geburt von Mathilde Lehrberger, n. Binswanger, gest. 1913;

1860 Geburt von Sophie Bach, n. Horkheimer, gest. 1936;

1868 Geburt von Therese Aufhäuser, gest. 1881 im alter von 13 Jahren;

1869 Tod von Heinrich Veit Bachmann, geb. 1841;

1869 Tod von Benjamin Heumann, geb. 1842;

1885 Tod von Jonas Levinger;

1892 Geburt von Lilli Schloss, n. Sander, 1945 in Auschwitz umgekommen;

1922 Tod von Ida Gutmann, geb. Schülein, geb. 1854;

1933 Tod von Samuel Steinfeld, geb. 1863;


Gedenktage Augsburger Juden: 1. bis 4. März

February 28, 2023

am 1. März:

1730 Tod von Isaak Berger, 54 Jahre, aus Steppach;

1804 Tod von Jehuda Ulmo, 54 Jahre alt aus Steppach;

1815 Tod von Lene Schimmel, Steppach, Kind, 3 Jahre alt;

1819 Tod von Jette Auerbacher, 54 Jahre, Schneiderin in Kriegshaber;

1828 Tod von Akiwa Auerbacher, 38 Jahre, Kriegshaber;

1834 Geburt von Julius Fuchs, gest. 1895;

1839 Tod von Leopold Katz, 56 Jahre alt, aus Lich in Hessen;

1851 Tod von David Feist aus Pfersee, 17 Jahre, wurde erstochen;

1862 Tod von Peppi Günzburger, Pfersee, 49 Jahre;

1866 Tod von Klara Götz aus Altenstadt;

1882 Geburt von Fanny Riegler, geb. Kahn, gest. 1933;

1886 Tod von Emilie Götz, n. Gunz, geb. 1813;

1889 Tod von Jette Bauer, n. Lammfromm, geb. 1825;

1928 Tod von Dr. med. Adolf Veith, geb. 1877;

1938 Tod von Ludwig Mendle, 59 Jahre; aus Kriegshaber;

*

am 2. März:

1875 Geburt von Eugen Oberdorfer, Schirmfabrikant, 1943 im KZ ermordet;

1909 Tod von Elias Horn;

1891 Tod von Louis Neuburger, Kind;

1933 Tod von Malwine Cohen, n. Horn, geb. 1869;

1944 Tod von Benno Arnold im KZ Theresienstadt, geb. 1876 in Augsburg;

1965 Tod von Pinkus Rapoport, geb. 1925;

*

“Stolperstein” in Augsburg

*

am 3. März:

1734 Tod von Fradel Löb aus Pfersee;

1770 Tod von Zirle Skutsch, aus Pfersee;

1801 Tod von Mayer Löwenstein, 45 Jahre aus Hohenems;

1812 Tod von Fradl Oppenheimer, 84 Jahre aus Kriegshaber;

1816 Tod von Lea Erlanger, 4jähriges Kind aus Steppach;

1819 Geburt von Bernhard Blumgart, gest. 1900;

1842 Tod von Samuel Heilbronner, 48 Jahre, aus Grünsfeld/Tauber, Vorsänger in Steppach;

1854 Geburt von Hermann Gunz, gest. 1922;

1870 Tod von Regina Heymann aus Steinhart;

1873 Tod von Anna Gutmann, Kind;

1884 Geburt von Emma Oberdorfer, n. Binswanger, gest. 1943 im KZ;

1888 Tod von Salomon Heymann, geb. 1818;

1893 Tod von Fanny Neumayer, n. Waitzfelder, geb. 1835;

1894 Tod von Clärchen Reckendorf, n. Kohn, geb. 1854;

1898 Tod von Raphael Landauer, geb. 1808;

1924 Tod von Max Dick, geb. 1854;

1940 Tod von Hannchen Deller, n. Schwarz, geb. 1864;

*

am 4. März:

1846 Tod von Simon Löwenthal;

1850 Geburt von David Gutmann, gest. 1923;

1878 Tod von Emilie Lauinger, n. Binswanger, geb. 1826;

1932 Tod von Jenny Hirschmann, n. Bamberger, geb. 1865;


Gedenktage Augsburger Juden: 18. und 19. Februar

February 17, 2023

am 18. Februar:

1817 Tod von Jonas Baumann aus Hammelburg;

1842 Geburtstag von Jacob Oberdorfer, gest. 1932;

Im Haus der heutigen Maximilianstraße 17 (ehemals C 4) befand sich über Jahrzehnte hinweg die Niederlassung der  Schirmfabrik von Jakob Oberdorfer (Wallerstein 1842-1932 Augsburg) mit Werkstätten im Hinterhaus und  Obergeschoss und mit Ladengeschäft zur Straße.

