Jüdischer Friedhof in Berlin Weißensee

November 26, 2012

Der 1880 angelegte jüdische Friedhof im nordöstlichen Berliner Stadtteil Weißensee (seit 2011: Bezirk Pankow) gilt mit einer Fläche von ca. 43 Hektar als größter erhaltener jüdischer Friedhof in Europa. Die Zahl von fast 115.000 Grabmalen ist die höchste in Deutschland.

Zugang zum Friedhof erhält man heute am Eingang an der Herbert-Baum-Straße, die benannt wurde nach dem zionistischen und sozialistischen Untergrundkämpfer Herbert Baum (1912-1942), dessen sog. meist aus Juden bestehende „Herbert Baum – Gruppe“ in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft aktiven Widerstand leistete. Neben der Verteilung regimefeindlicher Flugblätter verübte die Gruppe u.a. im Mai 1942 im Berliner Lustgarten einen Brandanschlag auf eine anti-sowjetische Ausstellung. Das Nazi-Regime ließ daraufhin wahllos 500 jüdische Männer verhaften. Wahrscheinlich kam es deshalb zur Denunziation der Gruppe. Etwa 30 von ihnen, darunter eben auch Herbert Baum und seine Frau wurden verhaftet und von den Nazis hingerichtet. Auf dem für Herbert Baum nach dem Krieg in der DDR am Friedhof aufgestellten Ehrenmal neben dem Tahara-Haus steht zu lesen: „Er war ein vorbildlicher Kämpfer gegen Krieg und Faschismus“.

Das von weitem schon sichtbare Tahara-Haus mit Sitz der Friedhofsverwaltung findet sich gleich am Eingang hinter der Mauer und dem schmiedeeisernen Gitter des Eingangs. Vor der Tahara befindet sich eine kleine runde Parkanlage zum Gedenken an „sechs Millionen“ ermordeter Juden mit einzelnen Steinen, welche eine Auswahl von Namen von Konzentrationslagern nennen. In der Mitte befindet sich ein Stein mit der Widmungsinschrift: „Gedenke Ewiger was uns geschehen. Gewidmet dem Gedächtnis unserer ermordeten Brüder und Schwestern 1933 – 1945 und den Lebenden die das Vermächtnis der Toten erfüllen sollen. – Die Jüdische Gemeinde zu Berlin“

Herbert Baum (1912 – 1942)

Entlang der Umfassungsmauern des Friedhofs befinden sich eine imposante Anzahl monumentaler Grabmalanlagen, die keinen Zweifel daran lassen, dass ihre Errichtung kostspielig war. Sie heben sich damit sehr deutlich von den meist eher bescheidenen, in der Mehrzahl auch sehr schlichten Grabsteine innerhalb der einzelnen Sektionen im Inneren des Friedhofs ab, wo monumentale Grabmale nicht die Regel sind. Ähnliche Grabmonumente kann man auf jüdischen Friedhöfen reformerischer Gemeinden überall im Lande sehen. Der Weißenseer Friedhof kann aber als wesentlichster Friedhof des deutschen Reformjudentums gelten und bietet diesbezüglich zweifellos eine Reihe an Superlativen, was Anzahl und Ausmaße entsprechender Monumente anbetrifft. Das Anliegen vieler hier bestatteter Personen reichte über das Bekenntnis zum Judentum hinaus und fixierte sich eher die Demonstration zur Zugehörigkeit zur Bildungs- und Finanzelite des Bürgertums und des Deutschen Reiches. Sehr viele der hier beigesetzten Verstorbenen und ihrer Angehörigen verfügten in ihren Biographien über sehr rasanter öffentliche Karrieren die sie schnell berühmt und reich werden ließen. Mit den bescheidenen Lebensweisen traditioneller und orthodoxer Juden hatten imposante Grabmale, die oft wenig mehr als den bloßen Familiennamen verkündeten nichts zu tun, von frommen Taten ist selten oder gar nicht die Rede.

Grabmal der Familie Rathenau in Berlin Weißensee

Zwar hat die Berliner Stadtregierung die Pflegschaft für eine Reihe der Grabmonumente übernommen, doch beträgt ihre Anzahl nur etwa ein Promille der vorhandenen Gräber und so gibt es unter der großen Menge stark beschädigter Monumente und Grabsteine zweifellos einen Prominenten-Bonus. Selbstverständlich ist dabei das Attribut „prominent“ im zeitlichen Kontext sehr variabel. Tendenziell bevorzugt die gegenwärtige Friedhofspflege aber Hauptwege gegenüber hinteren Reihen und entsprechend werden auch eher repräsentative Monumente restauriert als solche die (heute?) weniger bekannten Namen und Personen zugeordnet werden. Während viele Wege zwischen einzelnen Sektoren des Friedhofs offensichtlich regelmäßig sogar von Herbstlaub gereinigt werden, wachsen viele Zwischenräume einzelner Grabreihen fast mannshoch mit Gestrüpp zu. Während das eine ein fast tägliche Pflege signalisiert, ist letzteres ein Indiz dafür, dass hier jahrelang überhaupt nichts gemacht wurde. Obwohl zwar die Weisheit gilt, dass im Tod alle Menschen gleich sind, heißt dies aber offenbar nicht, dass sich die Lebenden gegenüber jedem Toten gleich verhalten. Davon kann kaum die Rede sein. Andererseits ist an vielen der prächtigen Grabmale zu sehen, dass trotz allem Aufwand zu ihrer Errichtung vielerorts nur noch Bruchstücke der beschriebenen Namen und Identitäten erhalten geblieben sind. Falls überhaupt noch vorhanden sind zahlreiche Trümmer ehemals kostbarer Grabsteininschriften übereinander gepurzelt, mit Dreck verschmiert, von Staub und Spinnenweben eingehüllt oder teilweise von Efeu und anderem Gestrüpp zugewachsen. Monumentaler Prunk und achtloser Zerfall vermischen sich deshalb tausendfach in stets neuen Variationen.

The Jewish Cemetery of Berlin Weißensee, established in 1880 with some 115.000 grave sites is one of the largest in Europe (in Lodz for instance there are 160.000). Only the major paths of the cemetery are maintained carefully. The City of Berlin has a special care for a prominent 0.1 % of the grave markers. So some of the ways at the cemetery are kept free of daily leaf fall while at many other parts the space between two rows of graves are overgrown entirely. Many prominent monuments get some care and restoration, while many others vanish away.
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Spuren jüdischer Geschichte im mittelalterlichen Berlin

November 8, 2012

Video:

Ausgrabungen am “Großen Jüdenhof” in Berlin Mitte (Grunerstraße / Jüdenstraße beim Stadthaus). The voices in the background of the video belong to a German school class (prob. age 16) which attended the tower at the same time.

 

Berlin feierte in diesem Jahr seinen 775. Geburtstag. Das Datum bezieht sich auf die älteste bekannte Erwähnung bezieht sich auf einen Priester namens Symeon von Cölln (Köln) vom anderen Ufer der Spree. Der älteste urkundliche Beleg für den Ort Berlin selbst stammt erst aus dem Jahr 1244 und weitere sieben Jahre später, 1251 wird jenes Berlin auch erstmals als Stadt bezeichnet. Ein Siegel aus dem Jahr 1253 notiert den Namen sogar als Berlinburg. Erst im Jahre 1709 schließen sich Berlin und Kölln (die Schreibweisen variieren in den Jahrhunderten) zur gemeinesamen Stadt Berlin zusammen, die dann auch den Namen des bevölkerungsreicheren Teils annimmt.

Rekonstruktion von Altberlin und Cölln von Karl Friedrich von Klöden (1786-1856)

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1e/Kl%C3%B6denplan-Berlin-K%C3%B6lln-Anfang-13tes-Jahrhundert.jpg

 

Eine Widmungstafel am Mauerrest in der Waisenstraße markiert einen „Rest der mittelalterlichen Berliner Stadtmauer“ (der eigentlichen Berliner Mauer sozusagen …):

Errichtet um 1250 – im 14. Jahrhundert ergänzt – die Stadtmauer umgab beide Stadtteile Berlin und Cölln – die noch vorhandenen Mauerteile wurden durch an An- und Umbauten verändert – im 17. Jahrhundert verstärkt durch Bastionen.

