Die Juden von Dachau

June 25, 2014

Autobahn Dachau Fürstenfeldbruck Maisach Olching München Salzburgon the road to Dachau

Dachau ist wegen des Konzentrationslager an der Alten Römerstraße 75, östlich der Altstadt weltberühmt, zugleich aber auch wie die Image-Kampagne der Stadt nicht unpassend formuliert: „viel mehr Stadt als Sie denken“. Noch unbeachteter als die Stadt-Geschichte ist jedoch der jüdische Anteil daran, der ebenfalls mehr umfasst, als verschleppte Juden, die im Lager eingesperrt, misshandelt und ermordet wurden. An die Juden vor den Nazis (und besser gesagt: ohne sie)  erinnert sich im heutigen Dachau freilich niemand (mehr).

Dachau KirchturmDachau: versteckte Perspektiven

Optenrieder Dachau Wappen3-Star caot of arms, Optenrieder family Dachau

Rund hundert Jahre vor der Errichtung des Konzentrationslagers wurde das kleine Städtchen als „hübscher, lebhafter Ort an der Amper und der Straße von München nach Augsburg auf einer Anhöhe gelegen“ beschrieben. Den amtlichen Angaben des „Topo-geographisch-statistischen Lexicon des Königreichs Bayern“ aus dem Jahr 1840 gemäß umfasste Dachau damals 208 Häuser und 1226 Einwohner. Erwähnenswert waren damals „ein Schloss mit Garten, der Sitz des Landkreis und Rentamts gleichen Namens“ (also Dachau), … „4 Brauhäuser, 1 Branntwein-Brennerei, 4 Wein- und Bierwirthshäuser, 4 Ziegelhütten, 1 Leinwandbleiche, 2 Mahl-, 1 Schleif-, 1 Loh-, 1 Öl- und 2 Sägemühlen an der Amper, 1 Abdeckerei, 1 bürgerliches Spital“ und schließlich auch ein Almosenhaus, „wohin besonders die armen Kranken besonders aus der Klasse der Dienstboten gebracht und mit freiwilligen milden Beiträgen unterstützt werden“.

Dachau Zieglerbräu Brauerei Schlossberg Märzensüffiges Dachauer Traditions-Bier

Damals stand Dachau noch ganz im Schatten der Wittelsbacher Herrscher, die seit den 1550ern im besagten Schloss, dessen Ursprünge auf die Welfen zurückgehen soll, ihren Sommersitz hatten. 1633 wurde der Ort von den Schweden „erobert“, wobei 300 Bayern getötet und weitere 600 gefangen worden sein sollen. Auch folgende Kriege im 18. und 19. Jahrhundert zogen den Ort immer wieder in Mitleidenschaft. So dass eben auch 1840 nur knapp 1200 Menschen hier lebten.

Schloss Dachau BergDachauer Schloss

Dachau Jakob Kirche Schloss

Amtlichen Angaben gemäß lebten 1925 gerademal 21 registrierte Juden in Dachau und 1933 waren es nur noch 12. Obwohl im selben Jahr binnen weniger Wochen nach der Regierungsübernahme Hitlers in Dachau das berüchtigte Lager als erstes KZ etabliert wurde, erklärte 1939 Nazi-Bürgermeister Hans Cramer Dachau als “völlig judenfrei“, während Mai 1939 im Mai 1939 die Volkszählung 18.146 Einwohner registrierte, 184 davon Juden, zweifelsfrei im Lager als Gefangene. In der amtlichen Statistik von 2012 heißt es dazu:

Bei den Volkszählungen von 1925 bis einschließlich 1970 wurde die Wohnbevölkerung ausgewiesen. Zur Wohnbevölkerung einer Gemeinde zählten alle Personen, die am Zählungsstichtag in der Gemeinde ihre Wohnung hatten. Personen mit einer weiteren Wohnung oder Unterkunft in einer anderen Gemeinde wurden der Wohnbevölkerung derjenigen Gemeinde zugeordnet, von der aus sie zur Arbeit oder Ausbildung gingen oder in der sie sich aus anderen Gründen überwiegend aufhielten.“

Dachau Augsburger Tor im Augsburger Tor yehudaDachau: Augsburger Tor im Augsburger Tor

Augsburger Tor Dachau 1390 - 1891

In der Darstellung der Ergebnisse der Volkszählungen von 1970 und 1987 findet sich neben den Optionen „römisch-katholisch“ und „evangelisch-lutherisch“ noch die eher unspezifische dritte Bestimmung „Ausländer“ (S. 6)

Wie dem auch sei, in späteren Statistiken tauchen keine Juden mehr in Dachau auf.

Immerhin ist die Erinnerung an die direkt zur Zeit der Nazi-Herrschaft in Dachau lebenden Juden nicht ganz abhanden gekommen, wenngleich es doch fast ein halbes Jahrhundert „ Abstand“ bedurfte, um sich damit zu befassen. Aber das ist in anderen weniger prominenten Teilen des Landes nicht wesentlich anders gewesen, eher zögerlicher.