Augsburg Maximilianstr. 17, Burger King, Die Grünen, Haus Oberdorfer Schirmfabrik

1895 Tod von Helene Koblenzer, n. Erlanger, geb. 1804;

1913 Tod von Carl Kahn, geb. 1837;

1917 Tod von Moritz Schloss, starb als deutscher Soldat im Weltkrieg, geb. 1879;

1918 Tod von Thea Dann, geb. 1901;

1920 Tod von Josef Rödelheimer, geb. 1835;

1927 Tod von Marta Reiter, n. Hummel, geb. 1892;

 

am 19. Februar:

1825 Geburt von Karoline Binswanger, n. Kahn, gest. 1843;

1915 Tod von Rudolf Bernheimer, gefallen als deutscher Soldat, geb. 1889;

1982 Tod von Ilona Szego, geb. 1897;


Gedenktage Augsburger Juden: 25. – 28. Januar

January 25, 2023

am 25. Januar:

1790 Tod von Klara Levi, aus Hohenems, 45 Jahre, gestorben an Fieber;

1842 Geburt von Mina Lämmle, n., gest. 1921;

1869 Tod von Julie Wilmersdörfer, n. Berend, Frau des Bankiers Joseph W., geb. 1834;

1873 Tod von Clara Levi, 73 Jahre alt;

1882 Tod von Karoline Frank, n. Strauss, geb. 1805;

1942 Tod von Oskar Lustig in Buchenwald, geb. 1896;

 

am 26. Januar:

1805 Tod von Josle Schwab aus München, geb. 1735;

1806 Geburt von Peppi Bachmann, n. Mayer, gest. 1870;

1837 Tod Moritz Bamberger, 69 Jahre alt;

1850 Geburt von Simon Farnbacher, gest. 1929;

1878 Tod von Jeanette Hirsch, n. Hechinger, geb. 1812;

1897 Geburt von Friedrich Dessauer, gest. 1962;

1929 Tod Abraham Hechinger, geb. 1851;

1940 Tod von Hedwig Oberdorfer, geb. 1876;

Abraham Hechinger (1875, 24 Jahre alt)

 

am 27. Januar:

1790 Tod David Wolf Wertheimer in Pfersee, 48 Jahre alt;

1826 Tod von Gela Gumperz aus Kriegshaber;

1843 Geburt von Gabriel Hausmann, gest. 1915;

1892 Geburt von Selma Stiel, n. Strauss, gest. 1931;

1936 Tod von Heinrich Obermayer, geb. 1878;

2008 Tod von Estera Fischel, n. Gutmann, geb. 1920;

 

am 28. Januar:

1806 Tod von Abraham Uhlfelder, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in München, beigesetzt am Friedhof Pfersee/Kriegshaber;

1856 Geburt von Fanni Oberndorf, n. Lang, gest. 1938;

1883 Geburt von Saly Heidelberger; 1942 ermordet;

1913 Geburt von Ernst Cramer in Augsburg, gest. 2010 in Berlin;

1922 Tod von Moritz Reis, geb. 1839;


Augsburger Stolpersteine beschmiert

August 6, 2018

Fand heute nachmittag beim Gang durch die Maximilianstraße direkt vor der Burgerking-/ Die Grünen-Filiale, wo Kunden saßen und aßen die im letzten Jahr verlegten drei “Stolpersteine” zum Gedenken an Emma und Eugen Oberdorfer und an die Schirmfabrik von Jacob Oberdorfer mit jeweils einem weißen Buchstaben beschmiert. Offenbar fiel es niemanden auf und störte auch niemanden. Kaum vorstellbar, dass das bei Tageslicht gemacht wurde, während hunderte Leute hin und herlaufen. Dann aber hat es bis abends halb sechs auch niemand beachtet. Anyway, zu lesen stehen so quasi auf dem Kopf gestellt, die Buchstaben

C D B

die nun was besagen sollen?