Um 1680 zwischen Stralauer Strasse und Klosterkirche durch Häuser ergänzt – seit 1924 befindet sich im Hause Waisenstrasse 16 die Gaststätte „Zur letzten Instanz“. Die 1963 restauriert und erweitert wurde.“

Eine jüdische Besiedlung Alt-Berlins ist am sog. Großen Jüdenhof (Jüdenstraße/ Grunerstraße) bereits im 13. Jahrhundert belegt, wo derzeit archäologische Grabungen unterwegs sind in der Hoffnung, dort Überreste des mittelalterlichen Eruws zu finden. Die Mehrzahl der Funde datieren aber in weit jüngere Zeit. Bis in die Neuzeit hinein war der Hof von 12 Häusern umgeben. Erst in der Zeit der DDR wurden die Bauten neben dem Stadthaus abgerissen und als Parkplatz benutzt. Die archäologischen Grabungen, die man von einem Aussichtsturm aus gut überblicken kann, liefern deshalb überwiegend auch Gemäuer aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Lediglich eine derzeit freigelegte Wand ist erkennbar mittelalterlich, wie auch die Grabungsleiterin gerne erklärt und dabei Auskunft darüber gibt, dass bislang keine plausiblen Indizien für die gesuchte Synagoge oder den offenbar noch stärker erhofften Fund einer mittelalterlichen Mikwe zum Vorschein kamen. Offenbar aber ist man diesbezüglich in Berlin dann aber doch etwas nüchterner als etwa in Erfurt …

Schenkt man der Beschreibung Glauben, hatten die Juden es nicht weit vom Judenhof (wo sie als autonome Selbstversorger wohl alles was sie zum Leben brauchten bereits hatten) zum Molkemarkt, um dort Kredite zu geben oder Geld zu wechseln, wahrscheinlich (- Molk = Melk = Milch -) gegen Milch oder Käse, die damalige Landeswährung von Alt-Berlin und Cölln, die bei unsachgemäßer (Be)Handlung schnell ranzig oder sauer werden konnte. Welch ein Glück, dass solche Beschreibungen heutzutage ohne Klischees auskommen …

Am Aussichtsturm beschreibt ein angeblich genauerer Übersichtsplan das Grabungsgelände. Daraus ergibt sich, dass der Bereich der länglich nach Südosten ausgerichteten Häuser 2,3 und 4 direkt am Stadthaus bislang nicht ausgegraben und untersucht wurden. Zwar ist aus dem Sachzusammenhang eher dort die Synagoge zu erwarten, doch … wie die Archäologen mitteilen, sind dort für Grabungen (zumindest bislang) keine weiteren Mittel bewilligt.

Remnant of a medieval house wall at the “Great Jews Court” in the heart of Berlin

 

Die erste bekannte Ansiedlung im alten Berlin bestand bis zur Ausweisung der Stadt im Jahre 1573. Zwischenzeitlich kam es wie andernorts auch gelegentlich zu Übergriffen auf die jüdische Gemeinde. Ohne dies relaitivieren zu wollen, ist es nicht verkehrt zu berücksichtigten, dass sich die Chrisen in allen Jahrhunderten gegenseitig noch weit mehr und grausameres zufügten. Im Sommer 1510 sollen aber nach einem Schauprozess vierzig Juden getötet worden sein (zehn weitere brachte man vorher schon um), weil ein Christ aussagte, er habe einem Juden eine „geweihte Hostie“ (was das nun ist, erklärt, wie wir gesehen haben das “Jüdische Museum in Berlin  *hüst*  wörtlich heißt es ja “Schlachtopfer”) verkauft, damit dieser selbige mit seinen anderen Judengenossen sie „schänden“ könne. Inwieweit solche “Berichte” (es kommendort natürlich auch der Toposvom geschlachteten Kind für die Matzen vor, während Beschreibungen der örtlichen jüdsichen Verhältnisse dürftig sind) authentisch sind, ist wie andernorts strittig. Aber vorausgesetzt wäre es eben vorausgesetzt. Als die Gemeinde 1573 ausgewiesen wurde hatte sie ihren Sitz mit der Synagoge offenbar in der heutigen Klosterstraße.

Immerhin erinnert heute an der Mollstraße 11 ein Denkmal an das Ereignis des Jahres 1510, bzw. an die Geschichte:

Dieser trägt sogar eine hebräische (!) Inschrift:

 

פו נקברו

עצמות הטהרים מתושבי קהלתנו הקדמוניה

ברלין

נהרגים והנשרפים על קדושת השם ביום יב אב

שנת ה’רע

ויצב מאיר בן ר אברהם סלומונסקי מצב הזאת

על משכבותם בשנת תרצ”ה לפק

Das heißt nun: „Hier sind die reinen Gebeine der Mitglieder unserer vorhergehenden Gemeinde Berlin, ermordet und verbrannt zur Heiligung des Gottes am 12. Aw 270. Meir ben Abraham Slomonski setzte dieses Denkmal im Jahr 675.“

Der 12. Aw (5)270 entspricht im christlichen Kalender dem 19. Juli 1510, das Jahr (5)695 dem christlichen Jahr 1935.

Der in Berlin geborene Meir (Martin) Salomonski (1881-1944) war von 1910 bis 1925 Rabbiner in Frankfurt an der Oder. 1911 erwarb er mit seiner Arbeit „Gemüseanbau in der Mischna“ seinen Doktortitel. Während des Ersten Weltkriegs war er Feldrabbiner und wurde dafür mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Ab 1925 war er Rabbiner der „Liberalen Synagoge“ in Berlin und in den Jahren 1939-1940 in der Neuen Synagoge Oranienburger Straße. Die von ihm gestiftete Tafel zur Erinnerung an die Ermordung der Menschen der jüdischen Gemeinde im Jahre 1510 wurde 1935 in der Lietzmannstraße, der späteren Gerlachstr. Aufgestellt. Heute befindet es sich etwas versetzt an der Mollstraße. Salomonski komponierte auch Orgelwerke für den Dienst in der Synagoge seiner Gemeinde. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert wo er am 16. Oktober starb.

1988 wurde der Tafel noch auf Deutsch zugefügt: „Im Jahre 1510 wurden 38 Berliner Juden wegen angeblicher Hostienschändung verbrannt. Ihre Gebeine sind hier bestattet.“

Ob nun tatsächlich am ersten oder jetzigen Standort des 1935 errichteten Denkmals im Jahr 1510 auf gerichtliche Anordnung verbrannte Juden bestattet wurden, ist nicht nachweisbar. Der Umstand, dass der Stifter des Denkmals selbst in Auschwitz umkam ist in diesem Zusammenhang natürlich zusätzlich tragisch-makaber, besagt dazu aber nichts.

Am fünfhundertsten Jahrestag legte der Kultursstaatsekretär Berlins einen Kranz an das Denkmal und forderte bei einer Rede zu “Toleranz” auf. Unklar blieb jedoch, ob nun endlich gegen die Täter ermittelt werden soll – so langsam wäre es an der Zeit!

 

* * *

 

Zeitgleich zur mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Alt-Berlin bestand eine weitere im heutigen Stadtteil Spandau. In der dortigen „Jüdenstrasse“ versucht eine etwas eigenartige Inschrift daran (?) zu erinnern:

Bis 1938 hieß diese Straße JÜDENSTRASSE, ob es sich dabei ursprünglich um Ghetto gehandelt hat oder ob von Anbeginn an diese Straße Mitbürger jüdischen und christlichen Glaubens nebeneinander lebten, verliert sich im Dunkeln der Spandauer Stadtgeschichte. Tatsache ist, dass es im Laufe der Geschichte in Spandau Judenverfolgungen gegeben hat.