Dachauer Stolperstein Anton Felber 1902 - 1939Stolperstein für Anton Felber (1902-1939) in Dachau

1938 lebten 14 „Dachauer Bürger jüdischer Herkunft“ (wie das 2013 noch im Jargon der “Süddeutschen Zeitung” heißt). Stellvertretend sei die Familie Wallach genannt, die seit 1919 eine Textildruckerei in Dachau besaß. Die Wallach Werkstätten hatte sich auf Drucken und Färben von Trachtenstoffen spezialisiert, machte aber auch Handweberarbeiten. Bereits um 1900 hatten die Brüder Moritz und Julius Wallach ein Geschäft für bayerische Volkstrachten in München eröffnet, das weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war und Wallach zum Synonym für volkstümliche Trachten machte. Ihrem Wirken verdankt auch das wieder allseits präsente bayerische Dirndl seine Popularität – nur dass viele davon heute in asiatischen Fabriken zu Dumping-Löhnen hergestellt werden, ggf. auch von Zwangsarbeitern. 1986 wurde die Wallach KG an Loden Frey in München verkauft.

IMGA0833

Den Brüdern Moritz und Julius gelang es rechtzeitig mit ihren Familien zu entkommen, so auch dem damals 14-jährigen Franz, der nach England kam, wo er u.a. in Bath und Birmingham eine akademische Karriere einschlug und Professor für Mechanical Engineering wurde. Mit seiner Frau Ruth hatte er drei Kinder: Catherine, Paul und Mark. 1989 ging er in den Ruhestand, 2009 verstarb er im Alter von 84 Jahren. Kein Glück hatten sein Onkel Max und seine Frau Melitta, die in Theresienstadt ermordet wurden.

Jüdische Gedenkstätte Dachau BesucherinJüdische Gedenkstätte Dachau, Besucherin (23 Juni 2014)

Dachau concentration camp plan 1945 - Encyclopedia JudaicaEncyclopedia Judaica, 2nd Edition, Band 5, S. 375 f., 2007

– Der Beitrag der Encyclopedia Judaica zu Dachau erwähnt keine jüdische Ortsgeschichte, an die auch sonst fast nirgends erinnert wird, so als wäre die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Dachau das eigentliche geschichtliche Tabu.

Gemäß den Angaben der “Germanica Judaica”, Band 2, 1968, S. 57 gab es in den 1290er Jahren eine jüdische Gemeinde in Dachau, die dann aber entsprechend der regional typischen Legende sogleich um 1298 wieder mit dem sog. „Rintfleisch-Pogromen“ (btw: das russische Wort погром bedeutet „Unwetter“, „Gewitter“ und dergleichen – massenhafter Judenmord als Naturereignis ..?) endet. Bis um 1440 herum wird es aber wohl auch in Dachau Juden gegeben haben, wofür sich in einzelnen Jahren auch entsprechende Hinweise finden lassen. Die Topographie des kleinen Schlossdorfes lässt wenig Möglichkeiten zu und so kann man Bethaus und Mikwe im Bereich Lodererbach, Kühberg, unweit vom Schloss vermuten.
Wie auch anderswo im Wittelsbacher Reich dauert es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ehe man wieder etwas von Juden in Bayern hört. Um 1740 kamen einzelne Juden von Pfersee und Kriegshaber nach München und allmählich entsteht eine jüdische Filial-Gemeinschaft, deren Häupter bis 1815 im schwäbischen Kriegshaber begraben werden, in Ermangelung eines Friedhofs in München. Ab der selben Zeit finden wir auch immer wieder Berichte über Juden in Dachau, wenn beispielsweise Händler an den Ort kommen und Schafswolle und dergleichen verkaufen. Mit den napoleonischen Kriegen entstehen viele neue Straßen, was in Friedenszeiten zu deutlich besseren Verkehr und einem regen Austausch führt. Insbesondere die bisherigen Grenzregionen Bayerns, Frankens und Schwabens profitieren davon, dass sie nun in einem gemeinsamen Königreich integriert sind und der Austausch zwischen den bis dato eher feindlichen Gebieten auch seitens der Regierung ausdrücklich gewünscht wird. Es lohnt sich deshalb, das eigene Dorf zu verlassen, und anderswo unterzukommen, gerade dann, wenn man als Bauer oder Fabrikant etwas herstellt oder als Händler zu verkaufen hat.

Nonne mit Eis in KZ Dachau Gedenkstätte Nonne mit Eis in Cafeteria der KZ Gedenkstätte