Wikipedia kennt unter einem solchem Kürzel etwa die “Chinese Development Bank”, oder den “Codex diplomaticus Brandenburgensis”, eine Urkundensammlung zur Geschichte der Mark Brandenburg – beides eher ohne Bezug zu den Oberdorfern. Sollte es gar für “constant database” stehen? Oder für “see the bee”? Oder eine jener mörkwürdigen Abkürzungen aus dem Urban Dictionary die Hinweise auf den IQ jener Person geben könnte, die es wichtig befand, das Gedenken an die Nazi-Opfer in dieser Weise zu übermalen? Krank ist ein solches Tun auf jeden Fall.


Oberdorfer Schirme Augsburg

February 11, 2018

Unter dem Namen Oberdorfer & Gutmann gründete sich im 19. Jahrhundert in Augsburg eine sehr renommierte, weit überregional beachtete jüdische Schirmfabrik mit Fabrikation und Verkaufsräumen in Augsburgs Prachtsstraße der Maximilianstraße.

Werbung für Oberdorfer und Gutmann im Augsburger Adressbuch von 1873

Gutmann übernahm dabei die vorher in der Stadt ansässige Schirm-Fabrikation Geneve und brachte sie in das gemeinsame Unternehmen Oberdorfer und Gutmann ein, aus dem er sich später freilich wieder zurückzog, weshalb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts qualitativ hochwertige Schirmfabrikate, die sich mit den beleibten französischen Modelen und Vorbildern messen lassen konnten ausschließlich mit der heimischen Marke OBERDORFER in Verbindung gebracht wurden.

Auf den folgenden Bildern zu sehen ist ein nunmehr über hundert Jahre altes und somit rares Oberdorfer-Fabrikat aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg (ca. 1912), präsentiert von Margit Hummel, Friedberg.

(c) Photos: Yehuda Shenef (Geneve), 11. Feb. 2018

Margit Hummel strolling with a 1912 umbrella of Augsburgs once famous Oberdorfer umbrella factory fabrication, which in 19th centurry was founded as Oberdorfer & Gutmann and based on the acquisition of the renowned Geneve umbrella which nwas acquired by Gutmann.


Stolperstein – Verlegung in Augsburg

May 4, 2017

Heute morgen wurden in Augsburg erstmal sog. Stolpersteine auf öffentlichen Grund verlegt. Die ersten wurden Eugen Oberdorfer (1875-1943) und Emma Oberdorfer (1884-1943) gewidmet, die beide in Auschwitz ermordet wurden (sie früheren Bericht auf unserem Blog).

Die Steine werden von Gunter Demnig verlegt, der bereits 2005 von unserem verstorbenen Verwandten, Freund Arthur Obermayer für die Stolperstein-Initiative mit dem Obermayer Award ausgezeichnet worden war. Neben Frau Miriam Friedmann, der wieder in Augsburg lebenden Enkelin der Oberdorfer, waren in der kleinen Publikumsgruppe, die bald zur Hälfte aus Pressevertretern bestand, auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, Prof. Rolf Kießling, Dr. Harald Munding, der Landtagsabgeordnete Harald Güller und eine Reihe von Schülern anwesend.

Hier ein paar Schnappschüsse:

שטולפרשטיין

Stolpersteine für Eugen und Emma Oberdorfer, Augsburg

information on the Oberdorfer couple

גברת פרידמן

the artist Gunter Demnig (b. 1947)

קלאודיה רות- סגן נשיא הבונדסטאג הגרמני

Claudia Roth – Vice President of the German Bundestag

Stolpersteins and tools

Работа художника

Камни преткновения

الجمهور

stiller Protest am Rande der Veranstaltung

Als JHVA sind wir nicht für oder gegen die Stolpersteine, wissen wir doch zu genau, dass Leute die Stolpern müssen dafür keine Steine benötigen, schon gar keine solche, die ebenmäßig sind und sich vom normalen Gehweg nicht wirklich abheben. Aus vielen, sehr sehr vielen Gesprächen wissen wir, dass viel Gegner der Stolpersteine eher persönliche Probleme (wie eigene vorzeigbare Verwandte) als rationale Argumente haben, um die Gedenkmale abzulehnen. Manche andere, die wie der unbekannte Protestant meinen, dass sie Erinnerung “auf Augenhöhe” bevorzugen, machen das vielleicht in ihrem Badezimmer – nur sieht man davon nichts und nirgendwo etwas in der Öffentlichkeit. Kritik ist immer legitim, aber ehrlicherweise nur dann, wenn sie eine Alternative aufzeigt. Ohne diese ist es was? Richtig: Geschwätz.