Die Umbenennung der Jüdenstraße dokumentierte für alle erkennbar den dem Nationalsozialismus innewohnenden Rassenhass, der selbst äußerliche(n) Symbole jüdischen Glaubens ausmerzen wollte. Dieser Rassenhass bedeutete für unsere jüdischen Mitbürger den unausweichlichen Gang in die Gaskammern der Konzentrationslager und die fat völlige Vernichtung. Jeder von uns ist aufgerufen, diesen Teil der deutschen Geschichte nie zu vergessen und diese Unmenschlichkeit nie wieder zuzulassen.“

 

Die Inschrift besagt nichts über die mittelalterliche Geschichte der Juden in Spandau, die durchaus erwähnenswert wäre, schließlich befand sich in Spandau der jüdische Friedhof, der auch von den Juden aus Berlin benutzt wurde. Aber die mittelalterliche Geschichte der Juden „verliert sich im Dunkeln“ wie konstatiert wird. Dies scheint nicht weiter tragisch zu sein, da es scheinbar „Tatsache ist“, dass es in Spandau sowieso zu „Judenverfolgungen“ kam. Da „Judenverfolgung“ und „jüdische Geschichte“ offenbar als (weitgehend) synonyme Begriffe aufgefasst und vermittelt werden (sollen), ist das solcherart wohl auch schon wieder hinreichend erklärt. Diese Stilisierung findet ihre Fortsetzung in der Hypothese, der (zweifellos nicht von Juden erdachte) Name „Jüdenstraße“ sei ein – Zitat – „äußerliches Symbol jüdischen Glaubens“. Nicht minder schwülstig und leer ist das Gerede von „Mitbürgern jüdischen und christlichen Glaubens“ die im mittelalterlichen Spandau nebeneinander gelebt hätten. Es stellt sich die Frage, warum nun ein Miteinander ausgeschlossen werden muss. Schon das benachbarte Berliner Beispiel des Judenhofs (es gab zwei davon, weshalb der eine nun der Große J. heißt) zeigt aber bereits, dass es sich nicht um ein “Ghetto” im Sinne romantischer Antisemiten handelte, sondern um einen von Juden so gewünschten Eruv. Aber wer interessiert sich schon für die jüdische Perspektive jüdischer Geschichte?

* * *

Der mittelalterliche Friedhof in Spandau, seit 1314 urkundlich nachweisbar und als „Spandauer Judenkiwer“ (man vermutet eine Ableitung von hebr. קבר – kewer = Grab) bekannt, befand sich wie vermutet wird auf dem Gebiet Hasenmark genannten nördlich des alten Spandau. Eine Reihe der Grabsteine wurden von den Christen nach 1510 als Baumaterial missbraucht. Heute sind 75 bei verschiedenen Bauarbeiten gefundenen Steine und Fragmente im Keller der Bastion Königin in der Spandauer Zitadelle erhalten. Als ältestes Fundstück gilt der Grabstein des ר יונה בר דן (Rabbi Jona ben Rabbi Dan), bei dem offenbar nur glatte Flächen beschrieben wurden. Zu seinem Tod ist angegeben שהלך לעולמו בירח מרחשון ה לפרט, … der zu seiner Welt ging im Monat Marcheschwan, 5 nach der Zählung. Deutet man die (vollständige?) Angabe als Jahreszahl 5, d.h. als 5005, so entspricht das Datum etwa dem Oktober 1244. Ein weiterer Stein wurde einem ר בנימיו בר מרדכי (Rabbi Binjamin ben Rabbi Mardechai) gewidmet, der im am 27. Tamus des Jahres 44 (= 5044) starb, was nach christlichem Kalender dem 12. Juli 1284 entspräche. Ein anderer ist רבקה בת יהודה (Riwka bat Jehuda) gewidmet und stammt womöglich aus dem Jahr 104 (= 5504, bzw. 1344). Der jüngste Stein der Sammlung wird auf das Jahr 1474 datiert.

 

 

* * *

Von A nach B

Über mittelalterliche Juden aus Berlin ist abgesehen von nicht weiter systematisierten Grabsteinfragmenten und dort genannten Namen wenig bekannt. Ins mittelalterliche Augsburg führt eine Spur zu ר קלמן יוסף מי עיר קולין was wahrscheinlich als Cölln und nicht als Köln (קלן) zu verstehen ist, der im Jahre 1331 von dort kommend auch als Händler in Augsburg in Erscheinung trat. In jener Zeit war Brandenburg im Besitz des Wittelsbacher Kaisers Ludwig dem Bayer, der dort seinen Sohn als Herrscher einsetzte. Kaiser Ludwig hatte recht gute Beziehungen zu den Führern der jüdischen Gemeinde in Augsburg, die ihm immer wieder stattliche Summen liehen und ihn so erlaubten, sich in Szene zu setzen. Bei einer Gelegenheit verpfändete er dafür sogar seinen Sitz München. Es ist deshalb plausibel, dass Kalman Josef in diesem Zusammenhang von Berlin nach Augsburg kam, offenbar um von dort Waren, darunter auch Wein nach Berlin zu liefern. Ob es der einzige Zweck seines Aufenthaltes war, ist unklar, aber eine leichte Reise wird das damals nicht gewesen sein.

Auch die neuere Berliner Gemeinde hat Bezüge zum schwäbischen Judentum. Zu den ersten Juden, die 1670 der Einladung des Brandenburger Kurfürsten folgten gehörten Hirschel und Abraham Ries, die aus Wien kamen, aber wie der Name schon sagt, aus dem Ries stammten. Aus ihrer Ansiedlung und der ihrer Kollegen ging die größte jüdische Gemeinschaft hervor, die um das Jahr 1930 über 150.000 Menschen umfasste.

* * *

Quellen:

Michael Brocke – “Die hebräischen jüdischen Grabmale in Spandau 1244-1474“, in: Ausgrabungen in Berlin. Forschungen zur Ur- und Frühgeschichte, Berlin 9 (1994)

wikipedia

Besuch vor Ort

 


Scenes from Berlin

November 5, 2012

 

Fernsehturm am Alexanderplatz mit Teil der sog. Weltzeituhr

Hackescher Markt abends mit Fernsehturm

Berliner Dom mit Fähre

Rotes Rathaus Berlin

Hackeschen Höfe Berlin

Marienkirche mit Fernsehturm

Schwarz-Rot-Gelb: Deutsche Mülltrennung in Berlin Weißensee

Quadriga, Brandenburger Tor Berlin

Reichstag Berlin

Pause: Berliner Bär am Brandenburger Tor

Holocaust Mahnmal Berlin

Kanzleramt Berlin

sieht aus wie ein Obama-Denkmal, ist aber Axel Springer gewidmet

Überreste der Berlin Mauer an der Axel Springer Straße

vor der Synagoge in Rykestr. Berlin

Synagoge Oranienburger Str. Kuppel mit Türmen

Grabmal des Malers Max (Mosche b Elieser) Liebermann

See: http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Liebermann

Gedenken an den im Alter von 20 am Alexanderplatz totgeschlagenen “Jonny K.” (Oktober 2012)

Souvenirs: Berliner Bären

Aussichtsplattform Mittelalterliches Berlin am “Großen Jüdenhof”

Archäologische Ausgrabung am Platz des mittelalterlichen “Großen Jüdenhof” (eruw)

Rotes Rathaus mit Fernsehturm vom Großen Jüdenhof aus gesehen


Jewish Museum Berlin

October 31, 2012

While many people today compare stories you tell them from your own experience with episodes they have seen in a movie or TV series, modern museum concepts try to explain the relationship between experience and museums. As a key institutional space of modernity  museums currently increasingly appear as active operator. You no longer just have to enter an usual room with some more or less precious samples in show cases or behind barriers. Modern concepts include interaction, audio-guides, videos, computers, screens and other touchable items you can grasp with your hands, in order to make as many different sensual “experiences” as possible. Maybe the way you know from a ghost train at funfairs.

When it comes to the question of how to organize a Jewish museum the problem to deal accurately with it obviously already is the requirement to deal accurately with it. Since for most Gentiles Judaism in one way or another is connected with the Holocaust, a Jewish Museum obviously is no funfair matter, although some ghosts are still haunting in many attics. One way to get over the known dilemmas for two decades or so was to use architecture and its forms as key element of a modern museum concept. Thus exhibition premises as well as individual showrooms, their furnishing, technical equipment, illumination, etc. have become at least as important as the actual exhibits.