Anfang 1830 finden wir den Israeliten Isaak Schleißheimer aus Dachau, der in München verstirbt, aber dem Almosenhaus in Dachau 2000 Gulden vererbt, was für die damalige Zeit eine doch recht beträchtliche Summe war. Dass der wirtschaftliche Erfolg mancher Juden im katholisch geprägten Bayern auch grässlichen Neid hervorrief ist sattsam bekannt und ein frühes Beispiel dafür ist neben in den 1830ern das in Augsburg erschienene Schmierblatt „Ahasveros“, den man als Uropa des „Stürmer“ bezeichnen kann. Immerhin überliefert uns das Blatt aber aus dem Februar 1831 einen anekdotischen Bericht über eine Kutschenfahrt von Augsburg nach München oder vielleicht auch umgekehrt. So genau wissen die anonymen Schreiber es nicht mehr. Jedenfalls sitzen sie im selben Wagen wie ein junger Jude, dessen Vater „als Erzwucherer“ mit Kriegsgeschäften enormen Reichtum gemacht habe, in markanter Erscheinung aber für den Geschmack der heimlichen Beobachter auch mit ungebührlichen Benehmen. Im Gasthof in Dachau, beim Zieglerwirt zur Post, um genau zu sein, sei der als „Champagnier-Bock“ (wegen der Vorliebe für Champagner, Märzenbier und …=) umschriebene junge „geile“ Wüstling mit der Bedienung umgegangen wie die Viehmagd mit der Kuh oder so ähnlich – und man fasst es kaum – derselbe habe sich sogar mit beiden Ellenbogen auf den Tisch aufgestützt. Alles in allem handelt es sich um einen ganz banalen Vorgang, bei dem eine Gruppe junger Reisender im Gasthof sitzt und Märzenbier trinkt. Wahrscheinlich scherzten sie mit der Bedienung und das war es dann, denn weiteres weiß auch der Bericht zu überliefern. Aus der verstohlenen Perspektive des krankhaften Neiders wird jedoch der Anschein erweckt, die gewöhnlichen dörfliche Wirtshausszene als Skandal zu erträumen.

Wahrscheinlich hat das 1831 schon niemand beachtet. Für uns ist es jedoch relevant, da von drei Juden aus Augsburg die Rede war und die Beschreibungen verbunden mit der Datierung darauf ergeben, dass es sich beim geschmähten jüdischen „Modebengel“ um den damals noch nicht ganz 20jährigen Carl von Obermayer handelte.

Dachau Hotel Brauerei Gasthof Zieglerbräu

To be continued …

 

Almost nothing has been told on Jews in Dachau before the concentration camp. At most there is very little focus on Jews who lived in Dachau some years until 1938. To mention them alone took half a century and was of breaking a taboo.
Quellen:
http://www.textilhanddruck-fromholzer-wallach.de/index.html
http://www.birmingham.ac.uk/schools/mechanical-engineering/undergraduate/scholarships/frank-wallace-scholarship.aspx
http://www.bathchronicle.co.uk/Tributes-uni-founding-father/story-11329281-detail/story.html#fOl4KpFwdGipj35Z.99

Click to access 09174115.pdf


Über die Juden in Schwaben

June 20, 2014

Eine Hypothese nach sollen die Schwaben Abkömmlinge von einem der verlorenen Stämme der Israeliten sein heißt es bei Weitnauer:

Nach dieser Theorie wären die mit ahasverischer Unruhe begabten Schwaben also nichts anderes als jener verlorene zwölfte Stamm der Kinder Israel..!”

Doch gelte diese These „inzwischen“ als überholt. Dagegen (dass Schwaben Juden wären) spreche nämlich die Tatsache:

„… daß im Jahre 1860 der bayrische Landgerichtsarzt Dr. Bernhard Zör von Immenstadt in einen Fragebogen des Königlich-bayrischen Staatministeriums für Unterricht und Kultus, das im Rahmen einer Landeserhebung u.a. die Zahl der in den bayrischen Gerichtsbezirken ansässigen Juden wissen wollte, folgendes schrieb: „Juden gibt es im schwäbischen Allgäu keine, da sie sich wegen der geschäftlichen Tüchtigkeit der Eingeborenen nicht zu ernähren wissen.“ “

(zitiert nach: Alfred Weitnauer – Die Baiern und die Schwaben, Kempten 1972, S. 11)

Bad Wörishofen Händler Stadt BauernhausHändler am Stadt Bauernhaus in Bad Wörishofen (Unterallgäu)

Die Geschäftstüchtigkeit der Schwaben soll also die Juden fern gehalten haben, die ja angeblich auch gerne aufs Geschäftemachen aus sein sollen. Ist es noch ein antisemitisches Klischee oder bloße Schwaben-Schelte, wie man sie heute auch bei Berlinern antrifft, die Württemberger mit Schwaben verwechseln?
Der aus Sonthofen stammende Landgerichts-Physikus Dr. Zör (1778-1855) war Autor einiger Arbeiten zur Heimatgeschichte Artikel zur lokalen Adelsforschung veröffentlicht und war bereits 1855 in Immenstadt verstorben. Dass Zör, der einigen auch als Begründer der lokalen Heimatforschung im Allgäu gilt, trotzdem 1860 längst tot, dennoch bereit war, Fragebögen auszufüllen und auskunft über “die Juden” zu geben, unterstreicht ohne Zweifel sein über den Tod hinaus reichendes Pflichtbewusstsein.
In Bezug auf „die Juden“ hätte er aber falsch gelegen, denn die gab es im Allgäu durchaus und zwar zum guten Auskommen aller. 1972, als Weitnauer seine Humoreske schrieb, war das freilich schon seit rund 30 Jahren nicht mehr so.