Als JHVA sagen wir deshalb: If do not like the Stolpersteins, just realize your own BETTER idea.

Als Historiker und Journalist ist es für ich (Yehuda Shenef) jedoch eindeutig, dass Kontroversen für Historiker ergiebiger sind, als als Verschweigen.


Zur Familiengeschichte jüdischer Viehbauern und Metzger in Kriegshaber

August 28, 2016

Obwohl Dokumente für die Siedlung von Juden in Kriegshaber erst aus der Zeit um 1560 erhalten sind, ist doch davon auszugehen, dass die jüdische Geschichte vor Ort weiter zurückreicht und wahrscheinlich mit der österreichischen Herrschaft in der Markgrafschaft Burgau beginnt. Dafür spricht zum einem die unmittelbare Nähe zu Augsburg, die auch für die damalige Zeit mit Pferden und Wagen keine Welt waren, zum anderen die günstige Verkehrslage auf dem Handelsweg von Augsburg nach Ulm, Frankfurt und Straßburg.

 

Einige der Kriegshaber Juden stammten aus Oberhausen, wo sie nach der Aussiedlung von Augsburg in den frühen 1450er Jahren ausgewichen waren. Unter der vorderösterreichischen Regierung der Habsburger verlagerten sich die Handelswege zunehmend von den Flößern der Wertach auf die Straße, wovon Kriegshaber gegenüber Oberhausen profitierte.

100 Jahre Kriegshaber in Augsburg Logo JHVA

Charakteristisch für die Geschichte Kriegshabers als jüdisches Straßendorf, das die Hauptstraße des Ortes prägte, ist die sehr hohe Anzahl von Viehbauern, Züchtern und Metzgern, mit der es sich von den jüdischen Nachbardörfern Pfersee (Finanzhandel, Chemie) und Steppach (Stoffe) wesentlich unterschied. Zeitweilig war weit mehr als die Hälfte der Kriegshaber mit Viehzucht, Handel oder Metzgerarbeiten beschäftigt. Die führte dazu, dass bald in jedem zweiten Haus ein Metzgerbetrieb war oder damit im Zusammenhang stehende Arbeiten verrichtet wurden. So ist es vielleicht naheliegend, dass 1830 David Skutsch, der Sohn des verstorbenen Kriegshaber Rabbiners und Schwager von dessen Nachfolger in der Ulmer Straße 216 als weltweit erster ein Patent auf die Herstellung von Duftkerzen nebst königlichem Privileg (Alleinvertriebsrecht) erhielt. Den grundlegenden Talg für den umworbenen „Kriegshaber Duft“ gab es vor Ort in Übermaß und billig wie kaum woanders.

Kriegshaber in Bildern - am Straßenrand der Weltgeschichte - 100 Jahre Eingemeindung Augsburg 1916 2016

Da die Metzgereien den Eigenbedarf der Ortschaft, die um 1790 etwa sechshundert Einwohner hatte (davon rund 400 Juden), deutlich überstieg, verwundert es auch nicht, dass die jüdischen Viehbauern vor allem auswärtige Kunden versorgten. Der Erfolg der Kriegshaber Juden war sprichwörtlich und überregional bekannt und stieß freilich nicht nur auf Beifall, sondern auch auf krankhaften Neid. Ein Beleg dafür ist die antijüdische Erzählung des unter dem fiktiven Namen „Veitel Itzig“ veröffentlichte Geschichte eines fränkischen Antisemiten, der Jahrzehnte vor den ominösen „Protokollen der Weisen von Zion“, die Emanzipationsbestrebungen der Juden in den 1830er Jahren als heimliche „Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft“ diffamierte. Der Verschwörer ist ein Metzger und als Ausgangspunkt ist Kriegshaber der Ort der Handlung.

 

Das jüdische Geschichte, wie bereits jeder Bibelleser an Hand zahlreicher Abstammungslisten und Erzählungen in der Bibel weiß, im wesentlichen immer auch vor allem Familiengeschichte ist, lässt sich auch an Hand der Geschichte Kriegshaber nachvollziehen. Anschaulich wird dadurch wie der angestammte Broterwerb sich in den Familienclans fortführte und durch zahlreiche Heiraten neue Impulse integriert wurden.