If teenagers who grow up with umpteen sequels of “scary” movies and smart phone videos of bullied classmates are bored to look at poster sized black-and-white photos of murdered Nazi victims, let them enter a narrow, dark and rather frigid concrete tower which will leave on them the sensation of  “hopelessness” and “desperation”. At least that is what was the “master plan” in Berlin at the new “Jewish Museum” and since there is no intention to learn anything from jewish culture and tradition, that apparantly “works”.

The idea of the former Israeli director of the museum Amnon Barzel (born 1935) to use the museum as an instrument to portray German history from a Jewish standpoint, instead of the usual Gentile perspective on Jewish clichés, items and exhibits, was rejected. With Polish-Jewish architect Daniel Libeskind whose main aspect in architecture is “the experience” and Berlin born Werner Michael Blumenthal, (former Secretary of the Treasury under President James Carter from 1977-1979 and since 1997 successor of dismissed Barzel), who said at the opening the museum was “not for Jews but for Germans” the project broke out in another direction.

The Jewish Museum of Berlin, inaugurated two days before „9/11“ in 2001 is best known for its remarkable zigzag design, which is interpreted as “Blitz” by one or as “broken Star of David” by another, but actually also equals the more or less likewise random route of the Berlin Wall in the center of the town, which you can still take notice of on Berlin roads signed by marks. The makers of the federal museum obviously also felt some kind of connection and maybe therefore integrated a “Checkpoint Charlie” entry, where as visitor of the museum you will be treated like a terror suspect by the employees of a private security company.

You have to put all your baggage, such as backpacks, purses or handbags on a conveyor belt which takes it to a x-ray like apparatus. Next you have to undress your jacket and overcoat, because it also has to be roentgenized. Now you have to pass a security door system, which of course suddenly peeps as if you was leaving a supermarket or library with demagnetized items. No need to be embarrassed here, because it is just your key in your trouser pocket as one of the four security agents who are occupied with you instantly finds out with his hand held metal detector. He requests you to show the content of your trouser pocket. It is a bunch of keys. He looks fleetingly at the keys and asks you to put them in small plastic container one of his colleagues sticks toward you. Why? Because also your keys are x-rayed and you starting to worry whether this are reasonable security measures or harassments. And indeed your key does not contain any weapons as you know them from James Bond movies. But the hand probe of the security man now detects another peep worthy violation: your wallet in the other trouser pocket. Since Euro-Cent coins are mainly made from steel (covered by a copper alloy) there of course is another potential reckless endangerment. It is hard to imagine what kind of malicious insidiousness actually may fit in a flat fingernail sized 1-Euro-Cent coin, but of course the German saying goes” Ordnung muss sein”. Finally you pass all the examinations and you get your personal belongings back. Since it is no secret that there are terrorist attacks against Jewish facilities or others which they regard as such, you already accepted the procedure as a bit annoying and surely exaggerated – but maybe in some respects also as necessary. After all we know that from airports and the like. You received a thorough examination and usually that is the end of that! But not so in the zigzag-museum.

Although your belongings were checked and x-rayed by a number of people and probes, you are not allowed to carry any of it with you. In contrary there are no lockers which you can use to put your bags in. Every library or backwoods museum in Germany has lockers where you insert a coin and get personal key. Not so at the Jewish Museum in Berlin, where they have a checkroom instead with a number of additional personal from the same security company. They tell you that is not your decision what you may carry with you. You have to hand out your bags of course but also your jacket and overcoat. Why? The onset of winter outside and the concrete structure of the building of course do not warm up. Additionally a sign at the wall says that they assume not any liability for your belongings. Although half a dozen or more people treated you like a kind of criminal or terror suspect because as a Jew you wanted to visit the stately “Jewish” museum, in contrary you are requested to trust them, resp. to accept the possibility that your belongings will be lost.

Well, of course actually it was better to leave, but since you already have your ticket, you just ponder whether it was easier to get your money back or to “continue” with the exhibition. Of course you prefer the later. The permanent exhibition of the museum now promises to depict “two thousand years of German-Jewish history”. That sounds good, but unfortunately just is an advertising gimmick.

The first item of the exhibition is a replica of a small shard fragment of a late antique oil lamp with the partly survived emblem of a menorah on it. The original was found in the city of Trier and was dated “4th century”. Similar findings are known also in Augsburg or in Switzerland. Depending on whether you regard it as the beginning or end of the century the small replica remarkably already covered three or four hundred years of “German-Jewish history”. The next item was another replica of two figurines we already knew from Bamberg where we had seen a copy at the façade of the Cathedral and the original inside the church: two female statuettes which depict “ecclesia” (church) and “synagoga” (synagogue), which are dated about the middle of 13th century. The Berlin Museum now has a snow white plaster cast of the figures. Before you could turn around you already have left 1250 of the 2000 years of German-Jewish history behind you. Next there are some gimmicks like a huge hinged garlic bulb which represents the medieval Jewish communities of Speyer, Worms and Mainz. The Hebrew initials of the names frame the word “shum”, which actually means “garlic”, but it also means “nothing”. It is a common phrase in Hebrew to answer questions like “is anything wrong?”, “what is happening?” or “do you want to bring any weapons of mass distraction into the museum?” with “shum davar!”, what means “nothing at all” or “forget it!”

Soon after that you will be in the Baroque period, introduced by the famous “memoirs” by Glückel of Hameln (זיכרונות גליקל האמיל,see: http://en.wikipedia.org/wiki/Gl%C3%BCckel_of_Hameln), written about 1700. Actually the exhibition of the museum rather deals with the history between 1700 and 1945, two and a half centuries of modern Jewish German history, which of course rather is portrayed from the standpoint of the Gentile perspective. The pretention to represent “two thousand years” of history is misleading. In the same way it has not that much to do with Judaism, rather with some more modern day Jewish individuals whose roads of life are portrayed as far they were on the move on “common ground”. To put in a nutshell: sort of German-Jewish assimilation history over two and half century until the rise of the Nazi party who tore everything to shreds.

The museum concept is “between the lines”. So the architecture, especially the façade is characterized by crossed lines or let’s say by different kinds of crosses (The part of Berlin where the Museum is is called Kreuzberg,that means “Cross-Mountain”… ). A concrete building covered by zinc-coat sheets with cross windows of course does not represent the “openness” architect Libeskind was pretending. It is cold and impersonal, oversized and obtrusive. But as we know this comes not by accident but is part of the exhibition idea, which is to impress people rather by the architecture than by the exhibits (or replicas).

Double-cross window at Jewish Museum Berlin

Double-cross emblem in “Great Dictator” (wikipedia)

Double cross also is a phrase meaning to deceive by double-dealing, but there is no need to over-intellecualize the matter, since there also are a number of empty spaces called “voids”. One called “memory void” has some 10.000 (nobody wants to examine the figure) “faces” of steel, which are distributed on the ground of a narrow, some 60 feet tall “room” of uncovered concrete walls. The masks or “faces (as they put it) represent “the victims” – which one is unclear, but a number of sources say that a bit more than ten thousand Jews were killed by the Nazi. You can see there many visitors walking on the masks (or: “faces”) in order to listen the “sound” when they clang. A funny experience for school classes obviously. So they may “experience” what it is like … to jump on the faces of victims. Another “void” is the so called “Holocaust-Tower” (there is no explanation what actually is a holocaust – tower, the name obviously speaks for itself. Does it?). It is another rather pointy and high concrete room which now is complete dark – at least you have the impression until your eyes realize a small window at the ceiling. There, as we heard from leaving teenagers “you can feel the holocaust”. Isn’t that the experience Jewish museums urgently want to convey? Where else you can get such an “experience” for so little money?

one of the lower ten thousand


Das Jüdische Museum in Berlin

October 30, 2012

Das jüdische Museum, eine Stiftung des öffentlichen Rechts des deutschen Staates, in Berlin wurde am 9. September 2001 eröffnet. Die Konzeption des Museums sah vor, abseits vom “dominierenden Holocaust” jüdische Geschichte in Deutschland in den zwei Jahrtausenden davor zu vermitteln. Wahrscheinlich wählte man deshalb auch einen 9.9. anstelle eines sonst üblichen 9.11. als markantes Datum zur Eröffnung, ohne zu ahnen, dass zwei Tage später ein neues, weit populäreres Datum entstehen würde. Bei der Eröffnung in Anwesenheit von Bundespräsident Rau und Kanzler Schröder betonte Werner Michael Blumenthal (geb. 1926, von 1977 bis 1979 Finanzminister der US-Regierung unter Präsident James Carter und seit 1997 Leiter des Berliner Museums) das Jüdische Museum sei „kein Museum für Juden, sondern für Deutsche“. Eine Aussage, für die er teilweise heftig kritisiert wurde, da eine solch „strikte Differenzierung“ zwischen Juden und Deutschen bei manchen doch unangenehme Gefühle oder auch Erinnerungen weckte. Andererseits ist der Anteil deutscher Staatsbürger unter den in Deutschland lebenden Juden sicher auch heute noch deutlich unter zehn Prozent. Zum zehnjährigen Jubiläum, im September 2011, wertete Blumenthal das Museum als „Erfolg“ und wies darauf hin, dass es bereits 7.5 Millionen zahlende Besucher hatte. Wer, so Blumenthal, hätte sich das träumen lassen?

Ganz so überraschend war der Zuspruch dann nun aber nicht, wurden im Vorfeld doch bereits inhaltliche Faktoren, die hätten stören können, ausgeklammert. Im Sommer 1994 war als Blumenthals Vorgänger der Kurator und Kunsthistoriker Amnon Barzel (אמנון ברזל, geb. 1935 in Tel Aviv) zum Leiter des im Bau befindlichen Museums bestimmt worden. Mit seiner Konzeption, die vorsah, dass ein jüdisches Museum in Deutschland die allgemeine Geschichte aus jüdischer Sicht darstellen sollte und nicht, wie sonst die jüdische Minderheit aus der Fremd-Perspektive der „Mehrheitsgesellschaft“, konnte Barzel jedoch keinen Anklang finden.

Wohl um das Gesicht zu wahren, verständigte man sich deshalb auf einen Nebenkonflikt über die prinzipielle Eigenständigkeit des Museums in finanzieller und verwaltungstechnischer Hinsicht. Barzel wurde 1997 entlassen und die Aufmerksamkeit verschob sich von der inhaltlichen Konzeption auf die allgemein als „eigenwillig“ aufgefasste Architektur des Baus. Dieser wurde bereits 1989 geplant und von 1992 bis 1999 durch Daniel Libeskind (geb. 1946) ausgeführt. Die Vorgabe der staatlichen Bauherren verlangte ein „Museum und Mahnmal zugleich“. Der in Lodz geborene Architekt, dessen Credo lautet, dass es bei Architektur vorallem auf das „Erlebnis“ ankomme, nannte seinen Entwurf für das Projekt entsprechend „Between the Lines“, zwischen den Zeilen. Die Kritik, dass die eigenwillige Form des Museums dessen Funktion beeinträchtige, wies der 2010 in Augsburg mit der „Buber-Rosenzweig-Medaille“ ausgezeichnete Architekt zurück. Ganz im Gegenteil sei der Bau absichtlich so konzipiert, dass ab und an kein Platz für Ausstellungen vorhanden sei. Die so entstehende Leere symbolisiere so ja auch den Holocaust, bzw. das durch „ihn“ vernichtete Leben. Auch der bis heute noch überall anzutreffenden Interpretation des Baus als „zerbrochenen David-Stern“ widersprach Libeskind früh und konstatierte, dass diese grundfalsche Ansicht von Leuten vertreten werde, die „die Offenheit und Zeichenlosigkeit meiner Architektur nicht ertragen“ könnten. Der Museumsbau in der Lindenstraße ist jedoch keineswegs von Offenheit geprägt. Seine Fassade ist deshalb auch nicht aus Glas, vielmehr verdeckt graues Zinkblech den ebenfalls grauen Betonbau. Mit “Offenheit” hat dies rein gar nichts nichts zu tun. Auch ist die blecherne „Außenhaut“ alles andere als „zeichenlos“, sondern wie Gestaltungselemente innerhalb und außerhalb des Gebäudes geprägt von Linien, die sich immer wieder, meist in spitzen Winkeln kreuzen, manchmal auch mehrfach.

Die Dominanz der Kreuze, darunter auch Fenster in Form rechtwinkliger Kreuze, hätte sicher gut zu einem modernen christlichen Museum gepasst, ist womöglich aber auch nur eine mehr oder minder geistreiche Reminiszenz an den Standort des Museums im Berliner Stadtteil Kreuzberg.

Manche der gekreuzten Linien werden nun aber – wie bereits der Grundriss des Neubaus –wieder als Bruchstücke eines „David-Sterns“ gedeutet, wohl aus einem Bedürfnis heraus, diesen Stern, der kein eigentliches „Symbol“ des Judentums, sondern des modernen politischen Zionismus ist, entsprechend wahrzunehmen. Seit über hundert Jahren repräsentiert der „Stern“ das jüdische Volk und den Zionismus und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Vor den zionistischen Kongressen ab 1896 ist er auch nur sehr selten auf jüdischen Grabsteinen zu finden, erst ab den 1920er Jahren wird er einigermaßen geläufig. Der Grundriss des Gebäudes in ungleichmäßigen Zickzack-Linien (ob nun beabsichtigt oder nicht) sollte eigentlich aber, zumindest in Berlin, an den zuweilen nicht minder „eigenwilligen“, im Zentrum sog. recht ähnlichen Verlauf der Berliner Mauer erinnern, die über Jahrzehnte die Stadt teilte. An vielen Stellen sind diese Demarkationslinien auch im Straßenbild nachgezeichnet. Aber was hätte das jüdische Museum in Berlin mit der Berliner Mauer zu tun? Folglich ist es für viele naheliegender, sich einen „Blitz“ vorzustellen, vielleicht weil ein jüdisches Museum in Berlin einem Blitzschlag gleichkommt. Wer weiß. Wie auch immer, gibt es den Zickzack-Bau im Museum-Shop zu kaufen, in Miniatur versteht sich, für 9.90 Euro im Maßstab von 1:300 (das sind ca. 50 auf 20 cm, bei 7 cm Höhe) als Bastell-Set mit vier Bögen, im „einfachsten Schwierigkeitsgrad“, also „kinderleicht“, d.h. ohne Blech und Beton, natürlich aber auch ohne Inhalt.

Jüdisches Museum Berlin: Hochspannung – Lebensgefahr

Im Original ist das Museum hingegen unterirdisch mit dem schmalen, außen abseits stehenden, unbekleideten hohen Betonbau verbunden, den man „Holocaust-Turm“ nennt (ohne zu erklären, was das nun wieder eigentlich sein soll). Der „Verzicht“ auf die Blech-Fassade soll hier „Hoffnungslosigkeit“ und Sinnlosigkeit“ vermitteln, was – gar keine Frage – zumindest von außen betrachtet auch grandios gelungen ist. Aber auch im Inneren gibt es kaum etwas zu sehen, da das spitze und hohe Betonkonstrukt unbeleuchtet und fast komplett dunkel ist. Nur ein kleines Fenster ganz oben lässt etwas Licht ein. Das merkt man, wenn man dort etwas verweilt und die Augen sich daran gewöhnen. Dem Besucher soll sich auf diese Weise (die von angeblich von „den“ Juden empfundene) „Ausweglosigkeit“ vermitteln (Stimmen vorbeihuschender Schüler-Gruppen, zitierten auch, dass man dort „den Holocaust fühlen“ kann, … man stelle sich vor! Also wenn das mal kein “Erlebnis” ist, …!), doch begegnet einem die Ausweglosigkeit eigentlich bereits beim Eintritt in das Museum durch den 1735 entstandenen Barockbau (ehem. Kollegienhaus) des Berliner Museums, der bereits 1993 von Libeskind umgebaut wurde. Zwar ist das Zickzack-Gebäude entlang seiner Mittelachse insgesamt etwa 360 Meter lang und verfügt über mitunter 20 m hohe, kahle Räume, doch bleibt trotzdem wohl zu wenig Platz übrig, zumindest für persönliche Dinge, da man nur Dinge mitnehmen darf, die in eine kleine weiße Plastiktasche passen. Diese (deutsche?) Einheitstüte erhält man an der verpflichtenden Garderobe, nachdem man die Sicherheitsschleusen mit Metalldetektorrahmen und das mit sog. Handsonden ausgestattete Museums-Personal passiert hat.