Kriegshaber jüdische Schule Eingang Ulmer Straße 2013 Umbau

Der bedeutendste Familienzweig unter den Kriegshaber Viehbauern waren ohne Zweifel die Mändle (Mendel), die direkt im Haus neben der Synagoge wohnten, und deren Oberhäupter es zu Hoffaktoren und Ausrüstern von Bischöfen, Herzögen, Königen und Kaisern brachten. Ein besonders herausragendes Beispiel war 1744 die Krönung von Kaiser Karl VI in Frankfurt am Main, für die die Unternehmung Abraham und Josef Mändle von München und Kriegshaber aus den gesamten Fuhrpark nebst Reiterei  besorgte und ausstatte. Eine historische Randnotiz deren logistische Leistung wir heute bestenfalls erahnen können.

 

Mit den Heiraten ging natürlich immer auch ein Wissenstransfer einher. Als im Frühjahr 1699 die Tochter des Vorsitzenden der Pferseer den Sohn des Prager Rabbiners heiratete, erkundigte sie sich bei ihr Kriegshaber Tante Riwke, der Frau des Kriegshaber Metzgerprüfers Meir Ulmo, nach heimischen Kochrezepten und erhielt in einem handschriftlichen Brief eine Sammlung schwäbisch-jüdischer Kochrezepte mit „Wertach-Forchelfisch“ (Forellen), „Erdpirn“ (Kartoffeln), „Leinel“ (Leinöl), gefüllte Mangoldblätter und „Kasbraut“ (Käsekuchen).

 

Wie die Mayer stammten auch die Mändles als Nebenlinien von den Ulmo ab und wurden selbst von den meist aus dem österreichisch-schwäbischen Umland zugezogenen Familien Dick, Einstein, Oberdorfer, Bach und Rothschild aufgefrischt, während  sich die Mayers in Kriegshaber weiter in die Zweige Mayer, Untermayer und Obermayer aufspalteten, die ebenfalls als metzger und Viehzüchter tätig waren, teilweise ein eigenen Betrieben, während andere auf der Basis von Fetten chemische Stoffe herstellten.

 

Besondere Bedeutung für die frühmoderne Geschichte Augsburgs erlangten dabei der Ulmo-Mayer-Nebenzweig Obermayer. Jakob Obermayer und seine Geschäftspartner Feitel Kaula, Westheimer und Efraim Ulmo statteten 1803 die bankrotte Reichsstadt mit einer halbe Million Gulden aus und retteten sie so zwei Jahre vor der drohenden und letztlich dann unausweichlichen Annexion durch das Herzogtum Bayern, die durch Napoleons Besuch 1805 besiegelt wurde. Obermayer durfte nun in Augsburg als Bürger wohnen und gilt damit als Begründer der modernen Augsburger Gemeinde, die Formel freilich erst von seinem Enkel ins Leben gerufen wurde.  Sein Sohn Isidor Obermayer (1795-1862), der 1821 das heute als Augsburger Standesamt bekannte Palais kaufte war Mitbegründer der Bayerischen Staatsbank, wie auch der Hypovereinsbank und besorgte als Eisenbahnpionier aus England auf eigenes Risiko Schienen und Lokomotiven für die erste bayerische Überlandbahn von Augsburg nach München. Sein ebenfalls noch in Kriegshaber geborener Sohn Carl von Obermayer (1811-1889) hatte wenig für Geschäfte übrig, vertrat aber im väterlichen Haus als Konsul die Vereinigten Staaten von Amerika in Augsburg. Dem Augsburger Naturkundemuseum schenkte er bedeutende ethnologische Sammlungen die bei seinen Reisen im Wilden Westen Amerikas erworben hatte, lange vor Buffalo Bill und Karl May. Schließlich wurde er auch Vorsitzender der vom Bayerischen König offiziell anerkannten israelitischen Kultusgemeinde von Augsburg unter dessen Führung diese auch einen eigenen Friedhof und eine neue Synagoge (Wintergasse) bekam.