Checkpoint Mordechai” – kein Verdacht wenn man trotzdem lacht ..?

Gegenstände aller Art

Das ist auch wegen der Menge an Wachleuten (ob das früher Grenzkontrolleure waren?) nicht einfach, denn zunächst müssen Taschen, Rucksäcke auf das Band gelegt werden, danach muss man Jacke oder Mantel ausziehen (Schuhe nicht), die ebenfalls durchs Band laufen und von einem Wachmann am Bildschirm beobachtet werden. Man selbst wird nun durch ein kleines Tor gebeten, dessen Detektoren sofort bemerken und umgehend akustisch vermitteln, dass man Metallisches mit sich führt. Es piepst schrill und aufgeregt, so wie im Supermarkt oder in der Bücherei, wenn jemand etwas bei sich hat, was nicht gescannt wurde. Man fühlt sich ertappt wie ein Dieb. Aber nun ja, klar, es ist der eigene Schlüssel in der eigenen Hosentasche. Das vermutet wohl auch der dritte Wachmann, der mit seiner Handsonde an der Hosentasche entlang fährt und in bestimmtem Ton dazu auffordert, den Inhalt auszuleeren. Berühren will er den Schlüssel nicht, sondern fordert dazu auf, ihn in einen kleinen Plastikbehälter zu legen, der nun ebenfalls auf dem Laufband „geröntgt“ wird. Gewiss um sicherzustellen, dass sich im Schaft der einzelnen Schlüssel keine Boxhandschuhe oder Sprengstoffgürtel befinden. Damit hat es sich natürlich noch nicht, denn in der anderen Hosentasche befindet sich die Geldbörse, mit Münzen (vieleicht sind 1 und 2 Euro-Cent-Münzen ja auch deshalb zu 95 % aus Stahl) und einem weiteren Schlüssel, usw. Schließlich darf man seine siebenundsiebzig Sachen wieder haben und Jacke und Mantel wieder anziehen. Ein gewisses Verständnis hat man für die Prozedur, da es bekanntlich Organisationen und verrückte Individuen gibt, die durchaus dazu in der Lage sind, „jüdische“ Einrichtungen oder solche die sie dafür halten, mit Sprengstoff und anderen Waffen anzugreifen, auch wenn Anschläge auf Museen wohl nicht vorkommen. Auch am Flughafen nehmen wir derlei Kontrollen gewohnt und achselzuckend auf uns, da sie auch unserer eigenen Sicherheit dienen. Immerhin kann man ja danach ins Flugzeug, in der Überzeugung, dass alles geregelt ist. Nicht so im Zickzack-Museum, wo weitere Wärter an der schwarzen Treppe die zur Dauerausstellung hinab führt, in forschem Ton gar keinen Zweifel daran lassen, dass die persönlichen Dinge, die man bei sich trägt, und dazu gehören Taschen, aber auch Jacken und Mäntel, die eben erst durchgeleuchtet und ausgeforscht, analysiert und begutachtet wurden, nicht erlaubt sind, den Eigentümer in das eigentliche Museum zu begleiten. In der Tat wäre es auch praktisch, wenn man die mitgebrachten Taschen in einem Schließfach abstellen könnte. Das klappt landauf, landab in allen möglichen Museen, Bibliotheken und sonstigen vergleichbaren Einrichtungen, selbst in der Provinz, im jüdischen Museum in Berlin ist eine solche Lösung jedoch nicht vorgesehen. Die Vorstellung, dass aufwendig durchleuchtete Besucher ihre Taschen selbst in ein Schließfach stellen können, muss für jene, die sich das offensichtlich auf bloße Machtdemonstration ausgerichtete staatliche Sicherheitskonzept ausgedacht haben, eine Bedrohung sein.

Nun also der Hinweis auf „die Garderobe“. Dort erklärt jedoch ein Hinweisschild, dass für Jacken, Taschen und Mäntel, die man dem Personal abgibt, keine Haftung übernommen wird. Das heißt „zwischen den Zeilen“: Kommt etwas abhanden, ist es eben weg. Pech gehabt. Aber wie sollte man bei der bisherigen Behandlung durch den inzwischen vielleicht schon zehnten Inspekteur selbst auch auf die Idee kommen misstrauisch zu werden? Man kann ja auch wieder gehen, wenn es einem nicht gefällt und vielleicht bekäme man nach langen Diskussionen auch das Eintrittsgeld wieder zurück. Vielleicht auch nicht.

Aus journalistischer Neugier, aber auch aus zeitgenössischem historischen Interesse, lassen wir uns trotzdem darauf ein, unsere mitgebrachten Utensilien in den Fängen der Garderobenpolizei zu belassen und uns ohne Jacken und Mäntel im etwas kühlen Betonbau zu bewegen, bevormundet und fremdbestimmt. Dass sehen aber womöglich längst nicht alle Besucher als problematisch an. Man vermittelt ihnen ja auch den Eindruck, dass  das irgendwie dazu gehört, so wie das Ausziehen der Schuhe beim Betreten einer Moschee. Wie gesagt hatte aber der Direktor des Museums ausdrücklich betont, dass es sich nicht um ein Museum für Juden, sondern für Deutsche handelt. Mit den jährlichen Basisenergiekosten von über sechshunderttausend Euro pro Jahr spart das Museum offenbar aber nicht nur mit dem Einsatz von LED-Beleuchtung und „moderner Lüftungstechnik“. Nach dem pauschalen Terror-Verdacht ist ein leichter Kälteschauer bei äußerlich bevorstehendem Wintereinbruch ist sicher auch ein eingeplanter Effekt im Rahmen der „Erlebnis-Architektur“. Durch die schwarze Treppe gelangt man nun nach unten, nicht zu einer Gruft, wohl aber zu Ausstellungen, die in verschiedenen Räumen über andere Museen und Konzepte, etwa in Brüssel, Kapstadt oder Haifa informieren, ehe man nun wieder steil nach oben steigen kann zur Dauerausstellung. Man kann dafür zwar auch einen „Lift“ benutzen, aber nach dem äußerst unsympathischen Auftakt spricht nichts dafür, derlei Annehmlichkeiten zu beanspruchen, da man das Gerät womöglich nur in Unterwäsche benutzen darf.

Die Ausstellung sei aus der Sicht mancher Kritiker zu wissenschaftlich, aus der Sicht anderer nicht wissenschaftlich genug, kann man nachlesen. Das soll gegenübergestellt sicher suggerieren, dass „man“ es ja ohnehin nicht jedem recht machen kann und dass „die Wahrheit“ bestimmt irgendwo in der Mitte liegt, vielleicht aber ja auch zwischen den Zeilen, in einem spitzen Winkel, in einer versteckten Ecke oder in einem der zahllosen Kreuze. Viele – vor allem auch jüngere – Leute atmen hörbar erleichtert auf, wenn sie bemerken, dass „das Judentum“ nun einmal nicht auf „den Holocaust“ reduziert wird (als hätte „es“ damit jemals irgendetwas zu tun gehabt …), freilich zum Preis, dass zahlreiche andere, weit ältere Klischees bedient und wiederbelebt werden.