Bis in die 1930er Jahre blieben in Kriegshaber zuletzt noch die Gebrüder Einstein als Metzger und Viehzüchter präsent. Als Nebenlinie der Mändle hatten sie eine Reihe der früheren anderen betriebe aufgekauft, ererbt und übernommen. Freilich nahm mit der modernen Industrialisierung in großen Massenschlachthöfen den Kriegshaber Juden das zuvor auf Vertrauen und Qualität beruhende Geschäft ohnehin weitgehend aus der Hand. Schließlich wurde im bereits Mai 1933 in Deutschland durch die Nazi-Regierung auch noch das Schächten verboten. Die Einsteins stammten aus Buchau, wie auch die Familie des berühmten Albert Einsteins, dessen Vorfahren ebenfalls Metzger und Viehzüchter waren.

 

Ganz verschwunden ist die Erinnerung an die jüdischen Metzgerfamilien von Kriegshaber auch heute nicht, wenngleich die oft zu hörende Frage, ob der bekannte Kriegshaber Metzger Joachim Goldstein denn auch Jude sei. Doch der ehemalige Fußballprofi der Anfang der 1980er Jahre beim FC Augsburg und beim TSV 1860 München in der zweiten Fußballbundesliga spielte, hat freilich nur einen Familiennamen der in den Ohren mancher „jüdisch“ klingt.

 

Artikel von Yehuda Shenef, erschienen in “Kriegshaber in Bildern – Am Straßenrand der Weltgeschichte”, Wissner-Verlag, Augbsurg 2016, S. 63 und 65 (Abbildung oben)


Die Augsburger Schirmfabrik Jakob Oberdorfer

September 2, 2015

Im Haus der heutigen Maximilianstraße 17 (ehemals C 4) befand sich über Jahrzehnte hinweg die Niederlassung der  Schirmfabrik von Jakob Oberdorfer (Wallerstein 1842-1932 Augsburg) mit Werkstätten im Hinterhaus und  Obergeschoss und mit Ladengeschäft zur Straße.

Augsburg Maximilianstr. 17, Burger King, Die Grünen, Haus Oberdorfer Schirmfabrik

Die Fabrik wurde als Fa. Oberdorfer & Gutmann mit erstem Sitz in der Schrannenplatz (Haus A 36, heute Maxstr. 87) gegründet. Partner war Moritz Gutmann (1851 Hainsfarth – 1932 Augsburg), der sich Anfang der 1880er nach seiner Heirat mit Jette Rosenfels aus dem Unternehmen zurückzog, weshalb es sodann nur noch nach Jakob Oberdorfer hieß. 1905 erfolgte der Umzug ins neue Stammhaus, wo die Fabrik nun weit überregional bekannt wurde.

oberdorfer und gutmann schirmfabrik augsburg 1871 werbung ad umbrella factory

Stellenangebot von „Oberdorfer & Gutmann, Schirmfabrik in Augsburg“ vom 6. Juli 1871. „Auf vorhergehende schriftliche Offerte“ hin bezahlte zumindest dieser Arbeitgeber noch die „Reisespesen hierher“. Den gesuchten „tüchtigen Schirmmacher-Gehilfen“ bot man bei „sofortigen Eintritt“ „ sehr gute Bezahlung und beständige Arbeit“ und was eine Bemerkung wert war: „auch über den Winter“ (1871 job ad loking for helpers at the Oberdorfer umbrella factory, travel costs of the apllicant were paid by the company)

[ removed content ]

1910 übernahm Eugen Oberdorfer (geb. 1875) mit seiner Frau Emma (geb. 1884) den Familienbetrieb und führte ihn bis in die 1930er Jahre weiter, ehe der Laden enteignet und „arisiert“ wurde. Eugen Oberdorfer wurde 1942, damals bereits 67 Jahre alt zur Zwangsarbeit in der Ballonfabrik Riedinger gezwungen und im Sommer 1943 als offenbar nicht mehr leistungsfähig deportiert. Sein weiterer Weg ist ungewiss geblieben, und doch unschwer vorstellbar. Auch Seine Frau Emma wurde deportiert und gilt als verschollen. Ob sie sich im selben Transport befanden, wann und wo er oder sie verstarben, ist unbekannt geblieben.

1950 ist als Hausbesitzer Karl Hoffman, Schirmfabrikant“ im Adressbuch eingetragen, der offenbar Haus und Betrieb von den enteigneten Vorbesitzern übernommen hatte. Der Laden hieß nun „Koffer und Taschen R. Hoffmann KG.“

Maximilianstr. 17 Augsburg Bündnis 90 die Grünen, Burger KingHome of the “Green Party” and “Burger King

Heute befindet sich im ehemaligen Ladengeschäft der Schirmfabrik Jakob Oberdorfer eine Niederlassung der Restaurantkette „Burger King“, direkt darüber die Geschäftsräume der politischen Partei „Bündnis 90Die Grünen“.