Die Proklamation von „Zwei Jahrtausenden deutsch-jüdischer Geschichte“ ist genaugenommen jedoch nur ein Werbegag. Die Ausstellung beginnt so auch nicht um das Jahr 12 des christlichen Kalenders, sondern erst mit der Replik des Bruchstücks einer spätantiken Öllampe (in Augsburg hat man sich zum ortseigenen Vergleichsfund wenigstens noch die „Mühe“ gemacht, neben dem Fragment eine Rekonstruktion zu „wagen“, aber dafür fehlten in Berlin offenbar die finanziellen Mittel …), die in Trier gefunden wurde und etwas nebulös (weil hundert Jahre umfassend) auf das „4. Jahrhundert“ datiert wird. Die ersten 3 bis 4 Jahrhunderte sind mit der Replik der Terrakotta-Scherbe dann auch bereits abgedeckt. Das passiert ganz nebenbei und ist durchaus beachtlich, verhieß letztlich aber nichts Gutes für das inhaltliche Niveau der weiteren Ausstellung. Dort geht es dann auch weiter mit einem Kunststoffbaum mit Granatäpfeln , wobei einige seiner Früchte durch Smartphones ersetzt wurden, die auf ihrem Display eine Abbildung zeigen, origineller Weise die eines … genau: Granatapfels. Ob damit I-phone und Co. als Früchte der Erkenntnis dargestellt werden (die im Inneren vielleicht einen Etrog-Chipsatz verwenden?) oder ob es sich um ein Relikt einer früheren „Grünen Woche“ handelt, ist unklar, und ist auch von den umstehenden Führungskräften nicht zu erfahren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass damit die Lücke bis zum nächsten Ausstellungsstück überspielt werden soll. Und schon fällt der Blick auf zwei weiße Gipsabdrücke der „Ecclesia“ und „Synagoge“ genannten Frauenfiguren. Wir erkennen sie wieder, da wir sie bereits in Bamberg gesehen haben, wo sie an der Fassade des Doms und nochmals im Original in der Kirche ausgestellt sind. Auch hier sind der Ecclesia die Arme abhanden gekommen, was sie nach modernem Verständnis als schwerbehindert ausweist. Das Original des Bamberger Figurenpaars wird gemeinhin in die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert, weshalb wir nun also nach wenigen Metern bereits zwölfhundert der zweitausend Jahre deutsch-jüdischer Geschichte mittels Kopien von Bruchstücken absolviert haben. Die noch immer frischen Erinnerung an die groteske Behandlung durch das Sicherheitspersonal lassen vermuten, dass man die Besucher womöglich deshalb so sorgfältig „filzt“, weil man hofft, auf diese Weise die inhaltliche Leere schließen zu können.

Als nächsten Gimmick hatten sich die Planer eine etwa halbmetergroße (!) Knoblauchknolle ausgedacht, die sich in drei Teile aufklappen lässt. Auf diese Weise sollten die drei Städte Speyer, Worms und Mainz dargestellt werden, die sich in ihrer mittelalterlichen Schreibweise hebräisch als „שום“ abkürzen ließen. Die einzelnen Buchstaben des Kürzels sind etwa drei Meter hoch an einzelnen Wänden ausgestellt. Richtig, als Wort gelesen bedeutet „schum“ bekanntlich tatsächlich „Knoblauch“, sprichwörtlich heißt es aber auch „nichts“, „schum-dawar“ (שום-דבר) „rein gar nix“, „nicht der Rede wert“. Das sagt man, wenn man gefragt wird, ob einem etwas fehlt, ob man Lanzen, U-Boote, Schweizer Messer oder digitale Abbildungen von Etrog-Früchten bei sich trägt … oder etwas im Souvenir-Shop kaufen möchte: schum-dawar. Für die Zeit, in welcher bereits eine lokale jüdische Geschichte erwähnenswert wäre, sind nun weitere Kunststoff-Repliken von Fenstern und Grabsteinen ausgestellt, eine übergroße Schwarzweiß-Abbildung des Grabsteins des Maharam („Meir von Rothenburg“, gest. 1293) und nach wenigen weiteren Schritten vorbei an Urkunden des Jahres 1300 ist man tatsächlich bereits im Barock gelandet, genauer gesagt bei Glückel von Hameln (1646-1724) und ihren jüdisch-deutschen „Memoiren“ aus dem Jahre 1710, die mit „dem Barock“ an sich wenig zu tun haben. Danach ent-schleunigt sich das rasante Tempo der Ausstellung, die trotz einiger übergroßer Installationen 1700 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland auf wenige Meter reduziert. Andernfalls wäre man ja auch schon gleich bei den Nazis angelangt und stünde auch gleich wieder am Ausgang. So geht es nun aber weiter mit einem Fischpräparat des Marcus Bloch (1723-1799) und mit Moses Mendelssohn (1729-1786), der ab 1742 in Berlin wirkte und später am Friedhof in der Großen Hamburger Straße begraben wurde.

Je mehr sich die Geschichte nun der „Moderne“ zuwendet, um so kleiner werden die Abstände und vielfältiger die Ausstellungsstücke. Immer wieder gibt es Abbildungen und Gegenstände in Vitrinen, etwa Uhren, Tassen, Gemälde, aber auch kleine Exkursionen, mittels welcher „jüdische Ritualgegenstände“ wie Tora-Zeiger und Kerzenleuchter, Tora-Rollen oder Beschneidungsmesser erläutert werden oder mittels Schubfächern und Bildschirmen Hintergrundinformationen vermittelt werden sollen. Ein von Polstern umgebener Bildschirm mit dem  Doppelnamen „Das Ding / The Object“ beispielsweise erklärt, was nun eigentlich Hostien (sicher sehr wichtig um “das Judentum” zu verstehen) sind und erläutert sie falsch als „Opferlamm“, obwohl das lateinische Wort genaugenommen „Schlachtopfer“ bedeutet. Wie dem auch sei, passte auch das eher in ein christliches Museum. Immer wieder sieht man kleine Gruppen, meist Jugendliche, die um einen Führer herumstehen, der ihnen bereitwillig ein Objekt oder eine Abteilung erklärt, jedoch genügt es, etwas hinein zuhören, um zu verstehen, dass zumindest an Klischees nicht gegeizt wird. Letztlich spricht auch dagegen nichts, da es ja kein Museum für Juden sein soll und dem Vernehmen nach ohnehin „die Architektur“ und ihr „Erleben“ im Vordergrund stehen. Das gelingt und die (Wissens-) Lücken gehören zum Konzept.

Was sind denn nun eigentlich Hostien? – Kein Problem, im Jüdischen Museum wird es erklärt, durch “das Ding”.

Es wäre jedoch redlicher ohne Etikettenschwindel von einem Museum zu sprechen, dass die letzten dreihundert Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland darstellt und zwar eben doch aus der Perspektive der „Mehrheitsgesellschaft“. Mit auf bloße Stereotypen und einige Versatzstücke reduzierten „Judentum“ hat das Museum ansonsten auch nichts zu tun. Dafür sind die Lücken viel zu groß und daran ändern auch gerade die sog. „Voids“ nichts, die das Zerstörte „symbolisieren“ sollen und die man „Leeren der Geschichte“ nennen könnte. Etwa die sog. „Memory Void“ von Menasche Kadischman (מנשה קדישמן, geb. 1932) mit dem eigenartigen Namen „שלכת“ (in etwa die Entlaubung im Herbst) im Erdgeschoss. Im natürlich spitz zugeschnittenen hohen Betonraum, auf den man von oben durch kleine Fenster heruntersehen kann, liegen auf dem Boden angeblich zehntausend stereotype Masken mit runden Augen-Öffnungen und einem angedeuteten offenen Mund. Sie sollen an „die Opfer“ erinnern. Die Frage ist an welche? Das Holocaust-Thema wollte man ja vermeiden und eine Opferzahl von „zehntausend“ zu behaupten – könnte nach deutscher Gesetzeslage sogar strafbar sein.

Wie zu beobachten ist, laufen eine Reihe der Besucher auf den „Gesichtern“ umher, vielleicht, weil sie es von zuhause so gewohnt sind oder weil, wie man nachlesen kann, eine Absicht des Künstlers auch gerade darin bestand, metallische Klänge zu erzeugen, wenn man sich auf den Schichten von Masken auf und ab bewegt. Angeblich gäbe dies den „Menschen“ ihre Stimme zurück. Diese stellte „man“ sich dann als eine Art blechernes, metallenes „Kling-Klong“ vor. Aber wer würde nach einer Weile nicht ebenso „klingen“, wenn man in einem Betonschacht läge und andere permanent auf den eigenen stereotypen „Gesichtern“ herum trampeln? Und warum dies nun eigentlich? Damit darauf stehende oder kniende Besucher Schnappschüsse für ihre facebook – Seiten machen können. Eine bleibende Erinnerung? Vielleicht vermittelt ja auch dieses einmalige „Holocaust-Gefühl“.