At Maximilianstr. 17 once was the famous umbrella factory Jacob Oberdorfer, which until the Nazi send the former owners (probably) to Auschwitz was one of the largest of its kind and widely known for its quality products. Today in the shop is “Burger King” and the “Green Party” above uses the former factory rooms. The owner lived at Schaezlerstr. 15 near the City Theater.


Das jüdische Kriegshaber

January 17, 2007

Die jüdische Geschichte von Kriegshaber, einem vor knapp 90 Jahren (1916) eingemeindeten Stadtteil im Norden von Augsburg umfasst ein halbes Jahrtausend. Erhaltene Belege datieren die Ansiedlung von Juden entlang der Handelsstraße von Augsburg nach Ulm in die Mitte des 16. Jahrhunderts, wobei die tatsächliche Präsenz freilich in die Zeit der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde zurückreicht, die nach 1450 aufgelöst wurde.

torah-parochet-kriegshaber-1723-made-by-elkana-schatz-naumberg-of-furth-147-x-249-cm-geschenk-derTora parochet from Kriegshaber (1723) at Israel Museum in Jerusalem, Israel

Die jüdische Gemeinde entablierte sich entlang der Hauptstraße des Straßendorfes Kriegshaber, das seinen Wohlstand der Entwicklung der jüdischen Viehbauern, Pferdezüchter und landwirtschaftlichen Produktion verdankte. Bis in das frühe 19. Jahrhundert war die Mehrheit der Bevölkerung jüdisch geprägt, weshalb sich erst in den 1860er Jahren eine christliche Kirchengemeinde bildete.

kriegshaber-gieseckestrehem. jüdisches Haus an der Gieseckestraße

Zu den berühmten Familien vor Ort zählten Nachkommen und Nebenlinien des Ulmo-Günzburg-Clans der Zweige Ullmann, Mendle, Obermayer, Untermayer, Oberdorfer, Günzburger, Dick, Mayer, sowie der mit dem berühmten Physiker (über die gemeinsame Herkunft aus Buchau) verwandten Einsteins, die im wesentlichen Vieh- und Pferdezüchter oder Metzger waren, von denen einige zu fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Hoflieferanten aufstiegen.

synagoge-kriegshaberformer Kriegshaber synagogue at Ulmerstr. (in May 2005)

Die frühere Hauptstraße heißt heute Ulmerstraße und war zwischen Marstaller Hof und dem Zeughaus in früheren Zeiten komplett jüdisch. Heute erinnert daran allenfalls die Seit Jahrzehnten unbenutzte verfallende ehemalige Synagoge und der gleichfalls vernachlässigte, durch üppigen Wildwuchs dem Verfall überlassenen alten Friedhof an der Hooverstr. (früher: Hummelstraße), der zusammen mit den den Gemeinden von Pfersee und Steppach in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges gegründet wurde.

juedischer-friedhof-tafel-kriegshaberWidmungstafel am Kriegshaber Friedhof (Dezember 2004)

Nachdem Kriegshaber wie auch Augsburg nach 1805 bayerisch wurden, zogen viele Kriegshaber Juden nach Augsburg. Anders als die Gemeinden von Steppach, Schlipsheim und Pfersee, die sich in den 1870er Jahren auflösten, konnte sich die Kriegshaber Gemeinde, die bis 1875 den Vorsitz im schwäbischen Distrikt hatte, bis zur Nazi-Zeit als “orthodoxe” Gemeinde behaupten.

In der Nachkriegszeit wurde die Synagoge bis etwa 1951 von amerikanischen Soldaten und KZ-Überlebenden als Gebetshaus benutzt. Auch am Friedhof wurden bis in die frühen 1950er Jahre Überlebende des “Holocausts” bestattet.

Die Zukunft der ehemaligen Synagoge ist derzeit so ungewiss wie die des Friedhofs. Der JHVA will sich in der Zukunft jedoch ausdrücklich für den Erhalt und für die weitere Nutzung beider Einrichtungen einsetzen, im ursprünglichen Sinne, wie sich von selbst versteht.