Zu Besuch beim Holocaust …

Wäre man nicht so erzogen worden, wie käme man nach dem Besuch dieses Museums darauf, dass Judentum letztlich nicht auf sinnentleerten „Symbolen“, sondern auf der Praxis der Lehren von Talmud und Tora beruht? Könnte man mittels Nachbildungen diverser Scherben, etwas Tafelgeschirr und Hüten und fixiert auf Hexenverfolgungen und Biographien einzelner christlicher Milliardäre, Fürsten, Künstler und Mäzene nicht auch den Sinn und Zweck der christlichen Taufe missverstehen? Gewiss. So misst sich der Erfolg des Museums an den Besucherzahlen – wie erwähnt sind das aktuell etwa eine Dreiviertelmilllion pro Jahr – auch, weil Besucher zahlen und sich in der Mehrzahl sicher auch ganz gerne ehrfürchtig durchsuchen lassen. Das hat zweifellos auch bereits Event-Charakter, weil es ja auch einen gewissen Nervenkitzel hat. Schließlich kann jeder noch nicht inspizierte Besucher einen Sprengstoffgürtel um den Bauch gebunden haben. Da fühlt man sich bestimmt wie ein echter Jude, der gefährdet ist, zugleich aber auch wie ein Araber, der per se als Terrorist verdächtigt wird – oder umgekehrt? Jedenfalls hat es, wie man beobachten kann, gerade auch für Schülergruppen offensichtlich einen Reiz, absehbar unzutreffend, wie ein Terrorverdächtiger behandelt zu werden. Wo sonst bekommt man das für Zwo-fuffzig auch geboten? Der alberne Kiddusch-Becher aus Plastik im Museums-Shop kostet hingegen schon 3.50 € und welchem Schüler reicht da noch das Geld für einen kleinen Plüsch-Teddy mit Kippa?

Im Museums-Shop: Plastik-Becher für 3.50 € und Plüsch-Bären mit Kippa

War es das? Ja, und: nein. Den Museumsmachern ist irgendwie doch klar geworden, dass ihr staatliches Auftragswerk nicht alle Einwohner der Stadt und des Landes anspricht. Da insbesondere wohl gerade auch muslimische Besucher zu fehlen scheinen, wenigstens solche, die bei der Leibesvisitation traditionelle Kleidungsstücke abzulegen hätten, planen und realisieren sie auf der anderen Straßenseite einen Erweiterungsbau. Dieser soll ein “islamisch-jüdisches Forum” bieten und sich mit Fragen der Integration befassen. Was damit gemeint ist kann man aus jüdischer Perspektive eigentlich nur raten – vielleicht gibt es Seminare, die vermitteln wie man Israel hassen kann, ohne als Antisemit zu gelten? Zweifellos wird es aber einer „nichtjüdischen“ Mehrheitsmeinung entsprechen.


Das „Holocaust“ – Mahnmal in Berlin

October 28, 2012

Memorial for the murdered European Jews with Brandenburger Gate, the US Embassy and the Reichstag (Bundestag) in Berlin in the background

Das neben der Botschaft der USA gelegene „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ von Peter Eisenmann (Newark, NJ, 1932) in Berlin unweit des Brandenburger Tors und des Berliner Reichstags ist die zentrale Holocaust-Gedenkstätte Deutschlands. Es wurde nach langen Planungen und zahlreichen Kontroversen auf einem 19.000 m² umfassenden Areal im Mai 2005 fertiggestellt und umfasst in 54 Nord-Süd und 87 West-Ost-Achsen insgesamt 2711 Betonquader in der Höhe weniger Zentimeter bis zu 4.7 Meter. Die einzelnen Betonquader wurden mit einem Anti-Graffiti-Mittel behandelt, das von der Fa. Degussa geliefert wurde. Während der Nazi-Zeit lieferte die Degussa Tochter „DeGeSch“ (Abkürzung für “Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung”, als “Schädlinge”, im Sinne von Insekten wurden Juden von Deutschen angesehen) das berüchtigte „Zyklon B“. Da man die Ansicht vertrat, dass Degussa seine Vergangenheit vorbildlich „aufgearbeitet“ habe, wurde der Bau entsprechend fertiggestellt. Nun, nach wenigen Jahren zeigen manche der Steine aber bereits deutliche Risse, was in einer bestimmten Weise sehr typisch ist für die “Technik des Diskurses” in Deutschland. Kaum eine absolute Wahrheit, die nicht nach wenigen Jahren bereits schon wieder widerlegt wäre.

Das Arrangement erinnert an den Grabplatz am Ölberg in Jerusalem. Nach traditioneller jüdischer Vorstellung wird der Messias dereinst über das Kidrontal von dort nach Jerusalem einziehen. Ob die Macher des Denkmals damit einen alternativen Ort vorschlagen wollten, ist nicht bekannt und auch nicht unterhalb des sog. „Stelenfeldes“ zu erfahren, obwohl sich dort ein fast tausend Quadratmeter großer „Ort der Information“ („Information Centre“), mit Ausstellungsflächen, Vortragsräumen und einem Buchladen befindet.

Ignatz Bubis, früherer Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, wies bereits darauf hin, dass Juden zur Trauer über die Ermordeten in ihren Familien das Denkmal nicht benötigten. Andere sprachen von einer „Monumentalisierung der Schande“  oder von Geldverschwendung. Doch wenn man zahlreiche Prachtbauten als auch Fehlplanungen alleine in Berlin berücksichtigt, nimmt sich das Denkmal recht bescheiden aus. Bevölkerung und Touristen haben sowieso ihren eigenen Umgang damit gefunden. Kindern und Jugendlichen dient das Gelände in erster Linie für Fang- oder Versteckspiele und das „Verbot“ die Quader zu begehen oder von einem zum nächsten zu springen, wird ebenso ignoriert wie das Mitbringen von Hunden oder das Rauchverbot. Trotzdem wirkt das Feld neben Reichstag und Brandenburger Tor, wo Besucher in Scharen flanieren und ab und an ein Autokorso mit Blaulicht wichtige Gäste in oder aus dem Regierungsviertel eskortiert, fast wie ein Ort der Ruhe.

נדרטה לזכר יהודי אירופה שנרצחו

Old things they are not forgotten


Neue Synagoge Berlin

October 21, 2012

Die sog. “Neue Synagoge” in der Oranienburger Str. der Spandauer Vorstadt in Berlin (Bezirk Mitte) wurde am 25. Elul 5626, wenige Tage vor dem Neujahrsfest des Jahres 5627 (September 1866) feierlich eingeweiht und galt mit seinen markanten “goldenen” Türmen seitdem als sichtbares Wahrzeichen des jüdischen des Berlins. Die Synagoge der Architekten Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler wurde von der liberalen Reformgemeinde genutzt, zunächst unter der Leitung von Rabbiner Joseph Aub (1804-1880), des Cousins des Münchner Rabbiner Hirsch Aub (1796-1875). In der Synagoge wirkte seit der Einweihung bis zu seinem Tod als “musikalischer Leiter” und Dirigent Louis Lewandowski (1821-1894), der maßgeblichen Anteil an der Neuausprägung des “deutschen” Reformjudentums und seiner von der jüdischen Tradition abweichenden kulturellen Entwicklung. In der sog. “Reichskreistallnacht” vom 9. auf den 10. November 1938 legten Nazis im Inneren der Synagoge Feuer, das jedoch durch das Einschreiten des lokalen Polizisten Wilhelm Krützfeld bald wieder gelöscht. Substantielle Schäden erlitt das Gebäude durch britische Bombardements Berlins im November 1943, bzw. durch den Missbrauch durch Nazis, die das Haus als Lager benutzten. 1958 wurde der größte Teil des Gebäudes abgerissen, um der drohenden Einsturzgefahr – die sich ohne Sanierung nun mal ergeben musste, Vorschub zu leisten.  Lediglich die Frontfassade und der Eingangsbereich blieb erhalten und dient seit 1994 als Museum (“Centrum Judaicum”), jedoch ist auch ein kleiner Betsaal vorhanden.

Neue Synagoge” Berlin – painting by Chana Tausendfels, 1999

פתחו שערים ויבא גוי צדיק שמר אמנים

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